Wie so viele andere Blogger (die ich hier gar nicht alle aufzählen kann, exemplarisch verlinke ich mal hierhin) reihe ich mich hiermit mal in den Kreis derer ein, die darüber aufstöhnen, dass immer wieder diverse öffentliche Organe plötzlich entdecken, dass dieses Internet-Dings doch ziemlich gefährlich ist und dass wir am besten alle davor geschützt werden sollten.
Der ein oder andere greift dafür mit Vorliebe zu extremen Schutzmaßnahmen, die meisten begnügen sich aber damit, immer mal wieder zu mahnen und anschließend zu fordern, dass man Kindern beibringen muss, wie man ordentlich damit umgeht, vor allem mit diesem Web 2.0 mit all seinen Foren, Chats und Blogs.
Mir drängt sich in solchen Fällen immer folgender Eindruck auf: Wer hier eigentlich beigebracht bekommen will, wie das Internet funktioniert und wie man sich dort verhalten sollte, sind nicht die Kinder, sondern die überforderten Erwachsenen. Sehr schön demonstrieren lässt sich diese These an einer aktuellen Pressemitteilung der Arbeitsgemeinschaft der mitteldeutschen Landesmedienanstalten (AML) mit dem Titel “Neue Medienwelten – Neue Anforderungen”.
Wenn man Pressemitteilung (und zugehöriges “Thesenpapier”) liest, wird einem folgendes klar: Die Führungsgremien von drei Landesmedienanstalten (Sachsen-Anhalt, Sachsen, Thüringen) haben eine Tagung gebraucht, um anschließend mahnend festzustellen: Medienkompetenz ist wichtig. Ach was. Ach so: Auch im Internet. Und vor allem: In unseren immer schlimmer werdenden Zeiten.
Das klingt wie ein Allgemeinplatz, der vielleicht bösartig zugespitzt wurde? Lassen wir das Original zu Wort kommen:
Die Verschmelzung der alten und neuen Medien, die damit verbundene Zunahme des interaktiven und partizipativen Medienumgangs sowie die zeit- und ortsunabhängige Verfügbarkeit der Medien in allen Lebensbereichen in einer globalen Medienwelt eröffnen der Bevölkerung neue Lern- und Erfahrungsräume in Bildung, Arbeit und Freizeit.
Zugleich bringt die Medienentwicklung gesellschaftliche Risiken mit sich, etwa hinsichtlich fragwürdiger ethisch-moralischer Orientierungen in der psychosozialen Entwicklung und Sozialisation Heranwachsender oder hinsichtlich des Umgangs mit privaten Daten in der Online-Kommunikation. Diesen Risiken muss in den Arbeitsfeldern Jugendmedienschutz und Medienkompetenzförderung entgegnet werden.
Die mitteldeutschen Landesmedienanstalten haben in den vergangenen Jahren ihre Aktivitäten in diesen beiden Feldern stets verstärkt und werden ihnen auch in Zukunft einen hohen Stellenwert einräumen.
Und warum ist Medienkompetenz so wichtig. Weil, wie jeder weiß, man im Internet sagen kann, was man will:
Die Formen der Artikulation in Chat, Forum, Blog oder internetbasierten sozialen Netzwerken sind
eine noch junge kulturelle Praxis innerhalb derer sich bislang nur unzureichende Normen, Werte und Verhaltensstandards herausgebildet haben und in denen es, wie in anderen Alltagsbereichen auch in Online-Communities zu Ungerechtigkeiten, zu Beleidigungen und zu Gewaltakten kommt.
Der geneigte Leser möge mich nicht falsch verstehen: Ich halte Medienkompetenz ebenso für wichtig und bin grundsätzlich auch dafür, dem Nachwuchs einen verantwortungsbewussten Umgang mit seinen Daten beizubringen (und mochte zum Beispiel diese Kampagne durchaus), aber: Muss der Zusammenschluss von drei Landesmedienanstalten wirklich ein Thesenpapier herausbringen, um das festzustellen? Und dafür vorher eine Tagung veranstalten?
Die Pressemitteilung und das Thesenpapier der AML besteht aus Feststellungen die enorm allgemein und hinreichend bekannt sind. Es ist grundsätzlich zu begrüßen, dass dieses Wissen jetzt auch in den Medienwächterzentralen von Mitteldeutschland angekommen ist. Dass diese versuchen, diese Erkenntnis als neue Erkenntnis zu verkaufen ist allerdings ziemlich peinlich.
Zur Ehrenrettung sollte man hinzufügen, dass die Pressemitteilung auch folgende Neuigkeit enthält: Die AML will zukünftig stärker mit ihrem hessischen Pendant, der LPR Hessen, zusammenarbeiten. Hierzu ließ sich LPR-Direktor Prof. Wolfgang Thaenert zu einer scharfsinnigen Beobachtung hinreißen: “Hessen und Mitteldeutschland haben viele Gemeinsamkeiten”. Ende des Zitats. Genauer kann man es nicht formulieren.