Ihr Blutbad ist angerichtet, Sir

Immer wieder fallen mir in der eingeschliffenen deutschen Journalistensprache Redewendungen auf, bei denen ich mir ein Stirnrunzeln nicht verkneifen kann. Gestern war es das Wort “Blutbad” in der Berichterstattung über die grausamen Morde an der Zivilbevölkerung in Syrien.

Ich habe noch nie zuvor die Gelegenheit genutzt, mich mit dem Wortfeld Massenmord etwas genauer auseinanderzusetzen, also habe ich das kurz getan. Die engste Assoziation, die wir Menschen zu massenhafter Tötung anderer Lebewesen haben, scheint das Schlachten zu sein. Also kommen die meisten Begriffe zur Beschreibung massenhafter und wahlloser Morde aus diesem Bereich: “Massaker” stammt (laut Wikipedia) vom altfranzösischen maçacre, „Schlachthaus“; auch “metzeln” ist ein mittelhochdeutscher Begriff für “schlachten”. Irgendwie nachvollziehbar, und zumindest ist bei dem Wort “Massaker” inzwischen jeder Bezug zu seinem Ursprung verschwunden.

Warum aber “Blutbad”? Was erscheint sinnvoll oder wünschenswert an dem sprachlichen Bild, dass die Morde so zahlreich waren, dass jemand – wenn er nur wollte – im Blut der Opfer hätte baden können? Noch schlimmer, Formulierungen wie “das Assad-Regime [hat] in der syrischen Provinz Homs ein furchtbares Blutbad an Zivilisten angerichtet” legen nahe, dass die Massenmorde exakt zu diesem Zweck verübt wurden.

Das Wort ist keine Erfindung der deutschen Sensationspresse, es ist alt (biblisch gar), existiert quasi in allen Sprachen und hat überall auch nur diese Bedeutung: großes Vergießen von Menschenblut durch Mord. Vielleicht hat das Wort mit der zweiten Bedeutung von baden zu tun, “zu viel von etwas haben”. Wahrscheinlich ist es aber auch nur eine uralte poetische Umschreibung einer grausamen Situation, die im Laufe der Jahrhunderte ihre wörtliche Bedeutung eingebüßt hat – wie es bei vielen anderen Wörtern auch der Fall ist.

Trotzdem würde ich in letzterem Fall dafür plädieren, das Wort in Presseberichten über Massenmorde nicht weiter zu verwenden, auch wenn man damit ein Synonym verliert. Das Wort mag so in den Sprachgebrauch übergegangen sein, dass außer Menschen mit einer so bildlichen Vorstellung wie mir, niemand mehr dabei an ein tatsächliches Bad in Blut denkt. Den Opfern gegenüber ist es trotzdem respektlos, ihr Leid durch einen so geschmackloses Sprachbild zu trivialisieren. Und es ist ein klassisches Beispiel dafür, wie der routinierte Journalismus sprachliche Klarheit gerne mal zugunsten von wohlkingenden Bildern hinter sich lässt.

Dass es übrigens auch ohne Blutbad geht, zeigt etwa der Artikel auf tagesschau.de, was nicht heißt, dass die ARD vor dem Gebrauch gefeit ist.