Epigraph:
40 Jahre deutsche Filmkritik umsonst: MÄNNERHORT ist Besuchermillionär.
— Gerold Marks (@digitalesKino) October 31, 2014
Ich komme gerade aus Istanbul zurück, wo meine Frau ein Auslandssemester macht. Und weil es viel geregnet hat, wir beide gerne Filme sehen und Kino in der Türkei a) OmU und b) nicht sehr teuer ist, haben wir uns an einem Abend The Judge angeschaut. Doch in diesem Post geht es nicht um triefig-sentimentale Nostalgie-Seifenopern mit Robert Downey Jr. (Mannomann! Als der Rain Man-Bruder mit der Kamera um die Ecke kam, wusste ich schon: das wird nix). Es geht um das Vorprogramm.
In mir fremden Ländern studiere ich mit Vorliebe Werbung und andere popkulturelle oder kommerzielle Ergüsse, weil ich finde, dass sie oft deutlich mehr über die Gesellschaft vor Ort aussagen, als die hochkulturellen Highlights, die zu uns herüberschwappen. Zum Beispiel fiel mir in Istanbul auf, dass die meisten Menschen auf Werbeplakaten dort sehr hellhäutig und überhaupt nicht türkisch aussehen (ähnlich wie all die blonden, heilen Familien der deutschen Werbelandschaft, schätze ich).
Ich freute mich also auf die Trailer im türkischen Kino. Leider gab es nur zwei, aber oh!, was wurde ich belohnt. Hier ist zum Beispiel Olur Olur!, was so viel heißt wie “Na gut, na gut!”.
Ich spreche kein Türkisch, aber der Trailer (ich mag das türkische Wort “Fragman”) sagt einem alles, was man wissen muss, oder? Mehrere Männer mit unterschiedlichen Bedürfnissen, ein paar Frauen mit unterschiedlichen Vorlieben, ein Badeort. Das ist der Stoff, aus dem die Lachflashs sind. Vor allem wenn zwischendurch ein Kind mit dem Gesicht in einen Schokokuchen gedrückt wird, zwei Leute “Party Time!” rufen und ein Mann peinlich und schief singt. Ich kann den gleichen Film auf Deutsch mit Jürgen Vogel, Matthias Schweighöfer, Axel Stein und Nora Tschirner in den Hauptrollen quasi riechen.
Und dann war da noch Karişik Kaset.
“Karişik”, wie ich zwei Tage später beim Bestellen einer Kumpir feststellte, heißt “gemischt”. Eine “Karişik Kaset” würde man hierzulande also mit dem wunderbaren deutschen Wort “Mixtape” übersetzen. Und auch hier braucht man keinen Dolmetscher, um zu verstehen, mit welchem Film man es zu tun hat. Eine junge Uschi Glas, ein gutaussehender Mann. Jugendliebe und erwachsenes Wiedersehen. Ein Schiff. Küsse im Dunkeln. Traurige Musik, die zum Montage-Teil des Trailers in einen Song umschlägt, der aussagt: “Das Leben ist wild und unberechnbar.” Ich würde die Remake-Rechte sehr gerne an eine deutsche Fernsehfilm-Redaktion verkaufen.
Wann immer ich das Bedürfnis habe, auf den deutschen Mainstream-Film zu schimpfen, werde ich künftig an Olur Olur und Karişik Kaset denken und daran, dass man die gleiche Diskussion wahrscheinlich in jedem Land der Erde führen könnte. Irgendwie entspannt einen das ein bisschen.
(Aber immerhin: Im Istanbuler Szeneviertel Beyoğlu fand sich dieser Schriftzug an einer Hauswand.
Ich kaufe mir demnächst eine Spraydose und sprühe “Dietrich Brüggemann” an eine Wiesbadener Mauer.)
(Mit Untertiteln ist der Olur Olur Trailer fast langweiliger.)