Die Illusion der fairen Filmkritik

Immer wieder habe ich mir gesagt, dass ich zu diesem Thema die Klappe halten will. Aber jetzt sitze ich doch hier und tippe, weil sich Leute, die ich eigentlich schätze, auf Twitter regelmäßig angiften. Und das alles nur, weil in einer vielleicht sogar lohnenswerten Debatte mehrere völlig unterschiedliche Themen in einen Topf geworfen werden.

Was ist passiert? Im August 2015 haben sich Antje Wessels und Sidney Schering, die beide im Netz sowohl privat als auch beruflich über Film schreiben (Sidney war damals einer meiner Interviewpartner für den Blogosphären-Post), vorgenommen, eine ihrer Meinung nach überfällige Diskussion über die Qualität von Filmkritik und Filmkritiker_innen loszutreten. Was als einigermaßen unkoordinierte Ventilation von persönlichem Frust begann, mündete schließlich in einem Plädoyer von Antje auf ihrer Website, in dem sie sich für “Faire Filmkritik” einsetzt. Diskutiert wurde dieses Plädoyer nach meiner Wahrnehmung vor allem unter Blogger_innen, weniger unter anderen professionellen Filmkritiker_innen, zum Beispiel im Verband der deutschen Filmkritik, der ja selbst vor zwei Jahren ein Flugblatt zur Lage der Filmkritik veröffentlicht hat.

Das Plädoyer

Genau genommen besteht das Plädoyer aus zwei Kritikpunkten, die für Antje aber unmittelbar miteinander zusammenzuhängen scheinen. Der eine ist, dass viele Filmkritiker_innen sich laut Antje in ihrem Beruf wie Idioten verhalten. Obwohl sie in der privilegierten Situation sind, Filme gesondert vorgeführt zu bekommen, Interviews mit inspirierenden Menschen führen zu dürfen und dafür bezahlt zu werden, ihre Meinung zu äußern, beschweren sie sich ständig über ihre Arbeitssituation, sind faul und ätzend im Umgang. Ihren persönlichen Frust und ihre persönlichen Vorlieben auch für Dinge, die wenig bis gar nichts mit den Filmen zu tun haben, die sie besprechen sollen, gießen sie in ihre Kritiken. Kurzum: Sie entsprechen genau dem Klischee des Filmkritikers, dass Jesse Eisenberg jüngst für den “New Yorker” aufgeschrieben hat.

So weit so gut. Diesem Kritikpunkt kann ich – auch wenn ich persönlich bisher nur wenige Vertreter_innen dieser Spezies erlebt habe – zustimmen. Ich habe mich oft genug selbst mit dem merkwürdigen Dünkel auseinandergesetzt, den ein Teil der Kolleg_innen an den Tag legt und ich habe eine klare Position dazu: Wer sich selbst für zu wichtig hält, um seinen Job ordentlich zu machen, gehört kritisiert, gekündigt und im besten Fall außerdem ausgelacht. Einen Film kritisieren, den man nicht oder nur halb gesehen hat; persönlichen Ärger an denen auslassen, die nichts dafür können; die Menschen, die hinter einem Film stehen, persönlich zu beschimpfen, statt sich mit ihrer Kunst auseinanderzusetzen – das ist schlicht und einfach unprofessionell.

Nervig und Lächerlich

Sich pausenlos darüber beschweren, dass der Markt die eigene Arbeit nicht wertschätzt und die Arbeitsbedingungen besser sein könnten, ist meiner Meinung nach nicht das gleiche. Es ist nervig, oft genug lächerlich, aber auch menschlich und nicht auf die Filmkritik-Branche beschränkt. So lange solche Menschen am Ende trotzdem ordentliche Arbeit abliefern, sollte man da als ebenfalls professionell arbeitender Mensch einfach drüberstehen oder eine vergnügliche Kolumne drüber schreiben.

Für Antje – und Sidney, der sie mal mehr, mal weniger sachlich auf Twitter verteidigt (Anmerkung: Sidney sieht sich hier außer Kontext zitiert Ich habe Sidneys als zweiten verlinkten Tweet augenscheinlich falsch verstanden. Er war, wie er in den Kommentaren erläutert, als humorvolle Aufspießung der ganzen Debatte gemeint, ich empfand ihn als passiv-aggressive Nonmention von wem auch immer. Es war wahrscheinlich dumm, ihn hier auf ähnlich raunende Weise und außer Kontext aufzugreifen. Wir haben das besprochen.) – sind beide Fälle allerdings Ausprägungen des gleichen Missstandes. Dies ist der zweite Kritikpunkt des Plädoyers: Die gescholtenen Kritiker_innen haben keinen “Respekt” vor den Filmen, über die sie schreiben, und sie haben nicht verstanden, welchen Zweck Filmkritik hat. Dieser ist laut Antje: “Filmkritiken sollten im Idealfall als Atlas für all jene Zuschauer fungieren, die mit dem Gedanken spielen, ins Kino zu gehen.”

A Little Respect

Über diesen Satz und seine Implikationen, die im Plädoyer auch noch weiter aufgefächert werden, schreibe ich gleich etwas und komme damit zum Herz dieses Posts. Aber um das Ganze noch etwas weiter in die Länge zu ziehen, will ich nur noch kurz etwas zu der Sache mit dem Respekt sagen. Ich höre dieses Argument öfter und ich habe es am Rande in meinem “Filme normal gucken“-Post gestreift. Ich halte es außerdem für gefährlich. Natürlich sollte man als Kritiker_in grundsätzlich erstmal jedem Film so unvoreingenommen entgegentreten, wie das eben geht, in einem Strudel von Vorwissen und PR. Aber genauso sollte man sagen dürfen, dass man persönlich einen Film “schlecht” findet. Nicht nur “am Publikum vorbeiinszeniert”. Dass ehrliche Arbeit und Mühe in ein Projekt geflossen ist, kann trotzdem bedeuten, dass das Ergebnis nicht überzeugt.

(Anmerkung: Ich sehe ein, dass dieser Absatz und der davor missverstanden werden können. Was er nicht bedeutet: Dass Sidney alles, was Antje schreibt, exakt genau so sieht. Dass Sidney oder Antje denken, dass Kritiker Filme nicht mögen dürfen.)

Jetzt sind wir endlich am Knackpunkt der ganzen Diskussion angelangt. Für Antje hat “persönlicher Filmgeschmack (…) in einer Pressevorführung nichts zu suchen”. Die wahre Kunstfertigkeit der “fairen” Filmkritik liegt darin, “sich in die Erwartungen der unterschiedlichen Zielgruppen hineinzuversetzen”. Das ermöglicht “unabhängige Berichterstattung”, denn die Annahme “Filmkritiken könnten niemals objektiv sein (…) [ist] schlicht und ergreifend falsch.”

Ehrenwert und tragisch, aber falsch

Antjes Argumentation geht also in die exakt entgegengesetzte Richtung des weiter oben erwähnten Flugblatts des VDFK. Ihrer Meinung nach ist es der explizite Zweck von Filmkritik, sich in jede_n einzelne_n mögliche_n Zuschauer_in hineinzuversetzen und eine Empfehlung auszusprechen, ob diese_r Zuschauer_in sein sauer verdientes Geld und seine knappe Zeit in diesen Film investieren sollte. Sie glaubt nicht nur, dass das möglich ist, sie hält es sogar für die einzig richtige Art der Filmkritik. Winston Roundtree gibt ihr recht. Ich nehme vorweg: Ich halte beide Annahmen für falsch. Die erste für ehrenwert aber falsch, die zweite für tragisch und falsch.

Ich möchte kurz versuchen, die erste Annahme zu entkräften, es sei möglich, Filme objektiv zu bewerten, indem man versucht vorherzusehen, ob sie einem bestimmten Publikum gefallen könnten. Es ist ja nicht so, dass ich mit den gesammelten Werken von Pauline Kael und Michael Althen in der Wiege geschlafen habe. Ich habe meine Filmbildung auch jahrelang aus “TV Movie” und anderen Zeitschriften gezogen, die genau diese Art der Filmbewertung vornehmen (“Cinema” zufällig nicht, aber “Cinema TV”). Ich halte sie für eine legitime Form des Servicejournalismus, aber sie ist nicht “objektiv”. Sie versucht, sich in eine begrenzte Zahl (!) bestimmter Zielgruppen hineinzuversetzen, aber sie ist nicht “unabhängig”. An die Stelle der persönlichen Meinung eines Autors tritt das behauptete Expertentum des Mediums. Das ist aber genauso ein Konstrukt wie Aggregatskritik und kann höchstens eine relative Meinung vermitteln. Keine Wahrheit, so schön das wäre.

Wichtig ist meine eigene Meinung

Die zweite Annahme ist aber die unangenehmere. Ich kann einfach nicht zustimmen, dass diese Art von Filmkritik die einzig richtige ist, im Gegenteil. Filmkritik sollte persönliche Meinung enthalten und zwar viel davon. Weil Filmkritik nicht nur Serviceempfehlung ist, sie ist Teil des kulturellen Diskurses. Was Filmkritik alles kann, welche Aufgaben sie wahrnehmen kann, das muss ich hier nicht alles noch einmal aufzählen. Dafür kann man das Flugblatt lesen, oder Rajkos Text oder Lucas’ Text oder A. O. Scotts Buch (das ich noch nicht gelesen habe) oder einen der dutzenden anderen Texte, die zu diesem Thema bereits aufgesetzt wurden, auch in den letzten paar Jahren.

In einer Sache gebe ich Antje Recht: Ich finde auch, dass es in einer guten Filmkritik um eine Beziehung zwischen Autor_in und Leser_in geht. Diese wird aber zunächst einmal von Leser_innenseite aus initiiert. Ich lese einen Text zu einem Film und die dort vertretene Meinung entspricht meiner oder nicht, auf jeden Fall aber regt sie mich im besten Fall zum Nachdenken an. Später lese ich einen weiteren Text, der von derselben Person geschrieben oder am selben Ort publiziert wurde und irgendwann habe ich vielleicht eine Beziehung zu Person oder Ort, die unabhängig vom konkreten Text existiert. Ich weiß, wenn ich kluge Dinge über Comicfilme lesen möchte, lese ich Matt Singer; wenn ich in meiner landläufigen Meinung herausgefordert werden möchte, lese ich Rajko Burchardt; wenn ich wissen möchte, wie ein intimer Kenner des Disney-Kanons denkt, lese ich Sidney Schering; wenn ich tendenziell linksliberale, intelligente amerikanische Kulturkritik lesen will, schaue ich mal, was bei “Slate” steht. Wichtig ist aber am Ende meine eigene Meinung, die durch die Beschäftigung mit den Meinungen anderer entsteht. Nicht, ob irgendjemand recht hatte, dass ein Film gut oder schlecht ist. Das alles kann Filmkritik leisten.

tl;dr?

Dieser Text ist sehr lang und womöglich hat jemand, der bis hier gelesen hat, schon wieder vergessen, was am Anfang stand. Deswegen möchte ich meine Kernthesen noch einmal zusammenfassen. Ich bin der Meinung, dass

  1. Filmkritiker_innen, die unprofessionell arbeiten, einen anderen Beruf haben sollten,
  2. Filmkritiker_innen, die nervige Zeitgenossen sind, ausgelacht werden sollten, aber ansonsten genauso toleriert werden müssen, wie andere nervige Menschen auch, so lange sie niemandem wehtun,
  3. Servicekritik, die an den Ansprüchen eines vorgestellten Publikums ausgerichtet ist, legitim, aber weder “objektiv” noch besonders “fair” ist,
  4. Filmkritik im Idealfall zu einem kulturellen Gespräch beiträgt und es Konsument_innen ermöglicht, sich eine eigene Meinung zu bilden und ebenfalls Teil dieses Gesprächs zu werden.

Diese Thesen zeigen, dass die Diskussion vielschichtig ist und mehrere Themen beinhaltet. Es ist sehr schwierig, sie in 140-Zeichen-Schüben, am besten noch auf Englisch (mit anderen Nicht-Muttersprachler_innen), zu führen. Aber sie ist es durchaus wert, geführt zu werden.

Drei Ergänzungen noch zum Schluss:

Ich habe einen Punkt versucht, so gut es geht auszusparen, und das ist Antje Wessels Person – obwohl diese im Zentrum des Textes steht und obwohl sie ihr Plädoyer aus ihrer eigenen Biografie herleitet. Wie auch immer diese Diskussion weitergeführt wird, ich finde es sehr wichtig, dass dies auch alle anderen Diskutant_innen tun. Es ist egal, ob euch Antje und ihre Art, Kritiken zu schreiben oder auf Twitter aufzutreten, sympathisch ist oder nicht. Wenn ihr sie persönlich angreift, verhaltet ihr euch exakt so unprofessionell, wie sie das ihren Kolleg_innen vorwirft.

Weil der Artikel sonst noch ein paar Schlaufen hätte drehen müssen, habe ich auch das größere Thema “Journalismus” ausgespart. Ich habe große Probleme mit einem Satz wie “Wenn ich heute ein Interview mit einem Schauspieler führe, empfinde ich das nach wie vor als große Ehre”. Journalismus kann im Gegensatz zu Kritik sehr wohl unabhängig (also nicht von fremden Interessen geleitet) sein, und wer für die reine Möglichkeit, sich in die PR-Maschinerie von Firmen einzuklinken, die etwas verkaufen wollen schon so dankbar ist, sollte meiner Ansicht nach noch einmal über seine Funktion in der Gesellschaft nachdenken. Damit meine ich nicht, dass niemand Fan von Künstler_innen sein darf oder sich nicht freuen darf, diese etwas zu fragen. Aber wenn man es als Ehre begreift, macht man sich damit selbst unnötig klein.

Schließlich bitte zu beachten, dass ich mich bemüht habe, in diesem Text an vielen Stellen hervorzuheben, dass er nur meine eigene Meinung in einer Diskussion wiedergibt. Eine Eigenschaft von Antjes Text, an der sich vielleicht auch andere bewusst oder unbewusst gestört haben, ist, dass er so absolut ist. Eine spöttische Überschrift “gehört sich einfach nicht”, eine überhaupt nicht faktisch überprüfbare Annahme ist “schlicht und ergreifend falsch”. Das mag einer journalistischen Zuspitzung geschuldet sein. Hilfreich in einem Gespräch gerade mit Kolleg_innen ist es aber nicht.

Außer den markierten Korrekturen, habe ich im Laufe des Abends noch ein paar Tippfehler in diesem Text korrigiert.

18 thoughts on “Die Illusion der fairen Filmkritik”

  1. ” Für Antje – und Sidney, der sie mal mehr, mal weniger sachlich auf Twitter Filme normal gucken“-Post gestreift. Ich halte es außerdem für gefährlich. Natürlich sollte man als Kritiker_in grundsätzlich erstmal jedem Film so unvoreingenommen entgegentreten, wie das eben geht, in einem Strudel von Vorwissen und PR. Aber genauso sollte man sagen dürfen, dass man persönlich einen Film “schlecht” findet.”

    Der erste Satz scheint teilweise verloren gegangen zu sein, außerdem geht det zweite Link nicht. Darüber hinaus habe ich “Kritiker dürfen nicht sagen, sie fänden einen Film schlecht” nie als meine Mission hingestellt. Ich habe auf Twitter sogar wiederholt fest gehalten, dass man natürlich scharf kritisieren kann. Daher ist es von dir falsch, wenn du mein Ziel damit erwiderst, dass es ja schade sei, wenn du nichts mehr mies finden dürfest. Denn dagegen habe ich mich nicht ausgesprochen. Und Antje hat das meines Erachtens nach auch nie getan.

    Worüber ich mich aufrege, sind Reviews, in denen wohl die Graustufen verloren gingen, und alles, was nicht gut ist, schon gleich “scheiße” ist. Und, ja, ich persönlich finde Publikationen/Kollegen, die ganze Genres/Filmformen unter einen Generalverdacht stellen, selten lesenswert. Privatpersonen dürfen gern Horror dumm, Romanzen öde und Musicals albern sowie das Trickfilmmedium uninteressant finden. Wer aber hauptberuflich Kritiker ist und Rezis, statt Kolumnen schreibt, sollte schon mehr diffdrenzieren, statt alle Trickfilme als dumme Kinderfilme zu betrachten, sich bei allen Musicals zu beschweren, dass gesungen wird, und bei Horror wenigstens versuchen, zwischen Slasher und Suspense zu unterscheiden lernen. Das macht für mich den Unterschied zwischen Freizeitbeschäftigung und Profession aus, dieser Wille zur Differenzierung und Anpassung an die jeweiligen Gegebenheiten eines Films. Und wer unter dem Profis z.B. einfach einen zu schwachen Magen hat, um Horror zu gucken und fundiert zu bewerten, kann das noch immer Kollegen überlassen. Spezialisierung ist ja ok. Aber “alles machen, nur sehr spezielle Toleranz ggü Gattungen haben” mündet in beliebige, für mich uninteressante Reviews. DARUM geht es mir. Und ein wenig um das Ziel “Lasst uns nicht vergessen, dass AVGN und Co. Kunstfiguren und Comedykonzepte sind. Sie als Vorbilder für den Kritikenstil zu nehmen ist … naja, gerne anstrengend” …. So, wenn du mich nun immer noch verstehst und denkst, es geht um zahme, lahme Kritik als Ziel, gebe ich die Hoffnung auf. ;-)

    1. Sorry, ich hatte im Quelltext ein ” vergessen und deswegen fehlte da ein gutes Stück Text. Jetzt stimmt es, und du siehst, dass ich dir nicht vorgeworfen habe, du würdest behaupten, niemand dürfte mehr irgendwas kritisieren.

    2. Und warum du im zweiten Absatz nur wiederholst, welche Art von Kritiken dich stört, weiß ich nicht. Das ist eine ganz andere Diskussion. Ich gehe im Text ganz dezidiert auf Antjes Text ein, in dem sie 1:1 schreibt, dass Kritiker, die ihre eigene Meinung in Kritiken einfließen lassen, etwas falsch machen. Von Generalverdammung und all den Dingen, die du schreibst, ist nicht die Rede. Wie ich ja geschrieben habe: “persönlichen Ärger an denen auslassen, die nichts dafür können (…) ist unprofessionell” – das gilt natürlich auch für pauschale Vorlieben und Vorurteile.

    3. Ok, sehe, dass der Satz nun vollständig da ist. Jedoch galt der Tweet nicht denen, die an verschiedenen Aspekten von Antjes Artikeln Diskussionsanstoß genommen haben. Sondern jenen, die meine zwecks Beiseitestehen Antjes wiederholte Position, Kritiker sollen sich in ihren Artikeln nicht unbedingt wie Arschlöcher aufführen, angefahren haben. Weil sachliche/faire/nicht hundsgemeine und unter die Gürtellinie gehende/nenn es wie du magst Kritiken ja “voll langweilig seien”. Nur dreiste Polemik sei spannend. Daher mein neckischer Tweet. Nicht als “Alle, die Antje nun nicht zustimmen, stehen auf sinnlose Kritik”. Sondern als “Die, die keine auf dem Film fußende Kritik mögen, mögen wohl sowas …” explizit gefolgt vom Tweet “#ThatsWhyWeCantHaveNiceThings”, denn irgendwo rührt das Klischee des arroganten, oberflächlichen, schimpfenden Kritikers wie ihn etwa Eisenberg beschreibt je her.

      Das kann man in der Form, wie du meinen Tweet eingebunden hast, nicht mehr rekonstruieren, noch weniger, wenn du es nun so darstellst, als hätte ich damit alle, die Antje auch nur in kleinster Form widersprechen, lächerlich machen wollen. Ich mag daher für die Nachwelt festhalten, dass ich es, nett gesagt, unschön finde, wie du meinen überspitzten Tweet in deinem nüchtern geschriebenen Blogpost als unsachliche, ja kindische Antwort auf Antjes Kritiker darstellst. Ich reiße auch nicht irgendwelche Tweets aus unser beider Anschlussdiskussion, um in meinem Blog zu suggerieren, du seist voll fies. ;-)

      1. Und ich möchte noch einmal festhalten, dass ich Servicekritiken nicht für “sinnlos” oder “dumm” halte. Ich hoffe, das geht auch aus dem Artikel hervor. Ich finde nur, dass sie nicht objektiv sind und dass Kritik mehr kann und (wenn es nach mir geht) mehr sein sollte.

      2. Antwort auf deine Antwort, die entstand, während ich dem Kommentarforumular meine zweite Antwort eintrichtern wollte: Ich erkläre nochmal, was mich bei bestimmten Reviews stört, weil du die Debatte anreißt, Antjes und meine Positionen andeutest und dann als überleitendes Zwischenfazit ziehst, dass es ja falsch sei, Kritikern zu verbieten, etwas schlecht zu finden. Woraufhin du den Punkt fallen lässt und dann auf andere Punkte in Antjes Beitrag eingehst. Und da es mich ratlos zurückließ, was mein Punkt mit der “Antwort” “aber es ist falsch, Kritikern zu verbieten, Dinge schlecht zu finden”, musste ich doch für Klarheit sorgen? Also, auch wenn ich mir die nun vom Formatfehler bereinigte, somit vollständige Fassung durchlese, käme ich zum Schluss (wüsste ich es nicht besser), ich würde negative Kritiken verdammen, Da sei mir die Ergänzung doch erlaubt? :-D

        1. Sidney, in Antjes Text steht: “Filmkritik darf nie schädlich sein.” Nie! Was heißt das denn anderes, als zu sagen, dass man einen Film nicht als schlecht bezeichnen darf? Das ist doch wohl “schädlich”, denn im Zweifelsfall wird der Film deswegen weniger gesehen. Wer versucht, sich aus negativen Gefühlen in konstruktive Handlungen zu flüchten, zum Beispiel “Alternativen aufzuzeigen” oder trotzdem die Arbeit der Leute zu würdigen, die den Film gemacht haben, der denkt zwar vielleicht sehr serviceorientiert, aber er befördert keine kulturelle Konversation und es zwängt einen in ein Korsett des “man muss immer auch die guten Seiten sehen”, von dem soviel ich weiß erwiesen ist, dass es einen langfristig kaputt macht. Das ist es, was mich an dieser Haltung stört und das erkläre ich doch hoffentlich weiter unten auch. Die Regeln guten Diskurses auf der anderen Seite diktieren natürlich, dass man eine solche Meinung auch begründen können sollte. Und deswegen gebe ich dir natürlich auch recht, dass man Filme nicht willkürlich zerreißen sollte.

          1. Alex, ich bin nicht Antjes Pressesprecher. Aber wenn ich Antjes Arbeit verfolge und gesamtes Plädoyer lese und/oder an den Podcast zum Thema mit ihr zurückdenke, so muss ich schon extrem viel Willen zum Missverständnis mitbringen, wenn ich ihr die Aussage “Kritiker müssen alle Filme ok finden” in den Mund legen will. Du kannst sie ja wegen des Satzes “Kritiken dürfen nicht schädlich sein” ja meinethalben anschreiben oder ihr das Feedback geben, dass er verwirrend ist. Dennoch stehe ich ratlos dar, wie man nach dem Plädoyer UND dem Podcast denken kann “Ganz egal, was sie sonst sagt, wegen dem einen Satz interpretiere ich ihre Grundaussage als: Keine negativen Kritiken!” Antje meint mit dem Satz “keine Pöbeleien”, denke ich, und ja, das hätte sie dann vlt anders formulieren müssen. Trotzdem halte ich es für waghalsig, aus ihrem Text mit deiner Deutung rauszugehen. :D

            (Ganz zu schweigen, dass ich mich wundere, wieso du nach meiner Antwort mit dem Satz von Antje ankommst. Ich habe nur erklärt, was mein Ziel ist, weil in deinem Post suggeriert wird, es sei mein Ziel, negative Kritiken zu verbieten. Aber wir drehen uns im Kreis.)

  2. In dem Buch von A.O.Scott, dass du noch nicht gelesen hast, steht etwas zum persönlichen Geschmack. Ich hab dazu einen Beitrag in Bezug auf Negativ-Kritik gegen Filmkritiker gemacht (https://filmkompass.wordpress.com/2016/04/14/kritik-und-geschmack/), weil es gerade im Netz inzwischen immer beliebter wird, Filmkritiker zu beschimpfen, deren Kritiken nicht der Meinung des Lesers entsprechen. Ich glaube auch nicht, dass man sich in alle möglichen Zielgruppen hineinversetzen muss. In meinen Kritiken verwende ich zwar ab und an Formulierungen wie “Die Zielgruppe wird es trotzdem nicht abhalten ins Kino zu gehen.”, aber das ändert ja nichts an meiner persönlichen Meinung. Ich als Semi-Profi (Privatperson mit Pressezugang) sehe das sicherlich auch weitaus entspannter als die Profis. Ich bin vielleicht auch ein bißchen dankbarer. Keine Deadlines. Keine Beschränkungen. Ich kann veröffentlichen, was, wann und wieviel ich möchte. Dafür gibt’s halt auch keine Bezahlung. Ich weiß nicht, ob Profi-Filmkritiker per se faul und unmotiviert sind, dazu kenne ich zu wenig persönlich. Aber ich würde mir tatsächlich mehr Diskurs wünschen. Dass Interviewer auch mal kritische Fragen stellen. Ich habe schon ein paar Film-Pressekonferenzen in voller Länge gesehen und da werden gerne Fragen gestellt, die wenig mit dem Film zu tun haben. In meiner subjektiven Wahrnehmung nimmt das sinnlose Palawer immer mehr zu und das kritische Hinterfragen nimmt ab. Ich glaube, es braucht keine fairere Filmkritik, sondern eine ehrlichere. Sowohl, was die Kritiken selbst betrifft (Stichwort: Sponsored Posts), sondern auch die Filmberichterstattung im Allgemeinen. Ich würde gerne mal ein konstruktives Interviewer-Schauspieler-Streitgespräch sehen. So nach dem Motto: “Wenn ich ehrlich sein darf, ich fand Sie in dieser Rolle völlig fehlbesetzt.” “Wenn ich ehrlich sein darf, ich habe die Rolle auch nur wegen dem vielen Geld, dass mir gezahlt wurde, angenommen.” :-) Naja, Träumen darf man ja.

    1. Danke für den Link zu deinem Artikel. Ich freue mich sehr drauf, Scotts Buch dieses Jahr noch zu lesen, aber ich habe einige Sachen, die erstmal davor auf der Liste stehen.

        1. @franziska-t:
          Zum Vorschlag mit den “ehrlichen Interviews”: Das führt uns zurück zur “Press Junket Debatte”. Denn es ist leider so: Ich frage oft genug Medienpersonen für Interviews an, ohne dass es im Zusammenhang mit einem Junket steht. So, dass die größere Chance besteht, dass ohne Agenturen im Rücken und vlt auch durch zeitlich größeren Abstand zum angerissenen Projekt mehr Ehrlichkeit seitens des Gesprächspartners drin ist. Leider werden diese Anfragen sehr oft abgewiesen, mit der Begründung: “Nun keine Zeit für Interviews, aber ich habe mir [ZEITRAUM] freigenommen, da bin ich auf Junket-Tour”. Und da hat man dann wieder Agenten, Manager und Veranstalter im Nacken …

          Das ist halt die Krux. Ich kann Medienmenschen total verstehen, wenn sie nicht auch noch zusätzlich zu den Junkets Interviewtermine annehmen wollen. Und ich kann total verstehen, dass auf den Junkets dann diese Personen genervt sind, weil sie zig Mal dieselben Fragen bekommen, einen wahren Gesprächsmarathon durchlaufen und dann noch von ihrem Interviewer teils nicht respektiert werden. Denn, Alex, du hast recht: Wir Journalisten sollten uns nicht so klein fühlen, zu sagen: “Danke, dass ich an diesem Termin, von dem du, liebes Studio, profitierst, teilnehmen darf.” Ich würde aber schon sagen, wir sollten als Journalisten trotzdem Grundrespekt für den Interviewpartner mitbringen (und der fehlt dann und wann leider schon).

          1. (Den Rest hat das Kommentarformular eben abgeschnitten, also: FORTSETZUNG:)

            So lange Junkets existieren, kannst du als Journalist innerhalb dieser Branche also entweder Junkets ignorieren und kaum Interviews haben. Oder du gehst hin und versuchst, die Infrastruktur auszunutzen, um dennoch originellere und ehrlichere Gespräche zu führen (was manche Talents mitmachen und andere dann doch nicht, weil sie sich von der Orga in eine ‘Ich mach hier eine Promoaktion’-Mentalität haben drängen lassen). Oder du gehst hin und lässt die Sache so laufen, wie es gewohnt ist. Ich versuche, immer den zweiten Weg zu beschreiten – denn Interviewverzicht kann und will ich mir nicht leisten. Finde auch, dass da ein paar spannende Interviews bei entstanden sind. Ich will hier nicht mehrere verlinken, weil ich Angst habe, dass es dann nach Eigenwerbung riecht. Aber eines möchte ich dann doch verlinken: Mit Renan Demirkan habe ich auf der Höhe der Junket-Kontroverse auf einem Junket über Junkets gesprochen. :D Read it here: http://www.quotenmeter.de/n/81038/renan-demirkan-zeitvertraege-sind-ein-menschenverachtendes-system

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