Ein paar Gedanken zu Avatar, James Cameron und 3D

Der ursprünglich geplante Titel dieses Blogeintrags war “Wie James Cameron mich immer wieder Glauben macht”. Aber nachdem ich heute wieder einige Sachen in 2D gesehen habe (Where the Wild Things Are und The Princess and the Frog und die Trailer davor), wollte ich den Bogen noch etwas weiter spannen und noch einmal allgemein über 3D und das momentane Effektkino schreiben wie ich es hier schon mal gemacht habe.

Aber trotzdem zunächst zu James Cameron. Terminator 2 ist vermutlich der wichtigste Film meiner Jugend, nicht zuletzt weil er ein Schlüsselstein in meinem Interesse für Spezialeffekte und CGI war. Superman hatte 1978 mit dem Spruch geworben You will believe a man can fly und T2 bedeutete für mich, dass ich daran glaubte, dass ein Roboter aus frei formbarem Flüssigmetall bestehen kann. Erst als ich mir viele Jahre später die DVD kaufte und ein paar Making ofs sah, begriff ich, dass gar nicht der ganze T-1000-Kram tatsächlich im Computer gemacht wurde, nur einige wenige Szenen. Aber die Illusion war (wie zwei Jahre später bei Jurassic Park) perfekt.

1997 lehrte mich dann wiederum Titanic eine neue Lektion in Glaubwürdigkeit. Nachdem ich ihn gesehen hatte (und die Story nicht so mochte aber ihn sonst okay fand), sah ich irgendwann mal ein Making of im Fernsehen und begriff da erst, wie viele Szenen, die ich für echt gehalten hatte, hier im Computer entstanden waren. Heute kann ich solche Shots erkennen, aber damals war ich noch ein CG-Newbie. Wiederum war es also James Cameron gelungen, mich an der Nase herumzuführen, diesmal im Bereich der “unsichtbaren” Effektshots, die nicht als solche wahrgenommen werden können.

Und dieses Jahr, 2009, hat mich Avatar zum dritten Mal an CG glauben lassen. Nach all den Effektschlachten der letzten Jahre, beispielsweise bei Harry Potter und den anderen SF/Fantasy-Konsorten hatte ich mich darauf eingestellt, dass man eine gute CG/Live-Action-Verschmelzung nur hinkriegt, wenn man dafür den Colour Grade so hochschraubt, dass das ganze unwirklich wird (für mich die erste Kategorie meiner Theorie von der “Neuen Digitalen Ästhetik”).

Avatar macht das allerdings nicht so. Die Welten von Pandora sind, wenn auch farblich mit ihren ganzen phosporeszierenden Pflanzen etwas psychedelisch ziemlich photorealistisch glaubwürdig. Hier verschwimmt nicht alles in weißen Rändern und Composting-Glows und gephotoshoppen Himmeln. Zugegeben, manchmal drückt Cameron auch hier etwas zu sehr auf die Weißabgleich-Taste, aber viele viele Shots draußen im Dschungel wirken echt und anfassbar. Und auch das Einfügen von menschlichen Charakteren (vor allem bei emotionalen Höhepunkten wie dem Treffen zwischen Neytiri und Sams echtem Körper) funktioniert perfekt.

Den Schlüssel für diese Glaubwürdigkeit sehe ich in der Dreidimensionalität. Cameron packt einfach noch eine Lage Effektkino auf seine Computerbilder drauf, die einen mit ihrer Attraktion so gefangen nimmt, dass man gar keine Kapazität mehr übrig hat, um auf die Unwirklichkeit der CG-Welt zu achten. Sie gibt dem Film die Glaubwürdigkeit, die er ohne vielleicht nicht hätte. 3D ist bei Avatar das, was Colour Grading bei Lord of the Rings war: Das Extra-Sahnehäubchen, das es braucht, um die Welt zum Leben zu erwecken.

Und das scheint mir der momentane Sinn von 3D zu sein. Es ist der zusätzliche WOW-Effekt, der den Sense of Wonder im desillusionierenden Computerkino (das mir extrem beispielsweise in den nur noch künstlich wirkenden Welten von 2012 aufgefallen ist) wieder herstellt. Der neue Schub für das Cinema of Attractions der zweiten Zehner Jahre in der Filmgeschichte.

Sehr bewusst geworden ist mir das heute nochmal, als ich die Trailer für Cloudy with a chance of Meatballs, Alice in Wonderland und How to Train Your Dragon, die ich bisher nur in 3D gesehen hatte, noch einmal in 2D gesehen habe. Plötzlich erschien mir hier alles wesentlich flacher und langweiliger als noch zuvor, es hatte ein bisschen was von seinem Reiz verloren.

3D ist und bleibt also nur ein Gimmick, aber ein wichtiges Gimmick, dass dem CG-überfrachteten Kino seinen Groove und damit seine Glaubwürdigkeit zurück gibt. Ohne gehts auch im Neuen Digitalen Ästhetik-Kino, aber es ist wesentlich langweiliger. Ich glaube, damit hat das 3D-Kino endgültig seine zweite Phase erreicht, analog zum Farbfilm (diese Analogie sehe ich nach wie vor) also diejenige, wo man sich bestimmte Filme ohne 3D (=Farbe) nur noch schlecht vorstellen kann.

Jetzt muss es nur noch die dritte Phase erreichen, in der es Normal (ja, mit großem N) wird und anfängt zum Kino-Establishment zu gehören, auch außerhalb von Filmen mit viel Computerzeugs.

Moses – Größer als das Leben

Dieses Blog heißt übrigens nicht nur “Real Virtuality”, weil ich das ein witziges Wortspiel finde und es irgendwie zum Internet passt, sondern weil das auch der Titel einer Hausarbeit während meines Filmwissenschafts-Studiums war, die irgendwann mal in meine Magisterarbeit “Die neue digitale Ästhetik” gemündet hat.

Darin habe ich mich mit Filmen auseinander gesetzt, die computergenerierte Bilder für die Erschaffung unwirklicher Welten einsetzen und damit der Bildontologie des Computers Folge leisten. Das reichte über die Farbverfremdung der Herr der Ringe-Filme über die “Filme wie gemalt”, wie Marcus Stiglegger sie mal genannt hat, wie 300 und Sky Captain and the World of Tomorrow bis hin zur völligen Verschmelzung von Animation und Realfilm in Linklaters Waking Life und A Scanner Darkly.

In letzter Zeit ist es um diese Art von Film ein bisschen stiller geworden. CGI ist inzwischen so unglaublich normal geworden, dass sie meistens nur noch zum Erstellen von diegetisch realistisch wirkenden Figuren benutzt wird. Colour Grading wird langsam etwas übertrieben (siehe mein letztes Posting zum Thema (letzter Absatz)), aber coole Malerei/Filmemach-Experimente sieht man nicht mehr so häufig (wobei ich mir da bei Avatar nicht so sicher bin).

Anscheinend soll es jetzt wieder einen neuen geben, eine Moses-Geschichte, die, so formuliert es “Variety”, im 300-Stil (interessant, dass der Film so eine Marke geworden ist) gedreht werden soll.

Kommentatoren erwarten jetzt Zack-Snyder-Metzelorgien, aber das ist natürlich Quatsch. Viel interessanter ist es, darüber nachzudenken, dass sich biblische Geschichten für so eine Adaption ziemlich gut eignen, weil sie zwar in unserer Realität verankert sind, aber etwas Übernatürliches erzählen. Ein “Larger-Than-Life”-Ästhetik könnte perfekt sein, um der epischen Tragweite der biblischen Geschichten gerecht zu werden.

eDIT 2009 – Berichte von zwei Panels

Wie ja schon aus dem letzten Eintrag ersichtlich, war gerade wieder eDIT in Frankfurt – ein Filmfestival/Kongress, zu dem ich seit vielen Jahren immer wieder gerne gehe, um mir etwas über die neuesten Entwicklungen vor allem im Bereich vbisuelle Effekte erzählen zu lassen. Dieses Jahr hatte ich leider keine Zeit, um vollständig hinzugehen, aber ich habe immerhin zwei Präsentationen mitnehmen können – zufällig beide von Mitarbeitern von Industrial Light and Magic (ILM).

Die Präsentation von Roger Guyett über die Effekte des neuen Star Trek-Films war erstklassig und hat einen weiteren Teil des Puzzles dazu beigetragen, warum der Film so gut funktioniert (das sehr gut durchdachte Drehbuch ist ein weiterer Faktor). Guyett war auch Second Unit Director bei Star Trek und diese Gesamterfahrung von Dreh und Postproduktion schlug sich wohl in seiner Arbeitsweise, auf jedem Fall aber in seinem Vortrag nieder. Guyett war integraler Teil des Designprozesses und schilderte die Schwierigkeiten, die das Team beim Anpassen und Modernisieren des Looks hatte: Die Enterprise und alle ihrer Schwesterschiffe mussten ein bisschen aussehen wie damals, aber trotzdem neu und cool sein. Guyett erzählte auch von den Farbthemen, die der Film sich für verschiedene Schauplätze – auch im All – gab und von Techie-Details wie realistischen Weltraum-Explosionen im Vakuum. Am interessantesten war aber sicherlich der Teil des Panels, in dem er zeigte, wie JJ Abrams und sein Team möglichst oft reale Drehorte gewählt hatten, die dann im Anschluss von der CG-Fabrik aufgepimpt wurden – ähnlich wie die Original Star Wars-Filme. Ich denke, dass das hervorragend funktioniert hat. Gerade im Gegensatz zu den neuen Folgen jener anderen großen Weltraumsaga wirkt Star Trek angenehm echt.

Ben Snows Präsentation zu Terminator Salvation war insgesamt kaum weniger erhellend, aber wesentlich technischer und weniger auf ästhetische Aspekte bedacht als die seines Kollegen. Snow präsentierte vor allem, wie ILM bei Terminator mit einem neuen System von ressourcensparender Beleuchtung gearbeitet hat – dessen technische Einzelheiten leider ein wenig meine Kenntnisse überstiegen. Snow zeigte viel Vorher-Nachher-Clips, die sich hauptsächlich auf die Modell-Arbeit und die Integration von Drehmaterial und CG konzentrierte, wobei vor allem der Aspekt der “Post-Viz” für mich ein neues und interessantes Werkzeug darstellte. Spannend und auch amüsant wurde es dann wieder, als Snow von der Arbeit erzählte, die es bedeutete, einen virtuellen Arnie zu bauen. Dabei gab es auch einige “geheime” Aufnahmen zu sehen, die die unglaubliche Detailarbeit zeigten, die in der Szene steckt.

Ich fand es interessant, zu sehen, dass die Balance zwischen Simulationsarbeit und Animation/Handbemalung inzwischen ganz gut in der Mitte liegt. Der Computer scheint inzwischen in der Lage zu sein, viele Dinge tatsächlich automatisch zu machen, die vor ein paar Jahren noch händisch erledigt werden mussten. Der Rückschlag ist dafür dann aber, dass die Aufgaben immer komplizierter werden und dann muss eben doch wieder die Handarbeit und Animation ran.

Ein lehrreicher Kommentar war auch der von Ben Snow, der ein wenig zerknirscht darüber wirkte, dass McG mit seinem harten Colour Grading bei Terminator Salvation Teile der CG-Arbeit fast in Gefahr brachte, weil plötzlich wieder Dinge zum Vorschein kommen könnten, die die Ursprungsfarben sonst überdeckten. Mich würde interessieren, inwiefern Colour Grading sich nicht inzwischen auch etwas in eine Extrem-Sackgasse bugsiert hat und langsam mal wieder locker machen sollte. Harry Potter and the Half-Blood-Prince fand ich wegen seines harten Grades manchmal schon sehr anstrengend.