Handbuch für Zeitreisende – Ein Buch wie ein trojanisches Pferd

Manchmal sind meine Podcast-Skripte nur Stichwortsammlungen, manchmal sind sie fast echte Texte. Im letzteren Fall habe ich mich entschieden, sie auch hier zu veröffentlichen für Leute, die keine Podcasts hören. Sie sind aber natürlich trotzdem darauf ausgelegt, gesprochen (und während des Sprechens verknüpft) zu werden und enthalten evtl. Fehler.

Kathrin Passig, Aleks Scholz
Handbuch für Zeitreisende
Von den Dinosauriern bis zum Fall der Mauer
Berlin: Rowohlt, 2020, 336 Seiten

  • Am besten fand ich die Teile des Buchs, in denen es eigentlich nicht um Zeitreisen ging
  • Kathrin Passig und Aleks Scholz schreiben das Buch aus einer fiktiven Situation heraus, in der Zeitreisen bereits möglich ist
  • Es gibt Zeitreise-Anbieter, die wie Reisebüros funktionieren und einen in verschiedenen Komfort-Levels in der Zeit verschicken
  • Gleichzeitig wird ein Zeitreisen-Modell als wahr angenommen, das auf der Viele-Welten-Theorie basiert, also jedes Mal wenn man in der Vergangenheit ankommt, macht man ein Paralleluniversum auf bzw. existiert in einem Paralleluniversum, das schon da war. Wenn man zurückreist, kommt man aber in sein Ursprungsuniversum zurück
  • Dieses Konstrukt wird aufgebaut und angenommen, aber es wird nie erklärt, da diejenigen, die das Buch schreiben, ja so tun, als lebten Schreibende und Lesende in der gleichen Zeit, in der das bereits bekannt ist
  • (Daraus ließe sich ein interessanter Exkurs zu Worldbuilding-Exposition machen, ob sie notwendig ist oder nicht)
  • Jedenfalls irritierte mich das immer ein bisschen. Aus diesen Grundannahmen werden Regeln für die Zeitreisenbeschreibungen abgeleitet (z. B. was man verändern sollte und was nicht), die aber ein bisschen beliebig wirken, weil ja auch die Annahmen ein bisschen beliebig sind – hier beißen sich Fiktion und Realität ein bisschen
  • Obwohl also alles auf bestem Wissen und Gewissen basiert, Aleks Scholz ist ja auch Astrophysiker, begeben sich die beiden für meinen Geschmack immer ein wenig auf wackeliges Terrain, wenn sie wirkliche Reiseführer-ähnliche Regeln aufstellen, oder zumindest wird an diesen Stellen immer die spekulative Ebene des Buchs etwas sichtbar und reißt einen raus
  • Das sage ich, obwohl sie an anderen Stellen sehr unterhaltsam ist und ich es auf jeden Fall viel besser finde, ein Buch aus einer fiktiven Zukunft heraus zu schreiben, in der Zeitreisen schon existieren, als alles ständig im Konjunktiv zu formulieren
  • Fairerweise muss man auch sagen, dass in einem Nachwort alles erklärt und aufgelöst wird und sich die Autor*innen auch ein bisschen entschuldigen
  • Großartig fand ich hingegen, wie das Buch als trojanisches Pferd fungiert
  • Es ist nämlich eigentlich ein Buch über alle möglichen Aspekte von Erd- und Menschheitsgeschichte (und ein bisschen Physik), vermittelt durch dieses “High Concept” von Zeitreisen
  • “Interessante Aspekte von Erd- und Menschheitsgeschichte (und ein bisschen Physik)” wäre halt auf keinen Fall ein so spannender Teaser gewesen wie “Alles, was sie für eine Zeitreise wissen müssen”
  • Die Zeitreise ist also das trojanische Pferd und die ganzen geschichtlichen Fakten und Theorien sind die griechischen Krieger, die einem heimlich Wissen vermitteln
  • Zu den Ideen, die im Buch gestreift werden, gehören:
    • Welche falschen Ideen und Mythen über die Vergangenheit sich in unserem kollektiven Unterbewusstsein festgesetzt haben (z. B. “finsteres Mittelalter”, “Dinosaurier lebten alle zusammen”, “Kriege sind heroische Schlachten, in denen man sich beweisen kann” usw.) – hier räumt das Buch mit Vorurteilen auf, aber versucht, wie häufig in Kathrin Passigs Texten, differenziert verschiedene Blickwinkel darzustellen, die man darauf haben kann
    • Das gleiche mit Geschichte als Entwicklung, z. B. Great Man Theory, Dinge, die erst im Rückblick überhaupt eine Entwicklung sind, Autorenschaft von Geschichte durch die Sigenden etc.
    • Welche bemerkenswerten Aspekte der Weltgeschichte wir gerne vergessen, z. B. dass es in Granada im 14. und 15. Jahrhundert eine blühende islamische Zivilisation gab oder dass es nicht nur Eiszeiten, sondern auch Warmzeiten gab
    • Welche Aspekte unseres Lebens wir als gegeben hinnehmen und wie lange es sie eigentlich erst gibt, das gilt sowohl für soziale Dinge (z. B. Rechte von Frauen, Armen etc.) als auch für wissenschaftliche Erfindungen 
      • Aber auch hier wieder der differenzierte Bickwinkel – Zitat “Man sollte sich daher so wenig über die Medizin der Vergangenheit mit ihren Krötenpulvern lustig machen, wie über die der Gegenwart, in der Homöopathie von der Krankenkasse bezahlt wird”
      • Also hier auch das Suchen und Darstellen von unterhaltsamen bis nachdenklichen Echos aus der Menschheitsgeschichte
      • “Durch Fragen an die Vergangenheit wird auch die Gegenwart klüger.”
    • Was eigentlich essenziell für menschliches Überleben und Gesundheit ist – interessanterweise enthält die Sektion “Praktische Informationen für Zeitreisende” besonders viel Infos zu Hygiene und Krankheiten, die sich die ganze Zeit lesen, wie die ganzen Corona-Leitlinien, die man in letzter Zeit so gelesen hat
      • es ist wirklich fast unheimlich vorausschauend, aber das Buch wurde ja auch in der Zukunft geschrieben
  • Ich mag diesen trojanischen Aspekt des Buchs, es sollte noch viel mehr davon geben – knallt mir eine krasse Science-Fiction-Idee vor die Nase und nutzt das, um mir interessante Sachen zu erzählen, nach denen ich aus eigenem Antrieb wahrscheinlich nie gesucht hätte.
  • Ich kam darauf, diese Idee im Podcast zu besprechen, weil ich direkt zuvor noch ein anderes  Buch gelesen hatte, das das gleiche macht.
  • “The World without Us” von Alan Weisman ist ein moderner Klassiker der amerikanischen Nonfiction, ich bin darauf gestoßen über eine Liste von Slate mit den besten Nonfiction-Büchern der letzten 25 Jahre
  • Auch hier wieder ein High Concept, das das Buch verkauft:
    • Was würde mit der Welt passieren, wenn die Menschheit von einem auf den anderen Moment verschwinden würde? 
    • Hingerafft zum Beispiel von einer Pandemie (da isses wieder) oder ein “Rapture”-ähnliches Ereignis
  • Das ist das trojanische Pferd. Die griechischen Krieger sind hier vor allem Informationen und Gedanken über Nachhaltigkeit, Artenerhalt, Umweltschutz – mit ein bisschen Menschheitsgeschichte auch hier und faszinierenden Fragen wie, was zum Beispiel mit der Megafauna, also den sehr großen Tieren, Nordamerikas passiert ist – sie wurden wahrscheinlich vom Menschen innerhalb weniger Jahrhunderte ausgerottet, weil sie anders als afrikanische Großtiere sich nicht gleichzeitig mit Menschen entwickeln konnten
  • Weisman besucht Orte auf der Welt, die noch besonders unberührt sind und schaut sich an, wie sich das Leben dort entwickelt hat, Orte, an denen die Menschen plötzlich verschwunden sind – demilitarisierte Zonen in Zypern und Korea oder Chernobyl – oder eben Orte, an denen die Menschen ganz besonders gewütet haben, z. B. den Panamakanal oder die sterbenden Korallenriffe im Pazifik
  • Es stecken jede Menge faszinierende Informationen und Anekdoten in diesem Buch, die nur sehr indirekt mit dem Verkaufsslogan zu tun haben
  • Aber, und das ist das coole, das heißt noch lange nicht, dass er nicht eingelöst wird: Immer wieder, meist am Ende von Kapiteln, nimmt Weisman sich dann doch ein ganz bestimmtes Szenario vor, zum Beispiel die Stadt New York oder die Ölraffinerien in Texas, und schreibt dieses in die Zukunft, beschreibt, was zuerst kaputtgeht, was nach wieviel Jahren wie aussehen wird, und was daraus folgt
  • Einer der Grundgedanken des Buches ist, dass man die Vergangenheit verstehen muss, wenn man sehen will, wie die Gegenwart und Zukunft aussehen könnten
  • Das ist also ein weiterer Punkt, der die beiden Bücher verbindet

Und hier ist die Podcastversion zum Anhören:

LEXPOD

Ich habe keine Zeit mehr zum Bloggen, keine Zeit mehr für einen aufwändigen Podcast mit mehreren Personen, aber trotzdem das Bedürfnis, mich regelmäßig über Dinge mitzuteilen, die mich interessieren. Also habe ich mich von Menschen wie Mark Rosewater inspirieren lassen und nehme ab sofort einen Solo-Podcast, man könnte es auch ein Audioblog nennen, auf dem Weg von der Haustür zur S-Bahn auf – den LEXPOD. Es geht um die üblichen Themen, die Leser*innen von Real Virtuality kennen, aber auch um Persönlicheres und alles, was mir sonst so auffällt.

Technisch möglich macht das Ganze die App Anchor (gerade erst für viel Geld von Spotify gekauft), in der man mit wenigen Tippern und Wischern Podcasts aufnehmen, mixen und verteilen kann. So kann ich meine Gedanken direkt nach Ende der Aufnahme in der S-Bahn in die Welt pusten, und ihr könnt sie hören. Zweimal die Woche, zehn bis 15 Minuten, das passt doch mit Sicherheit noch in euren Podhörplan.

Ich freue mich über Feedback und Themenideen. (Kann man mit Anchor übrigens auch per Sprachnachricht machen.)

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Ich beende meinen Podcast (vorerst) nach 8 Monaten. Das habe ich gelernt.

Was war ich ekstatisch. Ich war so happy im letzten September, als ich es nach zehn Jahren Herumdruckserei endlich hinbekommen hatte, einen Podcast auf die Beine zu stellen. Kulturindustrie, so hieß er, war die Erfüllung eines Traums – ein Roundtable-Review aktueller Popkultur aus allen Bereichen mit drei anderen Leuten, die ich als Gesprächspartner gut und auch gut durchmischt finde. Ich hatte mich sehr darauf gefreut, meinen amerikanischen Vorbildern Pop Culture Happy Hour und Slate’s Culture Gabfest nachzueifern und ein Format in Deutschland zu etablieren, dass es bisher noch nicht gab.

Jetzt bin ich acht Monate weiter und auch acht Monate weiser. Vor einem Monat bin ich Vater geworden und ich habe sehr schnell gemerkt, dass ich mir meine Freizeit neu einteilen muss, wenn ich meinen Vollzeitjob gut machen, meine Aufgaben als Elternteil fair wahrnehmen und meine geistige Gesundheit behalten will. Ich habe meinen Mitpodcaster*innen deswegen schnell mitteilen müssen, dass ich etwas länger “Elternzeit” nehmen werde. Ich war mir nicht sicher, was wegen dieser Mitteilung passieren würde. Leider führte meine Entscheidung am Ende dazu, dass Kulturindustrie in seiner jetzigen Form erstmal auf Eis gelegt wird.

Das muss nicht heißen, dass es nie wieder einen Podcast namens Kulturindustrie geben wird, an dem ich beteiligt bin. Ich hoffe sehr darauf, dass das Projekt in irgendeiner Form weiterbestehen oder nach einer kurzen Pause zurückkehren wird. Wir vier haben uns nie festgelegt, wie der Podcast aussehen muss. Wir haben keine zahlenden Sponsoren oder Crowdfunder, denen wir Rechenschaft schuldig sind. Wir mögen uns immer noch alle und wir hatten gemeinsam viel Spaß, deswegen werden wir hoffentlich einen Weg finden, weiter zusammen zu podcasten. Aber es wird sehr wahrscheinlich nicht so aussehen wie in den letzten acht Monaten.

Was ist passiert? Ich glaube, dass es sehr interessant sein kann, sich das genauer anzugucken. Scheitern ist wichtig, predigt uns das Silicon Valley, und in den Gründen für dieses spezielle Scheitern spiegeln sich einige Dinge, die mich ohnehin interessieren – über die heutige Medienlandschaft, über Arbeitsabläufe, über Aufmerksamkeitsökonomie. Daher möchte ich hier einige Lektionen aufzählen und erklären, die ich in acht Monaten Kulturindustrie gelernt habe. Vielleicht hilft es ja eines Tages jemand anderem.

1. Das Team sollte sich über das Produkt einig sein

Die Erfahrung der Zusammenarbeit mit meinen Mitpodcaster*innen kam mir aus den diversen Bands, in denen ich schon gespielt habe, sehr bekannt vor. Erst im vergangenen Herbst habe ich, unter anderem zugunsten des Podcasts, eine Band verlassen, in der ich gespielt habe, weil ich eine andere Vorstellung davon hatte, was das Ziel der Band sein sollte, als meine Mitspieler.

Zu Kulturindustrie gab es ein Konzept, das ich geschrieben hatte. Ich hatte eine klare Vorstellung davon, wie ich wollte, dass der Podcast klingt, was er tut und welche Haltung die Macher*innen haben. Mir war eine gewisse journalistische Professionalität in Klang und Ansprache wichtig. Mir war wichtig, dass er nicht zu lang und zu laberig wird. Mir war wichtig, dass er aktuell und relevant ist. Insgesamt waren sich über diese Ziele alle Beteiligten einig, aber jeder hat sie ein bisschen anders gewichtet und ausgelegt. Am Anfang habe ich sehr viel Energie damit verbraucht, mich mit Leuten darüber zu streiten, welche Themen ich für geeignet halte, wie rigoros geschnitten werden sollte, wie hart wir uns an die Vorgaben halten sollten.

Anfang 2018 habe ich für mich entschieden, dass ich diese Energie nicht mehr verbrauchen möchte und dass es auch unfair ist, so diktatorisch vorzugehen. Ich wollte, dass der Podcast sich etwas organischer selbst findet, so dass alle Beteiligten sich darin wiederfinden. Die potenzielle Neukonzeptionierung ist jetzt vielleicht der finale Schritt in diese Richtung. Wenn es eine Kulturindustrie 2.0 geben wird, ist sie auf jeden Fall von allen mitgestaltet und nicht von mir erdacht und den anderen mit meinen Ansprüchen übergestülpt. Was direkt zu Punkt 2 führt.

2. Ehrenamtliche Professionalität ist hart

Meine Vorbild-Podcasts haben jede Woche zwei bis drei Themen besprochen. Mein Ziel war es daher, das gleiche in der doppelten Zeit zu schaffen. Also drei Themen alle zwei Wochen. Das, so wurde uns schnell klar, kostet jede Menge Zeit und Geld – vor allem, wenn man nicht auf Angebote wie Pressevorführungen zurückgreifen kann. Es kann auch bedeuten, dass man einen großen Teil seiner Freizeit für etwas opfern muss, was sich dann eher wie Arbeit anfühlt. Zum Beispiel wenn es darum geht, ein aktuelles Buch innerhalb von einer Woche zu lesen, für das man sich ohne den Podcast vielleicht gar nicht interessiert hätte. Ein Buch, das vielleicht auch noch vergleichsweise teuer ist, weil es gerade erst als Hardcover erschienen ist. Dazu dann noch der Eintritt für den Blockbuster in 3D. Das läppert sich. Und es ärgert einen vor allem dann, wenn man die besprochenen Dinge am Ende nicht einmal gut fand.

Doch das Thema “professionell sein”, im Sinne von: Dinge machen, weil sie halt zum Job dazu gehören, auch wenn der “Job” in der Freizeit stattfindet, zieht noch weitere Kreise. In Arbeitskontexten gibt es meistens Hierarchien, festgelegte Entscheider oder andere Faktoren, die im Zweifelsfall Absprachen vereinfachen. Wenn man sich aber in seinem ehrenamtlichen Podcast mal nicht einig ist, kann man sich nur streiten und hoffen, dass am Ende ein Kompromiss gefunden wird oder jemand einlenkt. Was im schlimmsten Fall die oben beschriebene Situation verschlimmert und wirklich frustig werden kann.

Ich wollte mit Kulturindustrie nie Geld verdienen, aber gegen ein bisschen Ruhm hätte ich mich natürlich nicht gesträubt. Wenn beides nicht eintrifft (siehe auch Punkt 4) ist es hart, die andauernde Workification der Freizeit vor sich selbst zu rechtfertigen. Für die Zukunft wäre es für mich also sehr wichtig, dass der Podcast – und auch seine Vorbereitung – wenigstens die meiste Zeit auch Spaß macht.

3. Zwei Wochen sind ein blöder Rhythmus, wenn man aktuell sein will

Wie bereits erwähnt, war es mir wichtig, mit dem Podcast aktuell und relevant zu bleiben. Also über die Themen zu sprechen, die gerade in der Luft liegen, und nicht über irgendwelche Themen, die man gerade interessant findet. Das ist mit einem zweiwöchigen Rhythmus gar nicht so einfach. Ein Rechenbeispiel. Ein Film kommt am 3. Mai ins Kino. Wir nehmen den Podcast in der Regel am Wochenende auf, aber wegen des zweiwöchigen Rhythmus nicht an diesem, sondern erst am nächsten Wochende, also zum Beispiel am 12. Mai. Dann muss das Biest noch geschnitten werden, was auch noch mal eine Woche dauern kann. Wenn der Podcast also am 19. Mai erscheint, ist der Kinostart schon 16 Tage her und der Film im schlimmsten Fall schon wieder völlig aus der kulturellen Konversation verschwunden.

Als Podcaster steht man also vor einem ständigen Dilemma: Entweder die Diskutierenden hängen immer zwei Wochen hinterher oder sie haben statt zwei Wochen immer nur ein paar Tage Zeit, um den Film zu sehen oder das Album zu hören (Alben erscheinen Freitags). Weil wir das Podcasten aber alle nur in unserer Freizeit machen (siehe Punkt 2), ist ein schnellerer Turnaround kaum möglich. Das führt dann manchmal wiederum zu Punkt 1. Ein Teufelskreis.

4. Feedback ist rar

Der 90/9/1-Regel sollte man sich bewusst sein, wenn man im Internet auf Feedback hofft und nicht gerade massiv provoziert. Wir hatten pro Folge bis zu 800 Hörerinnen und Hörer. Es ist also völlig normal, dass wir nur von etwa acht Leuten (plus minus) Feedback bekommen haben, ob der Podcast etwas taugt. Die Hörerzahlen sind über die Zeit recht konstant geblieben, also irgendwas müssen wir richtig gemacht haben. Trotzdem: Wir fühlten uns oft genug, als würden wir in den leeren Raum rufen. Das motiviert nicht unbedingt. (Eitle Seitenbemerkung: Als Moderator wurde ich selbst in den Rückmeldungen, die wir bekamen, so gut wie nie erwähnt, während zu Lucas, Mihaela und Sascha immer klare Meinungen vorherrschten.)

Ich kann also allen nur raten: Wenn euch etwas gefällt oder auch nicht gefällt, gebt den Macherinnen und Machern Feedback – und wenn es nur ein “Hat mir gefallen” ist. Es hilft!

5. Wir hätten einen Marketing-Push gebraucht

Hauseins-Chefin Katrin Rönicke hat es in ihrem Talk auf der re:publica gerade noch einmal erzählt: Podcasts werden vor allem durch Empfehlungen in anderen Podcasts bekannt. Selbst Alex Blumberg ging es beim Aufbau von Gimlet so. Wir hatten einen guten Anschub, dadurch dass Sascha, Mihaela und Lucas alle schon Podcasts hatten, der Wowcast, den Sascha mit René von “Nerdcore” gemacht hat, recht erfolgreich war und wir jetzt alle auch ein paar Follower auf Twitter besitzen. Sonst wären wir sicher nicht aus dem Stand auf 600 Hörerinnen und Hörer gekommen.

Aber um wirklich durchzustarten, hätte uns mal jemand in einem richtig erfolgreichen Podcast empfehlen müssen. Oder wir hätten irgendwie sonst mal ordentlich Werbung gebraucht, einfach um überhaupt Leute zu erreichen, auch mit einer eindeutigen Botschaft wie “Wir wollen etwas anderes sein, als die vielen Laberpodcasts, die es schon gibt – ein Orientierungskompass zu aktueller Kultur” (siehe auch Punkt 6). Das ist nicht passiert und daher haben wir unser Startniveau leider nicht steigern können.

6. Es besteht anscheinend doch weniger Bedarf, als ich dachte ODER wir waren einfach nicht gut genug

Wie man diesen Punkt bewertet, hängt sehr davon ab, was man von Kulturindustrie am Ende hält. Entweder wir waren tatsächlich der Podcast, den ich vor meinem geistigen Ohr gehört hatte – dann haben vielleicht in der deutschen Podcasthörlandschaft wirklich nicht genug Leute Lust auf einen Kultur-Roundtable. Immerhin werden Podcast ja in Deutschland erst so langsam einem breiteren Publikum bekannt und die bekanntesten und erfolgreichsten basieren entweder auf erfolgreichen Medien- und Personenmarken oder sind eben, ganz wertneutral, “laberiger”. Vielleicht waren wir da einfach irgendwo dazwischen und haben somit kein wirklich breites Publikum gefunden.

Die andere Möglichkeit ist, dass wir nicht anders und nicht gut genug waren. Dass es nichts gab, außer der Tatsache, dass wir drei Themen pro Sendung hatten und geschnitten wurden, was uns besonders ausgezeichnet hat. Kein besonders interessantes Konzept, keine besonders interessanten Meinungen, keine besonders interessanten Gespräche, die uns irgendwie über den Rest der Gesprächspodcast-Landschaft erhoben hätten. “Be the first, be the best or be different” heißt es ja im Startup-Motivationssprech. Eventuell waren wir keins davon.

Und das ist für mich auch der wichtigste Punkt. Beim nächsten Mal oder bei der nächsten Iteration würde ich entweder von Anfang an noch mehr in Richtung Außergewöhnlichkeit pushen, oder eben das ganze gleich entspannter angehen und im laufenden Prozess so anpassen, dass es genuin die Persönlichkeiten der Macherinnen und Macher reflektiert, so dass sich wenigstens alle darin wiederfinden und es dann auch ein bisschen egaler finden, was der Rest der Welt davon hält.

Kulturindustrie 012 – The Shape of Water, Bingo Love, MGMT – Little Dark Age

Themen: “The Shape of Water”, Guillermo del Toros Film über Liebe zwischen einer Frau und einem Fischwesen; “Bingo Love”, Tee Franklin und Jenn St-Onges Comic über Liebe, die die Jahrzehnte überdauert und “Little Dark Age”, das neue Album der Band MGMT.

The Shape of Water – 0:50
Bingo Love – 15:07
Little Dark Age – 32:22
Empfehlungen (mit Hörerempfehlung) – 45:27

Kulturindustrie 010 Teil 1 – Japanuary

Eine halbe Folge, für die sich Lucas, Sascha und Alex jeweils einen japanischen Film angesehen haben. Zweite Folge folgt nächste Woche.

Wir bitten um den schlechten Ton bei Alex, der in seinem Soundprogramm die falsche Aufnahmequelle ausgewählt hatte.

Links zur Sendung

Japanuary

The Emperor’s Naked Army Marches On

Prinzessin Mononoke

Die verborgene Festung

Schickt uns eure Empfehlungen per Sprachnachricht an podcast@kulturindustrie.de

Kulturindustrie 006 – Leere Herzen, Aus dem Nichts, Animal Crossing Pocket Camp

Themen in dieser Ausgabe: Leere Herzen, der aktuelle Bestseller von Juli Zeh. Aus dem Nichts, Fatih Akins Spielfilmverarbeitung der Morde des NSU. Und “Animal Crossing Pocket Camp”, die mobile Version des beliebten Open-World-Spiels von Nintendo.

Das ist das tolle an diesem Podcast: Jetzt lese sogar ich mal ein Buch von Juli Zeh. Und bei Aus dem Nichts haben wir uns diesmal richtig in die Haare gekriegt.

Kulturindustrie 005 – Justice League, Schlaft gut, ihr fiesen Gedanken, #MeToo und die Folgen

Ich habe glatt vergessen, zu Folge 004 einen Post zu schreiben, aber jetzt ist es zu spät, denn es ist schon Folge 006 da. Persönlicher Funfact: Turtles all the Way Down ist das erste Buch, dass ich komplett auf dem Handy gelesen habe.

Themen: “Schlaft gut, ihr fiesen Gedanken”, der neue Jugendroman von John Green. “Justice League”, der jüngste Superhelden-Krachbumm aus dem Hause DC. Und: unsere Gedanken zu den Reaktionen auf die Skandale rund um sexuellen Missbrauch und sexuelle Belästigung in Hollywood und anderswo. Außerdem wieder: Persönliche Empfehlungen von jedem von uns.

Schlaft gut, ihr fiesen Gedanken – 5:00
Justice League – 22:11
#MeToo und die Folgen – 39:37
Empfehlungen – 1:04:11