Höreindrücke: Bücher in Asche, Enden, Changemakers, Broomgate

Bücher in Asche (MDR/Good Point)

Ich hatte “Bücher in Asche” auf LinkedIn gesehen und entschieden, reinzuhören. Nachdem ich das bereits getan hatte, hat mich eine der Beteiligten auch per DM um Feedback gebeten. Das hat mir fast ein bisschen leid getan, denn die Anfrage war sehr nett, aber ich war leider kein Fan des Podcasts, obwohl oder gerade weil ich das Thema (Brand in der Weimarer Anna-Amalia-Bibliothek vor 20 Jahren) sehr interessant fand. Entscheidender Faktor war für mich der Ton, der mir etwas zu feuilletonistisch-betulich und damit streckenweise einfach zu langweilig war. Die Scherze sind nicht gelandet, die Spannung hat sich nicht aufgebaut und ich hatte bis zum Ende von Folge 2 noch immer kein Gefühl für die Geografie des Ortes. Ich habe mir immer wieder die Frage gestellt: Ist die Geschichte dieses Brandes wirklich in erster Linie ein Kulturthema?

Enden: Pleasant Island (Futurium/Undone)

Manchmal fühle ich mich bei Podcasts an die Peak TV-Zeit vor zehn Jahren erinnert. “Wurde diese Geschichte nicht schon öfter erzählt?” – “Ja, aber noch nicht als Streamingserie qualitativ hochwertiger Storytelling-Podcast.” Nichts an “Pleasant Island” ist schlecht, vieles ist sehr gut. Ich finde besonders das Scoring mal wieder hervorragend. Aber es ist (zumindest nach zwei Folgen) auch wenig daran neu oder überraschend. Mir wurde nicht klar (so ging es mir schon bei “Amanda Knox”), warum diese Geschichte jetzt noch einmal erzählt werden muss. Und ich habe nicht ganz verstanden, warum das Futurium einen sicher nicht unerheblichen Betrag dafür ausgibt.

Changemakers (WDR/Sportschau)

Podcast als Sachbuch-Hörspiel. Dynamische Texte über Sportler:innen, die über ihren Sport hinaus gewirkt haben. Toll interpretiert von Henriette Schreurs (mir bekannt aus “Score Snacks”) mit einem beeindruckenden Bett aus Soundeffekten und Musik. O-Töne tauchen auf, aber nur selten, wenn sie der Geschichte nicht im Weg stehen. Lieber werden Schauspieler:innen benutzt. Trotzdem wird mit journalistischer Sorgfalt darauf geachtet, dass alles nicht zu sehr biopic-isiert wird. Das Format ist nicht völlig neu, aber es ist noch viel zu selten und hier wirklich auf höchstem Niveau umgesetzt.

Broomgate: A Curling Scandal (CBC/USG Audio)

Ich finde ja, dass es kein besseres Medium gibt, um solche Nerd-Nischen-Geschichten zu erzählen, die gleichzeitig ein bisschen albern, aber journalistisch dennoch hochinteressant sind. Wer 2,5 Stunden Zeit hat, sollte sich dieses Reporterstück über den größten Skandal der Curling-Welt vor rund 10 Jahren mal anhören. Auch wenn der Host seine eigene Rolle in der Geschichte vielleicht etwas zu sehr hochjazzt.

Thüringen 2024, Shell Game, Judging Amanda Knox, 130 Liter: Vier Podcast-Kurzkritiken

Eigentlich wollte ich im Sommer keine Höreindrücke schreiben, aber dann kamen doch ein paar neue Produktionen des Wegs. Heute geht es um Explainer, KI und True Crime.

Thüringen 2024: Was wäre, wenn? (Hauseins/Verfassungsblog)

Ein brennendes Thema. Eine sehr gute Herangehensweise, die Gefahren in Thüringen über Bedrohungsszenarien greifbar zu machen. Mit Steffi Groth eine erfahrene und sehr sympathische Host. Klingt aber trotzdem hart nach Hausaufgaben. Ich sehe zwei Gründe: Erstens geskriptete Interviews mit den Co-Hosts vom Verfassungsblog, die dadurch, dass sie Ablesen, leicht ins Leiern kommen (Mein Vorschlag: Entweder echte Co-Moderation oder echte Interviews). Zweitens sehr lange O-Töne von Expert:innen (oft dazu noch im Konjunktiv!) ohne einordnende oder zusammenfassende Einschübe. Alles keine Dealbreaker, erhöht aber die Komplexität und Trockenheit.

Shell Game (Evan Ratliff)

Indieproduktion des Journalisten (Wired, Longform), in dem er seine eigene Stimme klont, in diversen Experimenten auf die Welt (bisher: Kundenservice, Scammer, Selbstgespräche) loslässt und laut über seine Beobachtungen nachdenkt. Dicht und unterhaltsam erzählt. Hat die persönliche Komponente, die ich für solche Formate unerlässlich finde, wie schon öfter an dieser Stelle erwähnt. Vergegenwärtigt noch mal, wie weit KI im Audio-Bereich schon gekommen ist.

Judging Amanda Knox (Undone/Der Spiegel)

Ich habe Khesrau Behroz ja letzte Woche für LÄUFT interviewt, und alles was in dem Gespräch steckt, ist im Grunde auch mein Eindruck. “Judging Amanda Knox” ist, wie immer bei Undone, erzählerisch auf höchstem Niveau. Khesrau und Alexandra Berlin ergänzen sich auch sehr gut. Die Musik ist diesmal wirklich ein deutlicher Charakter. Aber ich finde diese Meta-Reflexion (diese Woche erscheint Episode 4, in der über True Crime reflektiert wird, in den freien Feeds) nicht so tugendhaft, wie sie tut, weil mir eine klare These oder ein Richtungsvorschlag an ihrem Ende fehlt. Khesrau hat Großes für den Schluss in Episode 8 angekündigt. Ich werde auf jeden Fall noch dranbleiben.

130 Liter: Streit um unser Trinkwasser (DLF)

Ein großes Thema mit moderner Haltung aber zeitlosen Mitteln erklärjournalistisch heruntergebrochen. Mir haben vor allem die Reportage-Elemente gefallen, in denen Protagonist:innen vor Ort zu Wort kommen und Reporter:innen auch DInge berichten können, die sie sehen oder erleben. Das macht alles viel greifbarer, gibt einem dieses Radio-Gefühl und hat bei mir viele positive Erinnerungen etwa an “Planet Money” geweckt. Ein bisschen traurig finde ich das allgemeine Musik- und Sounddesign, aber so isses halt: Deutschlandfunk’s gonna deutschlandfunk.

Wild Crimes, Animal, Weird Animals, Die Anschlags – vier kurze Podcastkritiken

Für die Höreindrücke habe ich diese Woche drei Podcasts gehört, die mit Tieren zu tun haben, und einen über Spionage.

Wild Crimes (ARD)

Ich finde, dass hier ein journalistisch gut aufbereitetes und spannend genug erzähltes Thema völlig dadurch ruiniert wird, dass es unnötigerweise in den True-Crime-Frame gestellt wird. Mir hätte es völlig gereicht, zu erfahren, wie schwierig die Abwägung zwischen Tierschutz, Menschenschutz und Wirtschaftsschutz in einer Welt ist, in der die Zivilisation die Wildnis fast völlig zurückgedrängt hat. Als zentrales Mysterium zu postieren, wer einen Bären tatsächlich erschossen hat, fand ich ein zu großes Zugeständnis an ein ohnehin überstrapaziertes Genre, auch wenn ich vor der Marketing-Idee dahinter knirschenden Respekt habe.

Wild Crimes in der Audiothek

Animal (New York Times)

Ich wiederhole mich, aber von solchen Podcasts wünsche ich mir auch in Deutschland viel mehr – das Personal dafür gäbe es im Feature-Bereich auf jeden Fall. Einzelne Personen, die auf eine persönliche Erkenntnmission gehen und die Geschichte auch durch ihre Brille erzählen. Hier: Was verbindet uns mit Tieren, was trennt uns? Die erste Episode ist nur 15 Minuten lang und erzählt die Geschichte von zwei Haustieren des Autors, in Folge 2 geht es 45 Minuten nach Island, um Papageientauchern beim Erwachsenwerden zu helfen. Das geht zusammen und es klingt toll. Podcasts sind ein sehr gutes Medium für den Personal Essay.

Animal hören

Weird Animals (Undone/ARD)

Uff. Ich glaube, das Format kann funktionieren, wenn es sich ein bisschen eingegroovt hat. Die Hosts sind auf jeden Fall die richtigen (auch wenn ich Robinga Schnögelrögel persönlich nicht sympathisch finde) und die größeren Themen, die sich andeuten, klingen relevant. Aber mir hat das Gespräch in Folge 1 noch zu viel Mischung aus Trockenheit, gequältem Humor und “Das habe ich leider auch nicht rausfinden können”. Die Chemie und der Rhythmus passt noch nicht ganz. Das kann man als “authentisch” feiern, aber ich finde immer noch, dass ein (auch komisches) Wissensvermittlungsformat die Zeit seines Publikums wertschätzen sollte.

Weird Animals in der Audiothek

Die Anschlags (WDR)

Mir sind zwei Dinge aufgefallen: Erstens, wie gekonnt die Doku mit verschiedenen Zeit- und Erläuterungsebenen jongliert, ohne dass man den Faden verliert (auch wenn es zwischendurch wirklich recht kompliziert ist). Zweitens, dass sie ihre Geschichte fast konsequent linear erzählt und man nur deswegen dranbleibt, weil man wissen will, wie es weitergeht, auch ohne dass ständig lautstarke Ankündigungen gemacht werden, wie krass diese Recherche ist – das merkt man nämlich von selber. Habe ich abonniert und werde ich fertighören.

Die Anschlags in der Audiothek

Row Zero, Feuerzone, 15 Minuten, Fur and Loathing: Vier Podcast-Kurzkritiken

Zweimal Rammstein, ein neuer Daily-Podcast der Tagesschau und ein True-Crime-Fall im Furry-Milieu. Höreindrücke sind schnelle Meinungen von mir zu vier neuen Podcasts nach dem Anhören weniger Episoden. Alle zwei Wochen (meistens) neu, hier und auf LinkedIn.

Rammstein – Row Zero (NDR) und Feuerzone: Das System Rammstein (SZ)

Kulturelle Artefakte wie dieses sind ein Geschenk: Zwei Medien recherchieren gemeinsam, veröffentlichen gemeinsam, gehen dann aber auseinander und bereiten ihr Rohmaterial, angereichert durch zusätzlichen Kontext, noch einmal separat als Podcast auf. Als Kritiker kann man sich so zwischen zwei alternativen Universen der Rammstein-Podcasts bewegen und feststellen: Beide sind in ihrer Unterschiedlichkeit gut geworden. An Row Zero fand ich beeindruckend, wie konsequent der Podcast in der Perspektive der mutmaßlichen Opfer bleibt und ihr auch Erläuterungen (etwa des Rechtssystems oder der Historie von Rammstein) gegenübergestellt, die Synthese beider Elemente aber den Hörenden überlässt. Von Feuerzone habe ich bisher erst eine Folge gehört und ich finde den Ansatz interessant, auch einen kulturjournalistischen Rundumschlag zu wagen und die Rolle der Medien zu beleuchten. Eine ausführlichere Kritik und hoffentlich ein paar Hintergründe gibt es dann in der nächsten Ausgabe von Läuft.

Row Zero

Feuerzone

15 Minuten (Tagesschau)

What if Nachrichten but angekumpelt. Dass hier “Tagesschau” draufsteht ist eigentlich irreführend, denn 15 Minuten ist mit seiner Mischung aus eher weichen News, Servicejournalismus und Anekdotenanreicherung durch die Hosts eigentlich viel eher ein “Morgenmagazin” in Podcastform als eine “harte” Nachrichtensendung. Für alle, die sowas gerne als täglichen Begleiter haben möchten, ist es solide gemacht, vor allem in seiner Auswertung der restlichen ARD-Berichterstattung. Aber ich finde nicht, dass es einen Mehrwert zu ähnlichen Formaten oder einfach gegenüber morgendlichem Radiohören bietet.

15 Minuten

Fur and Loathing (Brazen)

2014 gab es einen mutmaßlichen Giftgasanschlag auf eine Convention der Furry-Subkultur in den USA, der nie ordentlich aufgeklärt wurde. Klingt nach einer guten Mischung für einen Podcast. Ist es auch. Ich sehe allerdings Probleme mit der journalistischen Haltung des Reporters, der von Anfang an klarmacht, dass er hier vor allem den Marginalisierten zur Seite springen will. Das führt gelegentlich zu Verzerrungen in der Perspektive und Formulierungen, wie sie öfter im “aktivistischen” Journalismus zu erleben sind, etwa das wiederholte Betonen der Wichtigkeit des eigenen Falls im Vergleich zu anderen Themen. Die Geschichte hat mich aber genug gehookt, dass ich wissen will, wie es weitergeht. Noch eine interessante Formatbeobachtung: Ein Interview mit dem Verantwortlichen vor dem Start des Podcasts in den Feed zu packen, das die Mission erklärt und den Inhalt teast, finde ich eine super Idee.

Fur and Loathing

Wer? Wie? Buzz?, I Will Survive, Systemeinstellungen, Milli Vanilli – Vier Podcast-Kurzkritiken

Ein neuer Kinderpodcasts. Drei neue Dokus aus ganz unterschiedlichen Häusern.

Wer? Wie? Buzz! (Spiegel)

Total super finde ich die Idee, die Zielgruppe (Kinder im Mittelschulalter) selbst an den Drücker zu lassen und ihnen die Möglichkeit zu geben, Themen abzuwählen oder Nachfragen zu stellen. Merkwürdiger finde ich den Wettstreit zwischen den Moderator:innen um Redezeit (mit reinrufendem Schiedsrichter und sehr dehnbaren, unsichtbaren Regeln) – aber eventuell ist genau sowas ein Feature, was langfristig die parasoziale Beziehung zum Podcast sicherstellt. Wer gewinnt wohl diese Woche? Was ist der Wetteinsatz? Zu lernen gibt es, wie immer, auch viel für Erwachsene. In meinem Fall hat es außerdem zwei Tage gedauert, bis ich das Wortspiel im Titel kapiert habe.

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I Will Survive – Der Kampf gegen die AIDS-Krise (BR)

Was gibt es hier noch zu erzählen, möchte man meinen. Doch das Team hat mehrere sehr gute Protagonisten gefunden, einen starken, sogar regionalen Hook (Freundschaft mit Freddie Mercury in seiner Münchner Zeit) für den Anfang und eine klar formulierte Haltung des Hosts Phillip Syvarth, der selbst zu wenig weiß und erfahren will, auf wessen Schultern er als schwuler Mann heute steht. Durch die persönlichen Geschichten wird das ganze Grauen und die Angst der Zeit gut erlebbar ohne in übermäßige Betroffenheit abzudriften. 

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Systemeinstellungen (netzpolitik.org)

Grundsätzlich erstmal genial, dass auch ein Indiemedium wie Netzpolitik.org einen solchen Podcast produzieren kann. Die Fälle sind gut strukturiert und lebendig geschildert, dabei bordet das Scoring vielleicht manchmal ein bisschen über, aber das kann auch Geschmackssache sein. Was ich mich frage: Führt die Beschreibung der Fälle am Ende noch irgendwohin? Gibt es Lösungsvorschläge oder einen klaren Appell, etwas zu ändern? Oder bleibt es bei der reinen Benennung von (aus Sicht der Autoren) Missständen?

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Milli Vanilli: Ein Popskandal/Blame It On The Fame (Wondery)

Wenn ich eine Dokumentation auf einem Privatsender sehe, erwarte ich etwas anderes, als im öffentlich-rechtlichen Fernsehen, und im Podcast dividiert es sich langsam ähnlich aus. “Blame it on the Fame” ist gewissermaßen die Podcast-Version einer RTL-Doku. Viel Drive, viel Production Value (nicht zuletzt: zwei Sprachen), aber auch viel Oberfläche. Auf keinen Fall schlecht, aber auch nichts für Nerds. Und: Was es für einen Unterschied in der Wirkung macht, ob eine Reporterin mit einer Mission ihre eigene Recherche hostet, wie in der Originalfassung, oder eine dazugeholte Person, die zwar vom Profil her passt, aber halt doch mit der Geschichte nichts zu tun hat. Mutig und gut finde ich die Entscheidung, in der deutschen Fassung alle englischen O-Töne stehenzulassen und nur zusammenfassend zu übersetzen.

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Rest in Exzess, Diagnose: Unangepasst, Vollkontakt, Wir Weltmeister – Vier Podcast-Kurzkritiken

Die Höreindrücke sind zurück. Hier wieder eine erste Meinung zu vier neuen Podcasts, in die ich reingehört habe.

Rest in Exzess – Das kurze Leben von Techno-Legende Mark Spoon (HR/ARD Kultur)

Ich habe an anderer Stelle bereits darüber gesprochen, warum ich denke, dass hier eine Geschichte ohne genug dramatische Kraft auf fünf Folgen gestreckt wurde und sich im Ergebnis erschreckend dünn anfühlt. Außerdem das krampfhafte Installieren einer Co-Host, das eindeutig nicht funktioniert. Meine Vermutung: Ich glaube, hier wurde schlecht geplant. Es gab halt Geld für einen Podcast mit fünf Folgen, also musste es dann auch einer werden. Immer wieder faszinierend, wie Formatierungsdiktate auch in zunächst scheinbar unformatierten Medien ankommen.

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Diagnose: Unangepasst – Der Albtraum Tripperburg (MDR)

Ich hatte noch nie das Gefühl, dass in einem Projekt das Beste und das Schlimmste von Doku-Podcasts so sehr aufeinandertreffen. Einerseits haben die Autorinnen hier eindeutig ein unterberichtetes Thema aufgetan und es sehr sorgfältig recherchiert. Die Aussagen ihrer Interviewpartnerinnen sind schockierend und berührend. Es war höchste Zeit, dass dieser DDR-Abscheulichkeit und ihren Opfern größere Aufmerksamkeit zuteil wird. Andererseits muss es doch möglich sein, bei solchen Projekten einfach der Kraft einer journalistischen Recherche zu vertrauen, statt in der Präsentation alles mit Sounddesign, (beeindruckend eingespielter) Musik und vor allem mit völlig überflüssigen Ich-Bezügen der Hosts (“Ich stelle mir vor, mir würde das passieren, total krass”) emotional “aufzufüllen”. Sehe nur ich das so?

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Vollkontakt (ACB Stories)

Ich hatte mich schon darauf eingestellt, mal wieder einen “Ich bin alt und hier eindeutig nicht die Zielgruppe”-Beitrag zu schreiben. Aber die Kombi aus sehr albernem Quatsch und tieferen, von eigenen Erfahrungen und Gedanken geprägten Diskussionen von Don Pablo Mulemba (den ich ja aus “Springerstiefel” kannte) und Hakan Halaç hat mir wirklich gut gefallen. Laberpodcasts darf man wirklich endlos iterieren, bis für jeden einer gefunden ist.

Wir Weltmeister – Auf der Suche nach 2014 (NDR)

Als jemand, der sich wenig (aber immer mal wieder) für Fußball interessiert, war ich hier erstaunlich schnell an Bord. Tiefer Zugang zu den Protagonisten trifft auf eine klare Fragestellung. Der Ton pendelt zwischen leicht und ernst, verliert aber die zentrale Frage (Wie war das damals und was ist passiert?) nicht aus den Augen. Dazu gibt es immer die richtigen Töne aus dem Archiv. Dass “Wir Weltmeister” ein TV/Podcast-Hybridprodukt ist, merkt man manchmal ein bisschen, aber der Podcast kommt einem nicht wie eine Zweitverwertung vor. (Nachtrag: Hab mich gefreut, dass Marc Krüger parallel die gleichen Gedanken hatte.)

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Ein Bonus-Höreindruck: Durch das Interview von Su holder mit Anne Will habe ich angefangen, ihren Podcast “Politik mit Anne Will” zu hören. Ich finde ihn gut und fokussiert und habe ihn aktuell in meine Wochen-Rotation aufgenommen.

Juice, NDA – Die Akte Kasia Lenhardt, Phänomenal Paranormal – Drei Podcast-Kurzkritiken

Schon wieder neue Höreindrücke. Kleine Erinnerung: Ich habe von diesen Podcasts meist nur 1-3 Folgen gehört und schildere hier wirklich nur meinen ersten Eindruck.

JUICE (Kugel und Niere)

“Juice” bekommt von mir auf jeden Fall schon mal den Preis für das beste Podcastcover seit langem. Die beiden Hosts haben echte Chemie, und ich mag es, wie sie die Geschichten, die sie sich erzählen, spontan ausschmücken und ihnen eine eigene Note geben. Ändert nur nichts daran, dass ich milde peinliche Geschichten, die anonymisierten Leuten passiert sind, die ich nicht kenne, einfach gar nicht interessant finde. Entsteht die Saftigkeit von solchem Gossip nicht dadurch, dass man sein eigenes Bild der Person mit der Handlung der Geschichte abgleicht? (Wertfreies Alter-Mann-PS: Ich bin immer wieder aufs Neue erstaunt, welche Menge an scheinbar beliebigen deutschen Wörtern Gen Z beim freien Reden durch ihr englisches Äquivalent replaced.)

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NDA – Die Akte Kasia Lenhardt (Der Spiegel)

Die beiden Hosts thematisieren es am Ende der ersten Folge selbst: Dieser Podcast ist ein Drahtseilakt. Einerseits hat man mit Original-Sprachnachrichten eines mutmaßlichen Gewaltopfers ein wertvolles Audio-Artefakt, das man gerne präsentieren möchte. Andererseits bewegen sich große Teile der Reportage zwischen banalen Fakten (Orten, Zeiten) und unprüfbaren Verdachtssituationen, um die das Format daher ständig umständliche sprachliche Volten schlagen muss, damit es juristisch sauber bleibt. Schließlich ist da auch noch der Widerstreit jeder Investigativrecherche in prominenten Milieus, zwischen einem ernsthaften Wunsch nach Aufklärung und dem Gefühl, nah dran am True-Crime-Sensationalismus zu sein. Insbesondere wenn man auch noch eine spannende Geschichte erzählen will, die über mehrere Folgen trägt. Ich finde den Weg in der ersten Episode professionell, aber noch holprig. Mal gelingt der Spagat, mal nicht.

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Phänomenal Paranormal (BosePark/Podimo)

Manchmal denke ich, ich sollte aufhören Podcasts zu hören, für die ich nicht zur Zielgruppe gehöre. Allerdings kann ich die hier auch nicht eindeutig identifizieren. 15-Jährige, die sich zum ersten Mal mit dem “Paranormalen” beschäftigen? Gelangweilte Erwachsene, die Gruselgeschichten erzählt bekommen wollen? Menschen, die psychologische Erklärungen für Urban Legends suchen? Das Presenter-Duo soll anscheinend alle Quadranten abdecken, passt aber nicht so wirklich gut zusammen. Vor allem hatte ich den Eindruck, Marc Augustat hätte das Format lieber alleine gemacht. Er bekam aber aus Reichweitengründen einen jungen, lustigen Sidekick zur Seite gestellt, den er zähneknirschend akzeptiert hat, weil man das halt heute so macht – und weil es sonst vielleicht gar keinen Podcast gegeben hätte.

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Soll ich in deinen neuen Podcast mal reinhören? Oder (Hybris!) willst du mich gleich für eine Neuentwicklung dazuholen? Schreib mir.

11 Leben Staffel 2, Fuck You Very, Very Much, Kakadu bei euch – Drei Podcast-Kurzkritiken

Es sind Markus-Kavka-Wochen bei den Höreindrücken. Das ist aber Zufall.

11 Leben – Die Welt von Lothar Matthäus (WakeWord/RTL+)

Es gibt nur ein’ Max-Jakob Ost, aber ich verstehe den Wunsch von RTL, einen erfolgreichen Podcastfeed nicht verwaisen zu lassen. Ich finde auch, dass Markus Kavka eine gute idee für einen Host ist, als ähnlicher Jahrgang und Co-Franke von Matthäus. Und natürlich klingt das Ergebnis anders als bei der Kulturgeschichte des deutschen Fußballs, die Max mit hoher persönlicher Motivation vor drei Jahren geboren hat. Weniger verkopft, mit einem etwas onkeligen Kavka, der wahllos seine eigene Biografie als Vergleichspunkt heranzieht und sich sehr oft vorstellt, wie es denn wohl gewesen sein könnte (mein unliebstes Podcast-Stilmittel, insbesondere wenn es wie hier mit Captain-Obvious-Sounddesign gepaart wird). “11 Leben: Das Sequel” ist nicht verkehrt, aber es ist eher Infotainment und dürfte anders als Staffel 1 wenig Menschen ansprechen, die sich nicht sowieso für Fußball-Legenden interessieren. Passt wahrscheinlich ganz gut zur Marke RTL.

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Fuck You Very, Very Much! (Kugel und Niere/ARDKultur)

Kugel und Niere hat das Format des “Umgekehrten Interviews” (eine Person hat Infos mitgebracht, die andere reagiert) raus, und “Fuck You” ist keine Ausnahme. Das Host-Duo Markus Kavka und Jennifer Weist ist gut gecastet. Die eine bringt Musikindustrie-Erfahrung von innen, der andere von außen mit, und die persönlichen Anekdoten bereichern die Erzählungen von berühmten Pop-Fehden nicht immer gehaltvoll aber meist unterhaltsam. Alles in allem ist das Format vor allem fluffig und dürfte Musiknerds wenige neue Erkenntnisse bieten, aber so ist es vermutlich auch gedacht. Geiler Titel.

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Kakadu bei euch (Deutschlandfunk)

Neues Format innerhalb des “Kakadu”-Podcast-Feeds, in dem Kinder sich und ihre Welt vorstellen. Die zwei ersten Folgen porträtieren einen Autoschrauber und eine Jüdin am Schabbat. Mein Kind ist noch einen Hauch zu jung dafür, aber es würde ihm sicher gefallen. Besonders schön ist, wie die Kinder und ihre Sicht auf die Dinge im Zentrum steht. Ich war erstaunt von der schieren Menge an Sound Design, die eingesetzt wird, um die Stücke auszuschmücken. Manchmal fast etwas zu viel für meinen Geschmack. In Folge eins wird zudem gleich mal ein Tipp gegeben, wie man mit minderjährigem Autofahren davonkommt (“Meine Mama wusste nichts davon!”). Der Kakadu hat also eine gewisse Anarcho-Kraft und fungiert gleichzeitig mit seinen Zwischenrufen wie eine Art griechischer Chor – ein Stilmittel, das man sich auch mal für erwachsene Podcasts abschauen könnte.

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In zwei Wochen gibt es keine Höreindrücke, dafür geht es dann los mit dem Podcapril, für den ich ich dieses Jahr das Konzept etwas verändere. Meinungen zu Podcasts wird es also auf jeden Fall trotzdem zu lesen geben.

Justitias Wille, Geschafft?!, Bohniger Wachmacher, Development Hell – Vier Podcast-Kurzkritiken

Back by popular demand. Wer mir neue Podcasts nahelegen möchte, die ich in diesen Höreindrücken featuren soll, kann mir gerne schreiben.

Justitias Wille (Partners in Crime/Studio Bummens)

Das Geständnis gleich zu Anfang: Ich habe große Vorurteile über “Mordlust” und ähnliche “True Crime nacherzählen”-Podcasts ohne sie bisher selbst gehört zu haben (I know!). Entsprechend war ich auch sehr skeptisch gegenüber “Justitias Wille”, aber Paulina Krasa und Laura Wohlers haben mich überzeugt. Anders als Titel und Design vermuten lassen, ist der Podcast einfach journalistisch gut erzählt und tatsächlich hochrelevant. Eine nachvollziehbare persönliche Motivation gibt es auch. Und ich ziehe meinen Hut vor der logistischen Leistung, eine vorreportierte und dramaturgisch durchgeplante Geschichte mit der aktuellen Entwicklung eines laufenden Prozesses zu koppeln. (Ich bin kein Fan des “Ich fahr jetzt mal nach Hause”-Cold Opens, aber ich verstehe, warum er existiert.)

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Geschafft?! (NDR)

Für mich ein klassischer Fall von “zu viel auf einmal gewollt”. Ja, es kann interessant sein, die “Polykrise” mal auseinanderzunehmen und auf ihre Folgen zu schauen. Aber der nachvollziehbare Wunsch, nicht nur mit Experten, sondern auch mit Normalos zu reden, macht die Ergebnisse zu schnell zu beliebig. Am Ende bleiben immer nur ein paar Erkenntnisfetzen übrig. Vieles habe ich direkt wieder vergessen, weil es gefühlt keine konkrete Frage gibt, der der hemdsärmelige Host Claas Christophersen wirklich nachspürt. Ich beobachte das immer wieder, auch bei mir selbst: Das Vage ist der Feind des Interessanten. 

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Development Hell (Pushkin Industries)

Mini-Reihe im Feed von Malcolm Gladwells “Revisionist History”, die leider völlig falsch betitelt ist. Denn zumindest in den ersten zwei Folgen werden mitnichten “Development Hell”-Geschichten erzählt, in denen Filme immer und immer wieder umgeschrieben und verschlimmbessert werden (darüber gibt es reichlich Stories in Hollywood), sondern einfach milde interessante Buddy-Interviews über Drehbücher die nicht verfilmt wurden. Darin stecken gelegentlich interessante Details (etwa welches Drehbuch Heath Ledger kurz vor seinem Tod las) und Fragen, aber die sind kaum die 40 Minuten pro Folge wert.

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Bohniger Wachmacher (Dax Werner/Moritz Hürtgen)

Ich bin insofern ein Spießer, dass ich diese Art von “Niemand kann sagen, ob es jetzt gerade Ironie ist oder nicht”-Humor einfach nicht mag. (Ich finde ihn ein wenig feige, don’t @ me.) Und damit bin ich einfach ganz klar nicht die Zielgruppe für diesen Podcast. Aber hey, die Idee einer relativ sinnlosen Plauder-Morningshow auf Abruf könnte man einfach für jede beliebige Nische ausrollen – vielleicht finde ich dann ja auch endlich die Hangout-Show, die ich mir wünsche. – Tipps gerne in die Kommentare.

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Crashkurs, Nach der Kohle, Hopeful News, Goodbye Stranger – Vier Podcast-Kurzkritiken

Ab dreimal ist es Tradition: Es folgen wieder vier kurze Höreindrücke von neuen Podcasts aus den letzten zwei Wochen.

Crashkurs – Wirtschaft trifft Geschichte (DLF)

Ich finde es immer hilfreich, einen weiten Blick auf aktuelle Themen zu wagen, und Crashkurs enttäuscht hier nicht. Mit einem erklärenden Ansatz wird auf derzeit kursierende Wirtschaftsthemen und die historische Dimension etwa von Inflation, Arbeitszeit und Wohnungsnot geschaut. Dabei machen die vielen Zeitsprünge manchmal ein wenig schwindelig, aber die wichtigen Lektionen bleiben trotzdem haften. Ich habe zwei Hoffnungen: Erstens, dass der Claim “Es war alles schon mal da, wenn auch anders” irgendwann auch mal auf der Meta-Ebene hinterfragt wird und zweitens, dass der Podcast und Host Sandra Pfister noch ein bisschen besser die Balance zwischen Podcast-Lässigkeit und Deutschlandfunk-Seriösität finden – dort knirscht es nämlich manchmal noch ein bisschen.

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Nach der Kohle (detektor.fm)

Die Struktur fällt zuerst auf. Statt sechs Folgen zwischen 35 und 45 Minuten gibt es zwölf halb so lange. Eine Idee, die es sich lohnt auszuprobieren. Die große Geschichte wirkt dadurch aber doch stark zerstückelt. Folge 1, die eigentlich nur eine Art längere Einstiegs-Szene ist, hängt, zum Beispiel, ziemlich in der Luft. Folge 2 und 3 habe ich hintereinanderweg gehört und fühlte mich deutlich besser abgeholt – werde also den Rest wahrscheinlich lieber nach Abschluss bingen. Die zentrale Frage der Produktion – “Was ist eigentlich Strukturwandel?” – ist auf jeden Fall klar definiert, und ich hoffe, dass sie später noch als Ganzes angegangen wird und sich nicht nur fragmentarisch aus Einzelgeschichten zusammensetzt. Joana Voss ist eine gute Reporterin und Host, aber in dieser Meinung bin ich befangen, weil ich schon einmal kurz, aber sehr positiv, mit ihr zusammengearbeitet habe.

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Hopeful News (Hauseins)

Ich war wirklich bereit, mein zynisches Herz von diesem Gute-Nachrichten-Format erweichen zu lassen, aber ich muss leider zugeben, dass ich fast nichts daran mag. Vom Titel über die klimpernde Musik und das Sounddesign tue ich mich schon mit der Aufmachung schwer. Aber wirklich schwierig wird es bei der Struktur: Krampfhaft eine gute Nachricht für jeden Wochentag zu präsentieren, finde ich bemüht. Dazu ist immer noch ein Gast im Podcast, der/die aber über die Reichweitenerhöhung hinaus keine wirkliche Aufgabe hat, außer das Gehörte relativ egal zu kommentieren und von Nicole Diekmann zerschmeichelt zu werden. Warum bringt die Gästin nicht wenigstens eine eigene gute Nachricht mit? Und um einmal Erbsen zu zählen: Tracy Chapmans Song heißt “Fast Car” und nicht “Fast Cars” und sie hat dafür keinen Emmy, sondern einen Grammy gewonnen. Stecken solche Flüchtigkeitsfehler auch in den anderen Meldungen?

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Goodbye Stranger (DLF)

Podcast kann auch künstlerische, persönliche Doku sein. Gibt es gefühlt noch viel zu wenig. Hier war ich anfangs skeptisch und fühlte mich nicht angesprochen, aber die Autor:innen Felizitas Stilleke und Conrad Rodenberg, die ihren “verlorenen” Vätern nachspüren (einer ist vor 14 Jahren gestorben, der andere hat Demenz), haben mich mit jeder Folge mehr in ihre Geschichte hineingezogen. Ab und an etwas zu viele Stilelemente aus dem künstlerischen Hörspiel (Warum immer Flüster-Klangmontagen?!), aber ansonsten ein fantastischer Audio-Essay.

Hören (im Doku-Serien Feed)