Star Trek Into Darkness ist eine faszinierende Studie des Butterfly Effect (und deswegen besser als ihr denkt)

© Paramount Pictures

“Nyota, ist das ein … Schmetterling?”

Ayayay – der Backlash. Nachdem J. J. Abrams, Damon Lindelof und ihre Schergen sich im Vornherein soviel Mühe gemacht haben, ein Mysterium aufzubauen, und im Film selbst jede Menge Fanservice untergebracht haben, ist das Votum der Fans nun eingetroffen, und es ist nicht sonderlich positiv. Der geheime Bösewicht ergibt keinen Sinn, der Film steckt voller Retro-Sexismus, die Todesszene trägt kein dramatisches Gewicht.

Mit entwaffnender Direktheit hat Jenny Jecke das ganze im ersten “Wollmilchcast” formuliert (ich fasse zusammen): Star Trek Into Darkness schwingt sich von Maguffin zu Maguffin, um rasante Actionszenen zu präsentieren, denkt dabei aber nichts zuende, nimmt sich keine Zeit und nimmt allgemein das, was das “Star Trek”-Universum ausgemacht hat, zu keinem Zeitpunkt ernst. J. J. Abrams ist halt bei Star Wars irgendwie doch besser aufgehoben wahrscheinlich.

Zwei atemlose Stunden

Ich habe keinerlei emotionale Vor-Bindung zu “Star Trek”, obwohl ich alle Filme gesehen habe. Deswegen haben mich all die Dinge, die einem “Star Trek”-Seher der alten Schule so sauer aufstoßen, überhaupt nicht gestört. Ich hatte einfach zwei atemlose Stunden im Kino, in denen der Film alle zehn Minuten eine neue Kurve nahm und ich eine überdurchschnittliche Menge Adrenalin und Serotonin ausschüttete. Und weil der Film so heiter-respektlos ist, dachte ich keine Sekunde lang an Plotholes oder an die fehlende ernsthafte SF-Meditationen. (Das im Gegensatz zu Filmen, die einem an jeder Straßenecke ihre eigene Bedeutsamkeit unter die Nase reiben und dann keinen Sinn ergeben. *hust* The Dark Knight Rises *hust*)

Warum aber könnten sogar selbsterklärte Semi-Trekker Star Trek Into Darkness faszinierend finden? Die Antwort verbirgt sich hinter einer Bemerkung von Damon Lindelof in Germain Lussiers interessantem Artikel über die absurden Schritte, die das Team unternommen hat, um Cumberbatchens Identität geheim zu halten:

“The story most people are engaged in and know is Wrath of Khan, but a lot of people don’t know about ‘Space Seed’, which was the origin story for that character and that happens to be the time and space in which our movie was taking place,” Lindelof said.

Denn man darf ja nicht vergessen, dass J. J. Abrams’ “Star Trek” ja mehr ist als nur ein Reboot, das heißt eine von außen aufgedrückte Neu-Interpretation einer Intellectual Property. Es ist, dank der brillant cleveren Idee des ersten Films, ein Fortschreiben des Original-Roddenberry-Treks in einem anderen Universum. Star Trek und Star Trek Into Darkness spielen eben nicht im exakt gleichen Koordinatensystem wie die “Original Series”, “The Next Generation” und die zehn ersten Kinofilme – obwohl sie mit ihnen in einem Kontinuum stehen.

Look, Mom, Magic!

Das heißt erstmal: Im Abrams/Lindelof/Kurtzman/Orci-Trekversum dürfen Sachen anders funktionieren als im Roddenberry-Trekversum (Stichwort Transwarp). Wenn sie wollten, könnten die Filmemacher jede Anomalie mit einem Handwave erklären. “Look, Mom, Magic!” Wenn sie klug sind, reizen sie das natürlich nicht allzuweit aus.

Viel interessanter ist aber die Tatsache, dass Star Trek Into Darkness und alle Folgefilme, basierend auf Lindelofs Zitat, zu einer spannenden Studie des Schmetterlingseffekts werden. Die Ereignisse der Filme bewegen sich zeitlich parallel zu den Folgen der Original Series, aber die Voraussetzungen sind andere. Aufgrund der Einmischung von Spock und Nero via Wurmloch in die Geschichte der Enterprise-Crew in Star Trek, ist der Abrams-Worldtrack ein ganz anderer als der Roddenberry-Worldtrack. Die Veränderung einiger weniger Paramater (z. B. die Zerstörung von Vulcan) führt dazu, dass in diesem Universum eben viele Dinge gleich passieren, andere aber ganz anders.

It’s not an Error, it’s a Feature

Insofern ist das, was mehrere Kommentatoren kritisiert haben, nämlich dass die Filme in ihrer Erzählung zu sehr auf Wissen außerhalb des Universums setzen, das die Charaktere bewohnen, hinfällig. Stattdessen wird Star Trek Into Darkness zu einer brillanten Meditation über die Schicksalhaftigkeit unserer Existenz. Wir blicken auf die Abenteuer der Enterprise-Crew mit den Augen von Spock Prime: Was würde passieren, wenn wir alles noch einmal durchleben könnten, nur unter leicht anderen Voraussetzungen? Wie verschieben sich die Auswirkungen von bestimmten Ereignissen, wenn wir uns zum Zeitpunkt des Ereignisses diesmal an einem anderen Ort befinden? Und wie sehr findet das Universum dennoch einen Weg, bestimmte Ereignisse trotzdem passieren zu lassen – eventuell nur eben mit anderen Vorzeichen (zum Beispiel die berühmte Hände-auf-Glas-Szene)? It’s not an Error, it’s a Feature. Kein Fanservice-Gimmick der Filmemacher, sondern die tiefgreifendste Langzeitstudie des Raum-Zeit-Kontinuums, die “Star Trek” jemals gewagt hat.* Wir haben also noch eine Menge, worauf wir uns in den nächsten Filmen freuen können!

Das heißt natürlich nicht, dass der Film jedem automatisch gefallen muss. Einige Entscheidungen fand selbst ich im Rückblick überflüssig oder unlogisch. Und natürlich ist “Star Trek” nicht real und daher ist das Ganze natürlich in Wirklichkeit doch ein marketingwirksamer Serien-Reboot, der eine neue, hyperaktive Generation von Kinozuschauern ansprechen soll, die mit klassischer, nachdenklicher Science Fiction nichts mehr anfangen können und es vorziehen, wenn regelmäßig etwas grundlos explodiert, während gleichzeitig eine weltweit bekannte Marke ausgeschlachtet wird. Es ist auch die Umsetzung der Vorstellungen von J. J. Abrams, der bei jeder Gelegenheit öffentlich erzählt, dass er Star Wars interessanter findet als Star Trek. Aber gleichzeitig ist es eben auch das oben beschriebene.


* Nur “Community” kann mit etwas Ähnlichem aufwarten (und natürlich meine Lieblingsband, Spock’s Beard).

11 thoughts on “Star Trek Into Darkness ist eine faszinierende Studie des Butterfly Effect (und deswegen besser als ihr denkt)”

  1. Schöner Text.
    Mir ist nur leider dein Sprung nach der ersten Zwischenüberschrift nicht klar. Vorher zitierst du generelle Kritik an dem Film. Dann gehst du drauf ein, dass der Film gut als Star Trek Film funktioniert. Aber was ist mit den allgemeinen Punkten und Plotholes? Die greifst du für meinen Geschmack am Ende auch nicht direkt auf.

    Du siehst zwar die allgemeinen Probleme, aber der Film funktioniert für dich eben so gut als Star Trek, dass du diese Schwächen nicht so stark gewichtest? Sehe ich das richtig?

    1. Ja. Ich finde es müßig, sich an Plotholes abzuarbeiten. Die stören einen, oder sie stören einen nicht. Mich stören sie fast immer dann nicht, wenn der Film selbst nicht so tut als wäre er Wichtig mit großem W. Deswegen verzeihe ich den Avengers alles, was ich The Dark Knight nicht verzeihe. Insofern ist das für mich keine Kritik, die ich persönlich relevant finde. Der Film will gar nichts aussagen, also will ich ihm nicht vorwerfen, dass er nichts aussagt – dieser Anspruch stammt nämlich nicht aus dem Film selbst, sondern aus meiner Erwartungshaltung an den Film basierend auf meinem vorherigen Star Trek-Wissen (das ich nicht habe). Er ist trotzdem clever genug, um einen als Zuschauer zu fordern, also ist er auch nicht “dumb fun”, was ich auch nicht für besonders interessant finde (siehe dazu http://blogs.indiewire.com/criticwire/marlon-wayans-on-critics-you-guys-have-got-a-thumb-up-your-ass).

      Jetzt bin ich wieder abgeschweift. Ich wollte eigentlich nur sagen, dass der Film eben noch auf dieser anderen Ebene interessant ist, die unabhängig von der Kritik am Filmgenuss selbst funktioniert. (Habe gerade einen Begriff dafür gelernt: “Operationelle Ästhetik”) Aber es war lustiger, es so als direkte Herausforderung zu formulieren.

  2. Dieser sich entwickelnde “Schmetterlingseffekt” ist in der Tat das rettende Bindeglied, dass dem überdramatisierten und hyperventilierenden Into Darkness den Hals rettet. Der Zuschauer sieht den Film durch die von dir passend genannten “Spock Prime” Perspektive und kann mit entsprechenden Vorwissen die alte und neue Zeitebene gedanklich verknüpfen. Nur steckt Spock Prime innerhalb der berühmten vier Filmwände, der Zuschauer dagegen (leider) nicht. Ohne zu verstehen, was Setups und Payoffs sind, fühlt der Zuschauer instinktiv, (SPOILER AHEAD!) dass beispielsweise Kirks Tod nicht das Ende der Fahnenstange bedeuten kann. Wie auch, Star Trek 3 wurde bereits lange vor Kinostart angekündigt. Ganz nebenbei handelt Into Darkness von einem Supersoldaten dessen Blut unheilbare Krankheiten heilt. Auf dieser Ebene kratzt der Film meiner Meinung nach durchaus an der Oberfläche des “Dumb fun”. Anstatt die Kraft und die Zeit in die Geheimhaltung von “du weißt schon wem” zu investieren, wäre etwas mehr Feingefühl im Umgang mit der Wahrnehmung des Zuschauers wünschenswert gewesen. Das meiner Meinung nach größte Kunststück gelang dem Film mit einem anderen Marketingschachzug. Sie hatten nicht nur versucht etwas verbergen zu wollen, was ohnehin jeder erwartet, sondern hatten im Vorfeld auch Dinge vorweggenommen, die am Ende nicht eintraten. Damit gelang Abrams (zumindest bei mir) immerhin eine kleine Überraschung in einem ansonsten zu konventionellen Film.

  3. Pingback: .-
  4. Die Story als solche funktioniert schon ganz gut aber ich finde die Machart einfach schrecklich. Die wackelnde reality Cam macht sogar nervös und ich finde das sollte bei star trek eigentlich nicht sein. Dazu kommt noch dass eine Szene (welche verrate ich hier nicht) auf eine weise neu interpretiert und auch noch Dialoge 1:1 geklaut werden ohne dass das auch nur irgend eine Emotion herrvruft doch schon eine Frechheit. Außerdem werden bei Star Trek normalerweise immer Anspielungen auf Historische Literatur gemacht (Insbosondere Moby Dick und Sherlock Holmes) was diesem Machwerk leider ganz fehlt. Die besondere Beziehung die ein Captain zu seinem Schiff normalerweise hat wird hier auch einfach ignoriert (Keine schwärmerei für das schöne Schiff oder Trauer bei dessen Vernichtung). Das Schiff ist auch vom Style her zu unpersönlich gehalten und viel zu steriel und grell. Ich würde mich auf der neuen alten Enterprise echt unwohl fühlen und wäre froh wenn das Teil endlich Schrott ist. Mann könnte hier natürlich sagen das in einem anderen Universum andere Charaktere sind aber dass trifft hier eigentlich nicht zu da nur die Zerstörung Vulkans dieses Universum vom eigentlichen unterscheidet. Warum seniert die Crew eigentlich nicht mehr, nur weil man Jung philophiert man doc trotzdem gerne und stellet gleichnisse zu Historischen ereignissen auf (ein wichtiger Wesenszug der Crew was sie ja eigentlich so sympatisch macht). Schade um Star Trek, dies hier ist lediglich ein Sci-Fi Action thriller mit Kirk und Spock. R.I.P. Geene Roddenberry.

  5. J.J. Abrams zerstört damit leider den Intelektuellen Anspruch der Serie vollständig und ist für mich als verblödungswerk zu sehen. Eine riesen Frechheit das ganze. Gene Roddenberry würde sich im Grabe umderehen wenn er das wüsste. Auch wenn der Film für ein jüngeres Publikum (was wir alt Trekkies (bin jetzt 32) seiner Zeit auch waren) konzipiert ist sollte er doch zum Denken anregen und Forscherneugier erwecken. Grade die Vergleiche mit Historischen Ereignissen und Zeitgenösschier Literatur sind doch sehr wichtig da Star Trek ja auch eine gesellschaftskrttische Frage aufwerfen will was es hier leider überhaupt nicht mehr tut. Das ist hirnloses Kino für eine zum Konsum erzogene immer weiter auf Kaufen getrimmte Jugend und nicht der Geist von Star Trek. Das Nivau von Abrams ist es Kasse machen und zu Unterhalten was Star Trek im Endeffekt zerstören wird.

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