Die “Schule der magischen Tiere” ist im Grunde eine Sekte

Zurzeit ist ein neuer “Schule der magischen Tiere”-Film im Kino. Ich bin durch Kindes-Osmose auch einigermaßen mit den Büchern und dem ersten Kinofilm vertraut. Höchste Zeit für einen Post darüber, was ich an Margit Auers Megaseller weird finde – in meiner Tradition, deutlich zu viel über das Worldbuilding und seine Implikationen von Kinder-Franchises nachzudenken.

Ich habe absolut nichts einzuwenden gegen das bekannte Motiv eines magischen Wesens, das einem Kind zur Seite gestellt wird, um ihm bei der emotionalen Reise des Älterwerderns und sozialen Existierens zu helfen. Varianten davon sind so alt wie die Menschheit.

Was mich aber immer wieder unangenehm berührt, ist, wie die Kinder in Auers Geschichtenwelt an ihre magischen Tiere kommen – und was sie dafür in Kauf nehmen müssen.

Gefangen/eingesammelt werden die magischen Tiere von Mortimer Morrison (in den Filmen gespielt von Milan Peschel). Er sucht die sprechenden Tiere auf der ganzen Welt und überredet sie, mit ihm zu kommen, um Kindern zu helfen. Sein Unternehmen nennt er “Die magische Zoohandlung”.

Morrisons Schwester Miss Cornfield (in den Filmen gespielt von Nadja Uhl), bei der ich nicht verstehe, warum sie nicht einfach “Frau Cornfield” oder wenigstens “Ms Cornfield” heißt, unterrichtet an einer Schule in Deutschland. Dort hat sie entschieden, die magischen Tiere ihres Bruders den Kindern in ihrer Klasse zuzuteilen. Und hier beginnt der Teil, der mich stört.

Miss Cornfield und ihr Bruder entscheiden, welches Kind als nächstes ein magisches Tier bekommt, weil es am meisten eins braucht. Die Kinder werden darüber informiert. Eine Wahl haben sie nicht. Allerdings muss die ganze Klasse als “magischer Kreis” auf Verschwiegenheit eingeschworen werden.

Niemals, niemals sprechen wir
mit anderen über das magische Tier.
Die magische Zoohandlung ist streng geheim,
so soll es für immer und ewig sein.

Diesen Schwur nimmt das Geschwisterpaar der ganzen Klasse immer wieder ab. Tja, Pech gehabt. In Miss Cornfields Klasse bist du leider auch unfreiwillig Teil einer Sekte, auf ewig gekördert mit dem Versprechen deines eigenen magischen Tieres, irgendwann in der Zukunft, wenn die Gnade deiner Lehrerin es zulässt.

Die Tiere werden zu Kuscheltieren, wenn Nicht-Eingeweihte in der Nähe sind. Sie sind an die Kinder gebunden und die Kinder an sie. Aber die Kinder können weder mit ihren Eltern noch mit Freund:innen außerhalb der Klasse darüber sprechen. Eine Möglichkeit zum Opt-Out gibt es auch nicht.

Es wird davon ausgegangen, dass jedes Kind nichts lieber will, als dass irgendein Dude ihm ein magisches Tier zuteilt. Ein Typ, der dafür keinerlei Mandat besitzt, weder pädagogisch noch kosmisch, sondern einfach nur der verpeilte Bruder der Lehrerin ist.

Dass die Kids im ersten Moment oft nicht glücklich mit der Wahl des Tiers sind (Benni wollte lieber einen Panther als eine Schildkröte), ist ein beliebter Plotpunkt. Aber unrecht haben dabei immer nur die Kinder, die nicht wissen, was sie wirklich brauchen. Das könnte man auch Adultismus nennen.

Ich will das alles nicht überbewerten. Im Kern ist es nur nicht besonders durchdachtes magisches Worldbuilding, das schnell zu den eigentlichen Storys um Charakterentwicklung und “Dir selbst sei treu” führen soll. Aber es nervt mich doch, dass es so unreflektiert akzeptiert wird und dabei so wahnsinnig erfolgreich ist.

Ähnlich wie schon bei “Harry Potter” und Co: Die Zugehörigkeit zu einer magischen Gemeinschaft, das Versprechen etwas Besonderes zu sein, das die Außenwelt nicht sehen kann, ist ein starkes Element in Kinderbüchern und ich verstehe den Reiz.

Aber wenn Auer wirklich Größe zeigen will, schreibt sie irgendwann ein Buch, in dem sie die ganze Konstruktion zumindest mal zu einem moralischen Konflikt macht. Vielleicht sieht ein Kind ein, dass die magische Konstruktion irgendwie unfair, willkürlich und ausgrenzend ist und dass es dafür keinerlei einleuchtende Rechtfertigung gibt. Das könnte man im Rahmen der Fiktion zumindest mal diskutieren. Und vielleicht könnte am Ende sogar rauskommen, dass die magischen Tiere demokratisiert werden.

Wäre in einem Zeitalter, in dem die Welt so sichtbar wie schon lange nicht mehr von elitären Grüppchen beherrscht wird, vielleicht eine wichtige Botschaft.

Adaptiert von einem Bluesky-Thread

Foto von Ray Hennessy auf Unsplash

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