From the Vault: Talking Heads – Das Making of zu einem Film, der nie existierte

Joachim Kurz hat vor einiger Zeit eine Kolumne geschrieben über Filme, die es gar nicht gibt. Björn Helbig hat zuletzt diesen Staffelstab aufgenommen und eine Rezension geschrieben über den Film The Mongolian Whore House, der ebenfalls nicht wirklich existiert.

Ich glaube nicht, dass ich Björn nachfolgen kann, aber ich fühlte mich erinnert an ein Drehbuchprojekt, das ich vor vielen Jahren (2006) mal angefangen, aber früh wieder aufgegeben hatte. Der Film Talking Heads sollte das “Making of” eines Films sein, den es nicht gibt. Parodiert werden sollten damit vor allem die üblichen Worthülsen, die an Filmen beteiligte Menschen in “Featurettes” und ähnlichen Promotion-Formaten gerne von sich geben. Die künstliche Erzähldramatik, die in solchen Filmchen gerne aufgebaut wird, sollte in Talking Heads ersetzt werden durch eine zunehmende Absurdität. Der Film, dessen Entstehung geschildert wird, dessen Titel nie genannt wird und der sich im Kopf des Zuschauers formt, sollte Stück für Stück immer bizarrer werden.

Wie gesagt: weit bin ich nicht gekommen, aber hier sind die ersten zwei Seiten, leicht umformatiert.

Fade from Black

BERNHARD SCHROTH (PRODUZENT): Dirk kam damals zu mir in mein Büro und meinte “Bernd, ich
möchte gerne diesen Film machen.” Da hab ich ihm lange ins Gesicht geguckt
und gesagt: “Dirk, du bist verrückt.” THOMAS F. BRINCKMANN (DREHBUCHAUTOR): Als ich erfahren habe, dass Dirk diesen Film machen
will und dass ich das Drehbuch dazu schreiben soll, hab ich Dirk erstmal
angerufen und gesagt: “Dirk, ich weiß du hörst es nicht gern, aber du bist verrückt.” CHRISTOPHER DALL (KAMERA): Dirk und mich verbindet eine lange Freundschaft, aber als er
mir erzählt hat, was er vorhat, hab ich gesagt: “Du bist verrückt” STEPHAN KRAUSE (”PIT"): Mein Agent rief mich an und sagte “Dirk Sorensen will dich für
seinen neuen Film. Er will dich für die Rolle des Pit.” Ich hab gesagt: Ich glaub er
ist verrückt. DIRK SÖRENSEN (REGIE) (ist noch am Lachen von etwas, was er vorher gesagt hat): Die
ursprüngliche Reaktion? Ich glaube die meisten Leute, denen ich es erzählt habe, haben
gemeint ich wäre verrückt. Schwarz. Einblendung des Titels: The Making of TALKING HEADS. DIRK SÖRENSEN (CONT'D): Die Geschichte dieses Films geht zurück auf ein Erlebnis, was ich
in meiner Kindheit hatte. Ich war mit meinen Eltern im Urlaub an der Nordsee, ich
war vielleicht so 5 oder 6 Jahre alt, noch ziemlich klein jedenfalls. Und...äh...
da haben wir einen Strandspaziergang gemacht, wie man das halt so macht an der Nordsee. Und da finde ich im Sand plötzlich so ein wunderschönes geschwungenes Schneckenhaus.
(er macht eine entsprechende Geste)
Und ich... ich wollte es aufheben, und als ich danach
greife, ruft mich mein Vater und ich drehe mich um, und ich sehe noch aus meinem
Augenwinkel wie ein kleiner Krebs aus dem Schneckenhaus hervorkriecht. HENRY DU POINT (AUTOR ROMANVORLAGE) (spricht Deutsch mit starkem, echtem französischen
Akzent und bedient sich zur Unterstützung seiner Aussagen sehr ausdrucksvoller Gesten):
Im Kern von mein Buch liegt die Gedanque, dass die Welt ist eine Kampf von was ist Schön
mit einer großen... (er überlegt wie das Wort heißt) Wüt. DIRK SÖRENSEN: Als ich das Buch von Henny, also von Henry Du Point gelesen habe, wusste
ich sofort, dass darin ein ganz großer Teil auch von mir steckt. Von mir und von
diesem Tag am Strand. Und da wusste ich, dass ich da auf jeden Fall einen Film
draus machen muss. BERNHARD SCHROTH: Jeder kennt dieses Buch von Henry Du Point. Die meisten Leute haben es
gelesen. Und es gibt eine bestimmte Vorstellung davon, was für ein Typ die Hauptfigur
sein sollte. THOMAS F. BRINCKMANN: Ich hatte Henrys Buch nicht gelesen und bin deswegen erstmal in
einen Buchladen gegangen, hab es gekauft und eigentlich in einem Rutsch durchgelesen.
Und schon beim lesen hatte ich eigentlich immer schon eine sehr genaue Vorstellung
davon, wie die Hauptfigur aussieht. DIRK SÖRENSEN: Ich kenne Stephan noch aus meiner Zeit am Bielefelder Staatstheater
und ich wusste einfach: Er ist der Mann für den Job. STEPHAN KRAUSE (”PIT”): Ich war gerade auf Mallorca, ich hab da eine kleine Finca für den
Winter und so als mein Handy klingelt und mein Agent ist dran. Er sagt: “Du wirst nicht
glauben wer mich gerade angerufen hat.” Ich sage: “Steven Spielberg?” Er sagt: “Nein,
Dirk Sörensen. Er will, dass du in seinem neuen Flm den Pit spielst.” BERNHARD SCHROTH: Stephan hat die Gabe, echte Gefühle zu transportieren, und das können
nur sehr sehr wenige Schauspieler, deswegen war mir klar, dass er unsere
Idealbesetzung sein sollte. STEPHAN KRAUSE: Ich sagte nur: Okay, wo muss ich unterschreiben.

Wenn ich das so lese, bekomme ich richtig Lust, mich noch einmal dran zu setzen.

From The Vault: Alexander Gajic (16) über Star Wars – Episode I: The Phantom Menace

© Disney

Ich arbeite gerade an der Fortsetzung des Gefühlte Gemische-Posts vom Mai über prägende Filmerfahrungen und habe mich dafür in die Untiefen meiner Internetvergangenheit aufgemacht. Seit etwa 1996 hatte ich eine eigene Webseite auf dem T-Online-Webspace meiner Eltern, auf der ich alles veröffentlich habe, was mich interessiert hat – unter anderem auch einige meiner ersten Filmkritiken. Diese waren damals noch sehr stark geprägt, von dem, was ich sonst so als Filmkritik wahrgenommen habe – und das waren hauptsächlich Wertungen in Fernsehzeitschriften.

Star Wars – Episode I ist eines der großen Phänomene der Filmgeschichte. Ein Film, der mit so viel Erwartung beladen war, die Vorfreude bis zum Schluss aufrecht erhalten hat (der Original-Teaser Trailer ist ein kleines Meisterwerk), dann sehr viele Menschen sehr enttäuscht hat und trotzdem Unmengen an Geld generiert und ein multimediales Franchise von unbeschreiblichen Ausmaßen errichtet hat. Sogar einen Meta-Film hat Phantom Menace erschaffen – es gibt nicht viele Filme, die das von sich behaupten können.

Ich war 1999, mit 16 Jahren, sehr privilegiert. Ein Urlaub in den USA erlaubte es mir, den Film vor meinen Schulfreunden zu sehen, und natürlich musste ich darüber schreiben. Ich denke, meine Reaktion ist sehr typisch für die eines Teenagers der Zeit. Der Film hat mich so weggepustet und die Hypemaschine, gepaart mit dem Gefühl des besonderen Privillegs, hat dazu geführt, dass ich The Phantom Menace einfach toll finden musste. Ich hatte die “Special Edition” in den Jahren davor im Kino gesehen und ich habe mich sehr für Science-fiction und Tricktechnik interessiert – Episode I konnte nur großartig sein.

Dass man der Kritik – insbesondere im letzten Satz – dennoch ansieht, dass der Film mich nicht auf einem tiefer gehenden Niveau befriedigt hat, wie andere Filme des Sommers, etwa The Matrix, spricht hoffentlich für mich. Wirklich auf seinen Instinkt zu hören ist eben etwas, was man als Journalist erst lernen muss – genau wie man als Kritiker lernen muss, seine eigene Stimme zu finden. Letzteres hatte ich zu diesem Zeitpunkt sicherlich auch noch nicht, stattdessen schrieb ich in einer Mischung aus Phrasen, Anspielungen und sehr naiven Beobachtungen.

Aber genug der Vorrede. Als kleiner Vorgeschmack auf “Gefühlte Gemische II”, hier ist meine Original-Kritik zu Episode 1 vom Sommer 1999.

In Deutschland läuft der Film erst in ein paar Wochen an, aber der Rummel der bereits vorher darum gemacht wurde und wird sucht seinesgleichen. Endlich ist sie da: die langerwartete Fortsetzung (Fortsetzung? Nein, Vorgeschichte) zum besten Science Fiction Epos aller Zeiten. Star Wars: Episode 1: The Phantom Menace, oder zu Deutsch: Die dunkle Bedrohung.

Ich hatte die Möglichkeit den Film zu sehen, weil ich in den USA im Urlaub war und hier folgt meine ganz persönliche Kritik:
Die Story ist allen eh schon bekannt, aber ich fasse sie trotzdem noch mal kurz zusammen, viel Inhalt darf man ja gemäss der Star Wars Tradition eh nicht erwarten. Der kleine Planet Naboo wird von den bösen Leuten der Trade Federation (das Imperium gibt es ja noch nicht) zum Unterzeichnen eines Vertrages gezwungen. Königin Amidala (Natalie Portman – verdammt, die Frau sieht gut aus!) steht allerdings noch immer dagegen an. Die Botschafter von Naboo, die Jedis Qui-Gon Jinn (Liam Neeson) und Obi-Wan Kenobi (Ewan McGregor) entkommen einer bösartigen Falle und helfen der Königin, von Naboo zu entkommen. Dabei stolpern sie über die einheimische Laberbacke Jar Jar Binks (Viele Viele Schnelle Rechner, von denen PC-User nur träumen können), der ihnen von nun an nicht mehr von der Seite weicht. Bei einer Notlandung auf Tattooine treffen die Jedis ausserdem Anakin Skywalker (Jake Lloyd). Qui-Gon spürt, dass der Junge etwas besonderes ist, und unterstützt sein waghalsiges POD-Racer Rennen gegen den Fiesling Sebulba (Noch mehr schnelle Rechner)…

Das ist nur ein Bruchteil der komplexen Beziehungen im neuen alten Star Wars Film, der von allen Kritikern verissen wurde und viele Fans enttäuschte. Auch ich war nicht gerade überwältigt, fand ihn aber nicht schlecht. Die Hauptkritikpunkte meinerseits waren:

  • Jar Jar Binks! Er verwandelt den Film zeitweise in Seamstrasse: Der Film und geht allen tierisch auf die Nerven. Seine Computeranimation ist zwar fantastisch, aber er trägt nicht umbedingt zum Star Wars Geist bei – die Welt, die alle durch die ersten Filme lieben gelernt haben.
  • Keine richtige Story. Der Film dient in erster Linie der Erklärung der alten Filme, und das merkt man. Er tut meistens wirklich nichts anderes und ist wahnsinnig vorhersehbar. Zu viel passiert durch “dumme Zufälle”.
  • Charaktere sind Abklatsche von alten Lieblingen. Jar Jar kommt nur leider nicht an Chewie heran, und auch wenn Amidala meiner Ansicht nach besser aussieht als Leia, ist die “Prinzessin in Not” Idee doch wirklich ein bisschen alt.
  • Die Verschmelzung von Computeranimation und Film ist noch nicht überall ganz perfekt.
  • Alles sieht zu neu, glänzend und schön aus. Irgendwie hat mir das alte Star Wars Flair besser gefallen.

    Es gibt aber auch viele positive Sachen zu vermerken:

  • Charaktere mit coolen Looks. Darth Maul sieht wirklich böse aus, auch wenn er kaum auftritt. Sebulba ist genial und Amidalas Haartrachten lassen jeden Erdenfriseur erblassen. Auch Wattoo ist nicht von schlechten Eltern. Man nimmt ihm das Flattern wirklich ab.
  • Die genialsten Lichtschwertkämpfe der Weltgeschichte!
  • Das beste Rennen seit Ben Hur [*]
  • Viele Insider-Witze. So sagt Qui-Gon ganz am Anfang “I have a vey bad feeling about this!”, die einzigen Jawas im ganzen Film sagen nur ein Wort: “Uttini!”, Greedo taucht als Kind auf, Im republikanischen Rat sitzen E.T.’s, Anakin’s Musikthema zitiert aus dem Imperialen Marsch und noch einiges anderes, was ich übersehen habe.
  • Die Computereffekte sind schlicht unbeschreiblich. Noch nie ist dieses System so gut gelungen wie in Episode 1.
  • John Williams hat einen genialen Soundtrack geschrieben!

    Alles in allem ein guter bis sehr guter Film, man darf ihn nur nicht mit den alten Filmen vergleichen, denn dann ist er schlecht.

  • From the Vault: 10 Tips For Becoming an Acclaimed Arthouse Film Director

    I admit to being something of a narcissist in that I enjoy reading through old things I wrote. But sometimes that is a good thing, because I come across stuff that might actually be worth revisiting. Like this: A snarky list I wrote almost seven years ago in February 2006, on my old, personal blog – back when the Internet was still somewhat less “sharing” than it is now.

    I thought I’d repost the list here. I seem to remember it was written following a viewing of, amongst other things, Dogville and the Bill Douglas Trilogy. But nothing much has changed in the last seven years, really. What are your thoughts?

    10 Tips for Becoming an Acclaimed Arthouse Film Director

    1. When you set out to make art films, the first thing you need is a Manifesto. Try to make it as crazy as possible, treat it as if it was a completely revolutionary new way of making films. Then, make exactly one film that adheres to the Manifesto.

    2. When your first film is finished, claim that the Manifesto is bullshit and make all your other films in a completely different way.

    3. As soon as you have made three films, claim that they form a trilogy. No art film director is complete without a trilogy. The three films don’t actually have to do anything with each other. Proclaim that you will continue making trilogies and let the critics figure out how your films connect. They will find somethng.

    4. Bribe a critic you know and let him attribute you to some kind of stylistic movement. The name doesn’t really matter, but make sure the word ‘Realism’ is in there somewhere.

    5. If Hollywood offers you to make a film for them for which you will get paid shitloads of money, decline. Renounce Hollywood and all its capitalist methods and say that you will never work for The Man. Then, a few years later, do it anyway.

    6. Insist on casting one specific actor in every film you make. Insist on him (or her) playing parts that absolutely don’t fit him but claim that you have absolute faith in him pulling off the performance. For bonus points, cast a male actor to play a female part or vice versa. At some point, start a liaison with that actor. You get extra credit if he or she is (a) in some way related to you (b) of the same gender as you (c) a lot older or younger than you. When everybody has lost interest in the liaison, break it up big time and marry a childhood friend.

    7. After you have made a few films, insist on shooting your next film with some kind of very crazy technique. This can range from simple black and white to digital cameras, original silver nitrate film, continous takes, split screens, silent films, DVD-Versions with multiple endings, whatever. Make up any crazy shiit and claim that you’re doing it because it helps you understand the essence of cinema.

    8. Take on a new and interesting Identity after some films. Change your name, grow a long beard, let no one take pictures of you, move to a country in some remote part of the globe. Alternatively, announce your retirement from the world of filmmaking and instantly start working on a new film.

    9. Before every film, announce that it is your most personal film yet.

    10. Make a film about your childhood. Claim that this is the zenith of your work, that you always wanted to make that film and that only now you feel you are mature enough to make it. Better yet, make a trilogy about your childhood (see point 3). Don’t actually make it about your childhood though but about a kind of childhood the most important critics can identify with.

    Bild: JJ Georges, CC-BY-SA