Drei Bemerkungen zu Alice in Wonderland

Der Film ist schon eine Weile in den Kinos dieser Welt und es ist inzwischen auch schon drei Wochen her, dass ich ihn gesehen habe, aber Tim Burtons Alice in Wonderland lässt mich in diverser Hinsicht nicht los. Um meine schlaflosen Nächte zu beenden, hier drei kurze Notizen zum Film:

1. Einige Kritiker, besonders aufgefallen ist es mir bei Kritikern aus einem akademischen Kontext wie dem Film Doctor und Dan North, haben den Film dafür verbal verprügelt, dass er Lewis Carrols Buch nicht treu ist. Mich störte wenig.

Der Film gibt sich ganz klar als Sequel und gleichzeitig als eine Art Remix aus, ähnlich wie etwa Return to Oz, und das macht er eigentlich ganz gut. Drehbuchautorin Linda Woolverton (hier ist das einzige Interview mit ihr) hat als Story-Grundlage vor allem das Gedicht “The Jabberwocky” aus Through the Looking Glass durch den Wolf gedreht, alle restlichen Figuren, inklusive des Hutmachers, sind eigentlich nur Sidekicks, während Alice plötzlich zum Helden des Gedichts wird, der das Land vom Jabberwocky befreit. Das ist ein bisschen platt – es hat mich aber fröhlich gemacht, den Frumious Bandersnatch und den Jub Jub Bird re-imaginiert zu sehen. Der Jabberwocky selbst ist übrigens vom Design her sehr deutlich an John Teniels Original-Zeichnung angelehnt.

Mit dem Stören ging es dann erst im letzten Drittel des Films los, in dem alles etwas zu langweilig und linear wurde. Das Chaos der Traumwelt, durch das Alice normalerweise stolpert, wurde hier leider zugunsten einer leicht nachvollziehbaren moralinsauren Handlung aufgegeben.

2. Und nochmal Jabberwocky. Der Film bedient sich, wie gesagt, sehr freimütig an Lewis Carrols Gedicht The Jabberwocky, auf das Alice am Anfang von Through the Looking Glass stößt und dessen erste Strophe ihr später von Humpty Dumpty erklärt wird. Burtons Film enthält neben dem Jabberwocky selbst auch den Frumious Bandersnatch, den Jubjub-Bird, das Vorpal Sword und vor allem den Frabjous Day aus der vorletzten Strophe.

Im Deutschen gibt es verschiedene Übersetzungen des Nonsens-Gedichts, die mittlerweile gebräuchlichste ist Christian Enzensbergers Übersetzung namens Der Zipferlak. Enzensbergers Übersetzung ist meiner Ansicht nach linguistisch auch die beste, weil besonders die erste Strophe in ihrem deutschen Nonsens sich sehr gut analog zu Carrols erster Strophe erklären lässt – mit Portmanteau-Wörtern und Fantasie-Kreaturen (hier der deutsche Ausschnitt, Dieter Stündls Version ist von den Worten etwas angelsächsischer aber fast ebenso gut).

Die deutsche Synchronfassung des Films entscheidet sich aus naheliegenden Gründen (Markenerhalt), nicht “Zipferlak” und “Mampfes Schnatterrind”, sondern “Jabberwocky” und “Bandersnatch” zu sagen. Als der Hutmacher die erste Strophe rezitiert, erklingt im Deutschen eine vollständig sinnlose Übersetzung, die nicht einmal einen Hauch der Anspielungen (beispielsweise ein Portmanteau wie “elump”) übernimmt. Nur in einem Fall, vollkommen ohne jeden Grund, bedient sich das deutsche Synchrondrehbuch bei Enzensberger. Der “Frabjous Day” wird zum “Blumertag” – warum auch immer.

3. In dieser Kritik von Gizmodo wird der 3D-Einsatz bei Alice moniert. Ich fand ihn auch nicht besonders gut dreidimensional inszeniert. Die eindeutige Chance, den Film zunächst sehr flach zu halten und dann so richtig “tief” zu werden, wenn Alice ins Wunderland kommt, wurde vertan und wie auch bei Gizmodo bemerkt gibt es jede Menge Szenen mit flacher Tiefenschärfe, die nunmal in 3D einfach nicht wirken (das kommt davon wenn man Filme nachträglich 3D-isiert). Cameron hat die Übertragung von regulärer Inszenierung auf 3D besser hinbekommen. Andere, wie Robert Zemeckis, inszenieren in 3D einfach ganz anders, mit viel Tiefenschärfe und weniger Schnitten. Ich bin sehr gespannt, welche Inszenierungsschule sich hier durchsetzen wird. Wird Hollywood einen neuen Code ähnlich dem Continuity Editing entwickeln?

Zur weiteren, ausführlichen Lektüre empfehle ich Andreas Rauschers Essay Im postklassischen Wunderland über Burtons Re-Imaginationen der letzten zehn Jahre.