Mal wieder Blogger Relations, heute zu Back to the Future

Auch wenn ich in diesem Blog keine Werbung schalte und auch normalerweise sonst keine kommerziellen Interessen außer der Bewerbung meiner Person verfolge, lasse ich mich gelegentlich zu Sponsored Posts hinreißen, wenn Geld und Bedingungen stimmen. Von irgendwas muss man ja auch Hostinggebühren und Kinobesuche finanzieren. Insofern reagiere ich nicht sofort negativ, wenn mal wieder eine Mail in meinem Postfach landet, in der eine Agentur oder ein Unternehmen mit mir zusammenarbeiten möchte.

Kolleginnen und Kollegen haben schon viel über die Fehler und Lächerlichkeiten geschrieben, die sie in diesem Zusammenhang regelmäßig erleben (einfach mal “Blogger Relations” googeln), aber ich möchte ein Beispiel, mit dem ich in den vergangenen Tagen zu tun hatte, dennoch kurz hier dokumentieren, weil es so merkwürdig spezifisch ist, teilweise gut gedacht war aber trotzdem letztlich vollständig scheiterte.

Gestern bekam ich eine Mail von der Repräsentantin eines Internetportals, das mit Autos zu tun hat, mit folgendem Text:

Hallo Alexander,
Mein Name ist ___________ und ich bin gerade auf RealVirtuality.info gestoßen und musste dich sofort anschreiben.
Wie du als Film-Fan wahrscheinlich weißt, ist morgen das große Jubiläum von „Zurück in die Zukunft“ und da darf ein Beitrag auf deiner Seite nicht fehlen.

Wir haben den Kultfilmen und dem diesjährigen Jubiläum eine Seite gewidmet. (…) Die Seite beinhaltet Fun Facts und Hintergründe rund um die Kultfilme, über die visionären Erfindungen und natürlich den einzigartigen DeLorean (…).

Hättest du denn Lust selbst einen Artikel (…) zu verfassen und unsere Seite mit deiner Community zu teilen? [usw.]

Die Seite, die ich hier nicht verlinken werde, ist einfach gehalten, aber nicht dumm. Sie enthält genau das, was in der Beschreibung steht, natürlich unter einem großen Banner des besagten Internetportals, das mit Autos zu tun hat.

Ich habe direkt geantwortet und nach Rahmenbedingungen und Bezahlung für den gewünschten Link gefragt, denn um den geht es im Kern – und dadurch um eine Verbesserung des Google-Rankings der betroffenen Seite. Für mein Blog habe ich für ähnliche Links in der Vergangenheit schon dreistellige Beträge ausgehandelt, je nach Eigenaufwand. Blogs mit mehr Lesern können natürlich entsprechend mehr verlangen.

Kurz darauf kam die Antwort, mit folgenden Sätzen im Kern:

Also wir wollen nicht in als Werbung gekennzeichneten Artikeln vorkommen.

Für die Bereitstellung unserer Inhalte haben wir aber kein Budget zur Verfügung, da wir Das Thema ja in unserer Redaktion und Grafik ausgearbeitet haben.
Sozusagen dient unsere Seite als weiterführende Infos für die Leser.

Damit war klar, dass aus der Kooperation für mich nichts werden konnte. Warum sollte ich eine Seite verlinken, die ich nicht einmal besonders gut finde, um einem Autoportal zu helfen, dass mir dafür nichts zahlt? Mir war klar, dass am 21. Oktober andere Seiten die gleichen Informationen schöner aufbereiten würden (und so kam es dann ja auch – man konnte sich ja heute vor Future-Content gar nicht retten).

Zudem war ich längst von Filmbloggerkollegen angeschrieben worden, die die exakt gleiche Mail bekommen hatten. Ja, liebe Marketingmenschen, wir sprechen miteinander. Auch dort war die Autorin “gerade auf ______ gestoßen und musste dich sofort anschreiben”. Ich schrieb ihr eine Mail, in der ich ihr freundlich sagte, dass ohne eine Gegenleistung für mich leider keine Kooperation in Frage kommt und dass meine Mitblogger_innen und ich “ein bisschen an der Authentizität deines Enthusiasmus gezweifelt” hätten. Die Antwort lautete, immer noch freundlich übrigens und nicht beleidigt (was schon mal gut ist), “Glaub mir ich würde gerne jedem eine individuelle Email schreiben, aber leider lässt sich das zeitlich nicht immer einrichten.”

Der Mailwechsel ist einfach so typisch. Deswegen hier noch einmal drei einfache, gut gemeinte Tipps aus meiner Warte. Dass noch mehr geht, ist klar. Wie gesagt: Blogger Relations googeln.

1. Werbemails sind okay

Ich bekomme sie ständig. Wenn ihr einen coolen Inhalt geschaffen habt, dürft ihr mich gerne darauf hinweisen. Wenn er wirklich gut und kreativ ist (siehe 2.) auch mal unaufgefordert. Aber dann tut nicht so, als würdet ihr mich individuell eben mal so aus der Hüfte anschreiben. Schreibt mir eine Pressemitteilung wie alle anderen auch. Ich habe Verständnis dafür, dass ihr nicht jedem eine individuelle Mail schreiben könnt, aber dann tut nicht so als ob!

2. Macht nicht das, was alle machen

Kudos dafür, überhaupt einen eigenen Inhalt anzubieten, aber die zu verlinkende Seite war einfach nicht gut genug. Ich hätte heute auf drei Dutzende Seiten verlinken können, die alle schöner und interessanter waren, allen voran Goranas BTTF-Orgie mit ganz vielen Bloggern in der “Ergothek”. Ihr seid ein Auto-Ankaufsportal. Warum macht ihr nicht ein witziges Gespräch mit eurem Geschäftsführer, in dem er erzählt, wie viel er für einen zeitreisenden DeLorean bezahlen würde? Warum macht ihr nicht eine Fake-Anzeige für einen zeitreisenden DeLorean? Warum spielt ihr nicht eure individuellen Stärken aus? Dann hättet ihr zumindest irgendwo in einer Liste “Originellste Trittbrettfahrer des Marty McFly-Welcome Day” landen können, zusammen mit all den anderen, die heute auf den Zug bzw. das Hoverboard aufgesprungen sind.

3. Für mich MUSS etwas dabei herauskommen

Wenn euer Inhalt nicht so geil ist, dass ich aus eigenem Antrieb darauf verlinken will, bietet mir etwas. Es muss nicht immer Geld sein. Gutscheine oder eine prominente Verlinkung meines Blogs tun es auch. Und damit meine ich nicht: In einer Linkliste irgendwo im Sitemap-Friedhof zwischen dutzenden anderen “Partnern” auftauchen. Ich meine, zum Beispiel, als “Blog der Woche” auf der Startseite verlinkt sein. Es gibt so viele Möglichkeiten, nehmt nicht die naheliegendste. Nie!

Allen einen schönen Zukunftstag. P.S.: Ich habe auch einen Beitrag für Gorana geschrieben.

Über Renommee

Award Ceremony

Mein täglicher Job abseits des Blogs besteht ja zum Teil auch aus dem Schreiben und Redigieren von Pressetexten. Aus dieser Erfahrung heraus enstand vorgestern dieser Tweet:

Für den ich von Ekkehard Knörer hart ins Gericht genommen wurde.

Sicher nicht geholfen hatte, dass ich im ursprünglichen Tweet das Wort “renommiert” falsch geschrieben hatte. Ich habe Ekkehard in zwei weiteren Tweets versucht zu erklären, was ich meinte (darauf hat er leider nicht mehr reagiert), aber ich dachte, ich schreibe sicherheitshalber auch hier noch einmal etwas dazu.

Hinter dem Ganzen steckt ein grundsätzlicher Gedanke, den vielleicht nicht alle Menschen teilen. Da ich ursprünglich Journalist bin, und – obwohl ich teilweise Aufgaben übernommen habe, die klar der PR zuzurechnen sind – mich auch immer noch so sehe, bin ich der Meinung, dass gute Pressemeldungen so formuliert sein sollten, dass sie Journalisten so gut wie möglich dienen. Extralative des Grauens nutzen niemandem außer dem Ego der Autoren – kein Journalist wird sie ernst nehmen und erst recht nicht für seinen Text übernehmen. Viel sinnvoller (und perfider natürlich und deswegen mitten im Herz der Krise des Agenturtexte-Übernehm-Journalismus) ist es, Pressetexte so zu formulieren, dass sie stimmen und gut klingen, aber trotzdem natürlich genau den Spin tragen, den man vermitteln möchte.

Tiere quälende Nazis

Vielleicht ist es nur mein Training als Nachrichtenjournalist beim epd, aber dort galt das Attribut “renommiert” als verpönt, weil es an und für sich nichts aussagt. Jeder kann behaupten, dass jemand renommiert ist. Und selbst wenn es stimmt, dass jemand renommiert ist, weiß ich immer noch nicht bei wem oder wofür er oder sie renommiert ist. Die Person könnte für seine Fähigkeit, Tiere zu quälen, renommiert sein, oder bei Nazis. Letzteres ist nicht einmal weit hergeholt, da gerade Bevölkerungsgruppen, die allgemein als gesellschaftlich verurteilenswert gelten, gerne unschuldig aussehende Preise verleihen, um unbedarfte Fachleute in ihren eigenen Kontext zu stellen.

Eine Formulierung wie “der renommierte Regisseur Klaus Klopstock” enthält aber noch etwas anderes, und zwar ein implizites Hinabblicken des Autoren auf seine Leserschaft. Das ist es auch, was ich im ursprünglichen Tweet ausdrücken wollte – und vielleicht ist es auch ein markantes Merkmal im deutschen Feuilletonsjournalismus generell. Wenn ich einer Person nebenbei das Attribut “renommiert” verpasse, spalte ich damit meine Lesenden in zwei Lager. Diejenigen, die wissen, wovon ich rede, und sich dadurch gemeinsam mit mir auch als “Wissende” fühlen können. Und diejenigen, die nicht wussten, dass Klaus Klopstock renommiert ist, und sich durch meine Formulierung also automatisch dümmer fühlen als ich. Da ich Journalismus immer als Dienst am Lesenden begreife, ist also wieder nichts gewonnen. Außer der Förderung von Elitengefühl.

Der berühmte Goethe

Aus meinem Bekanntenkreis ist mir mal die Geschichte eines Brautvaters zugetragen worden, der in seiner Hochzeitsrede (wie wir alle) literarisch gebildet erscheinen wollte, und ihr deswegen das obligatorische Goethe-Zitat voranstellte. Dummerweise leitete er es mit den Worten ein “Wie der berühmte Goethe sagte …”. Darin offenbart sich die umgekehrte Gefahr einer solchen Formulierung: Wenn sowieso jeder weiß, dass eine Person namhaft ist, brauche ich es nicht extra zu erwähnen. Sonst sehe ich nämlich aus wie der Gimpel, der auf sein eigenes besonderes Elitenwissen hinweisen will, das alle anderen als selbstverständlich empfinden.

Renommee sollte also entweder für sich selbst sprechen, oder ich kann es konkreter machen. Eine Möglichkeit wäre, einen Preis zu nennen, den Klaus Klopstock gewonnen hat. Natürlich gibt es auch den immer wieder dummen Fall, gerade in der Filmwelt, aber natürlich auch in der Wissenschaft, dass jemand tatsächlich seit langem in seinem Fachgebiet renommiert ist, aber bei Preisverleihungen immer übersehen wurde. Selbst dann hilft es, wenn man einfach ein paar Informationen hinzufügt. Statt “Der renommierte Regisseur Klaus Klopstock” zum Beispiel “Der für seine realistische Darstellung niederrheinischer Kugelschreiberfarmen renommierte Regisseur Klaus Klopstock”. So nimmt auch der Leser, der, warum auch immer, Klaus Klopstock noch nicht kannte, etwas mit nach Hause, woran er noch lange Freude hat. Und so hat man auch als PR-Mensch ausnahmsweise etwas Gutes in der Welt getan.

(Bildquelle)

Direkt vom Erzeuger

Dass Filmjournalisten, wie fast alle Fachjournalisten, gelegentlich dazu neigen, bei ihren Berichterstattungsobjekten ein wenig befangen zu sein, ist kein Geheimnis. Wer lange genug dabei ist, kennt Schlüsselfiguren der Branche und hat vielleicht auch gewisse Loyalitäten. Es sollte im Allgemeinen davon ausgegangen werden, dass schlechte Filme trotzdem verrissen werden und, sagen wir mal, in der Regel passiert das auch. Gute Kritiker treten beispielsweise davon zurück, Filme zu besprechen, mit deren Machern sie irgendwie verbandelt sind.

Aber wie wäre es denn, wenn die Filmemacher ihre Berichterstattung einfach selbst machen könnten? Dann könnte man sich die ganze Debatte über Fachjournalistenbefangenheit sparen und wüsste direkt woran man ist. Die wohl immer noch größte deutsche seriöse Kinozeitschrift Cinema hat jetzt genau das gemacht und lässt Michael “Bully” Herbig einfach mal die zwölfseitige “Reportage” über seinen neuen Streifen “Wickie und die starken Männer” im aktuellen Heft selber gestalten, als “Chefredakteur für einen Tag”. Wie praktisch, da konnte er auch gleich noch “exklusiv[e] Fotos von den Dreharbeiten” mit unterbringen.

Zwar legt der reguläre Chefredakteur Artur Jung Wert darauf, dass die Filmkritik erst einen Tag später geschrieben wurde, aber für vom “Erzeuger” generierte Inhalte, die journalistisch präsentiert werden, kenne ich eigentlich trotzdem nur einen Ausdruck und der lautet PR.