Mein Kind ist jetzt viereinhalb Jahre alt. Seine früh erwachte Liebe zu Tieren und zu Dingen, die glitzern, hat es schneller als das wahrscheinlich der ganzen Familie lieb war, auf die Spur der diversen Angebote für Kinder zwischen 3 und 12 Jahre geführt, in denen sich magische Wesen aller Art tummeln. Einhörner sind eigentlich immer dabei, Feen oder Elfen meistens, dazu kommen je nach Laune Meerjungfrauen, Greife, Mantikore und andere magische Tiere und Pflanzen. Rosa und Lila sind meist die dominanten Farben, es geht um Kristalle und Regenbögen, Wünsche und Vollmondmagie.
Als Vater mit Fantasy-Hintergrund und Interesse für sowohl Worldbuilding als auch Franchising, kann ich diese Produkte nicht einfach ignorieren, obwohl ich sie fast nur per Osmose aufnehme. Zu sehr fasziniert mich, wie genau die Macher*innen die immer gleichen Motive variieren und neu zusammensetzen, um am Ende etwas zu erschaffen, das im Endeffekt genau ist, wie alles andere, was es bereits gibt. Hauptsache am Markt mitmischen.
Mir blieb daher nichts anderes übrig, als mich zumindest oberflächlich in die zu den jeweiligen Produkten ausgedachten Mythologien und Welten einzulesen und auf der Basis meines Wissens diese ultimative Liste zu erstellen. Man wird diese Welten nicht mehr los, sie sind zu erfolgreich. Also lohnt es sich wenigstens, zu wissen welche die schlimmsten (und die am wenigsten schlimmen) sind.
8. Einhorn-Paradies
Was es ist: In erster Linie eine Buchreihe im Coppenrath-Verlag, aber natürlich gibt es auch Hörspiele, ein eigenes Magazin mit Klimbim-Extras und Merchandising-Produkte.
Wer dahinter steckt: Einhorn-Paradies ist ein Spinoff des im gleichen Verlag erschienenen Lilifee-Universums von Monika Finsterbusch (s.u.). Die Geschichten schreibt die Autorin Anna Blum, die Illustrationen stammen von Julia Gerigk.
Stil: Das Einhorn-Paradies ist etwas pastelliger als seine Mitbewerber, der Illustrationsstil etwas verspielter – angelehnt an das Lilifee-Universum.
Kosmologie: Die Einhörner leben auf einer Gruppe von Inseln mit sprechenden Namen wie Glimmerland und Blütenaue. Die Vergnügungsinsel Traumriff wird nur zu bestimmten Anlässen geöffnet. Das Leben der Wesen auf den Inseln dreht sich stark um den Fruchtbarkeitszyklus der Natur.
Hauptfiguren: Die drei Haupt-Einhörner der Geschichten heißen Rosie, Blue und Vanilla, was jeweils ihre Fellfarbe beschreibt.
Zentrale Konflikte: In quasi jedem Band stimmt irgendwas mit der Magie der Einhorninseln oder einzelner Figuren nicht.
Urteil: Viel bin ich bisher mit dem Einhorn-Paradies noch nicht in Berührung bekommen, aber ich fand es mit Abstand die doofste aller Glitzerwelten, einfach weil die Welt so papierdünn ist und die pastelligen Illustrationen nicht helfen.
7. Bayala
Was es ist: Eine Welt voller Einhörner, Elfen und Meerjungfrauen, herumgestrickt um die Spielfiguren der Firma Schleich. Dazu gibt es auch ein Magazin, einen Film und ein Videospiel.
Wer dahinter steckt: Soweit ich es recherchieren konnte, launchte das ehemalige Traditionsunternehmen Schleich die Marke Bayala 2012 um seinen sonst eher neutralen (oder bereits extern gebrandeten) Figuren eine eigene Franchise-Spielwelt zu geben, die sich in andere Medien erweitern lässt.
Stil: Die Bayala-Figuren sind die barocksten von allen. Einhörner wie Elfen haben übermäßig lange Haare mit üppigen Stylings. Ihre ausgebreiteten Flügel nehmen im Regal wie im Rucksack sehr viel Platz weg.
Kosmologie: Bayala hat helle und dunkle Elfen, die in ständiger Fehde zueinander stehen. Die Meervölker leben in einem eigenen Land namens Meamare.
Hauptfiguren: Alle Figuren haben zweisilbige Namen wie Jaro, Sera und Surah (not kidding), außer Elfenkönigin Eyela.
Zentrale Konflikte: Im Film geht es um das beliebte Thema “Die Magie stirbt aus”, in einem Comic, das ich vorlesen musste, ging es um Elfen vs. Dunkelelfen.
Urteil: Bayala ist schon ziemlich schrecklich, einfach weil es so generisch ist, aber so tut, als wäre es gewichtig. Die Auflösung in einer Geschichte über eine Schatzsuche, die ich vorlesen musste, war tatsächlich “Der wahre Schatz ist Freundschaft”.
6. Sternenschweif
Was es ist: Eine Buchreihe, die eine Abwandlung des “Mädchen und Pferde”-Genres ist, in der das Pferd heimlich ein Einhorn ist, was aber nur seine Besitzerin weiß. Hörspiele gibt es auch, sowie andere gebrandete Buchprodukte wie Freundschaftsbücher und Poesiealben.
Wer dahinter steckt: Die britische Autorin Linda Chapman hat insgesamt 15 Sternenschweif-Bände geschrieben, danach wurde die Geschichte von diversen Ghostwritern ad nauseam fortgesetzt. In Deutschland erscheinen die Bücher bei Kosmos.
Stil: Sternenschweif hat vor einigen Jahren ein Makeover von der Illustratorin Anna-Lena Kühler bekommen, die einen relativ poppigen Airbrush-Stil mit sehr kindlich aussehenden Menschen pflegt. Allgegenwärtig sind aber noch die alten Sternenschweif-Cover und -Bilderbücher, deren Stil aussieht, als wäre er direkt aus den “Three Wolf Moon”-mäßigen 80er-Jahren aufgetaut worden, inklusive sehr viel Glitzer.
Kosmologie: Alle Einhörner haben “Hüterinnen”, die ihr Geheimnis kennen, es gibt aber auch noch eine darüber hinausreichende Mythologie mit der Einhornwelt Arkadia, die weiteren komplizierten Regeln folgt.
Hauptfiguren: Die Hauptfigur heißt Laura, ihr Pony Sternenschweif muss von ihr mit einem Zauberspruch in eine Einhorn verwandelt werden, dann kann es auch fliegen und (mit tiefer männlicher Stimme) sprechen. Laura hat eine Familie, Freundinnen und lernt im Laufe der Zeit auch einige andere Hüterinnen kennen.
Zentrale Konflikte: Meist geht es darum, anderen Menschen zu helfen oder die Welt der Einhörner zu retten.
Urteil: Sternenschweif passt nicht so ganz in die Reihe, da es nicht wirklich in einer eigenen Welt spielt, aber es ist mir durch die schrecklichen Hörspiele dazu nachhaltig vergällt und ich will davor warnen. So unmusikalisch muss man erstmal sprechen können. Auch die Geschichten selbst sind merkwürdig konservativ und langweilig. Der ganzen Serie fehlt es an Witz oder Überraschung.
5. Einhorn Glitzerglück
Was es ist: Eine lose designte Welt rund um vier Einhörner und einen Hasen, die im Wolkenland leben und dort Abenteuer erleben.
Wer dahinter steckt: Die Spiele- und Spielzeugfirma HABA, die ein gemeinsames Branding für Kleinkinderspiele (ab 2,5 Jahren) und angeschlossene Merchandising-Produkte suchte. Illustriert werden die Einhörner von Simone Roehe.
Stil: Die Glitzerglück-Einhörner sind, der Zielgruppe entsprechend, noch ein gutes Stück runder und kindlicher als ihre Äquivalente aus anderen Welten.
Kosmologie: Im Wolkenland existiert das Wolkenschloss und der Wolkengarten, in dem ein Kirschbaum steht.
Hauptfiguren: Glitzerglück (pink), Sternenstaub (gelb), Wunderblume (lila) und Zauberwirbel (türkis) sowie der Hase Finni (pink).
Zentrale Konflikte: keine
Urteil: “Glitzerglück” hat keine Handlung und keine ernstzunehmenden Charaktere. Ich kann mich aber nicht erwehren, eine gewisse Genialität im Zusammen-Branden mehrerer Spiele, die eigentlich nichts miteinander zu tun haben, für eine spezifische Zielgruppe zu sehen – Spätkapitalismus at its best.
4. Prinzessin Lilifee
Was es ist: Eine 2004 geschaffene Feenfigur, deren Freundesensemble, zunächst in Büchern, dann in Hörspielen, Serien, Musicals, Magazinen und Filmen stetig gewachsen ist und die zudem von Anfang an eine riesige Barrage an Merchandising-Artikeln schmückt.
Wer dahinter steckt: Die Autorin Monika Finsterbusch und der Coppenrath-Verlag (sowie hunderte Lizenznehmer).
Stil: Lilifees zentraler Stil sieht aus wie mit Buntstiften gemalt, zentrales irritierendes Merkmal ist der dauerhafte Kussmund der Hauptfigur.
Kosmologie: Lilifee lebt in einem Blütenschloss mit Zaubergarten, der wiederum im Feenreich liegt. Diverse andere Länder bieten jedes Setting, das die Geschichte benötigt: Meer, Dschungel, Orient etc.
Hauptfiguren: Lilifee hat eine ganze Reihe Freunde, darunter die Mäuse Cindy und Clara, der Frosch Carlos, der Käfer Oscar, der Hase Henri, das Schwein Pupsi (!) und natürlich auch ein Einhorn namens Rosalie. Auch andere Figuren, andere Feen, Hexen, Meervölker und Elfen, tauchen in regelmäßigen Abständen auf.
Zentrale Konflikte: Die Lilifee-Geschichten sind vielfältig, aber im Kern geht es fast immer darum, das etwas mit der Welt nicht stimmt, das von der Fee und ihren Freunden geradegerückt werden muss. Lilifees Auftrag (und Fluch) ist, dass sie immer für andere da ist und ihnen hilft.
Urteil: Lilifee ist in Deutschland das originale Franchise für Leute, die sich über rosa Glitzerwelten für Mädchen aufregen möchten, und hat durch ihre schiere Dominanz über die Jahre viel Kritik auf sich gezogen (etwa dieser Artikel von 2009). Es lässt sich sicher argumentieren, dass hier Care-Arbeit als typisch für Mädchen glorifiziert wird, die Welt ist auch tatsächlich eine Spur zu niedlich und zuckersüß, aber die Geschichten bilden durchaus eine Vielfalt von Konflikten und Ideen ab und beweisen dabei auch immer wieder Humor.
3. Centopia
Was es ist: Die Welt von Mia and Me, einer Fernsehserie (und seit diesem Jahr ein dazugehöriger Kinofilm), in dem ein Mädchen in einem Internat mithilfe eines magischen Buchs in eine Einhorn-Feenwelt reist, in dem sie selbst eine Fee ist.
Wer dahinter steckt: Das deutsche Trickfilm-Urgestein Gerhard Hahn (Werner: Beinhart) produzierte die Serie erstmals 2011 als deutsch-italienisch-kanadische Koproduktion.
Stil: Mia and Me ist ein Mix aus Realfilm und 3D-Animation. Die Figuren sind stark an Anime-Ästhetik angelehnt, aber europäisch “abgerundet” und in ihren Farben um einiges intensiver als die anderen Kandidaten dieser Liste.
Kosmologie: Die Welt Centopia ist eine Insel, die aussieht wie ein Einhornkopf, und enthält alle Landschaftstypen, die es für die Geschichten braucht. Während Mia in Centopia ist, vergeht in unserer Welt keine Zeit.
Hauptfiguren: Mia ist ein 12-jähriges Mädchen, das in Florenz auf ein Internat geht und dort einen Freund namens Vincent hat. In Centopia stehen ihr die Elfen Mo und Yuko sowie der tapsige Sidekick Phuddle zur Seite. Gemeinsam kämpfen sie gegen die böse Panthea, ihre Handlangerin Gorgona und deren Munculus-Armee.
Zentrale Konflikte: Panthea will durch das Jagen von Einhörnern unsterblich werden. Mia und ihre Freunde versuchen das immer wieder zu verhindern. Im Realfilm-Teil geht es um die typischen Kämpfe eines präpubertären nicht-populären Mädchens.
Urteil: Auch wenn die Animationsfiguren schlimm aussehen, geht es hier immerhin um echte Geschichten, die aufeinander aufbauen und eine gewisse Kohärenz aufweisen.
2. Ayuma
Was es ist: Die Feen-Glitzerwelt von Playmobil, zu der es neben Spielfiguren auch eine Kurz-Serie auf YouTube gibt.
Wer dahinter steckt: Der deutsche Spielwarengigant Playmobil.
Stil: Ayuma hebt sich von den anderen Glitzerwelten durch einen Goth-Fantasy-Anstrich ab. Viele Szenen spielen in der Nacht, in der das Mondlicht für einen fluoreszierenden Look sorgt.
Kosmologie: Ayuma spielt im Feenwald, in dem es verschiedene Feen-Stämme gibt, darunter Forest Fairies, Crystal Fairies und Knight Fairies, die jeweils eigene Tier-Kameraden haben.
Hauptfiguren: Elvi, Leavi und Josy sind Feen unterschiedlicher Stämme, die gemeinsam Abenteuer erleben.
Zentrale Konflikte: In Ayuma dreht sich alles um die Macht von Kristallen, aus denen die Feen ihre Energie ziehen und um die es natürlich regelmäßig Streit gibt.
Urteil: Ayuma ist in Sachen Glitzergedöns und Augengröße der Hauptfiguren natürlich genauso schlimm wie alle anderen Welten, aber irgendwie hat es mir der stärker in Richtung Fantasy lehnende Stil und die Diversität der Hauptfiguren angetan – hier geht es endlich mal nicht nur um Wolken, Blumen und magischen Glitzerglanz in rosa, blau und gelb. Manche Fairies sehen aus, als wären sie direkt aus RuPauls Drag Race entsprungen.
1. Equestria
Was es ist: Die Welt der “My Little Pony”-Spielzeuglinie von Hasbro und der angeschlossenen Serie My Little Pony: Friendship is Magic.
Wer dahinter steckt: Das erste “My pretty Pony” von Hasbro wurde bereits 1981 erfunden und die ursprünglichen “My Little Pony”-Spielzeuge brachten in den 80ern und 90ern auch schon animierte Filme hervor, doch hinter dem erstaunlich erfolgreichen Reboot, aus dem auch die Welt Equestria stammt, steckt die Autorin und Animatorin Lauren Faust (Powerpuff Girls).
Stil: Lauren Fausts Stil arbeitet mit einfachen Formen und Linien sowie einem deutlichen Bekenntnis zur Zweidimensionalität (die Serie wurde ursprünglich in Flash animiert), das ihre Herkunft aus den Cartoon-Network-Shows der 90er verrät.
Kosmologie: Equestria ist ein Kontinent auf einer erdähnlichen Welt, der stark an Nordamerika erinnert und sich ansonsten an klassischen Fantasy-Elementen orientiert.
Hauptfiguren: Die eifrige Einhornprinzessin Twilight Sparkle und ihre Freunde Applejack, Rarity, Fluttershy, Rainbow Dash und Pinkie Pie sowie der Drachen-Sidekick Spike.
Zentrale Konflikte: Auf Equestria gibt es immer etwas zu tun und das Gegengift ist immer Freundschaft, wobei Freundschaft viele verschiedene Formen annehmen kann und durchaus auch Schwierigkeiten mit sich bringt.
Urteil: Zugegeben: Meine unmittelbaren Erfahrungen mit My Little Pony beschränken sich auf den Kinofilm von 2017, der mich überraschend, aber auch nicht ganz überraschend, um seinen Finger gewickelt hat. Da hinter dem Film aber das gleiche Team wie hinter der Serie steckte, vermute ich, dass auch diese (und der Erfolg gibt ihr da recht) die gleiche Mischung aus All-In-Cuteness bei gleichzeitiger Subversion derselben beherrscht. Diese Mischung habe ich bei keiner der anderen Welten entdecken können, auch wenn einige sich ab und zu ein wenig albernen Humor erlauben. Und auch wenn Equestria, genau wie all ihre Cousins und Kusinen, auch nur ein Setting ist, das geschaffen wurde, um Spielzeuge zu verkaufen, so hat es sich und seine Charaktere über die Jahre doch am stärksten davon emanzipiert und lässt sich auch ganz gut ohne daran anschließende anstrengende Gespräche im Spielzeugladen genießen.
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