Ulrike Langers Keynote beim Deutschen Fachjournalisten-Kongress fasst angenehm kompakt zusammen, wie die Propheten des neuen Journalismus-Zeitalters, an ihrer Spitze natürlich Jeff Jarvis, die Zukunft von eben diesem Journalismus sehen.
Egal wie konkret Langer ihre Thesen und Taktiken bereits belegen kann, ein Journalismus, der im Großen und Ganzen diesen Kriterien entspricht bleibt derzeit noch eine Utopie. Denn obwohl Langers Impulse nach einfachen Handlungsanweisungen klingen, verlangen Sie auch ein deutliches Umdenken von Journalismus als Prinzip.
Sieht man von den ersten beiden Punkten in Langers Keynote ab, deren Inhalt inzwischen eigentlich als Binsenweisheit gelten sollte (“Holen Sie das Beste aus … Raus” möchte man doch jedem zurufen, egal was er tut) , verlangt sie von Journalisten im Grunde, sich in ihrer Arbeitsweise stärker an wissenschaftlichem Arbeiten zu orientieren.
Es wundert mich, dass ich diesen Vergleich noch nirgendwo sonst gelesen habe. Wissenschaftler sind es gewohnt, sich auf ein sehr genaues Feld zu spezialisieren (“Tu was du am besten kannst”) und ihre Arbeit auf die Erkenntnisse anderer aufzubauen, und deren Arbeit in ihrer eigenen ausführlich zu zitieren oder darauf zu verweisen (“und verlinke den Rest”). Sie sind es gewohnt, ihre Messdaten zu veröffentlichen, damit die Ergebnisse überprüfbar sind und eventuell sogar in weiteren Studien weiterverwendet werden können (“Lassen Sie die Nutzer an ihre Rohdaten ran”). Und Sie begreifen sich mit ihrer Arbeit als Teil eines fortschreitenden Prozesses, der auf vorhergehenden Ergebnissen beruht und auf den weitere Ergebnisse (wahrscheinlich von anderen Wissenschaftlern) folgen werden (“Begreifen Sie Journalismus nicht als fertiges Endprodukt, sondern als Prozess, den Sie gemeinsam mit Ihren Nutzern gestalten”).
Da Journalisten in der Regel nicht nur nach der graduellen Wahrheit von Wissenschaft streben, sondern auch nach Schönheit (“Gute Geschichten erzählen”) und Profit, habe ich zumindest ein gewisses Verständnis dafür, dass Sie den neuen Entwicklungen manchmal ein bisschen skeptisch gegenüberstehen.
Hinkt der Vergleich? Sicher ist für mich jedenfalls, ebenso wie für Ulrike Langer, dass die Journalisten der Zukunft ein anderes Verständnis von ihrem Beruf haben müssen, als das bisher der Fall war. Allein schon deswegen, weil sie stärker in der Lage sein müssen, ihre Erkenntnisse zu verteidigen – genau wie Wissenschaftler.
Interessanter Artikel! Ich denke, dass zwischen wissenschaftlichem Publizieren und klassischem Journalismus immer noch ein großer Unterschied besteht. Wissenschaftler sind Experten auf ihrem Gebiet und können – müssen – den Fokus hauptsächlich auf die Qualität der Fakten und Argumente in ihren Veröffentlichungen legen.
In klassischen Journalisten sehe ich persönlich eher Allrounder, die mehrere Wissensgebiete abdecken (müssen) und stärker als Wissenschaftler unter dem Druck stehen, in ihren Veröffentlichungen zwischen Qualität und Quantität abwägen zu müssen.
Ein Schritt in Richtung Wissenschaftlichkeit bedeutet meist höheren Rechercheaufwand und damit geringere Effizienz bzw. höhere Kosten pro Artikel. Gerade bei der Kurzlebigkeit vieler Online-Artikel dürfte das nur schwer zu vermitteln sein.