Change I Can Believe In

© 35. DEKT/Jens Schulze

Seit einiger Zeit habe ich mir einen persönlichen Gradmesser dafür gesetzt, wieviel Konstanz in meinem Leben herrscht.* Ich prüfe, ob ich am Ende des Jahres immer noch den gleichen Wohnort, den gleichen Job und die gleiche Partnerin habe, wie am Anfang des Jahres. Zuletzt war das vor 13 Jahren, anno 2000 (Heidenrod, Schüler, niemand) der Fall. Eine der drei Variablen in meinem Triptychon hat sich seitdem immer verändert. In diesem Jahr war ich mir ziemlich sicher, dass ich es schaffen würde, alle drei konstant zu halten – schließlich habe ich unter anderem geheiratet. Aber dann kam doch alles anders.

Ich mache es kurz: ich wechsle den Job. Ab dem 1. Januar bin ich nicht länger Redakteur in der Filmredaktion 3sat/ZDFkultur, sondern Abteilungsleiter für Presse und Öffentlichkeitsarbeit beim 35. Deutschen Evangelischen Kirchentag in Stuttgart. Neben der Abteilungsleitung werde ich dort vor allem, wie damals, als ich das letzte Mal da war, für alles zuständig sein, was mit Internet und Digitalen Medien zu tun hat. Bei allen bisherigen Kirchentagen war es so, dass der Pressereferent der Abteilungsleiter war. Der Kirchentag zeigt also auch, wie wichtig ihm der ganze digitale Kram geworden ist. Ich freue mich sehr darauf, im Januar in Stuttgart anzufangen und mich mit meinen Kollegen, von denen ich einige seit damals in Dresden kenne und sehr mag, den Aufgaben zu widmen, die vor uns liegen!

Allen, die mich vielleicht weniger gut kennen und skeptisch werden bei allem, wo “Kirche” draufsteht, sei folgendes versichert: Erstens ist der Kirchentag – besonders bei denen, die ihn organisieren – wahrscheinlich eine der progressivsten Ecken des deutschen Christentums, in der insbesondere die zurecht kritisierten Diskriminierungen von Frauen und Minderheiten keinen Platz haben (im Gegenteil). Zweitens ist Kirchentag so viel mehr, als das, was man auf den ersten Blick vielleicht damit assoziiert. Er ist eben nicht Kirche, sondern Kongress, Treffen, Festival, Messe und Ort des Dialogs – auch für Nichtchristen. Ja, es wird auch gebetet, aber warum auch nicht.

Dass ich mit diesem Schritt dem Film zumindest zu einem gewissen Grad den Rücken kehre, schmerzt mich am meisten, und die Entscheidung ist mir wirklich nicht leicht gefallen. Mit “Close up” und mit der Gestaltung des 3sat- und ZDFkultur-Filmprogramms habe ich viel großartige Zeit verbracht. Ich habe spannende Festivals besucht, persönliche Helden interviewt und einfach sehr viele tolle (und schlechte, aber auch aus denen lernt man) Filme gesehen, die ich ohne diesen Job, der für einen studierten Filmwissenschaftler wirklich ein absoluter Traumjob ist, nie zu Gesicht bekommen hätte.

Aber ich habe auch noch nie im Leben eine Chance ausgeschlagen, mich weiterzuentwickeln und neue Herauforderungen anzunehmen. In diesem Fall ist das erstmals eine Vorgesetztenposition und die einmalige Gelegenheit, einen großen Dampfer wie den Kirchentag endgültig auf die richtigen digitalen Schienen zu setzen. Mit anderen Worten: Ich werfe mich wieder mitten ins digitale Getümmel und bereite mich jetzt schon darauf vor, sehr vielen Leuten zu erzählen, warum das Internet toll ist, selbst im Zeitalter von PRISM.

Meine Leidenschaft für Film bleibt natürlich ebenfalls bestehen. Ich werde hier weiter jede Woche über Filmthemen bloggen so gut ich kann. Ich werde hoffentlich zur Berlinale fahren und mit Sicherheit aufs Trickfilmfestival in Stuttgart. Ich werde weiter gelegentlich für epd Film schreiben und die Kontakte in die Branche, die ich besitze, pflegen. Schließlich dauert so eine Kirchentagsvorbereitung ja auch nur anderthalb Jahre – und wer kann schon sagen, was dann passiert.

Ich hoffe, ihr bleibt mir gewogen. Wir sehen uns.


* Ich meine nicht die Stadt. Das war ein anderes Mal, als ich an einem Tag zu einem Freund sagte, ich wünschte mir mehr Konstanz in meinem Leben und am nächsten Abend ein Mädchen aus Konstanz kennenlernte. Ist leider nichts draus geworden, wäre aber eine super Geschichte gewesen.

7 thoughts on “Change I Can Believe In”

  1. Ich sage auch Glückwunsch und drücke dir die Daumen, dass es auch rückblickend die richtige Entscheidung war. Den Job nach so langer Zeit zu wechseln ist nicht einfach, besonders wenn man ein geliebtes und bekanntes Umfeld verlässt. Viel Spaß auf jeden Fall dabei und dein Blog bleibt ja als filmisches Ventil :)

  2. Kirchentag. Da bin ich als kleiner Pfadi immer rungewuselt. Wir hatten Mülldienst, aber das war toll, so ist man viel rumgekommen, z.B. in die ganzen Versorgungsgänge im Olympiastadion (in München). Will sagen, hoffe Dein Job ist min. halbsospannend wie der und viel Erfolg!

  3. Superwow! Superglückwunsch! Und: Super, Stuttgart!
    Auch wenn der PR-Abteilungsleiter mehr als busy sein wird, ich bestelle bittschön schon jetzt ein Drink / Kaffee-Date!

    Buchstabenbunte Grüße
    das A&O

  4. Yeah, hat es geklappt. Ich freue mich sehr für Dich, wünsche Dir einen gesegneten neuen Weg!

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