Return of Whatever – Die Titelentscheidungen von Marvel Deutschland

Badesalz kennt wahrscheinlich außerhalb Hessens kaum noch jemand. Das dritte Album des Frankfurter Comedy-Duos, auf dem Höhepunkt ihres Erfolges 1993, hieß jedenfalls “DIWODASO”. Was wie Kauderwelsch wirkt, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als der Mittelteil eines Satzes: “Ich hätt gern die Platt von dene zwei, diwodaso Spass mache, habbe sie die?” – Wie schafft die Comedy das bloß immer, so prophetisch zu sein?

In diesem Fall prophetisch in Bezug auf die äußerst merkwürdige Titelpolitik von Disney Deutschland, bzw. Marvel Deutschland – oder welche Ebene dort auch immer die Entscheidungen trifft. Es geht mir nicht einmal um die pseudo-witzigen behämmerten Titel der Trickfilme, das haben andere bereits getan, sondern um die Betitelung der Marvel Cinematic Universe-Filme, die sich nur mit sehr viel Hirnverbiegung erklären lässt.

Ich weiß, ich sollte mich dazu gar nicht mehr äußern. Und es sei auch gnädig geschenkt, dass Thor: The Dark Kingdom überall außer in Deutschland Thor: The Dark World heißt. Laut Presseagentur steht ein Titelschutzproblem dahinter, wobei ich immer noch das Original-Werk suche, das den Titel versperrt. The Avengers hieß in Großbritannien auch Avengers Assemble um Verwechslungen/Rechtsstreitigkeiten mit gewissen beschirmten, charmanten Melonenträgern zu vermeiden. Sowas passiert.

Aber was bitteschön soll das?

© Walt Disney Pictures

Ich fand es ja von Marvel damals einen einigermaßen mutigen Move, überhaupt einen Captain-America-Film zu machen. Bei allem, was man darüber liest, wie wichtig die ausländischen Märkte für Hollywood geworden sind; in Zeiten, in denen für Iron Man 3 Extra-Szenen für die chinesische Fassung gedreht werden – macht man einen Film über einen Superhelden, der den “American Way” in die Welt trägt und der sogar Captain America heißt. Und dann macht man noch einen Film mit ihm, in dem er der Anführer der Avengers wird. Das hat schon was. Und bei all dem latenten und überhaupt nicht latenten Anti-Amerikanismus, der außerhalb Amerikas herrscht, ist es dann auch kein Wunder, wenn ein teutonisch angehauchter Film wie Thor in Deutschland 11 Millionen Euro einspielt und Captain America nur drei.

Aber kann man wirklich daraus schließen, dass man nur den Titel ändern muss, um diese Balance auszugleichen? Für wie blöd muss man sein Publikum halten, um davon auszugehen, dass es eher auf das Wort “Avenger” anspringt, als sich daran zu erinnern, dass der Typ mit dem Sternenschild in den Avengers mitgespielt hat? (Gibt es Leute, die Avengers zwar nicht gesehen haben, aber in den nächsten Film reinrennen würden, wo “Avenger” draufsteht?) Dass es sich eher an den Untertitel von Captain America erinnert (“The First Avenger”), als an den Haupttitel? Und warum überhaupt “Return”? Der Captain war doch nie weg …

Ich habe großes Verständnis für Marketing-Entscheidungen. Produkte sollen sich verkaufen und dafür muss der Kunde sie verstehen. Aber den Namen eines Filmhelden hinter einem dämlichen, umständlichen deutschen Titel zu verstecken, DER DANN NOCH NICHT EINMAL IN DEUTSCHER SPRACHE IST, da hört mein Verständnis auf. Wahrscheinlich könnte mir die Marketing-Abteilung von Disney Deutschland sogar zeigen, dass sie Tests mit verschiedenen Titeln gemacht haben und dass dieser bei den Publikumsschafen am besten ankam – aber dennoch: “DIWODASO” kann doch nicht die Lösung sein.

Ich bin entsetzt, dass ausgerechnet Disney, eine Firma, die sonst weltweit wie ein Luchs darauf achtet, dass ihre Marken erhalten bleiben – sich sogar als Studio eine eigene Übersetzungs- und Synchro-Division leistet – solche albernen Sperenzchen mitmacht, über die sich in ein paar Jahren noch alle mokieren und ärgern werden. Es wird doch wohl NIEMAND in der Zukunft diesen Film “The Return of the First Avenger” nennen. Es hätte ja nicht The Winter Soldier bzw. “Der Wintersoldat” sein müssen. Es hätte doch andere Möglichkeiten gegeben, und wenn es nur eine “2” gewesen wäre.

Bitte, Disney, bitte bitte bitte, packt den Zynismus ein und nehmt Vernunft an. Zeigt Integrität gegenüber euren eigenen Marken. Sie haben es sich verdient.

P.S.: Bonustrack

9 thoughts on “Return of Whatever – Die Titelentscheidungen von Marvel Deutschland”

  1. Ich hatte mich dazu ja bereits mehrfach geäußert. Warum schreibt man auf Filmplakate beispielsweise “vom Regisseur von Alien” aber nicht “Ridley Scott”. Weil der Zuschauer zum einen doof zu sein scheint, zum anderen lässt man damit eine Erlebniswelt anklingen. Und an Avengers können sich aufgrund der Besucherzahlen deutlich mehr Zuschauer erinnern als an Captain America. Aus Marketingsicht finde ich es absolut nachvollziehbar.
    Zudem ist “The Return of the First Avenger” bereits ein etablierter Titel eines Kinder-Lernlesebuchs, siehe http://goo.gl/hcDkt4 :-)

    1. Ich hoffe, dir sind die relativierenden Aussagen in meinem Text aufgefallen. Ich bin doch selber gelegentlich Werber und ich kann die Gedanken dahinter verstehen. Aber ich finde es gibt Grenzen, nämlich dann, wenn man seine eigene Marke verhunzt und sich so der Lächerlichkeit preisgibt. Klar ist “Integrität” in so einem Fall ein dämliches Argument, aber man sollte es mal anführen dürfen, immer mal wieder. Ab und zu.

  2. Ich muß da doch Gerold zustimmen. Außerem wäre ein Wintersoldat auf dem schwierigen deutschen Pflaster auch zu stalingradesk kriegslastig. Ich denke mal Disney hat diesbezüglich die ganz samtigen Handschuhe an. Zumal es ja bei Captain America ursprünglich um einen Nazijäger geht. Bevor sie einen Zuschauer, der sich an die Vergangenheit seines Urgroßvaters erinnert, verprellen, ändern sie lieber den Titel. In Deutschland wäre es ansonsten ja intelligent gewesen, darauf hinzuweisen, daß Capain Amerika ein Mitglied der Truppe aus der Comicreihe “Die Rächer” ist. Dann hätte man vielleicht auch ein paar ältere Fans ins Kino bekommen.

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