Umgekehrte Jetpacks in The Book of Eli

Im neuen Film der Hughes Brothers, dem postapokalyptischen und auf merkwürdig unsubtile Weise christlich-propagandistischen The Book of Eli findet sich der Held des Films, gespielt von Denzel Washington, nach etwa vierzig Minuten in einem Raum wieder, in dem ein Poster des schrägen Siebziger-Jahre-Postapokalypsos A Boy and his Dog hängt. Das Poster ist nicht nur ein kurzes, kaum merkliches Cameo-Augenzwinkern ans Publikum, es ist über Minuten hinweg in mehreren Einstellungen zu sehen, manchmal ganz manchmal in einem Ausschnitt, der es einem im Kino erlaubt, auch die Tagline des Films zu lesen: “An R-Rated, rather kinky tale of survival”.

(die im Internet kursierende, abgefilmte Version lässt solche Details natürlich nicht erkennen)


(und genauso natürlich habe ich natürlich nicht nach dieser Version gesucht. Sie fiel mir in den Schoß.)

The Book of Eli ist der erste durch und durch ernste Science-Fiction-Film, der mir einfällt, der sich diese Art von direkter Referenz erlaubt: Außerhalb der Filmwelt (also für den Zuschauer) ist sie ein intertextueller Verweis. Der postapokalyptische Film The Book of Eli verweist mit dem Poster auf einen historischen Vorläufer, den postapokalyptischen Film A Boy and His Dog. In der Filmwelt aber, die ja eine direkte Fortschreibung unserer Erde sein soll, muss die Anwesenheit des Posters eine ganze Menge dramatischer Ironie enthalten: Denn Teile der Science-Fiction-Vision des Films von 1975, zum Beispiel die durch einen Nuklearkrieg verwüstete Erde, sind dort wahr geworden – Eli und seine Kompagnons leben in der Science Fiction von gestern. Wissen sie das? Das Poster sagt Ja. (Ich bin dankbar für Hinweise auf andere Filme, in denen eine ähnliche Situation vorkommt)

In der Welt von Eli findet also eine auf den Kopf gestellte Form des beliebten “Where are my Jetpacks?”-Idioms statt. Dieses zielt darauf ab, dass wir ja inzwischen in der Zukunft leben, die sich SF-Autoren seit Ende des 19. Jahrhunderts ausgedacht haben, aber leider erschreckend wenige ihrer Visionen wahr geworden sind. Der britische Comedian Eddie Izzard sagt in einer seiner Routinen: “Those doors from Star Trek – we’ve got them now… and that’s about it.” Und es gibt auch ein Buch dazu, dass ich leider noch nicht gelesen habe (inzwischen sind zumindest die Jetpacks Realität).

Die Frage, die sich stellt, ist also: Wie bewusst sind sich die Figuren eines SF-Szenarios der Tatsache, dass sie in einer Welt leben, die früher ein SF-Szenario war, einer “Stranger Than Fiction”-Welt gewissermaßen? In der Regel wird diese Frage völlig ausgeblendet. Kaum jemand, der in einer Raumschiff-Welt darauf zu sprechen kommt, dass Raumschiffe mal die Erfindung von Nerd-Autoren waren. Die einzigen, die sich trauen, in einer SF-Welt über SF zu reden, sind in der Regel die Humoristen, beispielsweise in Futurama, wo Professor Farnsworth die Frage, ob sein sprechender Affe das Ergebnis von genetischer Manipulation ist, mit den Worten beantwortet: “Oh, please. That’s preposterous science fiction mumbo jumbo. Gunther’s intelligence actually lies in his electronium hat, which harnesses the power of sunspots to produce cognitive radiation.” Insofern ist The Book of Eli zumindest in dieser Hinsicht besonders.

Ergänzend kann man hier anmerken, dass man sich natürlich auch in unserer Zeit schon fragen kann, inwiefern wir eben heute doch die Science Fiction von gestern sind. Im Netz gibt es einige Seiten zum Thema (vor allem die letzte ist gut). Jetzt müssen wir uns nur noch fragen: Sind wir auch Figuren in einem Film?