Superheld:innengeschichten für kleinere Kinder

Ich weiß nicht mehr wirklich, womit es ursprünglich anfing. Mit meinem Hulk T-Shirt, vielleicht, oder mit den Erzählungen eines älteren Kindes aus der Kita, aber irgendwann im letzten Sommer wurde mein Kind, damals gerade vier Jahre alt, Fan von Superheld:innen. Es wollte alles darüber wissen, vor allem natürlich, welche Superkräfte sie haben. Damit konnte ich als MCU-Gucker und gelegentlicher Comicleser einigermaßen dienen.

Das größere Problem: Mein Kind wollte Geschichten erzählt bekommen. Darin bin ich sehr schlecht. Nachdem ich also die stark vereinfachten Versionen der Avengers-Filme mehrfach erzählt hatte, stand ich ein bisschen verloren da und sah mich nach anderen Möglichkeiten um.

Bücher

Es zeigt sich: Ich bin zum Glück nicht der erste Mensch, der sich überlegt hat, wie man Superheld:innengeschichten auch schon für kleinere Kinder aufbereiten kann. Das Motiv wird in diversen Kinderbüchern aufgegriffen, die mich allerdings immer ein bisschen an das Meme “Did a printer write this Tweet” erinnern. In Büchern wie Max und die Superhelden oder Meine Mama ist ein Superheld schreiben Erwachsene für Kinder darüber, dass Erwachsene ja eigentlich auch Superhelden sind. Ich kann nur immer wieder davor warnen, diese Art von plumper Didaktik bei Kindern zu versuchen. Sie sind dafür viel zu clever, und in diesem Fall wollte mein Kind nicht Superhelden, die Eltern sind, sondern echte Superhelden.

Doppelseite aus “Max und die Superhelden” von Rocio Bonilla © Jumbo

Besser funktionierte da schon ein Buch aus der SUPERLESER! Reihe des DK-Verlags (Marvel Avengers – Die Superhelden retten die Welt). Eigentlich zum Selbstlesen für Grundschüler:innen, griff es etwas auf, was schon Jonas Lübkert vor kurzem in seinem Newsletter angemerkt hat: Lexika kommen gut an. Sie enthalten kurze, kompakte Informationsblöcke mit Bildern dazu, die den Wissensdurst stillen. Viele Wörter im Buch waren für mein vierjähriges Kind noch zu kompliziert, aber es entstand ein erster Eindruck vom Superhero Industrial Complex.

Noch besser fand ich aber kurze Zeit später die Spider-Man-Bücher von MacKenzie Cadenhead. Sie richten sich auch eigentlich an Erstleser:innen, eignen sich daher aber auch wirklich gut als Vorlesebücher. Sie erzählen “echte” Superheldengeschichten, haben ein angenehm emanzipiertes und augenzwinkerndes Weltbild dabei und kommen ohne viel Gewalt aus. Gibt’s auch als Hörbuch, gelesen von Tom Hollands deutscher Synchronstimme Christian Zeiger.

“Squirrel Girl? Heißt das, du hast die Fähigkeiten eines Eichhörnchens?” – “Und die Fähigkeiten eines Mädchens! Problem damit?”

aus “Spider-Man gegen Sandman
Screenshot © Random House

Fernsehen

Wir mussten uns selbst etwas überwinden, aber als der viereinhalbte Geburtstag dann irgendwann vorbei war, haben wir unser Kind auch Spidey und seine Super-Freunde (Disney+) gucken lassen. Hier ist die Zielgruppe eindeutig Kinder, die jünger sind als Schulalter, mit allem was seit Paw Patrol dazugehört. Endlose Wiederholungen hirnloser Catchphrases (“Lasst uns Spidey-schwingen!”), identische Suit-Up-Sequenzen in jeder Folge, kostengünstig produzierte Animation in sterilen Umgebungen, die bei allen, die keine Maske tragen, schnell gruselig aussieht.

Dennoch lohnt es sich, auch festzuhalten, was die Serie richtig macht. Eines hat sie nämlich begriffen, das auch mir erst im Laufe der Zeit klar wurde. Kinder im Vorschulalter sehen Superheld:innen vor ihrem inneren Auge ebenfalls als kinder-ähnlich. Sie haben noch nicht die mentale Kapazität, um sich wirklich in die Lebenswelt von Erwachsenen hineinzudenken. Daher sind bei Spidey eigentlich alle Charaktere entweder Kinder oder Eltern.

Das gilt nicht nur für die drei Protagonist:innen. Auch Nebenfiguren wie Hulk und vor allem die Schurken, etwa Rhino, Green Goblin und Doc Ock, sehen nicht nur in ihren Formen aus wie Kinder, sie handeln auch aus sehr einfachen Motivationen heraus, die Kinder verstehen können. Ihre bösen Pläne drehen sich immer entweder darum, andere Menschen zu ärgern oder etwas zu klauen. Warum genau oder was damit später passieren soll, ist egal. Hauptsache, es gibt ein einfaches Problem, was Spidey, Spin und Ghost Spider mit ein paar geschickten Netzwürfen lösen können. Dabei wird immer wieder betont, das sie haben, was den Schurken fehlt: Sie arbeiten zusammen und stehen füreinander ein.

Die Bösewichte in Spidey and His Amazing Friends sehen aus wie etwas ältere Kinder © Disney

Das Ergebnis ist nicht besonders sophisticated, aber in seiner Einfachheit auch ganz spaßig. Zumal man anerkennen muss, dass Disney sich in Sachen Diversity wirklich bemüht. Doc Ock und Electro etwa sind entgegen dem Kanon weibliche Figuren, Gwen/Ghost Spiders Mutter (statt, wie in den Comics normalerweise, ihr Vater) ist Polizistin. Ms. Marvel/Kamala Khan und Black Panther haben regelmäßige Gastauftritte. Kann man also (manchmal) gucken.

And Beyond

Die allerbeste Idee für immer neue Superhelden-Geschichten kam aber letzte Woche von der Programmiererin April King, die darüber twitterte, dass Eltern vorgeschlagen hätten, diese Art von “Erzählst du mir eine Geschichte?”-Geschichten einfach von ChatGPT generieren zu lassen. Und, was soll ich sagen: das funktioniert sehr gut. Man kann ChatGPT ziemlich einfach genau die manchmal etwas abstrusen Plot-Wünsche der Kinder präsentieren. Die generative KI strickt eine Dramaturgie drumherum, die man sich sonst mühsam selbst ausdenken müsste, und verpackt das Ganze in der einfachen Form, die das Kind in solchen Momenten ja auch einfach will. (Ich hoffe doch, dass die meisten Eltern mir zustimmen würden, dass in solchen Momenten gar keine psychologisch komplexen Geschichten gewünscht sind.)

Dabei entsteht dann sowas, basierend auf einem echten Wunsch meines Kindes. Wir haben schon zusammen vor dem Computer gesessen und ChatGPT gefüttert und um Änderungen gebeten. Ich denke, das ist die Zukunft.

Eines Tages wurde ein wertvolles Artefakt aus dem Museum gestohlen und die Avengers waren alarmiert. Captain America und Wasp machten sich auf den Weg, um den Dieb zu finden. Unterwegs trafen sie Thor und Hulk, die ihnen bei der Suche helfen wollten. Sie entdeckten bald, dass der Dieb niemand anderer als Loki war. Er hatte das Artefakt gestohlen, um seine eigene Macht zu stärken und die Welt zu unterwerfen.

Die Avengers kämpften tapfer gegen Loki und seine Armee von Schergen, aber sie waren gegen seine List und Täuschungen machtlos. Wasp schlug schließlich vor, dass sie sich auf Ameisengröße schrumpfen und durch ein kleines Loch in Lokis Versteck schlüpfen sollten. Wasp und Captain America schrumpften sich und krochen durch das Loch. Sie fanden sich in einem riesigen Raum wieder, in dem Lokis Geheimnisse und Macht verborgen waren. Aber sie waren nicht allein. Loki bemerkte sie und versuchte, sie zu fangen.

Wasp flog schnell durch den Raum und umkreiste Loki, während Captain America gegen die Schergen kämpfte. Aber Loki war schlau und er verwandelte sich in einen riesigen Drachen. Es schien, als hätten sie keine Chance gegen ihn. Doch Wasp gab nicht auf. Sie flog auf Lokis Augen zu und stach ihn mit ihrem Stachel. Es war ein gewagter Schritt, aber es zahlte sich aus. Loki brüllte vor Schmerz und verwandelte sich zurück in seine menschliche Form.

Die Avengers waren erfolgreich und Loki wurde gefangen genommen. Sie brachten das Artefakt zurück ins Museum und feierten ihren Sieg. Wasp hatte gezeigt, dass sie eine mutige und kluge Heldin war, die eine entscheidende Rolle in dem Kampf gegen Loki gespielt hatte. Die Avengers waren stolz auf sie und schätzten ihre Fähigkeiten und ihren Mut.

Geht Immer