Wenn die Scheiße den Ventilator trifft: Von Sascha Lobo zu Chris Tookey

Sascha Lobo hat auf der re:publica vor einigen Wochen einen Vortrag zum Thema How to Survive a Shitstorm gehalten, den es sich anzugucken durchaus lohnt – wenn man auf Lobos etwas schnodderigen und gleichzeitig pseudo-wissenschaftlichen Stil steht.

Denn: Wie ein Kommentator ganz richtig feststellte: Lobo erzählt eigentlich wenig Neues, er bereitet althergebrachte Weisheiten aus der Risikokommunikation und Öffentlichkeitsarbeit bei Verleumdungskampagnen für das Netz neu auf. Wobei ich ihm glaube, dass seine Erkenntnisse durchaus genuin sind, also dass er selbst drauf gekommen ist und sie nicht nur irgendwo abgeschrieben hat.

Der oben schon erwähnte pseudo-wissenschaftliche Stil macht zumindest Theoretikern aus Leidenschaft wie mir Freude: Lobo studiert Trolle als wären Sie eine biologische Spezies und er kriert Begriffe wie “Mikroöffentlichkeit”. Wer es pragmatischer mag: Tim Ferriss hat bei Mashable eine Liste zusammengestellt, die im Prinzip den gleichen Inhalt hat wie Lobos Vortrag, das ganze nur etwas kompakte (und eben weniger meta-theoretisch) zusammenfasst.

Jüngstes Opfer eines Shitstorms im sonst vermutlich eher harmlosen Bereich Filmjournalismus war wohl Chris Tookey, Kritiker der Daily Mail. Er hatte am 2. April in seiner Kritik zur Comicverfilmung Kick-Ass (den ich leider noch nicht selbst gesehen habe) geschrieben, dass der Charakter des 11-jährigen “Hit Girl”, die im Film fröhlich herumflucht und brachiale Gewalt austeilt, ein Musterbeispiel für die Sorte Figur ist, an der sich auch Pädophile aufgeilen könnten. Matthew Vaughns Film vermittle, so Tookey “a perniciously sexualised view of children and glorifies violence, especially knife and gun crime, in a way that makes it one of the most deeply cynical, shamelessly irresponsible films ever.”

Dass Comic-Fans, und besonders Kick-Ass-Fans, nicht gerade sanftmütig sind, bekam Tookey im Anschluss zu spüren. Er erhielt einen Berg von Hatemail voller persönlicher Beledigungen, die ihn vor allem auch selbst als Pädophilen bezeichneten.

Tookey scheint den Shitstorm überstanden zu haben. In einem ausführlichen Blogeintrag hat er den Prozess anschließend sachlich geschildert und analysiert, seine Meinung noch einmal fundiert dargelegt und die Gefahren von Cyber-Bullying aufgezeigt. Der Beitrag ist lang, aber auch sehr lesenswert.

Tookeys Taktik ist also eine andere: Statt wie Lobo Theorien aufzustellen und mit Guerillawaffen wie dem öffentlichen Outing von Trollen zurückzuschlagen, versucht er seine Gegner mit Argumenten auszuhebeln und eine öffentliche Diskussion anzustoßen (der Blogeintrag erschien in gekürzter Form auch in der Mail). Ich bin in den meisten Punkten seiner Meinung, allerdings bezweifle ich, dass seine Methode die richtigen Adressaten findet. Vor weiteren Shitstorms wird wohl keiner der beiden gefeit sein, was aber auch sowohl Lobo als auch Tookey wissen dürften.

Der dritte Weg, gegen Internet-Hater vorzugehen ist am teuersten und aufwändigsten, bringt aber wohl auch am meisten Befriedigung mit sich. Es ist der Weg von Jay und Silent Bob.