Blick in die Blogosphäre (V): “Die Academy”

“Blick in die Blogosphäre” ist der neue Name für den viel zu verstaubt klingenden “Blogosphären-Hinweis”.

Wer in diesen Wochen die amerikanische Filmberichterstattung verfolgt, kann leicht den Eindruck gewinnen, die Welt bestehe nur noch aus Preisverleihungen. Seit die Golden Globes das Preisdomino losgetreten haben, verleiht alle Naselang irgendeine Gilde oder Akademie ihre Preise. Dabei wissen wir doch alle, dass es für das breite Publikum sowieso nur eine Zeremonie gibt, die zählt: die Goldstatuen der Academy of Motion Picture Arts and Sciences, die Oscars.

Mindestens ein Blog in Deutschland findet den Preiswahnsinn wahrscheinlich eher sexy als nervig. Laut “Über uns”-Seite aus einer StudiVZ-Gruppe entstanden beschäftigt sich “Die Academy” fast ausschließlich mit Zahlen, Daten, Fakten und Meinungen rund um die Oscarverleihung. Und weil ich Blogs immer schon mal grundsätzlich positiv gegenüberstehe, die etwas anderes bieten als nur eine Sammlung von privaten Filmkritiken und mir der oberste Akademiker Stephan Ortmann schon ein paar Mal in Podcasts über den Weg gelaufen ist, dachte ich mir, ich nutze den günstigen Zeitpunkt, um “Die Academy” auch hier mal vorzustellen – in Form eines kurzen Interviews mit Stephan.

Immer wieder wird beweint, dass die Diskussion aus den Blogs in die sozialen Netzwerke abgewandert ist. Bei euch war es anscheinend umgekehrt. Wie ist das Blog “Die Academy” entstanden?

Das Projekt selber gibt es bereits seit 2006 als Patrick die Gruppe „And the OSCAR goes to…“ bei StudiVZ gründete. Ich bin irgendwann 2008 an Bord gekommen und so im Sommer 2012 rief ich dann die Seite ins Leben. Am Anfang war auch gar keine Seite geplant, sondern nur ein reines Forum als Ersatz für die StudiVZ-Gruppe, weil uns langsam die Technik in den Wahnsinn trieb mit gelöschten Themen.

Die eigentliche Idee zu „Die Academy“ war dann auch eher spontan, weil mir aufgefallen ist, dass es sehr viele US-Seiten mit dem Focus auf Awards gab (was ja auch irgendwie logisch ist), aber keine einzige im deutschsprachigen Raum. Es existieren zig Filmseiten und -blogs, aber kein deutsches Gegenstück zu “The Film Experience“, Awards Daily” oder “Awards Circuit“. Und wenn wir die Kräfte bereits haben, warum dann nicht direkt eine komplette Seite? Das war der Gedanke und Patrick als Gruppengründer, Heiko und Johannes waren die ersten die an Bord kamen.

Unter “Redaktion” stehen bei euch insgesamt 11 Namen. Wer sind die treibenden Kräfte hinter “Die Academy” und wie stimmt ihr euch untereinander ab?

Die treibenden Kräfte hinter dem Projekt ist schon die Gründermannschaft bestehend aus Johannes, Heiko, Patrick und mir. Dazu kommen als regelmäßige Schreiber noch Dennis, Heidi und Stefan, die alle ihren wunderbar eigenen Stil haben. Die Abstimmung klappt tatsächlich blind und jeder kann eigentlich schreiben, worüber er möchte. Ich habe von Anfang an gesagt, dass es mir nichts ausmacht, wenn es zwei bis drei verschiedenen Kritiken zu einem Film gibt, denn jeder hat einen eigenen Stil um sein Filmerlebnis in Worte zu packen und warum sollte man das nicht zeigen weil zu einem bestimmten Film schon eine Kritik online ist? Wobei es aber schon so ist, dass ich mit Patrick, Johannes, Heidi, Melanie und Heiko im fast permanenten Kontakt stehe. Es ist also nicht so, als ob gar keine Kommunikation herrscht. Aber vorschreiben, was einer zu schreiben hat, gibt es nicht.

Kannst du beschreiben, woher eure Faszination für Filmpreise, und besonders für den Oscar, kommt? Anderswo wird auf die Preisfixiertheit ja gerne mal geschimpft, weil man Kunst nicht zueinander in Wettbewerb stellen sollte.

Meine Faszination für den Oscar muss mit der Verleihung 1997 und dem großen Gewinner Der englische Patient angefangen haben, als ich zum ersten Mal bewusst diese Statue in der Tageszeitung sah und mir im Panorama-Teil dann die Sieger durchgelesen habe. Richtig beschäftigt habe ich mich mit dem Thema dann ein oder zwei Jahre später als ich mir das wunderbare Buch “Der Oscar” mit Mel Gibson auf dem Cover (das ich aber auch schon in der Ausgabe davor irgendwann 1995/1996 mal aus der Bücherei ausgeliehen hatte) vom leider verstorbenen Norbert Stresau in einer kleinen Buchhandlung in Bethel kaufte und wirklich zerlesen habe. Ich habe es noch immer und es wundert mich etwas dass es noch immer alle Seiten hat. So habe ich dann Jahr für Jahr die Gewinner durch die Tageszeitung mitbekommen und im TV schaue ich mir die Verleihung seit 2001 an, als Gladiator zum besten Film gewählt wurde.

Was das Thema „Kunst sollte man nicht zueinander in Wettbewerb stellen“ betrifft: Gerade bei Filmen, die ja noch viel visueller sind als jetzt zum Beispiel Bücher oder Gemälde, bietet es sich doch an zu vergleichen was man jetzt besser findet und einen Sieger zu küren. Es ist ja jetzt auch nicht so, dass wir jetzt alle die Academy Awards als die Krönung der Filmpreise ansehen. Patrick zum Beispiel ist ein großer Fan der BAFTAs, die seiner Meinung nach oft besser die Preise verteilen als die Oscar-Academy. Ich mag die Golden Globes fast einen kleinen Ticken mehr als die Oscars, weil dort auch Serien ausgezeichnet werden und es die schöne Unterteilung zwischen Drama und Comedy/Musical gibt. Außerdem dürfen dort alle essen und trinken und die Stimmung ist immer etwas gelöster und lockerer. Trotzdem bleibt der Oscar natürlich das Highlight der jeweiligen Saison und einigen wir uns darauf, dass es der prestigeträchtigste Filmpreis ist.

Beschreib doch mal, wie man den “Weg zu den Oscars” am besten beschreitet, mit all seinen Statistiken, Gildepreisverleihungen usw. Bleibt dann am Ende überhaupt noch Spannung übrig oder weiß man sowieso, wer gewinnt?

Ich bin sogar der Meinung, dass es die offensten Oscars seit Jahren sind. Tief in Stein gemeißelt von den großen Kategorien sind nur Hauptdarstellerin und Nebendarsteller. Beim Rest sehe ich überall Zwei- bis Dreikämpfe: Film, Regie, die restlichen Darstellerkategorien und bei den Drehbüchern. Da waren die Gewinner 2013 und 2012 im Vorfeld sehr viel offensichtlicher. Und Spannung wird es eigentlich immer geben. Niemand hat damit gerechnet, dass Russell Crowe 2001 für Gladiator gewinnt; 2003 sah es nach einer Entscheidung zwischen Daniel Day-Lewis für Gangs of New York und Jack Nicholson für About Schmidt aus und am Ende knutschte Adrien Brody für Der Pianist Halle Berry ab.

Ich behaupte mal, dass wir so tief in der Materie drinstecken, dass wir überzeugende Tipps abgeben können, wer am Ende gewinnen könnte. Aber mit Sicherheit sagen, dass Person A den Oscar in der Kategorie Z gewinnt, können wir auch nur im besten Fall 99%. Selbst bei Blanchett und Leto kann es noch zu Überraschungen kommen, aber hier sage ich zu 99%, dass sie gewinnen werden.

Die Verleihung ist am Sonntag. Welche Seiten, Events, oder sonstiges empfiehlst du für optimalen Oscarnacht-Genuss?

Ganz persönlich kann ich die drei oben genannten US-Seiten als gute Vorbereitung nennen, oder auch Goldderby.com wo man einen schönen Überblick über die Tipps verschiedener US-Seiten bekommt, denn fast jede größere Zeitung in den USA hat ja seinen Award-Experten. Bei den deutschsprachigen Seiten empfehle ich blind die Seite von Kollege Sidney und Owley aus der Schweiz. Und in der Oscarnacht bietet sich fast Twitter am besten an. Zumindest mir hat es im letzten Jahr wieder viel Spaß gemacht, mit anderen Leuten die Verleihung zu kommentieren.

Alternativ bietet in meiner Heimatregion das Filmmuseum Frankfurt eine lange Oscar-Nacht an – andere Events gibt es mit Sicherheit auch. Ich bin dieses Jahr leider verhindert, was mich sehr grämt. Danke an Stephan für das E-Mail-Gespräch.