Das erneute Ende des großen Büffets

Im Sommer 2015 habe ich mich entschieden, Musikstreamingdiensten endlich eine faire Chance zu geben. Ausschlaggebend war nicht zuletzt ein Gespräch mit einer zehn Jahre jüngeren Kollegin, deren Musikgeschmack ich schätzte und die mir fröhlich und selbstverständlich davon erzählte, wie sie ständig neue Bands entdeckt und eine innige Beziehung zu Musik entwickelt, auch ohne eine Repräsentation dieser Musik zu kaufen. Ich testete Spotify erst einen kostenlosen Monat und blieb dann noch zwei weitere, weil ich mich sehr schnell an diese neue bequeme Art, Musik zu hören, gewöhnte. Im September entschied ich, der Konkurrenz eine Chance zu geben (und ein bisschen Geld zu sparen), und testete drei weitere Monate Apple Music.

Ich fand Apple Music etwas umständlicher zu bedienen als Spotify und ihm fehlte der geniale “Discover Weekly”-Algorithmus, aber am Ende siegte vor allem die Bequemlichkeit. Apple Music dient als Erweiterung meiner bisherigen mp3-Musiksammlung in iTunes, ich kann im gleichen Ökosystem bleiben. Praktisch. Es gab aber einen weiteren Grund. Im Dezember entdeckte ich auf Apple Music ein Album, das ich toll fand, aber auf Spotify nie gefunden hätte. Gavin Harrisons “Cheating the Polygraph”, ein furioser Big-Band-Jazz-Remix seiner besten Porcupine-Tree-Performances, ist aus irgendeinem Grund nicht in den 30.000.000 Songs auf Spotify enthalten, in denen von Apple Music aber schon.

Eine mächtige Kombination

Klar, ich hätte trotzdem bei Spotify bleiben und mir “Cheating the Polygraph” einfach kaufen können – aber es ist ätzend anstrengend bis unmöglich, “externe” Songs ins Spotify-System einzuschleusen. Im Endeffekt hätte ich das Album also mit Sicherheit seltener gehört. Apples Exklusivbesitz des Assets “Cheating the Polygraph” hat mich an den Dienst gebunden. Irgendwo hat ein Content Marketing-Experte seine Flügel bekommen.

Die Kombination von Abonnements und exklusiven Inhalten ist nichts Neues, sie fällt mir aber in diesem neuen Streaming-Zeitalter gerade mal wieder enorm auf, weil sie so mächtig ist. Netflix hat 2015 mit (guten) Exklusivinhalten richtig auf die Kacke gehauen und plant, die Menge an “Original Programming” 2016 zu verdoppeln. Amazon steht derzeit ungefähr so da wie Netflix vor einem Jahr – mit einer frischgebackenen besten TV-Serie des Jahres und schon einigen weiteren Hits im Sack oder in Petto.

Opfer der Bequemlichkeit

Will man einen dieser Hits genießen hat man keine Wahl, außer sich gleich auf das ganze Paket einzulassen. Und je mehr exklusive Inhalte ein Anbieter hat, umso schwächer wird unser Wille, ihn zu verlassen. Abos, selbst monatlich kündbare, sind clever, weil sie garantierten Umsatz bedeuten, egal ob die Abonnenten den Dienst nutzen oder nicht. Und Bequemlichkeit sorgt dafür, dass wir Abos viel länger behalten, als wir müssten. Ich habe mein GMX-ProMail Abo, das ich mal abgeschlossen habe, weil ich ein IMAP-Postfach wollte, ungefähr zwei Jahre gekündigt nachdem ich das erste mal dachte “Könnteste eigentlich mal kündigen”. Meine erste Domain läuft immer noch bei einem anderen Provider als mein Blog, weil ich einfach zu faul bin, mich mal eine Stunde hinzusetzen und den ganzen Schlonz zu tranferieren.

Es mag Leute geben, die in den USA ihr HBO-Abo immer nur während der aktuellen Game of Thrones-Staffel laufen lassen und es danach wieder kündigen, aber das wäre mir zu viel Arbeit. Ich bin zwar Fürsprecher entspannter Mediennutzung angesichts des Überflusses, aber ich möchte selbst entscheiden können, welche Optionen ich ignoriere. Ich gehe gerne mal in ein Restaurant mit kleiner Karte, weil eine reduzierte Auswahl entspannen kann, aber ich würde mich ärgern, wenn ich dieses Restaurant dann immer auch dann bezahlen müsste, wenn ich dort nicht esse.

Entbündelung und vertikale Integration

Als Kultur noch an Trägermedien gebunden war, war der freie Markt unser großes Büffet. Wir konnten einfach so losgehen und uns die Kultur kaufen und dann hatten wir sie zu Hause. Das Internet hat diesen Prozess, Stichwort “Entbündelung“, auf noch kleinere Teile heruntergebrochen – Songs statt Alben, Artikel statt Zeitungen. Streamingdienste, mit ihrer Emulation des HBO-Modells im Digitalen, kehren zu einer vertikalen Integration zurück, wie sie im US-Kinomarkt beispielsweise in den 50er Jahren verboten wurde: Produktion, Bereitstellung und Auslieferung aus einer Hand.

Überdramatisiere ich? Mit Sicherheit. Will ich eigentlich nur nicht dauerhaft mehrere Abos abschließen, um alles sehen/hören/lesen zu können, was andere mir empfehlen? Genau. Ist das ein luxuriöses First World Problem? Auf jeden Fall! Aber ich denke doch, dass es auch ein paar ernstzunehmende Folgen haben könnte. Zum Beispiel hat das Internet die große kulturelle Unterhaltung demokratisiert, exklusive Angebote aber schaffen wieder Filterbubbles, die jene ausschließen, die sich (beispielsweise) kein Netflix-Abo leisten können. Darüber darf man ruhig mal nachdenken. Das moderne Unterhaltungsparadigma bedient nicht nur die Nische, es schafft sie auch selbst.

Nachgedanke, 22:09 Uhr: Exklusivinhalte sind das Gegenteil von guter Kuration, womit Netflix zum Beispiel ja mal angefangen hat. Kuration sucht dir aus der Masse der Angebote die besten an einem Ort zusammen. Exklusivinhalte bedeuten, dass es mehrere Orte gibt, von denen jeder behauptet, er habe selbst das Beste.

Die Lieblingsfilme der Filmblogosphäre 2015

Ab dem dritten Mal ist es eine Tradition! Wie schon in den vergangenen zwei Jahren habe ich die Tage seit Neujahr damit zugebracht, knapp 50 deutschsprachige Filmblogs nach Top 10-Listen für das vergangene Jahr zu durchsuchen und daraus in einer großen Tabelle eine gemeinsame Hitliste zusammenzurechnen. Details zur Wertung und ein Link zur Tabelle am Ende des Artikels.

Ich muss zugeben, dass die Liste nur wenige Überraschungen bereit hält. Am weitesten oben sind wie immer Filme platziert, die einfach zu sehen waren und den nötigen “Buzz” mitbrachten, um den geneigten Filmfreund oder die geneigte Filmfreundin auch ins Kino zu treiben. Wie schon im vergangenen Jahr schwebt ein Film gottgleich mit großem Abstand über dem Rest: Mad Max: Fury Road hat es geschafft, Genrefans, Blockbuster-Sympathisantinnen und Filmkunst-Liebhaber gleichermaßen anzusprechen. Es gab kaum eine Liste, auf der George Millers Actionballett nicht unter den ersten zehn Filmen auftauchte.

Auf den restlichen Plätzen der Top 10 zeigt sich der tendenzielle Hang der Blogosphäre zum Genre- und Effektkino, auch bei Victoria oder Birdman, wo der ganze Film ein Special Effect ist. Beachtlich ist die hohe Platzierung von Star Wars: The Force Awakens – die Freude über die Rückkehr der Reihe scheint über die Ähnlichkeit des Films mit seinen Vorgängern triumphiert zu haben. Der “Geheimtipp”, weil einzige nicht “High Concept”-Film in der Top 10 ist sicher das Indie-Gruselett It Follows, das anscheinend auch viele überzeugt hat, die nicht regelmäßig Horrorfilme konsumieren.

Der große Konsens an der Spitze sollte übrigens auch dieses Jahr nicht davon ablenken, dass in der Blogosphäre durchaus ein breites Spektrum des Filmgeschmacks zu Hause ist. Insgesamt landeten immerhin 156 verschiedene Filme in den 49 Top Tens, die in die Wertung einflossen – und dann gibt es natürlich noch diejenigen, die das Jahr sowieso lieber unquantifizierbar Revue passieren lassen, etwa Lena oder die Autoren von “Cargo“.

1. Mad Max: Fury Road

© Warner Bros.

2. Victoria

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3. Ex Machina

© Warner Bros.

4. Star Wars: The Force Awakens

© Disney

5. Birdman or (The Unexpected Virtue of Ignorance)

© 20th Century Fox></p>
<h3>6. Whiplash</h3>
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7. It Follows

© UFA

8. Inside Out

© Disney

9. The Martian

© 20th Century Fox

10. Carol

© DCM

11. Sicario
12. Kingsman: The Secret Service
13. Inherent Vice
14. Steve Jobs
15. 45 Years
16. Leviathan
17. The Look of Silence
18. Love
19. Bande de filles
20. Youth und Ich seh, Ich seh

Zur Methode: Datengrundlage sind insgesamt 49 Listen oder Lieblingsfilm-Nennungen aus deutschsprachigen Filmblogs. Grundlage waren das grandiose Filmblogverzeichnis auf “SchönerDenken” und einige Ergänzungen, die dort noch fehlten. Bei mehreren Listen pro Blog von verschiedenen Autor_innen wurde jede Liste einzeln gezählt.

Die Filme wurden nach einem Punktesystem geordnet. Bei nummerierten Top-10-Listen bekam der erste Platz 10 Punkte und so weiter bis zum 10. Platz, der 1 Punkt bekam (gesamt: 55 Punkte). Bei nicht nummerierten Listen bekam jeder Film 5,5 Punkte (gesamt: 55 Punkte). Bei weniger als 10 genannten Filmen bekam der erste Platz 10 Punkte und so weiter absteigend, fehlende Plätze wurden ignoriert. Bei mehr als 10 genannten Filmen wurden nur die ersten 10 gewertet.

Die ganze Tabelle ist als Google-Doc einsehbar. Falls jemand seine Liste vermisst, schickt mir gerne einen Hinweis per Mail oder auf Twitter.

Real Virtualinks 2/16

The Year In Rebootquels

“Rebootquel” ist ein wesentlich weniger eleganter Ausdruck als “Legacyquel“, aber mit Devin Faracis Analyse stimme ich trotzdem ziemlich überein.

The Culture Gabfest “We Forced You to Call Us” Edition

Das “Slate Culture Gabfest” ist einer der wenigen Gesprächspodcasts, die ich höre. Es ist etwas mehr “sophisticated” als andere Popkulturpodcasts und diskutiert öfter mal Geschehnisse außerhalb meiner direkten Filterbubble (zum Beispiel den Essay “On Shit: Profanity as Weltanschauung”). Die Jahressendsshow ist weniger wegen Star Wars interessant, als wegen der Reflektionen über Podcasten und einer interessanten Beobachtung: War 2015 das Jahr, in dem die Empathie in die Kultur zurückgekehrt ist?

The Mogul of the Middle

Nehmt euch ein bisschen Zeit und lest diesen fantastisch geschriebenen Einblick in die aktuelle Situation in Hollywood und wie Adam Fogelson mit dem neuen STX Studio in eine entstandene Lücke hineingrätschen will.

The 2015 Movie Club

Das beste am Januar: Der Slate Movie Club. Dana Stevens, Amy Nicholson, Mark Harris und David Ehrlich lassen in losen, lustigen Briefen aneinander das Filmjahr im Gespräch noch einmal Revue passieren. Unbedingt lesen (alle 16 Teile!) – und mir sagen, ob wir das gleiche mal in der Blogosphäre machen sollten.

Victoria, der meistüberschätzte Film 2015

Ich mag es, dass Rajko mal wieder gegen die landläufige Meinung provoziert, aber ich kann ihm nicht zustimmen. Egal, ob man das Schauspiel von Frederick Lau und andere Akzente, die der Film setzt, mag, das ununterbrochene Einfangen einer Handlung über 140 Minuten macht etwas mit mir als Zuschauer. Genau wie andere stilistische Entscheidungen beim Filmemachen, ist der One-Take Teil des Erlebnisses – extradiegetisch, aber nicht extratextuell. Ob VICTORIA – Film “überschätzt” ist, bleibt also eine sehr persönliche Ansicht. Seinen Wert hat der Film auch über die Schnittlosigkeit hinaus bereits bewiesen.

Das meistdokumentierte Filmprojekt aller Zeiten

“Die lassen sich ziemlich in die Karten gucken.” Die Worte meines Freundes Jochen im Herbst 2002 kommen mir jedes Mal in den Sinn, wenn ich an die eine Quelle denke, aus der ich vermutlich am meisten über die Art und Weise gelernt habe, wie heute Filme gemacht werden. Was für andere Filmfreaks Truffauts Mr. Hitchcock, wie haben Sie das gemacht? oder Sidney Lumets Making Movies sein mögen, sind für mich die “Anhänge” zu den Mittelerde-Filmen von Peter Jackson.

Weiterlesen auf kino-zeit.de …

Real Virtualinks 1/16

Jetzt wird alles gut!

A Conversation with Steve Binder, Director of the Star Wars Holiday Special

Es geht kaum um das Star Wars Holiday Special, stattdessen bekommt man einen interessanten Einblick in die “Variety Show”-Szene der USA der Siebziger und die Arbeit mit Elvis.

Drew Goddard – The Martian Q & A

Drew Goddard ist einer der sympathischsten Drehbuchautoren, die in Hollywood rumlaufen – sympathisch auch von seiner Arbeitsweise (zumindest mir).

Fragebogen 2015

Mein privater Wasserstandsanzeiger, den Felix doof findet.

Real Virtualitys Lieblingsfilme des Jahres 2015

94. Diese traurige Zahl beschreibt die Menge an Filmen, die ich 2015 gesehen habe. Noch einmal zwölf weniger als im Jahr zuvor, gut 50 weniger als ich früher™ im Durchschnitt pro Jahr gesehen habe. Schuld ist – neben der Tatsache, dass Film nicht mehr mein Hauptberuf ist – vor allem das Fernsehen. Ich habe in meiner persönlichen Rückschau schon einmal aufgezählt, was ich dieses Jahr statt Filmen gesehen habe – insgesamt sicherlich 60 bis 70 Stunden Serien. Alles Zeit, die nicht in Filme fließen konnte.

Trotzdem fühle ich mich eigentlich ganz gut gerüstet für diese Top 10. Von den 94 Filmen stammt gut die Hälfte aus diesem Jahr. Nur wenige muss ich zähneknirschend in die “Nicht gesehen”-Ecke schieben, The Look of Silence, Wild und Sicario vor allem. Schade finde ich vielmehr, dass mir dieses Jahr keine Zeit für kleine Entdeckungen abseits des Mainstreams und des kritischen Konsens blieb, denn Festivals und andere filmische Forschungsreisen waren zeitlich einfach nicht drin. Ich habe also eine Meinung zu fast jedem “wichtigen” Film dieses Jahres, aber wenig private Perlen, für deren Hervorhebung Top-10-Listen ja irgendwie auch immer gut sind. Das erklärt leider auch den eklatanten Mangel an nicht-englischsprachigem Kino in der Liste.

In der Folge habe ich mich selbst ermahnt, diese Liste so persönlich wie möglich zu gestalten und mich nicht zu sehr von den Lobeshymnen anderer beeinflussen zu lassen, wozu ich manchmal durchaus neige. Carol, zum Beispiel, fand ich zwar sehr schön anzusehen, aber er hat mich kalt gelassen. Macbeth fand ich als filmische Interpretation eines Shakespeare-Stücks streckenweise sehr bemerkenswert, aber ich hatte auch den Eindruck, dass Justin Kurzel nicht wusste, wohin mit all den famosen Worten. Ich habe begriffen, dass Birdman viel zu bieten hat, aber was er mir genau sagen wollte, weiß ich heute genau so wenig wie Anfang des Jahres. Und während The Walk hat mich zwar plangemäß geschwindelt, aber ich konnte einfach nicht vergessen, wie viel begeisterter ich 2008 während Man on Wire war.

Lobende Erwähnungen

Star Wars: The Force Awakens hätte es fast noch auf die Liste geschafft, denn trotz aller Kritikpunkte muss ich seine reine Begeisterungsleistung einfach anerkennen, warum genau steht bei Letterboxd. Ich habe großen Respekt vor Avengers: Age of Ultron, nicht nur wegen seiner visuellen Ideen, sondern auch wegen der erfolgreichen Bewältigung eines fast unmöglich scheinenden Jonglage-Akts – am Ende hat mich aber die x-te Konfrontation mit einer Horde gesichtsloser Schergen mehr geärgert als gefreut. Und bei Steve Jobs, immerhin das Werk zweier Filmemacher, die ich sehr schätze, bin ich einfach mit den falschen Erwartungen ins Kino gegangen – der Film harrt seiner Zweitsichtung, jetzt wo ich weiß, dass “nichts davon passiert, aber alles wahr” ist, wie Aaron Sorkin es ausgedrückt hat.

Aber jetzt. Die Top 10.

10. Victoria

© Senator

Ich gebe ehrlich zu, dass ich nach all dem Hype etwas enttäuscht war, als ich aus Victoria kam. Vielleicht auch, weil mich Sebastian Schippers Bravado im anschließenden Q&A ein bisschen genervt hat. Aber der Film hat einfach meine Anerkennung verdient. Nicht nur, weil er ein technisches und schauspielerisches Meisterstück ist und so viel für den deutschen Film getan hat wie wahrscheinlich seit Lola Rennt niemand mehr, sondern noch aus einem weiteren Grund, über den ich viel nachgedacht habe. Ich mag es, dass Victoria ein Film mit Geografie ist. Durch die ununterbrochene Einstellung gibt es hier einfach keine filmische Trickserei und ich plane nach wie vor, die Handlungsroute des Films bald mal abzulaufen. Darauf freue ich mich. Und ein Gutes hatte das Q&A außerdem: Ich weiß, warum der Film eine Cutterin brauchte.

9. Jupiter Ascending

© Warner Bros.

In der Zeit der Fortsetzungen, Remakes, Reboots, Legacyquels und Parakosmen ist es eine Freude, einen völlig eigenständigen Science-Fiction-Stoff auf der Leinwand zu sehen, selbst wenn er so batshit crazy ist wie Jupiter Ascending. Aber wie ich schon im Blog und im “Kino-Zeit”-Adventskalender erzählt habe – man darf das, was man hier sieht, einfach nicht für bare Münze nehmen. Man muss ein bisschen Camp-Leichtigkeit mitbringen, Spaß am Kitsch und am Über-Epischen. Dann klappt’s auch mit dem Genuss.

8. Whiplash

© Sony

Whiplash hat mich in einen emotionalen Taumel gestoßen. Ich war unglaublich begeistert von der Art und Weise, wie er das Spielen von Musik inszeniert – als fantastischen Rausch aus Klängen und Eindrücken, genau wie es wirklich ist – und wütend über seine Darstellung des Verhältnisses von Talent und Blutzoll bei dem, was eine_n “gute_n Musiker_in” ausmacht. Damien Chazelle verwechselt, ähnlich wie die Oscars, einfach “Best” mit “Most”. Aber ein Film, an dem ich mich reiben kann – noch dazu einer mit Schlagzeugsolo – ist mir trotzdem lieber als dutzende Biopics, die Talent einfach als eine Art Zaubertrick darstellen. Ausführlichere Gedanken dazu auf Letterboxd.

7. While We’re Young

© UFA

Noah Baumbachs Filme handeln immer ein bisschen davon, dass Leute gerne jemand wären. Das Schöne ist, dass sie am Ende irgendwie immer eine Ahnung davon bekommen, wer sie sind. Das ist natürlich der Hauptstrang von While we’re young, mit dessen zentralen Motiven (Kinder-FOMO, Eingefahrenheit) ich mich (obwohl erst 32) durchaus identifizieren kann. Was ich aber bemerkenswert finde, ist, dass der Film im letzten Drittel noch ein großes Diskussionsfass über dokumentarisches Erzählen aufmacht und seinen Charakteren keine eindeutige Antwort in den Mund legt. Hat Ben Stiller (beste Performance seit langem) Recht mit seinem egoistisch motivierten Kreuzzug der Wahrhaftigkit, oder hat Adam Driver einen Punkt, wenn er Erzählfluss höher bewertet als Chronistenpflicht. Durchaus auch für alle “narrativen Journalisten” was zum Nachdenken.

6. Inherent Vice

© Warner Bros.

Es ist eigentlich zu einfach, über diesen Film immer nur mit Drogenreferenzen zu schreiben, aber er ist einfach ein Trip. Ich könnte ohne nachzuschauen nicht mehr berichten, wovon er eigentlich handelt, aber ich habe noch viele seiner Bilder im Kopf, ich weiß, dass ich ihn toll fand und ich weiß, dass ich ihn bald noch einmal sehen will. Das mag nicht die gelehrteste aller Filmbewertungen sein, aber … äh, was wollte ich sagen? Hier, nimm.

5. It Follows

© UFA

Es gibt eine Szene in It Follows, wo das Wesen, das die Hauptfigur verfolgt, plötzlich wie aus dem Nichts in Form eines sehr großen Mannes aus einem Wohnungsflur durch eine Tür tritt – ein verdammt effektiver jump scare. Aber das Wahnsinnige ist, dass der Film ansonsten fast ohne solche Effekte auskommt, stattdessen setzt er auf Paranoia und die Angst vor dem Unausweichlichen. Hinzu kommen sein geschicktes Spiel mit filmischen Sehgewohnheiten und sein merkwürdiges Aus-der-Zeit-Gefallen-Sein. Mag sein, dass dieses postmoderne Meisterwerk am Ende seine Mythologie nicht nahtlos durchzieht, aber ich habe trotzdem nach dem Kinobesuch einen ganzen Tag gebraucht, um das ungute Gefühl loszuwerden, dass mich jemand verfolgt.

4. 45 Years

© Piffl Medien

Manchmal braucht es so wenig. Ich bin vernarrt in die Idee des Films, dass ein einziger Windhauch ausreichen kann, um ein Kartenhaus, auch eins in der englischen countryside, zum Einstürzen zu bringen. Da leben zwei Menschen seit 45 Jahren zusammen, aber sie haben so viele unausgesprochene Ängste und Sorgen, dass mit nur einer neuen Information alles den Bach runter gehen kann. Klar, man kann sich zusammenraufen, aber es wird nichts mehr so sein, wie es schien. Als sachlicher Romantiker, der amour fou nie verstanden hat und ihre Darstellung in Filmen geradezu verabschaut, hat mich 45 Years tief bewegt, gerade weil er auch die Abgründe (no pun intended) scheinbar ausgeglichener Beziehungen so eindrucksvoll ausleuchtet. Nach zweieinhalb Jahren Ehe kann ich nur hoffen, dass ich nicht irgendwann in die gleiche Falle bzw. Gletscherspalte tappe.

3. Mad Max: Fury Road

© Warner Bros.

Als alle schon über den Trailer gejubelt haben, war ich noch skeptisch. Aber der Sog des Films hat mich dann doch erfasst. Diesen Stilwillen muss man einfach lieben, egal ob es um die hundertprozentige Hingabe zur Bewegung geht, um das phantasievolle Design oder um das angedeutete Worldbuilding, das tatsächlich schafft, was so viele Filme erfolglos versuchen – einen weiten Kosmos hinter der Filmhandlung anzudeuten, ohne dass man mit der Nase draufgestoßen wird. Nur Vorsicht vor dem Mythos des Realismus.

2. Ex Machina

© UPI

Ich stehe auf Alex Garland, nicht nur wegen seines Vornamens. Seine Stoffe haben immer schon die richtige Menge Intelligenz und sense of wonder gehabt, die in der Science Fiction so wichtig ist und im Kino so häufig dem Spektakel geopfert werden. Ex Machina, seine erste Regiearbeit, ist genau so gut geraten – verkopft, geschmeidig, schön und schrecklich, und das alles ohne Prätention und Selbstgefälligkeit. Ich kann kaum erwarten, was Garland als nächstes zaubert.

1. Inside Out

© Disney

Dem Inhalt des Films zum Trotz ist dieser erste Platz für Pixars Meisterwerk vor allem eine Bauchentscheidung. Ich habe im Kino einfach pausenlos geheult, außer wenn ich herzlich gelacht habe. Ich saß ständig da und dachte “Oh Gott, ich kann so gut nachvollziehen, was dort gerade passiert.” Manipulativ? Ja. Trotzdem meisterhaft? Auf jeden Fall! Ganz abgesehen davon, dass ich inzwischen mitbekommen habe, wie gut der Film sogar Fachleuten (also z. B. Kinderpsychologen) zu gefallen scheint. Deswegen geht für diesen return to form zum dritten Mal nach 2003 und 2008 die Krone nach Burbank. Bitte, bitte, Pixar, mehr davon.

Real Virtuality 2015 – Persönliche Höhepunkte

Baptism by Fur: Mit Äffle und Pferdle bei einem Termin zur Privatquartierkampagne in Stuttgart, März 2015

Das Jahr neigt sich dem Ende. Ich habe schon Musik und Bücher Revue passieren lassen. Bevor ich zur großen Filmliste komme, möchte ich wie in den vergangenen Jahren auch noch auf ein paar weitere Highlights des Jahres zurückblicken, die eher persönlicher, wenn auch nicht unbedingt privater Natur sind. Dinge, die ich erlebt oder beobachtet habe.

#rp15

Eigentlich habe ich zur diesjährigen re:publica schon alles geschrieben. Sie war eine Druckbetankung an Eindrücken, Begegnungen und Gefühlen, die es eben nur dort gibt (weil ich weder zum Zündfunk Netzkongress noch zum Chaos Communication Congress fahren konnte). Ein gutes halbes Jahr später sind mir vor allem drei Dinge in Erinnerung geblieben: Das Zusammensitzen mit der Redaktionskonferenz des “Techniktagebuch”, der Adrenalinrausch nach meinem eigenen Talk und ein gesprächiger Abend mit einer tollen Person. Für die #rpTEN habe ich erneut einen Vorschlag eingereicht.

Mad Men

Seit dem Beginn des neuen TV-Booms hat mich keine Serie so gefangen genommen wie Mad Men. Nicht The Wire, nicht Breaking Bad (bisher nur den Piloten gesehen) und schon gar nicht Lost (nach der ersten Staffel entnervt aufgegeben). Vielleicht liegt es daran, dass Mad Men grob in “meiner” Branche spielt, dass ich so schnell Zugang zu ihr gefunden habe. Aber viel mehr als den Werbekram habe ich es geliebt, an der Serie den Wandel der kulturellen Landschaft in den USA in der vielleicht wichtigsten Dekade des 20. Jahrhunhderts zu verfolgen. Obwohl Mad Men zwischenzeitlich etwas durchhing – ich war sowohl tieftraurig als auch erleichtert, als Matthew Weiners Magnum Opus im Mai endgültig zu Ende ging. Noch hat keine neue Serie ihren Platz einnehmen können.

35. Deutscher Evangelischer Kirchentag

Mein Brotjob erreichte seinen Höhepunkt vom 3. bis 7. Juni. Wieder einmal saß ich von einem Tag auf den anderen plötzlich mit 50 Leuten in einem Raum, die alle auf mein Kommando hörten. Das Tolle: Die “mittlere Management”-Ebene der sogenannten Multimediaredaktion, darunter Jens Albers, Ralf Peter Reimann, Christian De Zottis und Katharina Matzkeit (um nur mal die Leute mit eigener Webpräsenz zu promoten), funktioniert inzwischen so gut zusammen, dass ich mich aus dem operativen Geschäft fast völlig zurückziehen konnte/musste, was manchmal auch etwas einsam war. Vom Kirchentag selbst habe ich trotzdem wie immer nichts mitbekommen – außer durch die vielen tollen Artikel, Videos und Social-Media-Aktionen, die auch dieses Jahr wieder entstanden sind. Kaum zu glauben, dass ich jetzt schon wieder auf den nächsten hinarbeite, bei dem hoffentlich auch die Berliner Digitalszene eine Rolle spielen kann.

“Fortsetzung Folgt”

Mein Freund Martin musste eine Weile an mich hinreden, bis ich zugestimmt habe, mit ihm gemeinsam ein viertägiges Seminar zum Thema “Serielles Erzählen” für die Sommeruni des Evangelischen Studienwerks Villigst zu geben, und in meinem stressigen Sommer zwischen Kirchentag, Wohnungssuche und Umzug wäre ich noch mehrfach am liebsten abgesprungen. Am Ende war es den Stress aber doch wert. Wir wurden belohnt mit äußerst aufmerksamen und inquisitiven Studierenden, die auch selbst ein paar ganz ordentliche Serienideen entwickelt haben. Wenn also wieder mal jemand einen Seminarleiter braucht – ich bin zu haben.

Berlin

1999, auf Klassenfahrt in der elften Klasse, war ich das erste Mal in Berlin und ich war sofort wie verzaubert von dieser Stadt. Das nächste Mal war ich 2007 dort, zu einem Vorstellungsgespräch, und ich wäre gerne dort geblieben. Drei Jahre später dann erstmals zur Berlinale. Im Dezember 2010 habe ich eine Berlinerin kennengelernt und sie eine Weile fast jedes Wochenende in Berlin besucht, nur um sie dann im Sommer 2011 nach Mainz zu entführen. Irgendwie war uns aber insgeheim immer klar, dass wir irgendwann nach Berlin zurückkehren würden, und dieses Jahr war es dann so weit.

Ich staune immer noch jeden dritten Tag darüber, dass ich jetzt hier wohne. Manchmal – wenn ich in einem Supermarkt oder einem Kaufhaus bin, das auch sonstwo stehen könnte – vergesse ich, dass ich in Berlin bin und erst beim Verlassen des Ladens trifft mich die Erkenntnis wieder mit voller Wucht und ich jubiliere ein bisschen. Nicht nur dass ich jetzt in Deutschlands Film- und Medienhauptstadt wohne (suck it, München! ?), ich bin auch immer wieder tief bewegt von der Geschichte dieser Metropole, die einem von jeder Ecke entgegenleuchtet, egal ob ich durch Grunewald jogge oder in Friedrichshain mit meiner neuen Band probe. Ich mag die Menschen hier, diese merkwürdige Mischung aus Treibholzwesen aus der ganzen Welt und alteingesessenen Nörglern mit weichem Kern. Ich bade so gut es geht im Kulturangebot, den Kinos, den Theatern, den Ausstellungen, den Konzerten – manchmal reicht es schon, nur zu wissen, dass man hingehen könnte, um sich daran zu erfreuen. Ich liebe die Tatsache, dass hier nirgendwo Berge sind und dafür überall Seen.

Nach einem knappen Monat Anfangshoch hatte ich durchaus ein paar Wochen Großstadtdepression und Heimweh. Lässt sich wohl nie vermeiden. Jetzt aber bin ich angekommen und wenn es nach mir geht, bleibe ich noch lange hier.

Volunteer Planner

Im Sommer hatte ich noch genug Gründe, um vor mir selbst zu rechtfertigen, warum ich gerade nichts für geflüchtete Menschen tun kann. Spätestens im Oktober war Schluss damit, ich war umgezogen und angekommen und hatte genug freie Zeit. Den letztendlichen Ausschlag hat aber der Volunteer Planner gegeben, mit dem man sich einfach und unkompliziert für Helferschichten in den Flüchtlingsunterkünften eintragen kann. Die Website eliminiert die letzte Hürde für jeden, der irgendwie vielleicht ja doch gerne helfen würde, aber Angst vor dem ersten Kontakt hat. Ich gebe zu, dass ich die Seite im Endeffekt nicht so oft genutzt habe, wie ich mir vorgenommen hatte, aber die Tatsache, dass ich jetzt überhaupt mehrfach Kontakt mit Geflüchteten und Helfenden hatte, hilft mir zusätzlich in Gesprächen mit alljenen, die noch Ängste und Vorurteile mit sich herumtragen. Ich kann jedem nur empfehlen, die Seite (und vergleichbare Seiten) zu nutzen – ich werde es 2016 auch wieder tun.

© Netflix

Master of None

Master of None

Was das reine Zeitinvestment angeht, hat Fernsehen bei mir das Kino derzeit endgültig überholt. Ich habe 2015 neue Staffeln von The Good Wife, Downton Abbey, Mad Men, Brooklyn Nine-Nine, Modern Family, Game of Thrones, Transparent, Agents of SHIELD und New Girl gesehen sowie endlich Sherlock nachgeholt und mit Battlestar Galactica angefangen. Aber nichts hat mich von Anfang an so begeistert wie Aziz Anzaris Master of None. Ich kannte Anzari aus Parks and Recreation, und Master of None ist am Ende auch nicht viel mehr als die Auserzählung von Gedanken, die er in seinen Standup-Specials schon öfter hatte, aber dass es möglich ist, diese Art von freundlicher und leiser Comedy zu machen, die sich gleichzeitig einiger kontroverser Themen annimmt, ist trotzdem etwas besonderes. Master of None ist eine Serie, wie sie nur 2015 entstehen konnte. Die Folgen hängen mal lose, mal eng zusammmen. Sie sind aufwändig produziert, funktionieren ohne Werbepausen und eignen sich perfekt, um sie an einem Wochenende zu verschlingen (wie wir es gemacht haben). Leider kann man sie auch nur sehen, wenn man ein Netflix-Abo hat. Dazu bald mehr in diesem Blog.

Peak Marvel

Ich habe jede Menge Respekt vor Age of Ultron, ich fand Ant-Man streckenweise sehr unterhaltsam. Aber ich gebe zu: Mit meiner Marvel-Begeisterung hat es so langsam ein Ende. Bei Daredevil kam ich nicht über zwei Folgen hinaus, Jessica Jones (derzeit Folge 6) werde ich wohl zu Ende gucken, aber ich weiß noch nicht wann. Zum Weiterschauen von Agents of SHIELD konnte ich mich bisher noch nicht durchringen und 2016 freue ich mich fast mehr auf Batman v Superman (wegen der Hybris) als auf Civil War. Ich finde es nach wie vor erzählerisch spannend, was da passiert (und wie jeder versucht, es zu kopieren), aber die echte Fanboy-Begeisterung, die ich noch während The Avengers gespürt habe, ist 2015 endgültig ausgelaufen – spätestens als mein Lieblings-“Wired”-Autor Adam Rogers über das neue Franchisezeitalter einen Feature-Artikel geschrieben und darin die meisten Aspekte auf den Punkt gebracht hat, an denen ich mich an dieser Stelle seit fünf Jahren abarbeite. Marvel-Produkte fühlen sich immer mehr wie eine Pflicht und immer weniger wie etwas Besonderes an. Dass Joss Whedon sich verabschiedet hat, macht es nicht besser. Es könnte also gut sein, dass ich mir bald eine neue Obsession suche.

“Kommerzkacke”

Ich schreibe ja inzwischen seit einigen Jahren regelmäßig-unregelmäßig für epd film und epd medien, die ich gemeinsam so ein bisschen als meine berufliche Alma Mater betrachte. Ich habe mich sehr gefreut, als ich dieses Jahr aus dem Nichts bei einer weiteren Publikation in den Autorenstamm aufgenommen wurde. Für “kino-zeit.de” habe ich ja schon zuvor ab und zu kleinere Geschichten geschrieben, aber jetzt habe ich dort eine regelmäßige Kolumne, die das nächste Mal Anfang Januar erscheinen wird. Ich fühle mich sehr geehrt, zur Kino-Zeit-Truppe zu gehören, und ein bisschen stolz bin ich auch.

Vielen Dank allen, die mich 2015 gefördert und herausgefordert, gelesen und verlinkt haben. Danke an jeden, der hier im Blog oder auf anderen Plattformen kommentiert, favorisiert und auf “Like” geklickt hat. Danke an alle Kolleginnen, Kollegen und Netzgemeindeglieder, die meine Arbeit verfolgen, auch wenn mich viele von ihnen nicht persönlich kennen. Ihr könnt nicht ahnen, wie viel mir das bedeutet. Ich hoffe, euer 2015 hatte auch ein paar Highlights zu bieten und euer 2016 wird noch besser.

Real Virtualinks 52/15 – Mostly Star Wars Edition

Wie sollte es anders sein? Diese Woche ist sehr Star Wars-lastig.

“RETURN OF THE JEDI: A Bad Lip Reading”

Was die “Bad Lip Readings” von den meisten anderen Parodieformaten des Internets unterscheidet, ist ein unübersehbarer Dada-Einfluss. Die Star Wars-Performancekunstwerke, die das Team jetzt geschaffen hat, sind in ihrem Humor relativ konkret, aber deswegen streckenweise nicht weniger “weird”. Muss man gesehen haben.

‘The Force Awakens’ Is the Least Interesting Star Wars Yet

Ich war nach dem ersten Kinobesuch sehr “in two minds” was Star Wars VII angeht. Ich hatte eine spaßige Zeit im Kino und ich mag die neuen Figuren, aber das krasse Zurückgreifen auf Vertrautes erschien mir auch ein bisschen mut- und ideenlos. (“Star Wars: The Apology“, wie es die Simpsons 2009 vorhergesagt haben). Sehr typisch für die derzeitige Filmbranche insgesamt natürlich – wie Brian Merchant gut zusammenfasst. (Meine Meinung nach der Zweitsichtung)

26 Unanswered Questions of ‘Star Wars: The Force Awakens’: We Have the Answers

Servicejournalismus im Zeitalter des Parakosmos. Peter Sciretta hat alle Bücher und Comics gelesen, die begleitend zu “The Force Awakens” erschienen sind und trägt die Infos zusammen, die im Film fehlen.

Star Wars: Das Erwachen der Macht. 100 Probleme, Fragen, Ideen.

Stefan Mesch denkt laut nach.

Will STAR WARS Just Be Fanfic From Now On?

Devin Faraci hat auf seiner Seite “Birth. Movies. Death.” über The Force Awakens als Fanfic (ebenfalls ein großes Thema im Blog dieses Jahr) geschrieben und nennt es sehr prägnant “ice cream for dinner”. Ähnlich wie bei mir und vielen anderen liegen seine Hoffnungen auf Gareth Edwards und Rian Johnson.

Marc-Uwe Kling – Wir hängen im Wohnzimmer ab

»Mich würden mehr diese Momente interessieren, in denen total dumme Entscheidungen getroffen wurden.«

Starkiller Base: The Contractor Memos

Sehr lustiges Zeug von Dan Kois

How ‘Revenant’ star Tom Hardy helped me realize I am out of the junket business

Über die unsägliche Kultur der Pressejunkets hatte ich es ja schon öfter im Blog. Nachdem ein unangenehmes Erlebnis (und eine Reihe unnötiger Ad-Hominem-Tweets) von “HitFix”-Autor Drew McWeeny Schlagzeilen gemacht hat, hat er sich entschieden, fortan Junkets den Rücken zu kehren. “My decision is for me alone, but I would urge my fellow journalists to consider the real balance of power here. When there are hundreds of identical interviews online, nobody is benefiting from that.”

Daily Cartoon: Thursday, December 24th

Frohe Weihnachten an alle!

Der kleine Prinz als metatextuelle Verfilmung – und andere Varianten, Kinderbücher ins Kino zu bringen

© Warner Bros.

Wer heutzutage ein Kinderbuch verfilmen möchte – ein richtiges Kinderbuch, für eher kleinere Kinder, keinen “Young Adult”-Roman – scheint zwei Möglichkeiten zu haben. Entweder, er bleibt dem Werk ziemlich treu. Dann entsteht vielleicht so etwas wie Der Grüffelo, eine knuffige, witzige Bebilderung des Buchs von Julia Donaldson mit einigen prominenten Sprecherinnen und Sprechern, die allerdings leider nur 30 Minuten lang ist. Gut für’s Fernsehen, unpassend für heutige Kinostrukturen.

Die andere Möglichkeit ist eine Erweiterung des Bekannten, eine Einbettung der Kerngeschichte in eine größere Erzählwelt, die Kinoformat hat, was immer das heißt. Peter Jacksons Hobbit-Filme könnten in diese Kategorie fallen, Spike Jonzes Where the Wild Things Are, und seit diesem Jahr auch Der kleine Prinz in einer neuen Fassung von Regisseur Mark Osborne und den Drehbuchautorinnen Irena Brignull und Bob Persichetti.

Ein Film über die Ereignisse

Die Hobbit-Filme, was immer man sonst von ihnen halten mag, stehen dabei wahrscheinlich noch auf den sichersten Füßen. J. R. R. Tolkiens Roman The Hobbit beschreibt eine größere Geschichte aus einer sehr beschränkten Sicht. Figuren verschwinden während der Handlung und kehren irgendwann wieder und die Hauptfigur erfährt nie, was sie in der Zwischenzeit getrieben haben. Das erklären erst die Anhänge zu Lord of the Rings. Einiges, etwa die “Schlacht der fünf Heere”, die dem dritten Jackson-Film ihren Titel gibt, wird im Buch nur in Mauerschau erzählt. Jackson adaptiert in seinen Filmen nicht das Buch, er dreht einen Film über die Ereignisse (und ein paar zusätzliche Dinge, die er erfunden hat). Damit verliert er über große Strecken das “Gefühl” des Buches, für viele der größte Kritikpunkt an den Filmen, aber er kann seine Geschichte in ähnlich epischer Breite erzählen, wie er es bereits in seiner letzten Trilogie getan hat.

Spike Jonzes Verfilmung von Where the Wild Things Are unterscheidet sich weniger von Jacksons Ansatz, als es vielleicht auf den ersten Blick scheint. Maurice Sendaks Buch ist berühmt dafür, dass es nur 100 Wörter hat, was aber daran liegt, dass es sich erzählerisch auf das Allernötigste beschränkt. Es ist dafür geschaffen, vorgelesen zu werden – so dass der vorlesende Mensch und der zuhörende Mensch gemeinsam, auch anhand der wunderbaren Bilder, darüber spekulieren können, was zwischen den Wörtern alles passiert.

Eine Vision der eigenen Gefühle

Im Endeffekt ist es genau das, was Jonze und sein Koautor Dave Eggers gemacht haben. “And Max the king of all wild things, was lonely and wanted to be where someone loved him best of all”, ist vielleicht der zentrale Satz im Buch. In solchen Sätzen ist viel Raum für Interpretation. Jonze und Eggers hatten die Gelegenheit, über ihre Ideen mit Sendak zu sprechen, der ihnen zwar Input gab, aber sie grundsätzlich bestärkte, ihre eigene Interpretation der Geschichte auf die Leinwand zu bringen. Das also ist der Film zu Where the Wild Things Are – eine Vision dessen, was zwei Autoren spürten, als sie ein 100-Wörter-Kinderbuch lasen. (Ich mag das Resultat sehr, aber der Film hat ja auch nicht nur Fans.)

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Vielleicht lässt sich Osbornes Der kleine Prinz auf ähnliche Weise beschreiben. Der Film versucht, einen emotionalen Kern aus Antoine de Saint-Exupérys Buch zu destillieren und ihn auf moderne Weise neu zu interpretieren. Allerdings geht er einen zusätzlichen, metatextuellen Weg. Er ist “nicht wirklich eine Verfilmung im klassischen Sinne, sondern erzählt vielmehr davon, wie ein Kind die Geschichte vom kleinen Prinzen entdeckt”, wie Rochus Wolff es ausdrückt. In einigen Sequenzen werden Passagen aus Der kleine Prinz in bezaubernden Bildern animiert zum Leben erweckt, aber der weitaus größere Teil des Films stellt sich die Frage, welche Rolle Der kleine Prinz heutzutage in unserer Welt noch spielt.

Nachdenkliche Sprüche mit Bilder

Das Ergebnis gleicht im Plot ein wenig der Unendlichen Geschichte. Ein kleines Mädchen, gefangen in einem gefühlskalten Leben, entdeckt durch die Lektüre eines Textes erst eine fremde Welt und kann sie schließlich sogar betreten und ihr Schicksal beeinflussen. Die computeranimierten Sequenzen des Films stellen dabei die “Außenwelt” dar, während die Welt des Buchs in sehr stark auch im Look auf Handarbeit getrimmten Stop-Motion-Animationen visualisiert wird. Wie im Buch taucht auch Saint-Exupéry selbst auf, als alter, irrer-aber-liebenswerter Mann, der dem Mädchen überhaupt erst vom kleinen Prinzen erzählt. Schwer zu sagen, was der echte Saint-Exupéry über diese Interpretation seiner Figur gedacht hätte.

Der kleine Prinz gilt unter Menschen, die sich für schlau halten, gerne als der Inbegriff des Philosophie-Kitsches. “Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar” ist so ein Satz, der mir, wie bestimmt vielen anderen Menschen auch, erstmals als Kind über den Weg gelaufen ist, vielleicht sogar wirklich in einem Poesiealbum, und den man als Erwachsener gerne mal in die ”Nachdenkliche Sprüche mit Bilder”-Ecke abschiebt. Aber mal ganz abgesehen davon, dass der Satz durch seine naive Einfachheit nicht weniger wahr wird, ist Der kleine Prinz auch deutlich mehr als dieser Spruch. Er ist sowohl eine sehr persönliche Reflektion Saint-Exupérys über sein Leben und seine Umwelt als auch eine eindrucksvolle Parabel – manchmal eben die einzige Art, Gedanken und Gefühle zum Ausdruck zu bringen.

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Das Ende der Parabel

Dass Mark Osborne das in seinem Film anders sieht, mag der Grund sein, warum der Film Der kleine Prinz mit seiner Öffnung des Buches nach außen nur teilweise erfolgreich ist. Die Geschichte des Mädchens, dessen Leben von seiner ambitionierten Mutter bis zum Erwachsenwerden durchgeplant ist, ist eine passende und visuell in Form eines gigantischen “Lebensplan”-Bords auch gut umgesetzte Aktualisierung jener Dinge, über die sich auch Saint-Exupéry schon gesorgt hat. Doch nicht nur wird die Nacherzählung des Buchs auf einige seiner bekanntesten Passagen reduziert, im letzten Drittel bricht der Film jede Parabelhaftigkeit und jeden persönlichen Bezug zu Saint-Exupéry auf und lässt das Mädchen die Charaktere der Geschichte in einem neuen Setting wiedertreffen. Das gibt dem Abenteuer zwar ein actionreiches Finale, es transformiert den emotionalen Kern der Geschichte – anders als bei Sendak/Eggers/Jones – aber auch in eine völlig andere Dimension. Der kleine Prinz, der Film, hat eine andere Aussage und eine andere Wirkung als Der kleine Prinz, das Buch.

Diese Art von metatextueller Kinderbuch-Verfilmung scheint aber gerade beliebt zu sein. Im Februar kommt der bereits zu Halloween in den USA gestartete Film Goosebumps auch in die deutschen Kinos. Statt eine der Geschichten der Buchserie von R. L. Stine zu verfilmen, auf der er basiert, strickt auch er eine Handlung um eine fiktive Version von R. L. Stine und ein Buch, dessen Figuren plötzlich lebendig werden. Vielleicht funktioniert das Prinzip mit Gruselgeschichten besser als mit nachdenklichen Parabeln. Vielleicht muss es aber auch einfach nicht immer ein epischer Kinofilm sein.

Der kleine Prinz sollte noch in vielen Kinos laufen. Ich habe ihn in einer Pressevorstellung gesehen und wollte diesen Artikel eigentlich zum Kinostart fertighaben. Dann passierten Dinge.

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