Die merkwürdige Menschlichkeit von Space Force

Manchmal sind meine Podcast-Skripte nur Stichwortsammlungen, manchmal sind sie fast echte Texte. Im letzteren Fall habe ich mich entschieden, sie auch hier zu veröffentlichen für Leute, die keine Podcasts hören. Sie sind aber natürlich trotzdem darauf ausgelegt, gesprochen (und während des Sprechens verknüpft) zu werden und enthalten evtl. Fehler.

  • Serie auf Netflix, bereits am 29. Mai gestartet
  • Von Greg Daniels und Steve Carrell
  • Die Macher des amerikanischen “Office” (nie gesehen)
  • Greg Daniels: Auch “Parks and Recreation”, “King of the Hill”
  • Eine von diesen “Blank Check” Situationen
  • Außer Titel “Space Force” stand zunächst nichts fest
  • Juni 2018 – Trump: “Space Force” als Unterdivision der Air Force, “Boots on the Moon” 2024
  • Daniels: “Wer ist wohl die arme Sau, die das jetzt umsetzen muss?”
  • In der Serie ist es Steve Carrell, General Mark Naird
  • Er zieht mit seiner ganzen Familie irgendwo nach Nirgendwo, Colorado
  • Seine Mitstreiter sind 
    • John Malkovich als Wissenschaftlicher Leiter
    • Ben Schwartz als Medienbeauftragter
    • Tawny Newsome als eine der Soldatinnen, die ins All fliegen sollen
  • “Workplace Comedy”, die meisten Plots drehen sich um die Zusammenarbeit, den absurden Auftrag und die Wünsche der Politiker, die pragmatische Umsetzung dieser Wünsche und die unterschiedlichen Bedürfnisse der Beteiligten
  • Kritik nicht begeistert von der Serie, vor allem weil es keine besonders harte Satire ist
  • Man erwartete anscheinend ein generelles, beißendes Auseinandernehmen der wahnwitzigen Idee, Truppen auf dem Mond zu stationieren, Trumps Größenwahn, Unfähigkeit etc.
  • Das liefert sie aber nicht. Von so etwas Ätzendem wie “Veep” könnte “Space Force” gar nicht weiter entfernt sein
  • Mir ist die Serie irgendwie ans Herz gewachsen, und ich habe in jeder Folge mehrfach laut gelacht – und das obwohl sie eigentlich weder besonders originell noch besonders lustig ist
  • Aber irgendwie hat sie so eine merkwürdige Menschlichkeit, die mir imponiert hat
  • Die Serie nimmt den Auftrag ernst – auch wenn sie seine Auftraggeber als Idioten dastehen lässt
  • Und sie nimmt vor allem auch die Leute ernst, die das umsetzen müssen – sie glauben alle auf ihre Art daran
    • Mallory (Malkovich) ist Wissenschaftler und geht mit der entsprechenden Ernsthaftigkeit an die Aufgabe heran, Weltraumforschung zu betreiben
    • Und Naird, das macht die Serie ganz klar, ist nicht umsonst 4-Sterne-General
    • Er wird dargestellt als ein “guter Soldat”, jemand der an Integrität und Aufrichtigkeit glaubt, an Anstand und Diplomatie (im Gegensatz zu den anderen Top-Militärs, vor allem den Air Force Kommandanten Grabaston, der ein echter Drecksack ist), gleichzeitig hat er als Soldat einiges durchgemacht und ist deswegen nicht “schießwütiger” sondern eher friedliebender geworden
    • Damit ist Naird näher dran an Leslie Knope aus Parks and Rec als an der Chef-Figur in “The Offfice”, was wohl auch viele Zuschauer enttäuscht hat
    • Eher der Straight Man, als die Witzfigur für die man ihn halten könnte (Malkovich genauso) – die Absurditäten dringen eher auf sie ein (Schwartz, sein trotteliger Sekretär, Grabaston, der chinesische Gegner)
  • Was das merkwürdig menschliche an Space Force ist, zeigt die Serie gleich in der ersten Folge
    • Ein Raumschiff soll gestartet werden, und diesmal soll es nach mehreren Fehlstarts endlich funktionieren
    • Die Wissenschaftler beharren darauf, dass die Wetterkonditionen nicht ideal sind
    • Naird steht unter jeder Menge Druck, weil die Politik endlich Ergebnisse sehen will
    • Nachdem er sich die ganze Folge lang damit herumgeschlagen hat, bittet er auf dem Klimax um 10 Minuten alleine in seinem Büro.
    • Er blickt aus dem Fenster und …
    • … beginnt zu singen: “Kokomo” von den Beach Boys
    • Das ist seine merkwürdige, irgendwie peinliche aber unglaublich sympathische Art, sich selbst zu beruhigen
    • Es wird nicht als peinlich dargestellt. Als ungewöhnlich vielleicht, aber nicht als peinlich
    • Und es hilft ihm dann am Ende wirklich eine sinnvolle Entscheidung zu treffen
  • Solche Situationen gibt es immer wieder
    • Naird ist nicht perfekt, er trifft falsche Entscheidungen, er lässt sich in blöde Situationen bringen, er hat an einigen Stellen sehr rigide Überzeugungen, die ihn auch disqualifizieren, z. B. denkt er mit ein bisschen Disziplin wäre doch jede Herausforderung zu meistern und junge Leute heute sind Weicheier
    • Aber durch solche Eigenschaften und Überzeugungen ist er nicht zuende definiert, und er zeigt immer wieder an ungewöhnlichen Stellen Güte und Integrität
      • Zwei Beispiele
      • Er ist alleinerziehender Vater, weil seine Frau für mehrere Jahrzehnte im Gefängnis sitzt (warum wird frustrierenderweise nie erklärt) und obwohl er seiner 17-jährigen Tochter nicht die Zeit widmen kann, die sie wahrscheinlich verdient, ist er immer fair, und auf keinen Fall ein “Idiot Dad” – er hilft ihr bei den Hausaufgaben oder holt sie mit dem Helikopter aus schwierigen Momenten raus
      • Ein längerer Plotstrang dreht sich darum, dass Nairds Frau (Lisa Kudrow) ihn dazu überreden will, die Ehe zu öffnen, weil sie beide sich nur so selten sehen können (zwei Intimbesuche pro Jahr, die manchmal auch gestrichen werden). Das spricht gegen alles Konservative in Mark Naird, aber er lässt sich schlussendlich überzeugen, dass es beiden gegenüber das fairste ist
      • So versucht die Serie immer wieder, ihren Straight Man im Zentrum zu mehr zu machen als einer militärischen Witzfigur; lässt damit auch freiwillig viele Gelegenheiten aus, seinen Konservatismus für Cringe-Humor zu benutzen
      • Naird scheint einigermaßen Woke zu sein (dass Mallory schwul ist kümmert ihn zum Beispiel überhaupt nicht), er ist einfach nur unflexibel – und ich finde es angenehm, dass der Humor dann eher dort gesucht wird, als in den niedrig hängenden Früchten.

Es gibt ein längeres Interview mit Daniels, wo er seinen Ansatz für Figurenentwicklung beschreibt:

“You talk to the actors, you try and get to know who they are as people, you try to involve some of their own traits in their own backstories. I think it’s what the actors do, because the actors are given a character and then part of the actor’s job is to go into their own experience and figure out how they can relate to the character. So you try and help them with that, and be part of that process to flesh them out, and make them feel like real three dimensional people.”

Nichts besonderes, genau wie die Serie nichts wirklich Besonderes ist (und das Cliffhanger-Finale ist eigentlich sogar blöd), aber doch etwas, was mich irgendwie berührt hat – in der heutigen Fernsehlandschaft ist irgendwie für alles Platz und gerade im Bereich Comedy wird glaube ich zurzeit viel damit experimentiert, wie weit man von den vertrauten Mustern abweichen kann.

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