Michael Bays Limit, oder: Warum Paul W.S. Anderson der bessere B-Movie-Regisseur ist!

© Paramount Pictures

Dies ist ein Gastbeitrag von Floris Asche als Antwort auf den Beitrag von Sebastian Mattukat, zum Start von Transformers 4.

Michael Bay ist zum Synonym des modernen Action-Science-Fiction-Spektakel-Films geworden. Auch Nicht-Filmkenner kennen ihn. Paul W.S. Anderson kennt kaum einer. Dabei macht Paul W.S. Anderson genau die gleichen Filme wie Michael Bay. Es sind B-Movies. Nicht billig, aber mit Explosionen, Monstern, Aliens oder Robotern. Die Filmtitel kennt man: Resident Evil, Alien vs. Predator, Event Horizon. Aber irgendwie werden sie nicht so hoch geschätzt, so groß vermarktet, wie Transformers oder Bad Boys. Ich wundere mich, woran das liegt.

Kaum einer weiß, dass das brutale Regiedebüt des Engländers Anderson, Shopping (mit dem damals noch unbekannten Jude Law), in seiner Heimat aus den Kinos verbannt wurde. Michael Bays Filme wurden noch nie verbannt. Warum auch? Sie zeigen Stereotype, simple Welten. Abziehwelten. Schöne Frauen, Autos, schwitzende Helden (weil es ja anstrengend sein muss, die Welt zu retten) und Explosionen. Alles schön gefilmt, weil Bay da ja herkommt: Aus der Werbung. Werbung ist auch Abziehwelt. Doch Film ist das nicht. Nicht mal B-Film und schon gar nicht Action oder Science-Fiction.

Menschlichkeit, Nähe und Fehler

Paul W.S. Anderson erlaubt seinen Figuren gebrochene Momente und Zweifel. Egal, ob er bekloppte Storys, wie in Death Race, oder bekloppte Szenarien, wie in Mortal Kombat darstellt. Seine Figuren haben Menschlichkeit, Nähe und Fehler. Und genau da wird er leise. Weil er weiß: Die Wucht der Bilder, die Explosionen, Monster und so weiter, kann uns nur weiterbringen, wenn sie im Kontext der stillen, kleinen Menschen steht. Explosionen sind in einem Film nur gerechtfertigt, wenn jemand davor wegläuft. Wir müssen wollen, dass er überlebt.

Ich mag Michael Bay-Filme. Wirklich. Ich hab alle gesehen. Oft mehrmals. Aber wenn ich mich zurück erinnere, weiß ich nicht, ob die Figuren mir gefielen. Ich erinnere mich nur an Schauspieler, an Stars. Nicht an ihre Rollen. Klar fand ich Ewan McGregor in The Island toll, auch Scarlett Johansson. Aber ihre Figuren waren absolut idiotisch. Auch Shia LaBeouf und Megan Fox in Transformers: Warum soll ich mich für sie interessieren? Ah. Weil er der lustige Shia, und sie die heiße Megan ist.

So gesehen hat Michael Bay den ultimativen Trick gefunden: Schöne (von mir aus) echte Explosionen, gepaart mit schönen Menschen, die wir aus den Medien kennen, für die wir uns also von Natur aus interessieren. Anders Paul W.S. Anderson: Mal ganz davon abgesehen, dass er etwas weniger Budget für seine Filme hat, und so seine Filme auch mal billiger aussehen. (Manchmal sehr viel billiger.)

Ab und an spielen zwar auch bei Anderson Stars mit, aber sie werden ganz anders behandelt: Milla Jovovich, zum Beispiel: Sie bekommt zu Beginn des ersten Resident Evil-Films eine lange Einführung. Mysteriös und erzählerisch wird ihre Figur vorgestellt. Oder Jason Statham in Death Race: Bestimmt nicht Andersons oder Stathams bester Film, aber in welches emotionale Loch, welche Tiefe der Hauptcharakter zu Beginn geworfen wird … Ähnliches passiert mit dem Charakter von Sam Neill in Event Horizon.

Sowieso: Event Horizon.

Ein stilprägender Sci-Fi-Horrorfilm, ohne Monster. Ohne direkte, einfache Gründe für das Grauen. Es gibt keine Bösen, das Böse sind wir. Weil wir die Grenzen der Wissenschaft nicht erkennen, oder gewillt sind sie zu überschreiten. Hybris heißt das Monster. Man hat Angst vor jeder Figur in Event Horizon. Die Effektmomente, die Animationen und Modelle im Weltraum sind hier quasi Entspannung, ruhige Inseln. Im Grunde befindet sich Paul W.S. Anderson mit Event Horizon und Resident Evil auf der Spur der großen B-Movies. Von Ulmers Detour, Francis Ford Coppolas Dementia 13, oder Romeros Night of the Living Dead.

Bei Michael Bay ist es niemals dunkel

Michael Bay macht keine Horrorfilme. Und er stellt sicher: Niemals ist es zu dunkel in den Sci-Fi-Filmen. Warum? Weil Dunkelheit Ungewissheit ist. Das passt nicht in die Abziehwelten. Abziehwelten sind klar, sauber – auch wenn Filmgrain drüber klebt. Ja – es sind schöne Bilder, manchmal wundervoll abfotografierte Szenen. Aber guckt man sich nochmal Event Horizons erste Space-Kamerafahrt an: Die steht den Effekten in Transformers in nichts nach, rechnet man die Entwicklung der Computeranimationen heraus und lässt außer Acht, dass sie ein Drittel des gesamten Budgets gekostet hat. Und genau das ist es: Bei Paul W.S. Anderson gibt es in einem Film eine Handvoll eindrucksvoller Effekte. Bei Michael Bay ist alles Effekt.

Durch budgetäre Beschränkungen waren B-Movies, Actionfilme und Sci-Fi eigentlich immer gezwungen sich den Figuren zu widmen. Michael Bay nutzt Personen wie Schaufensterpuppen. Das kennt er noch aus Musikvideozeiten: Da hatte er für ein paar Minuten auch viel zu viel Geld. Alles war nur “Eye Candy”. Michael Bay schert sich auch nicht um Kontinuität. Ein Schnitt, und schon sind wir woanders. Er darf sich auch nicht scheren, weil seine Geschichten nur Effekte wollen. Geschichte ist ihm vollkommen egal. Wenn also eine Handlung von Szene A, über B, zu C gehen sollte, schneidet Bay einfach das langweilige B heraus. Zuviel Entwicklung. Stattdessen spielt das der Star einfach in der nächsten Szene mit. Deswegen wirken die meisten Bay-Filme auch so stückhaft. Schnitt und weg.

In vielen Paul W.S. Anderson Filmen gibt es Übersichten und Lagepläne. Anderson will den Zuschauer in die Erzählwelt hinein holen. Er will ihn verstehen lassen. Vielleicht gibt es dafür bessere, filmische Mittel, bestimmt sogar. Aber der Anspruch von Verständnis ist da. Paul W.S. Anderson erzählt ganze Welten, Story-Kosmen. Wie ein kleines Kind, das sich vor dem Urlaub in Griechenland atemberaubendsten Geschichten im Geiste überlegt. Wenn das Kind dann da ist stehen nur noch 15 Säulen. Alles recht trocken. Aber die Geschichten in seinem Kopf, die Vorstellungen … Wahnsinn.

Eine Renaissance des B-Movies

Es wird viel über das Ende der großen Blockbusterfilme geschrieben und geredet. Ich glaube eher, es wird eine Renaissance der B-Movies geben. Der echten B-Movies. Keine B-Movies, die mit viel Geld zu A-Movies werden sollen. Sci-Fi, Action, Thriller, Horror gehören ins Kleinere. Dort wo man sich visuell etwas einfallen lassen muss, damit man flink beeindruckt, um dann wieder Geschichten zu erzählen. Mit visuellen Ideen, und nicht immer wieder den gleichen Hochglanzshots.

Noch eine Sache zum Abschluss. Nicht einer von Michael Bays Filmen hat eine weibliche Hauptfigur. Nicht einer. Dagegen dreht Paul W.S. Anderson am sechsten Resident Evil-Teil und hat mit Alien vs. Predator eine außergewöhnlich lebensnahe Heldin etabliert. Aber vielleicht sind Frauen für Michael Bay zu komplex. Lieber den Arsch filmen, als sie was sagen lassen. Und das ist dann dieser eine “Moment”. Für wen wohl?

Floris Asche ist Autor und Filmemacher in Berlin. Zusammen mit Sebastian Mattukat hat er letztes Jahr die Kurzfilm-B-Movie Hommage Spreeshark gedreht. Zur Zeit arbeitet er an der Langfilmfassung.

3 thoughts on “Michael Bays Limit, oder: Warum Paul W.S. Anderson der bessere B-Movie-Regisseur ist!”

  1. Wahre Worte. Ich schaue mir auch gern einen Bay-Film an, weil da das Gehirn Pause machen kann. Andersons Resident Evil Reihe mag ich ungemein, weil nicht nur die Hauptfigur wunderbar gezeichnet ist, sondern auch die Welt in der sie sich bewegt und eben nicht dieses von dir so schön betielte Abziehwelt eines bayschen Universums darstellt.

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