Meine erste re:publica 2014 war ziemlich magisch. Sie bestand eigentlich nur daraus, die besondere Atmosphäre eines Ortes einzusaugen, von dem ich über Jahre immer wieder so viel gehört hatte. Dazu gehörte auch, ganz viele Menschen, deren Worte ich seit Jahren im Internet las, mal persönlich zu treffen.
Irgendwann saß ich zwischen zwei Veranstaltungen in den Stuhlreihen und hörte, wie sich hinter mir zwei Personen unterhielten, die ich kannte und schätzte. Und weil in diesem Moment das Fandom mit mir durchging, tat ich etwas, was man eigentlich gerade als Mann gegenüber Frauen nicht tun sollte. Ich drehte mich um, und mischte mich ins Gespräch ein, einfach weil ich die beiden kennenlernen wollte. Später habe ich mich entschuldigt, und sie haben mir zum Glück verziehen. Eine der beiden Gesprächspartnerinnen war Patricia “Das Nuf” Cammarata. Die andere war Journelle.
Ich weiß ehrlich gesagt relativ wenig über die Einzelheiten von Journelles Internet-“Karriere”. Für mich zählt sie einfach zu den wichtigen deutschen Bloggerinnen der ersten (oder zweiten) Stunde, der auch den ursprünglichen Geist des Bloggens perfekt verkörperte. Jemand, der nicht aus dem Medienbetrieb stammt und das Blog als Brand Extension und Internetpräsenz hat, sondern der einfach viele interessante Gedanken in sich trägt, diese aufschreibt und damit bei anderen Resonanz erzeugt. An Journelles Blog-Essays, später an ihren Twitter-Threads und Vorträgen, zu Themen wie Feminismus, Sexualität und Körperbildern konnte man sich gut reiben, sie waren aber nie plumpe Provokation, sondern kamen immer aus dem gut informierten und reflektierten Geist eines klugen Menschen.
2015, auf meiner zweiten re:publica, habe ich Journelle wieder und etwas länger getroffen. Wir haben uns abends auf dem Gelände getroffen und sind schließlich noch zu zweit etwas trinken gegangen. Ich habe über die Jahre sehr oft an diesen Abend zurückgedacht. Es war eines dieser Erlebnisse, wo mir eine beinahe Fremde in kürzester Zeit zu einer engen Vertrauten wurde, mit der ich Gedanken austauschte und der ich sehr private Dinge erzählen konnte, gerade weil wir uns eigentlich nicht kannten. In diesem Gespräch habe ich auch ein bisschen mehr über ihr Privatleben erfahren, aber wir gingen auseinander in diesem merkwürdigen Internetfreundschafts-Zwischenzustand, wo man nicht wirklich befreundet, aber einander auch nicht mehr fremd ist.
Das letzte Mal, dass ich direkt mit Journelle zu tun hatte, war 2020, als sie freundlicherweise zu Beginn der Pandemie ein kurzes Podcastgespräch mit mir geführt hat. (Im “Briefcast” war sie zwischendurch auch selbst zur Podcasterin geworden.)
Das letzte Mal, dass ich über sie gesprochen habe, war ironischerweise auf der diesjährigen re:publica und wieder mit Patricia, die mir sagte, dass Elena eigentlich auch irgendwo rumlaufen sollte. Gesehen habe ich dann sie leider nicht, aber ich habe mich immer auf den Moment gefreut, wo ich endlich die Gelegenheit dazu haben würde. Es hätte viel zu besprechen gegeben und alleine die Vorfreude auf die Wiedersehensfreude hat einen kleinen Motor in mir am Laufen gehalten.
Als ich heute morgen erfahren habe, dass Journelle vor ein paar Tagen überraschend gestorben ist, ist mir ein Blitz ins Herz gefahren. Es macht mich schrecklich traurig, dass sie nicht mehr da ist, dass sie ihre Gedanken nicht mehr mit der Welt teilen wird, und das wir nie wieder miteinander sprechen werden können. Sie war eine großartige Person, die der Internetgemeinschaft und mir persönlich sehr fehlen wird. Ich denke an ihre Familie und wünsche ihr viel Kraft in der beschissenen, schwarzen Zeit, die folgt. Ich hoffe, es stärkt sie ein ganz kleines bisschen, dass Journelle ein von so vielen so geliebter und geschätzter Mensch war und dass ihre Erinnerung ganz sicher nicht schnell verschwinden wird.
❤️