Am 16. August beginne ich eine neue Arbeitsstelle. Ich werde (fester freier) Redakteur in der Filmredaktion eines Fernsehsenders. Ich bin mit der Stadt vertraut, in der ich arbeiten werde, ich liebe Filme und ich kenne das Team der Redaktion von einer früheren Begegnung – ich freue mich sehr auf diesen Job.
Und doch war das Ganze ursprünglich nicht ganz so geplant.
Im Herbst 2009 arbeitete ich in Frankfurt im Redaktionsteam von epd medien mit einem Vertrag, der zum Ende des Jahres auslief. Ich hatte gerade ein knappes Jahr damit verbracht, fast jeden Tag darüber zu berichten, wie miserabel es um die Printmedien in der Bundesrepublik steht und mir war klar, dass mein nächster Job nur online stattfinden konnte.
Meine Bewerbungen bei diversen Onlineredaktionen, große und kleine, wurden alle abgelehnt. Einmal bekam ich die Begründung geliefert, ich habe zu wenig Online-Erfahrung. Ich habe 1996 meine erste eigene Website online gehabt, blogge seit 2003 und hatte mich zu diesem Zeitpunkt fast ein Jahr intensiv mit Onlinemedien beschäftigt. Zudem war ich bei einer Nachrichtenagentur beschäftigt, einem Medium, dass es gewohnt ist, seine Geschichten mehrmals täglich zu aktualisieren. Die reine Tatsache, dass ich noch nie hauptberuflich für ein primär online erscheinendes Medium gearbeitet hatte, reichte anscheinend aus, um mir mangelnde Online-Erfahrung zu attestieren.
Der Deutsche Evangelische Kirchentag, der es sich zum Prinzip gemacht hat, Menschen außerhalb ihrer Komfortzone einzustellen, gab mir die Chance, die andere mir verwehren wollten. Seit Anfang 2010 bin ich dort alleine verantwortlich für den Inhalt der kompletten Website. Ich habe eine blühende Facebook-Seite und einen funktionierenden Twitterkanal aufgebaut und im Juni die (relativ konservative) Berichterstattung einer vierzigköpfigen Onlineredaktion geleitet. Natürlich habe ich beim Kirchentag keinen Journalismus gemacht. Aber ich habe mehr Online-Erfahrung gesammelt, als mir wohl jemals in einer deutschen Onlineredaktion zugetraut worden wäre.
Da immer klar war, dass der Kirchentag nur ein Projekt sein würde, hatte ich mir ursprünglich mal überlegt, danach irgendwie an die vorderste Front des Onlinejournalismus in Deutschland zu wechseln. Mittendrin zu sein in diesem Mahlstrom des Medienwechsels, der sich gerade vollzieht; mit anderen gemeinsam Geschichte zu schreiben, während die Neuen Medien endlich ihre volle Reife erlangen.
Das werde ich jetzt nicht tun und ich bin eigentlich froh darüber. So spannend ich all das finde, was derzeit in der Medienlandschaft passiert, so nervenaufreibend finde ich es doch, die immer gleichen Debatten zwischen verstockten Apologeten und arroganten Avantgardisten lesen und hören zu müssen. Ständig zu sehen, wie große Medienhäuser ebenso große Töne spucken und selbst das Gegenteil ihrer Reden umsetzen. Zu beobachten, wie Journalisten immer schlechter bezahlt werden, während gleichzeitig von ihnen verlangt wird, immer mehr Inhalte zu generieren, bei deren Anblick das Wort “Qualitätsjournalismus” regelmäßig in hohl widerhallendes Gelächter ausbricht.
Filme haben nach wie vor eine, um den aktuellen Bildersturm von Jeff Jarvis aufzugreifen, recht orthodoxe Form. Und auch ihre Präsentation im Fernsehen folgt dieser Form, was sollte sie auch sonst tun. Dass ich mich auch im Filmbereich für Technologien wie Stereoskopie interessiere, die die althergebrachten Formen “stören”, ist sicherlich kein Zufall. Aber wenigstens muss ich nicht mehr mittendrin stecken, wenn wieder mal jemand schreibt oder sagt, das Internet wäre oder mache dumm, Google sei der Teufel oder mein Video sei nicht viral genug.
Ich beschäftige mich lieber mit etwas, was ich liebe: mit Filmen. Übrigens auch weiterhin an dieser Stelle. Währenddessen beobachte ich den Medienwechsel von der Seitenlinie und lasse sich die Ewiggestrigen und die Ewigmorgigen auf dem Spielfeld die Köpfe einschlagen. So bleibt mein eigener Kopf heil – und vielleicht kann ich dann eines Tages zurück aufs Spielfeld kommen, ein paar Wunden versorgen, und mir von den erschöpften Mannschaften, die beide verloren haben, zeigen lassen, wo ich helfen kann, den kaputten Rasen zu flicken (Nebenbei werden sie mir wahrscheinlich beibringen, Metaphern nicht überzustrapazieren).
Auf die Zukunft!
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