Content is King – Erfolgreiches Content Marketing für Kinofilme

Die größte Lektion, die er in der Herstellung seines ersten Films The Primary Instinct gelernt habe, sei, wie unfassbar schwierig es sei, Menschen dazu zu bekommen, den eigenen Film zu sehen, sagt David Chen in einem Interview. “Unsere Wettbewerber sind heutzutage nicht mehr nur andere Filme, sondern all die kostenlose Unterhaltung, die es im Internet gibt.” Chen muss es wissen. Er produziert selbst einen Teil davon, dreht YouTube-Videos und nimmt diverse recht erfolgreiche Podcasts auf. Im Hauptberuf war er allerdings bis vor kurzem auch noch in der Marketing-Abteilung von Microsoft tätig. So kam er auf die Idee, für The Primary Instinct kreatives “Content Marketing” zu verwenden.

Jeder Mensch, der diese Kolumne liest und in seinem Beruf nur entfernt etwas mit Marketing und PR zu tun hat, dürfte gerade aufgestöhnt haben. “Content Marketing” ist der Begriff, mit dem in Werbekreisen zurzeit so inflationär um sich geworfen wird wie mit Maskottchenpuppen nach Ende einer Fußball-WM. Kein Wunder, denn der Gedanke dahinter ist clever: Diejenigen, die den Film vermarkten wollen, schaffen Inhalte, die für sich gesehen interessant sind und deswegen ein Publikum finden, aber gleichzeitig indirekt für ein anderes Produkt, also den Film, werben. In Chens Fall bedeutet das zum Beispiel, den Schauspieler Stephen Tobolowsky, dessen Storytelling-Bühnenshow der Hauptinhalt von The Primary Instinct ist, andere Geschichten erzählen zu lassen, und diese über verschiedene Kanäle zu verbreiten. Man müsse sich überlegen, was andere Medien ihren Konsumenten normalerweise gerne anbieten, sagt Chen, und dann versuchen, dem in die Arme zu spielen.

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From the Vault: Talking Heads – Das Making of zu einem Film, der nie existierte

Joachim Kurz hat vor einiger Zeit eine Kolumne geschrieben über Filme, die es gar nicht gibt. Björn Helbig hat zuletzt diesen Staffelstab aufgenommen und eine Rezension geschrieben über den Film The Mongolian Whore House, der ebenfalls nicht wirklich existiert.

Ich glaube nicht, dass ich Björn nachfolgen kann, aber ich fühlte mich erinnert an ein Drehbuchprojekt, das ich vor vielen Jahren (2006) mal angefangen, aber früh wieder aufgegeben hatte. Der Film Talking Heads sollte das “Making of” eines Films sein, den es nicht gibt. Parodiert werden sollten damit vor allem die üblichen Worthülsen, die an Filmen beteiligte Menschen in “Featurettes” und ähnlichen Promotion-Formaten gerne von sich geben. Die künstliche Erzähldramatik, die in solchen Filmchen gerne aufgebaut wird, sollte in Talking Heads ersetzt werden durch eine zunehmende Absurdität. Der Film, dessen Entstehung geschildert wird, dessen Titel nie genannt wird und der sich im Kopf des Zuschauers formt, sollte Stück für Stück immer bizarrer werden.

Wie gesagt: weit bin ich nicht gekommen, aber hier sind die ersten zwei Seiten, leicht umformatiert.

Fade from Black

BERNHARD SCHROTH (PRODUZENT): Dirk kam damals zu mir in mein Büro und meinte “Bernd, ich
möchte gerne diesen Film machen.” Da hab ich ihm lange ins Gesicht geguckt
und gesagt: “Dirk, du bist verrückt.” THOMAS F. BRINCKMANN (DREHBUCHAUTOR): Als ich erfahren habe, dass Dirk diesen Film machen
will und dass ich das Drehbuch dazu schreiben soll, hab ich Dirk erstmal
angerufen und gesagt: “Dirk, ich weiß du hörst es nicht gern, aber du bist verrückt.” CHRISTOPHER DALL (KAMERA): Dirk und mich verbindet eine lange Freundschaft, aber als er
mir erzählt hat, was er vorhat, hab ich gesagt: “Du bist verrückt” STEPHAN KRAUSE (”PIT"): Mein Agent rief mich an und sagte “Dirk Sorensen will dich für
seinen neuen Film. Er will dich für die Rolle des Pit.” Ich hab gesagt: Ich glaub er
ist verrückt. DIRK SÖRENSEN (REGIE) (ist noch am Lachen von etwas, was er vorher gesagt hat): Die
ursprüngliche Reaktion? Ich glaube die meisten Leute, denen ich es erzählt habe, haben
gemeint ich wäre verrückt. Schwarz. Einblendung des Titels: The Making of TALKING HEADS. DIRK SÖRENSEN (CONT'D): Die Geschichte dieses Films geht zurück auf ein Erlebnis, was ich
in meiner Kindheit hatte. Ich war mit meinen Eltern im Urlaub an der Nordsee, ich
war vielleicht so 5 oder 6 Jahre alt, noch ziemlich klein jedenfalls. Und...äh...
da haben wir einen Strandspaziergang gemacht, wie man das halt so macht an der Nordsee. Und da finde ich im Sand plötzlich so ein wunderschönes geschwungenes Schneckenhaus.
(er macht eine entsprechende Geste)
Und ich... ich wollte es aufheben, und als ich danach
greife, ruft mich mein Vater und ich drehe mich um, und ich sehe noch aus meinem
Augenwinkel wie ein kleiner Krebs aus dem Schneckenhaus hervorkriecht. HENRY DU POINT (AUTOR ROMANVORLAGE) (spricht Deutsch mit starkem, echtem französischen
Akzent und bedient sich zur Unterstützung seiner Aussagen sehr ausdrucksvoller Gesten):
Im Kern von mein Buch liegt die Gedanque, dass die Welt ist eine Kampf von was ist Schön
mit einer großen... (er überlegt wie das Wort heißt) Wüt. DIRK SÖRENSEN: Als ich das Buch von Henny, also von Henry Du Point gelesen habe, wusste
ich sofort, dass darin ein ganz großer Teil auch von mir steckt. Von mir und von
diesem Tag am Strand. Und da wusste ich, dass ich da auf jeden Fall einen Film
draus machen muss. BERNHARD SCHROTH: Jeder kennt dieses Buch von Henry Du Point. Die meisten Leute haben es
gelesen. Und es gibt eine bestimmte Vorstellung davon, was für ein Typ die Hauptfigur
sein sollte. THOMAS F. BRINCKMANN: Ich hatte Henrys Buch nicht gelesen und bin deswegen erstmal in
einen Buchladen gegangen, hab es gekauft und eigentlich in einem Rutsch durchgelesen.
Und schon beim lesen hatte ich eigentlich immer schon eine sehr genaue Vorstellung
davon, wie die Hauptfigur aussieht. DIRK SÖRENSEN: Ich kenne Stephan noch aus meiner Zeit am Bielefelder Staatstheater
und ich wusste einfach: Er ist der Mann für den Job. STEPHAN KRAUSE (”PIT”): Ich war gerade auf Mallorca, ich hab da eine kleine Finca für den
Winter und so als mein Handy klingelt und mein Agent ist dran. Er sagt: “Du wirst nicht
glauben wer mich gerade angerufen hat.” Ich sage: “Steven Spielberg?” Er sagt: “Nein,
Dirk Sörensen. Er will, dass du in seinem neuen Flm den Pit spielst.” BERNHARD SCHROTH: Stephan hat die Gabe, echte Gefühle zu transportieren, und das können
nur sehr sehr wenige Schauspieler, deswegen war mir klar, dass er unsere
Idealbesetzung sein sollte. STEPHAN KRAUSE: Ich sagte nur: Okay, wo muss ich unterschreiben.

Wenn ich das so lese, bekomme ich richtig Lust, mich noch einmal dran zu setzen.

Freemium gone bad?

Mit Faszination habe ich Anfang des Jahres Chris Andersons Buch Free gelesen. Anders als der Titel vermuten lässt, geht es Anderson (Chefredakteur von Wired) gar nicht um ein Plädoyer für Gratismentalität, sondern vor allem um Preismodelle, bei denen “kostenlos” einer der Preise ist.

Die meisten Modelle, die Anderson vorstellt, entsprechen der so genannten “Freemium”-Denke, das heißt: Ich biete eine Basis-Version meines Produkts kostenlos an und die Premium-Version kostet dann Geld. Die wenigen Premium-Nutzer quersubventionieren die vielen Kostenlos-Nutzer, die ich aber gleichzeitig so sehr an mich binde, dass sie vielleicht auch bleiben, wenn sie die Premium-Dienste doch irgendwann benutzen.

Besonders im Internet ist dieses Geschäftsmodell inzwischen weit verbreitet (de facto ist es immer noch das Hauptfinanzierungsmodell vieler Online-Ableger von Printprodukten) und die Tatsache, dass ich für die CSS-Customization in meinem kostenlosen WordPress-Blog bezahle ist eins der Beispiele, dass es funktioniert.

Im Madison+Vine-Blog von Advertising Age hat Chris Tilk mit Blick auf die Filmbranche eine interessante These aufgestellt: Durch das “verschenken” von Film-Clips im Netz – in der Hoffnung, dass sie als Appetitanreger auf den kostenpflichtigen Komplettfilm dienen – ist Hollywood dabei, ein Freemium-Modell zu entwickeln, das aber auch nach hinten losgehen kann.

In the case of “Despicable Me,” releasing a batch of clips featuring the Steve Carell-voiced Gru and the young girls he adopts worked out well as the movie grossed $56 million its opening weekend. But audiences didn’t react nearly as well to the extended scenes of a scruffy Nicolas Cage, with “The Sorcerer’s Apprentice” only conjuring up $24 million in its first outing at the box office.

Die Überlegung finde ich durchaus erwägenswert. Ich persönlich versuche normalerweise, mich von Clips fernzuhalten, wenn ich weiß, dass ich den Film noch sehen möchte, was aber daran liegen mag, dass ich die wenigsten Filme, für die ich ins Kino gehe, aufgrund solcher Clips anschaue, sondern entweder aus professionellem Interesse oder wegen Regisseuren/Schauspielern/Artikeln etc. Wäre ich unsicher, ob ich einen Film sehen will, würde ich mir solche Clips auch anschauen, mir würde aber vermutlich auch der Trailer reichen (ohnehin gibt es ja sehr gute Trailer, die zu großen Teilen aus nur einer Filmszene bestehen).

Mit anderen Worten: Viele kostenlose Clips können einen Film vermutlich sowohl killen als auch befördern – aber wie so oft in der Filmindustrie liegt das vermutlich eher an der Qualität des Films. Bei einem guten Film tritt vermutlich seltener ein Gefühl von “das waren bestimmt schon alle guten Szenen” ein, als bei einem mittelmäßigen.

Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob ich Tilk den Begriff “Freemium” zugestehen würde. Ein Film ist und bleibt meiner Ansicht nach (allen Mashups, Director’s Cuts und Extended Versions zum Trotz) ein abgeschlossenes Kunstwerk, dass man in der Regel entweder ganz oder gar nicht sieht. Drei bis sechs zwei-Minuten-Clips können nur bei wenigen Filmen “Shareware”-Ersatz dafür sein, dass man nicht den ganzen Film sieht.

Diese wenigen Filme könnten Action-Filme, Musicals oder Komödien sein (von Pornos mal ganz abgesehen), bei denen einzelne Szenen ohnehin wichtiger sind, als das große Ganze. Gerade im Action-Bereich könnte ich mir vorstellen, dass es genug Filme gibt, deren spektakuläre Verfolgungsjagd es sich zu schauen lohnt, ohne dass man dafür wissen muss, wer hier wen jagt und warum. Würde man diese Szene vorab ins Netz stellen mit dem Hinweis “Hier eine Basis-Version des Films für alle, wer das Drumherum sehen will, soll bitte ins Kino gehen”, hätte man in der Tat ein Freemium-Modell geschaffen. Bei komplizierteren Filmen, z. B. Inception, würde das aber niemals funktionieren.

Vielleicht ist das der Grund, warum die Clip-Verteilung bei Despicable Me funktioniert hat? Man möchte gerne mehr über die ulkigen Charaktere und ihre Verknüpfung erfahren, auch wenn es damit wohl nicht weit her ist. Und Sorcerer’s Apprentice? Wirkte auf mich schon im Trailer wie eine Ansammlung von beeindruckenden CGI-Szenen mit einer Entschuldigungs-Story drumherum.