Irgendwas muss dran sein an Rupert Holmes’ Hit von 1979, dass er plötzlich innerhalb eines Jahres in zwei Filmen wieder auftaucht. Da der Song seit dreißig Jahren nicht nur Leitmotiv der Creme-Cocktail- sondern auch der Partnervermittlungs-Industrie ist, scheint es fast schon logisch, dass er im überdimensionierten eHarmony-Werbespot The Secret Life of Walter Mitty auftaucht, wenn auch in einer gelungenen Coverversion von Jack Johnson. Aber auch im neuen Marvel-Film Guardians of the Galaxy ist der Song als Teil des ominösen Mixtapes zu hören, das Peter Quill immer bei sich trägt.
Was fällt auf an dem Song, der laut Wikipedia die letzte Nummer Eins der Siebziger war?
1. Der Titel. Wer auch immer den Song hört, dürfte danach erstmal ziemlich sicher sein, dass er “If you like Piña Coladas” heißt – oder so ähnlich, zumindest irgendwas mit “Piña Colada” im Titel. “Escape (The Piña Colada Song)” teilt sich insofern ein Schicksal mit dem ein oder anderen Hit durch die Jahrzehnte, dem in Klammern ein zusätzlicher Titel angehängt werden musste, damit der Pöbel ihn auch erkennt, wenn er ihn sieht (spontan fällt mir als weiteres Beispiel nur “Sweat (A la la la la long)” ein, aber zum Glück gibt es ja das Internet – wie sind Nirvana bloß damals mit “Smells like Teen Spirit” durchgekommen?).
2. Die Story. Wer den Song oberflächlich hört, kennt schon bald den Refrain auswendig und ahnt, dass es irgendwie um Partnerschaftsanzeigen geht. Aber in Wirklichkeit geht es um einen Mann, dessen langjährige Beziehung ihn nicht mehr erfüllt (“like a worn-out recording of my favourite song”) und der deshalb heimlich auf eine Anzeige in der Zeitung antwortet (weil er Piña Coladas mag). Doch das Blind Date endet unverhofft: die Anzeigenschreiberin ist seine eigene Frau und beide stellen plötzlich fest, dass es eine Menge gibt, was sie noch nicht voneinander wussten. Zum Beispiel ihre Vorliebe für Dünensex zur Geisterstunde.
3. Der Zeitgeist. Die beiden vielsagendsten Zeilen von “Escape” drehen sich um das, was Rupert Holmes und seine Frau nicht mögen. Sie sind “not into Yoga” und “not into health food”. Ich finde es irgendwie ganz wunderbar, wie sich hier die New Age Trends der 70er widerspiegeln, denen man damals wahrscheinlich kaum entkommen konnte. Die Figuren des Songs hingegen sind echte Genießer, süffeln lieber Cocktails und Champagner, statt auf der Selbstverbesserungs-Welle mitzureiten. Wahrscheinlich sehen sie sich selbst als die letzten normalen Menschen. Heute sind Yoga und gesundes Essen Mainstream, also was würde wohl an Stelle dieser Textzeilen treten, wenn der Song heute geschrieben würde? Wovon sagen “normale” Leute gerne, dass sie es nicht nötig haben? Vielleicht Social Media? “If you’re not into Facebook …?”