Vor rund zehn Jahren, als das Second Coming von 3-D im Kino gerade abflaute und das Second Coming von VR durch Facebooks Kauf von Oculus gerade in vollem Lauf war, war ich für eine kurze Zeit neu begeistert vom Konzept des endlosen filmischen Tiefenraums. Ich hatte mich lange schon gefragt, warum so wenige Filme im digitalen Zeitalter die Möglichkeit nutzten, die Zuschauenden mit auf eine Reise in ihren Raum zu nehmen.
Immer wieder sah ich Versuche, mit dem Gedanken eines dreidimensionalen Raums und einer wahrhaft entfesselten Kamera im Kino zu arbeiten, die ich jedes Mal faszinierend fand, egal ob in Gravity (2013) oder in der Eröffnungssequenz von The Revenant (2015). Selbst in den wenigen VR-Experiences, die ich erlebt hatte, war das Gefühl, tatsächlich einen Raum zu erleben, in dem Ereignisse stattfanden, um die man herumfließen konnte, wie in einem Open World Videospiel oder einem immersiven Theaterstück, extrem selten. Stattdessen regierte durch die Bank extrem konventionelle filmische Raumauflösung durch Montage und “digitaler Realismus“, selbst in vollständig im Computer entstandenen Filmen, was ich immer extrem schade fand.
Zu meiner großen und unerwarteten Begeisterung habe ich am Wochenende im Kino die beste Umsetzung meines Wunsches seit vielen Jahren erlebt, im lettischen Oscar-Gewinner Flow, einem mit der Open-Source-Software Blender gestalteten, dialoglosen Animationsfilm über eine Katze in einer südostasiatischen Landschaft, die langsam überflutet wird. “Flow”, das scheint sich natürlich auf den Fluss des Wassers und des Lebens zu beziehen, aber es könnte auch genauso die Kamera- und Raumarbeit des Films bezeichnen, die von einer erdrückenden Schönheit und Stringenz ist. Gints Zilbalodis’ Kamera schwebt leicht schaukelnd in langen Sequenzen neben seinen tierischen Protagonisten her, mal schneller, mal langsamer, stößt unter Wasser, nur um kurz darauf wieder in Vogelflug-Höhen aufzusteigen. Und warum? Weil sie es kann! Diese Art der Bildgestaltung gibt dem Film einen magischen Rhythmus, der den sense of wonder, der Flow als Leitmotiv ebenfalls durchströmt, noch verstärkt. Danke, Gints Zilbalodis! Der Rest darf sich gerne ein Beispiel daran nehmen.