Etwa dreiviertelvoll war das Kino am Mittwoch, als Kronos gezeigt wurde. Kronos ist Olav F. Wehlings Diplomfilm von der Filmakademie Baden-Württemberg, laut Etikett eine Reflektion über den griechischen Mythos des Titanen Kronos, der seine Schwester heiratete, seinen Vater kastrierte und seine Kinder fraß, in Wirklichkeit aber ein Film über Menschen, die durch die Wüste gehen und versuchen, dabei möglichst wenig zu reden und möglichst wirr zu handeln.
Kronos ist europäisch-prätentiöser Kunstblödsinn in Reinform. Das an sich ist noch kein wertendes Urteil, denn es gibt jede Menge ziemlich guten prätentiösen Kunstblödsinn aus Europa – l’Art pour l’Art ist durchaus ein erlaubtes Kriterium auch für Filmemacher. Bei Kronos sind dabei aber gerade noch Armin Franzens gut geschossenen Bilder der marokkanischen Wüste positiv erwähnenswert, leider erscheint aber der Rest des Films genauso flach wie die unwirklichen Hintergründe. Ein bisschen so, als hätte Lars von Trier sich eine Überdosis Pasolini gespritzt und wäre als Zombie wieder dem Grab entstiegen.
Um tiefgründig wirken zu wollen reicht es einfach nicht, Dialoge in Wackelkamera-Closeups mit einem „Was ist?“ beginnen zu lassen und darauf zehn Minuten Schweigen folgen zu lassen, und eine gutaussehende dunkelhaarige Hauptdarstellerin zu casten. Mit Kronos lässt sich vielmehr Kunstblödsinn-Bullshit-Bingo spielen: Tötungsszene mit Industrial-Soundtrack, check. Unangenehme Vergewaltigung, check. Bedeutungsschwangeres Cello-Solostück, check. Ein metaphorisch-verheißungsvoll gegrabener Brunnen wird zum Grab, check. Kronos fehlt die ansprechende Reflektionsebene, er stellt nur dar und so läuft alles irgendwie ins Leere und es bleibt am Ende nur Langeweile und ein arg verhaltener Pflichtapplaus des Publikums übrig. Dass der Film eine Koproduktion mit dem ZDF Theaterkanal und also entsprechend theatralisch ist, ist leider auch nur eine mangelhafte Erklärung dafür, dass die Figuren losgelöst von ihrem mythologischen Kontext seltsam motivations- und aussagelos bleiben.
Alexander Pohls Vorfilm Trickster, in dem ein Clown versucht, seinem kulturindustriellen Gefängnis zu entfliehen, war insofern vom FILMZ-Team gut programmiert: Der Film bietet schöne, eindrucksvolle, unheimliche Bilder, ist aber in seinen drei Permutationen doch irgendwie planlos. Das gab der sympathische Regisseur im Nachfilm-Gespräch mit den typischen Ausführungen eines Animationsstudenten eigentlich auch offen zu, als er von seinen vagen Inspirationen zwischen Beckett und der tragischen Figur des Clowns berichtete. Trickster lässt immerhin eine der Prätention des Films durchaus gerecht werdende „Cinema will eat itself“-Interpretation zu: Wenn ambitionierte Schauspieler für das gaffende Publikum zunehmend in kargen Motion-Capture und Green Screen Bühnen ins Leere agieren müssen und hinterher von der Traumfabrik zur Unkenntlichkeit aufgehübscht werden, bleibt ihnen wohl nichts anderes übrig, als zum Gegenangriff überzugehen.
Derzeit findet in Mainz das FILMZ-Festival des deutschen Kinos statt. Dieser Beitrag erschien zuerst im FILMZ-Blog von Screenshot Online