Scott Pilgrim vs The Words

Soso, ein Trailer für Scott Pilgrim vs The World ist also draußen.

Ich bin unentschieden. Einerseits finde ich Edgar Wright gut und bin grundsätzlich der Meinung, dass er gute Filme macht – andererseits kann ich Michael Ceras wimpiges Gehabe irgendwie auch nicht mehr sehen. Ich kenne die Vorlage nicht, weiß also nicht wirklich, was mich erwartet, aber dafür ist mir etwas anderes aufgefallen.

Wright benutzt in seinem Film für Actionszenen die sound words der Comic-Sprache als Schrift im Bild. Hier zum Beispiel:

Damit benutzt er nicht nur die Mittel der digitalen Technik, um sich dem Medium, das er adaptiert, filmisch zu nähern – für mich eines der Merkmale meines Steckenpferds, der von mir sogenannten “Neuen Digitalen Ästhetik”, die sich u. a. durch Verfremdung und Medienhybridität auszeichnet – sondern er ist überhaupt seit langem jemand, der sich mal wieder traut, kreativ mit Schrift im Filmbild umzugehen.

Schrift, Typografie ist eines der zentralen Merkmale mehrere Kunstformen, aber im Film hat sie, abgesehen von Titelsequenzen, in der Regel keinen Platz, weil sie etwas Abstraktes ist, mit der in der Diegese des Films nicht umgesprungen werden kann. Schließlich soll Film meistens eine Nachahmung von Leben sein, und im nichtfilmischen Leben verfestigen sich sinnliche Eindrücke ja auch nicht spontan in Schriftform.

Trotzdem gibt es immer wieder Momente, in denen auch Typografie ihren Platz in der Filmwelt hat. Das älteste Beispiel sind vermutlich stumme Zeichentrickfilme, die sich in ihrer Bildgestaltung noch sehr an ihre Ursprünge, die Cartoons amerikanischer Zeitungen anlehnten. Hier ein Beispiel aus Soda Jerks mit Mutt und Jeff von 1925 (nachkoloriert in den Fünfzigern):

Wenn man sich den ganzen Film anschaut sieht man, das er grundsätzlich stumm ist (also ohne Sprechblasen o.ä. auskommt), aber in Schlüsselmomenten Wörter ausschreibt – meistens Sound Words wie “Wheee!” oder das “ZZZZ” eines Schlafenden, aber in dem obigen Beispiel eben auch mal einen Moment, der genau so viel plötzliche Schlagkraft hat wie das, was ein Sound Word normalerweise repräsentiert – hier der Moment, in dem die Hauptfiguren auf einmal merken, das die Polizei im Anmarsch ist.

Obwohl sich die Praxis, Typografie als Teil der Animation zu haben, im Tonfilm nicht durchsetzte, taucht sie vereinzelt immer wieder auf, hier zum Beispiel in Werner – Beinhart (1990)

Eine weitere direkte Bezugsquelle für Scott Pilgrim ist natürlich die alte Batman-Serie mit Adam West, doch hier sind die Sound Words einzelne Bilder, die eingeblendet werden und nicht Teil des Bildes.

Zu interpretieren gibt es hier erstmal nichts, der Comic-Bezug ist relativ klar. Ich bin nur gespannt, ob das Prinzip auch im Film funktioniert, oder ob es den Zuschauer aus dem Eintaucherlebnis herausreißt.


Aber weil ich gerade dabei bin, hier noch zwei weitere Assoziationen zum Thema “Spaß mit Schrift im Film”, die ich beim nachdenken hatte. Da war einmal der clevere Einsatz von Untertiteln in Danny Boyle’s Slumdog Millionaire, wo die Untertitel Teil des bunten, dynamischen Gesamtgefüges der Bildgestaltung werden:

(Ja, ich weiß, nicht gerade ein gutes Beispiel, aber ich habe immer noch keinen Weg gefunden, meine amerikanischen DVDs, z. B. die von Slumdog Millionaire, auf meinem Mac abzuspielen – auch der VLC-Player hilft mir nicht – und deswegen musste ich mich beim einzig möglichen YouTube-Clip bedienen)

Und dann ist da schließlich noch das Beste an David Fincher’s Panic Room, der inzwischen gefühlt drei Millionen mal kopierte Vorspann, in dem die Worte in den New Yorker Straßenschluchten umherschleichen:

Zehn zu Null – Eine Dekade voller Filme: Die Renaissance des Animationsfilms

Der digitale Animationsfilm konnte in den Noughties so richtig zeigen, was er drauf hat. Der daraus entstehende Boom dieser Art Film nach dem Rezept, das Pixar in den Neunzigern entwickelt hatte, übertrug sich dann bis zum Ende der Dekade schließlich auch auf die anderen Spielarten der Animation, so dass 2009 nach Meinung einiger sogar das beste Jahr aller Zeiten für Animationsfilme wurde.

Diese letzte Behauptung kann man gut und gerne als überhöht vom Tisch wischen, aber fest steht, dass in den Jahren 2000 bis 2009 vermutlich so viele qualitativ hochwertige und weltweit Eindruck schindende animierte Langfilme entstanden wie seit den Vierzigern nicht mehr. Die Oscar-Academy würdigte diesen aufkommenden Trend bereits 2001, als sie einen neuen Award für “Best Animated Feature Film” auslobte.

Zu diesem Zeitpunkt (Shrek gewann den ersten Award gegen Monsters Inc.) war das Feld der animierten Filme noch relativ übersichtlich. Es gab Disney, den Disney-Kooperationspartner Pixar und DreamWorks PDI, die bereits seit Mitte der Neunziger Jahre versucht hatten, beiden Firmen auf ihrem Home Turf Konkurrenz zu machen. Im Konkurrenzkampf mit Pixar ging das sogar so weit, dass beide Firmen irgendwann immer scheinbar direkt vergleichbare Filme über Insekten (Antz/A Bug’s Life), Monster (Shrek/Monster’s Inc.), Fische (Finding Nemo/Shark Tale) und Roboter (Robots/WALL*E) produzierten – einen Kampf den DreamWorks außer bei Shrek immer verlor.

In den darauffolgenden Jahren strömten jedoch immer mehr Player, beauftragt von den großen Studios, ins Feld, mit denen man rechnen musste. 2002 traten die Blue Sky Studios (20th Century Fox) von Chris Wedge mit dem phänomenal erfolgreichen Ice Age auf den Plan, Imageworks (Sony) versuchte sich (nicht sehr erfolgreich) an Hunting Season, Animal Logic (Warner) (erfolgreich) an Happy Feet. Hinzu kamen die bereits 2001 für Jimmy Neutron: Boy Genius nominierten Nickelodeon Pictures (The Barnyard) sowie einzelne Player, die auf der neuen Woge in den internationalen Markt zurückströmten, wie Hayao Miyazaki, Aardman (Wallace and Gromit), die sogar einen Deal mit DreamWorks schlossen, und Henry Selick (Coraline).

Nicht zu vergessen ist auch das Feld “Performance Capturing”, in dem vor allem Robert Zemeckis die Speerspitze bildete, meist als Regisseur (Polar Express, Beowulf, Christmas Carol) aber auch als Executive Producer (Monster House). Als 2006 Monster House und Happy Feet, die beide zu (unterschiedlich großen) Teilen auf Performance Capturing zurückgegriffen hatten, neben Pixars Cars nominiert waren und Happy Feet auch noch gewann, ging ein Raunen durch die Branche. Vor diesem Hintergrund ist auch die Diskussion interessant, ob Avatar theoretisch einen solchen Oscar gewinnen könnte.

Doch nicht nur im Oscar-Rennen machte sich der Animationsfilm in den Noughties wieder breit. So wählten die LA Film Critics WALL*E, der ohne berühmte Stimmen und generell mit sehr wenig Dialog auskommt, 2008 zum Film des Jahres und 2009 eröffnete mit Pixars Up erstmals ein Animationsfilm die Filmfestspiele von Cannes, nachdem im Jahren zuvor mit Waltz with Bashir schon ein Animationsfilm im Rennen ganz vorne gelegen hatte.

Woher stammt dieser neuerliche Erfolg einer Gattung, die selbst im großen Family-Entertainment-Land USA in den Achtzigern und Neunzigern in Fernseh-Cartoons für Kids einerseits und Erwachsene (Simpsons, Beavis and Butthead) anderseits und Disney-Geputzel zu Weihnachten zerfallen war? Abgesehen davon, dass wegen des immer höheren Bedarfs an Special Effects computergenerierte Bilder generell akzeptierter geworden sind?

Ende der Neunziger hatten Pixar und DreamWorks eine Formel entwickelt, die einzuschlagen schien. Sie entwickelten originäre Stories, die nicht auf bekannten Vorlagen basierten, besetzten die Hauptrollen mit bekannten Hollywood-Darstellern – was die Publicity für den Film deutlich erleichterte – kickten das über Jahre bewährte Musical-Konzept über Bord, und wurden wieder etwas “edgier”, indem sie den Erwachsenen genauso etwas zu lachen gaben wie den Kids. Außerdem trieben sie mit jedem Film den technischen “sense of wonder” wieder ein Stück voran – waren die Menschlichen Charaktere in Toy Story (1995) noch sehr krude geformt, sah das in Toy Story 2 (1999) schon viel besser aus.

In den Noughties drifteten die Studios in ihrem Grundverständnis wieder weiter auseinander, aber der Rest von Hollywood hatte Blut geleckt (und Geld gerochen) und sich längst in eigene Produktionen gestürzt. Pixar setzte weiterhin auf künstlerische Konzepte, definierte sich als Director’s Studio (z. B. indem sie Brad Bird zu sich holten) und nahm sich bald auch schon wieder den Mut zur Abstraktion im Design heraus. DreamWorks prügelte, zumal nach dem Erfolg von Shrek das Prominenten-Stimmen-Konzept zu Tode und versuchte, mit jedem Film noch ein bisschen hipper und zeitgemäßer zu sein (trauriger Tiefpunkt dieser Entwicklung war Shark Tale) – Sony und Nickelodeon gingen in die gleiche Richtung.

Nachdem die erste Welle an Wahnsinn aber vorbei war (2005/06 war so ziemlich das übelste Jahr in der Hinsicht) kam die ganze Branche in Schwung und traute sich richtig was; merkte, dass Animationsfilm die Ideale Form für filmische Experimente ist. Surf’s Up, zum Beispiel, ist ein Mockumentary über surfende Pinguine, das bei allen Schwächen, die der Film hat, zumindest ein paar Märkchen für Originalität verdient hat. Und ob für Persepolis, Marjane Sartrapis persönlichen Memoiren über ihre Kindheit im Iran, und Waltz with Bashir, Ari Folmans unheimliche Rekonstruktion seiner Kriegserfahrungen, vorher überhaupt Geld dagewesen wäre, ist fraglich.

Auch Regisseure, die aus dem Live-Action-Fach kamen, sahen in Animation plötzlich neue Chancen. George Miller (Babe) machte Happy Feet, Wes Anderson “drehte” Fantastic Mr. Fox – die Herkunft aus einer anderen Gattung ist in beiden Fällen durchaus zu sehen. Auch die Abenteuer von Tintin werden derzeit per Motion-Capture verfilmt, Regisseure/Produzenten sind Steven Spielberg und Peter Jackson. Und umgekehrt funktioniert es auch: Pixar-Regisseur Andrew Stanton (Nemo, WALL*E) dreht jetzt John Carter of Mars.

Selbst Disneys Stern geht langsam, nach dem Kauf von Pixar und John Lasseters Verpflichtung als Chefkreativem, wieder auf. 2009 kam fünf Jahre nach dem abgrundtief furchtbaren Home on the Range wieder ein 2D-animierter Film (The Princess and the Frog) in die Kinos, der zumindest manchen Kritikern auch gefiel.

Last but not least waren animierte Filme ein wichtiger Triebmotor für die langsame Etablierung von 3D, was sich besonders in Deutschland sehr gut daran festmachen lässt, dass die CineStar-Kette sich erst mit dem Start von Ice Age 3 entschied, eine größere Menge Säle auf 3D umzurüsten. Und nach wie vor sind es computeranimierte Filme, die sich eben am einfachsten in 3D umsetzen lassen.

Der Animationsfilm, besonders der computeranimierte Animationsfilm aber auch seine handanimierten Geschwister, hat sich in den Noughties als eine neue feste Größe etabliert, mit der man auf jeden Fall auch weiterhin rechnen muss. Das Medium Animationsfilm wird von immer mehr Seiten wirklich als Medium und nicht als Genre wahrgenommen, mit dem man auch andere Geschichten als Märchen für Kinder erzählen kann. Mit dem zusehenden Verschwimmen von Live-Action und Animation kann man also erwarten, dass es in den Zehner Jahren noch von viel mehr Regisseuren für sich entdeckt wird und eventuell noch wesentlich mehr Erfolg haben wird.

Dieser Beitrag ist Teil 13 der Serie
Zehn zu Null – Eine Dekade voller Filme (Zweite Staffel)

Zehn zu Null – Eine Dekade voller Filme: WALL*E (2008)

2008 war für mich vor allem ein Jahr starker Animationsfilme, so dass sich im Endeffekt zwei um die Spitzenposition stritten: Sollte ich den politisch und filmisch relevanteren, den beeindruckenden Waltz with Bashir zum Film des Jahres krönen? Oder den fluffigeren aber Animationsgeschichtlich mindestens ebenso interessanteren WALL*E? Im Endeffekt gaben die Filmkritiker von Los Angeles für mich den Ausschlag, die WALL*E ebenfalls zum Film des Jahres wählten. “Dann darf ich auch”, dachte ich mir.

WALL*E, der zweite Film von Pixar-Regisseur Andrew Stanton, der schon Finding Nemo gemacht hatte, ist in vielerelei Hinsicht ein herausragendes Stück Film. Er traut sich, am Anfang des Films in der Animationsgeschichte zurückzugehen und 20 Minuten lang fast nur stumm zu erzählen. Er stellt zwei Looks der SF-Geschichte, die dreckige, staubige Erde und das klnische, weiße Raumschiff, einander gegenüber und setzt einen vermittelnden Charakter dazwischen, der an Liebenswürdigkeit kaum zu überbieten ist.

Man fühlt mit WALL*E, obwohl er nicht spricht und obwohl er ein Roboter ist, und das ist bemerkenswert. Der Grund ist, dass Stanton inmitten seiner robotischen Umgebung Bilder von erstaunlicher Poesie findet, besonders in der zentralen “Define Dancing”-Sequenz des Films, als WALL*E und EVE miteinander durchs All wirbeln. Der sense of wonder, der die SF definiert – hier ist er wieder einmal richtig greifbar.

Das Drehbuch ist diesmal nicht so stark wie bei Nemo, aber die Erzählweise des Films mit wenig Worten und umso mehr Sounds und einem grandiosen Soundtrack von Thomas Newman und Peter Gabriel, machen das wieder wett. WALL*E ist kein großer, bedeutender Film, aber ein kleines Juwel, das einem wirklich ans Herz wächst.

Waltz with Bashir ist dafür bedeutend und mindestens ebenso gut. Ari Folman nutzt hier (so wie im Jahr zuvor Marjane Sartrapi mit Persepolis) Animation um das Unvorstellbare und das Persönliche vorstellbar zu machen. Das gelingt ihm mit Bildern, die einen noch lang verfolgen. Damit man sich aber nicht darin verliert, setzt er als Ausrufezeichen eine Filmsequenz von den realen Schrecken des Massakers von Sabra und Schatila an das Ende des Films und weckt so zwar nicht subtil aber umso effektvoller den Zuschauer wieder auf, der somit die gleiche Reise durchmacht wie der Protagonist.

Slumdog Millionaire, der Liebling der Kritiker und der bisher größte Film von Danny Boyle, konnte mich nicht ganz so überzeugen. Ich fand ihn zwar gut, aber die wesentlich bessere Romanvorlage verdarb mir etwas den Spaß. Besser gefiel mir da schon der brillant geschriebene In Bruges, der mich so zum Lachen brachte wie schon lange davor nichts mehr.

Zwei beeindruckende Charakterstudien, eine fiktional, eine biografisch, hatte 2008 ebenfalls zu bieten: Milk und The Wrestler, die nicht zuletzt auch die Fertigkeit ihrer Regisseure Gus van Sant (Bilder) und Darren Aronofsky (Erzählung) perfekt in Szene setzten. Hunger von Steve McQueen hat beides und lässt einem mit einem eindrucksvoll-beunruhigten Gefühl zurück.

Gewohnt gut, aber jeweils nicht überragend fand ich die beiden neuen Filme von Regisseuren, die beide rund zehn Jahre zuvor ihre Meisterstücke abgeliefert hatten: The Curious Case of Benjamin Button war mir etwas zu überfrachtet , Revolutionary Road packte mich eher intellektuell als im Bauch. Auf beiden Ebenen funktionierte hingegen Gomorra.

2008 war ein Jahr dreier großer Comic-Filme. In erster Linie natürlich The Dark Knight, der aber meiner Ansicht nach (auch nach erneutem Gucken) ein wenig an seiner eigenen Unplausibilität krankt. Hellboy II – The Golden Army liegt mir mit seinen Charakteren und seinem Setting irgendwie mehr. Im Nachhinein gefällt mir aber vermutlich Iron Man wegen seiner coolen Fuck-You-Attitüde am besten.

Einen verdienten Doku-Oscar bekam Man on Wire, der eigentlich einfach nur ein verdammt guter Caper Movie mit bewegendem Finale ist. Zwei kleine Lieblinge sah ich auf dem Filmfestival von Edinburgh: Good Dick, die abgefuckteste romantische Komödie, die man sich vorstellen kann, und L’Heure d’été, der mir wegen seiner Charakterzeichnung sehr gut gefiel.

Was fehlt? Australia (zu recht), der sich nicht entscheiden konnte, was er sein will. Frost/Nixon, den ich nochmal sehen muss, damals aber nur durchschnittlich gut fand. Die völlig verkorkste Bond-Fortsetzung Quantum of Solace. Bienvenue chez les Ch’tis, den ich einfach nicht komisch fand. Und Speed Racer, der sich traute, optisch in Regionen vorzudringen, die noch nie zuvor ein Mensch gesehen hatte, aber sonst einfach gar nichts hatte, Gar Nichts. Schade eigentlich.

Ach ja, Frohe Weihnachten an alle! Nächste Woche dann die Enthüllung meiner Lieblingsfilme dieses Jahres.

Dieser Beitrag ist Teil 9 der Serie
Zehn zu Null – Eine Dekade voller Filme

Zehn zu Null – Eine Dekade voller Filme: Finding Nemo (2003)

2003 schaffte es zum ersten Mal in diesem Jahrzehnt ein Animationsfilm an die Spitze meiner Jahrescharts. Und vermutlich würde ich ihn jederzeit wieder dorthin setzen, denn Finding Nemo gehört bis heute zu den Filmen, die ich am häufigsten gesehen habe – nicht ohne Grund. Der Film ist ein Powerhouse an Witz, Design und Story, wie es auch unter den besten Unterhaltungsfilmen selten ist.

Das war keinesfalls Liebe auf den ersten Blick. Ich glaube, erst beim dritten Sehdurchgang hatte ich den Film so richtig ins Herz geschlossen. Weil ich immer noch, oder sogar noch mehr, über die Gags lachen konnte und weil ich immer noch narrative Details entdeckte, die mich beim ersten Sehen einfach erschlagen hatten. Die ganzen Anspielungen auf australische Stereotypen beispielsweise; die Ansammlung von psychischen Problemfällen im Aquarium von P. Sherman (42 Wallaby Way, Sydney); die vielen kleinen brillanten Ideen in der Gestaltung von Nebencharakteren und in der Ausschöpfung der Unterwasserwelt.

Die einfache Geschichte von einem kleinen Clownfisch, der entführt wird und von seinem überängstlichen Vater gesucht wird, springt dabei über so viele Steine, dass es eine reine Freude ist. Im klassischer Questenmanier bekommt Vater Marlin einen Helfer zur Seite und roadmoviet sich von Station zu Station: Scharadige Schwarmfische, Quallenwald, Schildkröten, Wal, Pelikane. Währenddessen hat der im Aquarium gelandete Nemo ganz andere Probleme: Er muss verantwortliches Handeln lernen und einem tödlichen Schicksal entrinnen. Das ganze kulminiert im vielleicht einzigen etwas zu kitschigen Moment des ganzen Films – wenn dann eigentlich alle vereint sind, es aber noch eine letzte Hürde zu nehmen gilt und das gelernte angewendet werden muss. Zum Glück folgt dann kurz darauf der Epilog, der zur alten Leichtigkeit zurückfindet.

Finding Nemo hat als erster Pixar-Oscarpreisträger bisher seinen Fisch gestanden. Trotz seiner vielen Abschweifungen in der Story, hält alles zusammen – ist nicht so zerfasert wie die beiden Brad Bird-Werke The Incredibles und Ratatouille. Und ebenso wie das spätere Stanton-Werk Wall*E kommt Nemo eigentlich ohne Bösewicht aus. Der Antrieb der Figuren, den Plot voran zu treiben, stammt aus ihnen selbst.

2003 war natürlich auch das Jahr in dem ein Film, zumindest in der Award Season, alles überschattete. Der Abschluss der Lord of the Rings-Trilogie, The Return of the King hat zwar von den drei Filmen den meisten emotionalen Oomph, besteht aber gleichzeitig zu großen Teilen (wie schon The Two Towers) aus Kampfspektakel und FrodoSamGollum, die sich durch die Wüstenei schleppen. Das kann auf drei Stunden gesehen dann auch irgendwann ein bisschen anstrengen.

Und 2003 war auch ein gutes Jahr für kleinere Filme, die immer noch in meinem Gedächtnis sitzen. Elephant zum Beispiel, von Gus van Sant. Oder Herr Lehmann, mit Detlev Buck und Christian Ulmen wohl die perfekte Bebilderung von Sven Regeners kratzigem Roman. Lost in Translation, allerdings, der Indie-Hit des Jahres ist auch bei wiederholtem Sehen nicht wirklich an mich gegangen. Im Gegensatz zu 21 Grams – denn damals war das Inarritu-Prinzip noch nicht so ausgelutscht. Auch Dogville gehört mit seiner Zerstörung der Illusionskunst des Films zu den besten Filmen des Jahres. Kill Bill Volume 1 wiederum nicht – hier ist die Gewalt noch zu sinnlos und gewinnt erst durch die Vollendung der Saga einen Sinn.

Außerdem gab es noch die Fortzsetzungen der Matrix. Aber sich darüber zu beschweren, könnte ein eigenes Blog füllen.

Dieser Beitrag ist Teil 4 der Serie
Zehn zu Null – Eine Dekade voller Filme

How to Train Your Dragon

Dream Works’ neuester Streich How to Train Your Dragon war bis heute noch gar nicht auf meinem Radar aufgetaucht, jetzt gibt es einen ersten Trailer.

Die Besetzung scheint sich fast vollständig aus Komödien der jüngeren Zeit mit leichtem Judd-Apatow-Schwerpunkt zusammenzusetzen. Schön ist, dass Jay Baruchel – der in Tropic Thunder als Sidekick ein echtes Sahnehäubchen war – hier mal eine Hauptrolle bekommt, die er dem Trailer nach zu urteilen auch ganz gut verkörpert.

Dem Design stehe ich etwas gespalten gegenüber. Die Grundstruktur der Personen sieht extrem oval aus, ähnlich wie bei Cloudy with a chance of Meatballs, darüber liegt allerdings eine Schicht Shrek-Realismus. Interessant zu sehen, dass auch DreamWorks (ähnlich wie Pixar) inzwischen eine Art Grundstil in der Bildgestaltung, vor allem was die Kontrastwerte und Farbtöne angeht, gefunden hat, den sie für jeden Film nur leicht variieren – Dragon, wenn man ihn nur aus dem Augenwinkel betrachtet, erinnert sehr an Kung Fu Panda und Shrek III – legt man Beispiele von Up und Wall-E daneben, fällt der Unterschied auf.





Wenn man einmal davon absieht, dass das Dragon-Bild kein Still ist sondern ein Trailer-Screenshot merkt man, dass Pixar mit härteren Kontrasten und helleren Lichtquellen arbeitet. Der Look ist viel stärker “hochglanz” als bei DreamWorks, die eher ein wenig mittiger daher kommen.

Interessant ist darüber hinaus das Design des Drachens. Dieses schwarze Etwas sieht ja eigentlich gar nicht aus wie ein Drache mit seiner runden Schnute. Meine erste Assoziation waren vielmehr die Designs von Hayao Miyazake aus Chihiro, Mononoke und Das wandelnde Schloss. (leider habe ich gerade die DVDs für Screenshots nicht greifbar, der folgende Vergleich benutzt das beste Bild, was ich finden konnte)

Eher (extrem) enttäuschend finde ich allerdings die Story des Films, soweit man sie aus dem Trailer ablesen kann (und das kann man nunmal extrem gut). Sie ist so abgegriffen, dass man mich nachts wecken könnte und sie wäre das erste, was mir einfiel: Außenseiter A in Gesellschaft G, die auf Merkmal X wert legt, findet alternative Möglichkeit um Problem Y zu lösen. Dabei aber stellt er fest, dass zu Problem Y mehr gehört als er dachte. Am Ende muss G einsehen, dass sie mit ihren Traditionen unrecht hatte oder sie zumindest teilweise ändern sollte um A zu integrieren (nur um ein paar Animationsbeispiele zu nennen: Antz, Kung-Fu Panda, Shark Tale). Wo sind bloß die cleveren DreamWorks-Drehbücher hin?

Nachtrag 13:11: Max hat mir als Antwort auf meine Abschlussfrage einen Link zu diesem Bild geschickt. Wie wahr…

Fantastische Animations-Ensembles

Es gibt einen Trailer für Wes Andersons neuestes Projekt Fantastic Mr. Fox und er sieht toll aus. Wenn das Drehbuch des Films so gut ist wie sein Design und die Ausschnitte, die man im Trailer zu sehen bekommt, könnte es ein weiterer Home Run für gute Animationsfilme werden, wie wir sie immer häufiger sehen. Vorlage von Roald Dahl, ich glaube die Chancen stehen gut.

Schön an Fantastic Mr Fox ist allerdings auch, dass der Film auf den ersten Blick als Wes Anderson-Film zu erkennen ist. Nicht nur anhand der Farbpalette und den obligatorischen, symmetrischen Anderson-Signature Shots, sondern auch wegen seines Ensembles. Ich bin ja eigentlich bis heute kein Riesenfan davon, in Animationsfilmen jede Nebenrolle mit einem Star zu besetzen und die wahren Voice Artists damit in den Ruin zu treiben, aber bei Anderson scheint die Rechnung aufzugehen. Er macht einfach nur da weiter, wo er mit The Royal Tenenbaums, The Life Aquatic with Steve Zissou und zuletzt The Darjeeling Limited aufgehört hat und bringt alle seine Lieblinge unter: Owen Wilson, Jason Schwartzman und Bill Murray sind dabei, obwohl die Hauptrollen von George Clooney und Meryl Streep gesprochen werden. Da kommt das gleiche Familienfest-Gefühl auf, wie sonst bei Ensemble-Regisseuren.

Etwas Ähnliches hatte Tim Burton ja vor einigen Jahren mit Corpse Bride abgeliefert. Klar, das war auch ein Animationsfilm (im Geiste von The Nightmare before Christmas), aber Tim Burton zeigte sich auch hier nicht nur im Visuellen: Johnny Depp, Helena Bonham Carter, Albert Finney, Christopher Lee, Danny Elfman, Deep Roy. Ein Stelldichein von Burtons Musen und üblichen Verdächtigen.

Da ist der Schritt im Kopf nicht weit dazu, darüber nachzudenken, dass andere Regisseure, die gerne mit den gleichen Leuten zusammenarbeiten, auch mal Animationsfilme machen könnten – bevorzugt auch mit Tieren. Ich wünsche mir die Coen-Brüder mit einer skurrilen Fabel über Tod, Leben und Schicksal. Vielleicht eine moderne Version der Vogelhochzeit, der Star (pun intended) George Clooney will die Amsel Frances McDormand heiraten, aber irgendwie geht alles schief. Unvergessen John Goodman als raunziger Uhu, John Tuturro als von Sperlingen aufgezogener Kuckuck, Steve Buscemi als verirrter Papagei und Billy Bob Thornton als militanter Weißkopfadler.

Von P. T. Anderson hingegen ein Film über eine in die Jahre gekommene Hippie-Kommune aus Los Angeles. Jeder hat dabei mit seinem eigenen privaten Schicksal und seinen vergessenen Idealen zu kämpfen, nicht nur der Bär Philipp Seymour Hoffmann und der Wolf John C. Reilly. Auch der neurotische Waschbär William H. Macy und der mexikanische Wüstenfuchs Luis Guzman wissen irgendwie nicht wohin mit ihrem Leben. Als sie sich entscheiden, in den Hollywood Hills ein Festival zu organisieren, der alten Tage wegen, tauchen plötzlich auch ihre alten Groupie-Freunde Fiona Apple und Aimee Mann (erstmals in Sprech- und Singrollen) wieder auf und alles nimmt ein tragisch-komisches Ende.

Von Richard Linklater und seinen texanischen Slacker-Rindern und Quentin Tarantinos Hot Dogs, die in den Siebzigern die Straßen des amerikanisch-mexikanischen Grenzgebiets unsicher machen, sollen andere erzählen. Gar nicht schlecht stehen die Chancen vielleicht bei Kevin Smith – er hat Comics und Clerks: The Animated Series gemacht und schon diverse Male Charakteren seine Stimme geliehen. Da ist der versaute-aber-gefühlvolle Film mit Ben Affleck, Matt Damon, Jason Lee und Jason Mewes als Katzen-Quartett Looking For Pussy vielleicht gar nicht so weit weg…