Kreative Archäologie: Der Comic zu The Star Wars

Der Brontosaurus hat nie gelebt. Er war eine Erfindung des Archäologen O. C. Marsh, der ein unvollständiges Fossil eines Apatosaurus mit einem anderen Kopf ergänzte, um es ausstellen zu können. Damals, Ende des 19. Jahrhunderts, fochten einige besonders ehrgeizige Archäologen untereinander gerade die sogenannten Bone Wars aus. Sie machten solche Akte kreativer Archäologie manchmal notwendig.

Nicht nur die “Bone Wars”, auch die Star Wars haben jüngst einen solchen kreativ-archäologischen Akt hervorgerbacht. Grundlage dafür sind die Prototypen der Star Wars Saga in Form von Lucas’ frühen Drehbüchern und Story-Umrissen aus den Jahren 1973 und 1974. Lucas hat nie damit hinter dem Berg gehalten, dass eine Version von Star Wars existierte, in der ein Charakter Starkiller heißt, Han Solo ein grünes Alien ist und der Slogan noch “May the Force of Others be with you” hieß. Genau aus dieser Version, dem Rough Draft “The Star Wars” vom Mai 1974, hat Dark Horse Comics seit Herbst letzten Jahres eine Comicserie gemacht, die im Sommer auch als gesammeltes Paperback erschienen ist. (Ganz im Stil des neuen Trends, Filme und Serien in Comics fortzusetzen, siehe Buffy oder Fight Club.)

Das Ergebnis dieses Experiments ist ein Faszinosum an kreativer Archäologie. Lucas’ Drehbuchentwurf bleibt intakt und erlaubt so das “Studium” der Evolution von Star Wars, doch die Aufbereitung als Comic sorgt dafür, dass dieses Studium eine unterhaltsame SF-Achterbahnfahrt ist. Außerdem schafft sie durch die Art und Weise, wie die Macher (Star Wars-Chefhistoriker J. W. Rinzler und Grafiker Mike Mayhew) den Text visuell interpretiert haben, eine neue interessante Metaebene.

Der “Rough Draft” ist, wie gesagt, schon länger in der Welt, daher erspare ich mir hier sowohl eine Zusammenfassung als auch eine längere Analyse des Textes und seiner zeitgenössischen Inspirationen. Aus heutiger Zeit ist im Rückblick sicher vor allem interessant, dass Lucas die Erschaffung der Prequels anscheinend als Gelegenheit gesehen hat, ungenutzte Ideen aus seinen Prototypen abzustauben und wiederzuverwerten. In The Star Wars fällt, besonders am Anfang, die starke politisch-bürokratische Dimension von Lucas’ SF auf, die ja auch in den Prequels eine (leider schwerfällig umgesetzte) wichtige Rolle spielt. Bei der Eroberung der Galaxie geht es genau so sehr um Ressourcen, Budgets und Legitimation, wie um Abenteuer und Erforschung fremder Welten.

Ebenso bemerkenswert ist, dass Lucas anscheinend schon 1974 eine schrecklich minnesängerische Vorstellung von romantischer Liebe hatte. Liebe entsteht in Lucas’ Star Wars Universum nicht durch erotische Spannung, gemeinsame Interessen oder gar banale Attraktivität, sondern durch Deklamation. Episode II lässt grüßen.

Die visuelle Interpretation dieser frühen Träumereien von Lucas muss eine spannende Aufgabe gewesen sein. Es ging ja weniger darum, eine eigene Bildsprache zu entwickeln, sondern vielmehr jenes freakige Paralleluniversum ausfindig zu machen, in dem eben nicht Star Wars verfilmt wurde, sondern The Star Wars. Grafiker Mike Mayhew erklärt im Interview mit “Bleeding Cool”, dass es ihm vor allem darum ging, sich in den jungen George Lucas hineinzuversetzen: “Maintaining the integrity of George’s purest and wildest ideas for what would become STAR WARS is paramount”.

Als Ausgangsmaterial zog das Team nicht nur die SF der Zeit – Filme wie Zardoz, Bilder von Künstlern wie Roger Dean, die galaktischen Comics von Jack Kirby – heran, sondern griff vor allem auch die vielen visuellen Alter Egos der Star Wars Saga wieder auf, die ja in Form von Konzeptzeichnungen noch in den Lucasfilm-Archiven existieren und an denen sich auch J. J. Abrams derzeit für Episode VII wieder bedient. Im Interview mit “Newsarama” beschreibt Rinzler den Prozess:

What Mike Mayhew, Randy Stradley and I did was pore over the different designs and go back-and-forth with each other on what would work for each character. I know a lot of the artwork pretty well from doing the Making Of books, and I could point to certain things, like an off-hand McQuarrie sketch, and say it might work for such and such.

Dank der Fülle an Material blieb nur wenig, was aus dem Nichts erschaffen werden musste. Und schließlich gab es als Inspirationsquelle ja auch noch die Prequels, in denen sich wie erwähnt einige Echos des Drafts finden. Und so sieht der Palast auf Aquilae sicherlich nicht nur zufällig ein bisschen aus wie der Palast auf Naboo und auch einige Sternenschiff-Designs könnten verworfene Ideen aus The Phantom Menace sein.

Das Experiment ist gelungen. Es muss auf unfassbar nerdige Weise Spaß gemacht haben, sich ein alternatives Star Wars-Universum aus so disparaten Teilen zusammenzukleben – auch wenn Lucas’ erster Draft dem Film, der tatsächlich entstand, deutlich unterlegen ist. Das Ergebnis unterhält folglich auch vor allem auf einer Metaebene für Fans – das aber richtig gut. Im Gegensatz zum Brontosaurus reicht das hier ja auch.

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