Deutschland, eine Sommerpause

Eine aktuelle Plakatkampagne der Telekom wirbt damit, dass sie einem jetzt das Netz “IN ECHTZEIT” in die heimischen vier Wände transportieren. Überhaupt ist das Echtzeitweb ja derzeit ein schönes Angeberwort, denn es passt ja zu der althergebrachten Weisheit, dass sich die Welt immer schneller dreht, dass wir jetzt alles immer überall haben; morgens mit den Aktienkursen aus Tokio aufwachen (wenn wir nicht kurz schon mal Nachts gecheckt haben); die Wikipedia vom Zahnarztstuhl aus editieren; während des ersten Dates kurz ein lustiges Katzenbild retweeten; Antworten auf SMS und Mails innerhalb von Sekunden erwarten und jeden neuen Bekannten erstmal googlen.

All diejenigen, die das am meisten erschreckt, die sich deshalb regelmäßig darüber beschweren, die aus der Autobahn einen Parkplatz machen wollen und immer wieder gerne “Entschleunigung!” rufen, waren wahrscheinlich lange nicht mehr zwischen Mitte Juli und Mitte August in Deutschland.

In dieser Zeit nämlich schrumpfen Firmenbelegschaften auf einen Bruchteil ihrer Standardmasse zusammen. Telefonisch erreicht man Anrufbeantworter, per Mail eine automatisch generierte “Bin weg”-Nachricht. In der Mittagspause muss man die Speisekarte der Dönerbude von oben nach unten durchprobieren, weil Kantine, Suppenbar und Nachbarschaftsmetzger geschlossen haben. Wenn nicht gerade mal wieder ein CDU-Politiker zurücktritt, passiert auch auf der politischen und wirtschaftlichen Bühne nichts von Belang, weshalb die Medien entweder auf Sommerlochthemen zurückgreifen oder über das Sommerloch selber berichten. Und wo immer man anruft (und sogar wenn man selbst angerufen wird), die Antwort ist häufig die gleiche: “Das können wir erst nach der Sommerpause bearbeiten.”

Ich finde das ja einerseits ganz schön – unter anderem auch, weil man in diesen Zeiten endlich mal die Ruhe findet, um lange liegengebliebene Projekte in Ruhe anzugehen. Andererseits finde ich aber auch, dass ein Land, dass es sich leisten kann, mehrere Wochen im Jahr quasi sein komplettes Uhrwerk auf weniger als halbe Geschwindigkeit zu drosseln, sich wirklich keine Sorgen machen sollte, dass es irgendwann vor lauter Schnelligkeit explodiert. Wenn man sich selbst langsam bewegt, wird “Echtzeit” gewissermaßen zu einem relativen Begriff.

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