exground Blog von Screenshot

An dieser Stelle ein bisschen Werbung in halb-eigener Sache. Das Online-Filmmagazin/blog Screenshot, das aus dem Print-Filmmagazin gleichen Namens an meiner Heimatuni in Mainz hervorgegangen ist, bei dem ich mir meine ersten filmjournalistischen Sporen verdient habe und für das ich gelegentlich bei mehr Zeit auch immer mal wieder schreibe, wird vom Wiesbadener Avantgarde-Filmfestival exground tagesaktuell bloggen. Reinschauen lohnt sich, und das exground-Programm verlangt auch danach, erklärt zu werden.

Exground-Blog

Die Tagesschau-Rekursion

Stefan Niggemeier hatte sich vor einigen Wochen fasziniert gezeigt, wie die Westfälischen Nachrichten fast rekursiv über ihn berichtet hatten.

Für einen ähnlich albernen Fall von Rekursion halte ich eigentlich die letzte Woche ausgetragene Blog-Diskussion der “Tagesschau”.

Man muss es sich nur noch mal vor Augen führen:
1. “Tagesschau”-Chefredakteur Kai Gniffke menschelt im Tagesschau-Blog über das Sommerloch und sagt: “Aber wenn wir ehrlich sind, hätte man jedes, ja wirklich jedes unserer heutigen Themen auch lassen können.”
2. Der Leiter des Hauptstadtstudios, Ulrich Deppendorf, antwortet in den Kommentaren und motzt, dann könnten die Mitarbeiter in Berlin ja auch nach Hause gehen.
3. Mediendienste wie dwdl und Meedia berichten über den Austausch und kurz darauf steigen auch diverse Printmedien ein.

Warum folgt 3. auf 2. und 1.? Weil tatsächlich Sommerloch ist und es nichts Besseres oder Wichtigeres zu berichten gibt. Womit Gniffke bewiesen wäre.

Und um den Zirkelschluss perfekt zu machen, bloggt der “Tagesschau”-Chef kurze Zeit später dann wieder über die Berichterstattung. Leider hat Deppendorf das dann nicht mehr kommentiert.

Meine spontante Assoziation? I don’t know, what you wanna do?

Das hier ist mein Take auf die ganze Geschichte. Mein Kollege Cord Krüger hat sie in einem Tagebuch für epd medien verarbeitet.

Worte zum Wochenende

More harm has been done by people panicked over social decline than social decline ever did.

Randall Munroe, xkcd
// Idiocracy

Es gab einfach ein paar Ermüdungserscheinungen. Wir haben so viel erklärt, wie „Bild“ funktioniert. Wir hatten irgendwann das Gefühl, wir wiederholen uns.

Stefan Niggemeier, in einem Artikel des Rheinischen Merkur
// Alles Müll oder was?

Google erbringt mit der Verlinkung eine Dienstleistung. Hierfür als Verlag die Hand auf zu halten, wäre genauso absurd, wie von Kioskbesitzern eine Abgabe dafür zu verlangen, dass der Focus in der Auslage liegt.

Ulrike Langer, Media Digital
// Dann boykottiert doch Google!

But please notice that I’m not saying there has never been a more lucrative or prestigious time to become a journalist. The cash and status associated with the profession are fairly recent. Until the early 1970s or thereabouts, the average journalist made an average salary (if that), and his societal standing was modest.

Jack Shafer, Slate
// Keeping the Fizz in the Journalism Biz

Die Zukunft

“Everyone and their mum” äußert dieser Tage seine Meinung zum wogenden Kampf um die Zukunft der Zeitung, die Konkurrenz durch das Internet, Urheberschutz, Qualitätsjournalismus und und und… (nicht zuletzt angestoßen durch das schon einmal verlinkte SZ-Magazin der vergangenen Woche. Natürlich habe ich mir auch eine Meinung dazu gebildet. Ich will aber hier keine Gesamtanalyse des Problems und der Selbstüberschätzung der Printjournalisten abgeben (das hat Stefan Niggemeier, wie immer bravourös, schon erledigt), sondern einfach nur mal eine Prognose abgeben, was ich meine, wie sich das ganze weiterentwickeln wird. Für diese Prognose in fünf Thesen kann ich weder einen Zeithorizont nennen, noch irgendwelche Statistiken oder sonstige untermauernden Fakten. Sie beruht auf einem informierten Bauchgefühl.

1. Aktuelle Information wird des Mediums Print nicht mehr bedürfen. Das Internet ist schon jetzt der Ort, wo man sich am aktuellsten und gezieltesten informieren kann, nicht die Zeitung, die nur einmal am Tag erscheint und von den meisten Leuten nur überflogen wird. Irgendwann werden auch die Verlagsleute einsehen, dass sie mit dem Verzicht auf eine gedruckte Zeitung nicht nur dem Zeitgeist folgen und die Umwelt schonen, sondern auch Geld sparen (harte Zeiten für Drucker und Vertrieb brechen an). Wenn Lesegeräte wie der Kindle noch ein bisschen billiger und noch ein bisschen handlicher (faltbar?) werden, muss irgendwann der Umschwung zur digitalen Zeitung kommen – denn dann kann man die Zeitung lesen wie bisher: Beim Frühstück, im Bus, in der Mittagspause. Zwanzig Minuten pro Tag, wie der durchschnittliche Deutsche: Die Titelseite, ein paar zusätzliche lokale Artikel, den ein oder anderen Kommentar, die ein oder andere Hintergrundgeschichte und gut ist. Und man genießt zusätzlich alle Vorteile: Aktuelle Geschichten aktualisieren sich selbstständig, Artikel, die man gerne noch einmal oder später lesen will, kann man abspeichern. Und wer gar keine Zeitung will, sondern nur harte News, kann ein reduziertes Abo nur mit den Nachrichtenmeldungen bestellen. Überhaupt lässt sich das Abo prima individuell auswählen. Wer braucht da noch Papier? Und wenn “nichts so alt ist wie die Zeitung von gestern”, muss man sie nicht wegwerfen, sondern kann sie einfach löschen.

2. Print wird deswegen noch lange nicht verschwinden. Die Tatsache, dass das Modell papierne Zeitung ausgedient hat, heißt nicht, dass das gedruckte Wort verschwindet. Publikationen, deren Look und Haptik mindestens ebenso sehr Teil ihres Reizes ist wie ihr Inhalt, bleiben natürlich bestehen. Filmzeitschriften oder Magazine wie “Geo” will ich beim Lesen in der Hand haben und hinterher ins Regal stellen. Sie sind echte Dinge, keine Gebrauchswaren wie Zeitungen. Und viel handlicher. Sascha Lobo hat es im aktuellen Medium Magazin gut ausgedrückt: “Papier ist das neue Vinyl”. Es hat seine Daseinsberechtigung, aber hauptsächlich für Liebhaber.

3. Inhalte werden sich ergänzen. “Das Internet” ist nur als Medium eine Konkurrenz für den traditionellen Journalismus, nicht als Inhaltsgenerator – dort ist es eine Ergänzung. Aus den abwatschenden Kommentaren der Traditionalisten gegen Blogger und das Web 2.0 spricht nur eine Angst vor der Abgrabung eigenen Bodens. Den Blogs haben nunmal eine andere Aufgabe und Tradition als klassischer Printjournalismus. Niggemeier schreibt in einem Kommentar zu seinem eigenen Blogeintrag, dort könne er “Dinge machen […], die ich in Zeitungen nicht tun könnte. Mich an Details abarbeiten oder endlose persönliche Texte über den Grand-Prix verfassen, zum Beispiel.” Eben. Blogs sind Outlets für Leute, die sowieso gerne schreiben aber eben nicht all ihr Geschriebenes überall unterbringen können. Diejenigen, die den Platz in den Medien verwalten, können dort Ideen finden, sich Anregungen holen, oder selbst etwas beitragen. Trotzdem werden Blogs, die Leute in der Regel aus persönlichem Antrieb führen, nicht den Journalismus ersetzen, warum auch? Wenn die Journalisten sich von den Bloggern bedroht fühlen, haben sie nur eine Wahl: Sie müssen besser sein als die Blogger. Sonst haben sie ihr Gehalt nicht verdient. Meckern und pauschales Beschimpfen ist keine Lösung. Wie gesagt: Im utopischsten aller Fälle ergänzen sich die beiden Sphären, respektieren und nutzen einander, verschmelzen vielleicht auch an der ein oder anderen Stelle durch die Möglichkeit zu unmittelbarem Feedback, bilden aber jedenfalls eine machtvolle Symbiose.

4. Professionalität wird wieder kostenpflichtig. Irgendwann ist das Internet der Lebensraum der Zukunft, also werden dort auch wieder “normale” Zustände eintreten. Dazu gehört, dass man für professionelle Arbeit Geld bezahlt. Und Journalismus, wenn er gut ist, ist professionelle Arbeit. Wenn sich also die Micropayment-Systeme endlich so weit vereinfachen, dass man zum Online-Lesen eines Artikels nur einen (!) Button anklicken muss, um einen Betrag etwa im Bereich von 5 Cent dafür zu bezahlen, den man dann am Ende des Monats abgerechnet bekommt, dann muss professionell erstellter Content wieder Geld kosten. Klar wird es auch weiter Gratiszeitungen geben, diese werden auch eine starke Konkurrenz sein. Aber hier gilt das gleiche Argument wie beim Bloggen: Wenn man dieser Konkurrenz die Stirn bieten will, gibt es nur eine Möglichkeit: Besser sein. Vielleicht auch nicht nur für die Bildungselite, sondern besser für alle.

5. Alles bleibt beim Alten. Selbst wenn sich, wie in dieser Utopie beschrieben, die Journalismuslandschaft irgendwann konsolidieren sollte und Digital und Print, unendliches Netz und destillierte Zeitung ihren Frieden miteinander geschlossen haben, werden sich Journalisten nicht ändern. Viele von ihnen werden genau so faul, jammerig oder zynisch bleiben, wie sie es heute schon sind (wohlgemerkt, ich bin selber einer). Sie werden Pressemitteilungen ungeprüft übernehmen, Sachverhalte so lange zuspitzen, bis sie nicht mehr stimmen, jammern dass früher noch alles besser war, weil Pluto da noch ein Planet war, und ihre “Die Welt ist schlecht”-Sicht zwischen den Zeilen breitreten. Wohlgemerkt: Nicht alle, und nicht alles gleichzeitig und nicht alles extrem. Aber manche, mehrere, nicht zu wenige – und nicht nur schwach ausgeprägt. Die digitale Welt ist die Zukunft des Journalismus. Sie ist nicht seine Rettung.

Worte zum Wochenende – 8. Mai 2009

Sein “Star Trek” ist ikonoklastisch, aber er zeugt von tiefem Respekt für den Mythos. Es ist der Film eines Spätgeborenen.

Fritz Göttler, Süddeutsche Zeitung
// Ich bin dein Vater

Immer wenn ich einen rüstigen älteren Herrn wandern sehe, muss ich jetzt denken: Jagdrevier der scharfen Gemsen.

Harald Martenstein, Die Zeit
// Sexsender für Senioren

Noch bekloppter als der Wettbewerb an sich ist der Glaube, dass in ihm auf eine irgendwie halbwegs objektive Weise das beste Lied gewählt würde. Oder werden sollte. Oder werden könnte.

Stefan Niggemeier, Das Fernsehblog
// Stell dir vor, es ist Grand Prix und ich seh nicht hin

Die Strategien der anderen Zeitungen sind doch viel defensiver. Sie entlassen Redakteure, bezahlen den Rest unter Tarif. Unsere Kombination aus Online- und Wochenendzeitung ist vorwärtsgewandt, einfach einleuchtend

John Yemma, im Interview mit dem SZ-Magazin
// C wie Christian Science Monitor