Quotes of Quotes (XXXI) – James Mangold Thinks Canon Sucks and You’re Part of the Problem

Listening to a recent episode of Jeff Goldsmith’s Podcast The Q&A with Logan-director James Mangold, I came across this exchange. Host Jeff Goldsmith can’t help himself as he asks about continuity issues between Logan and the other X-Men-Movies and thereby prompts Mangold to go on a juicy rant about the superhero movie industrial complex.

Jeff Goldsmith: Obviously there was a timeline reset in Days of Future Past which Simon Kinberg wrote, and he’s the producer of this film as well. I’m just curious: How does this fit in the timeline? Because in X-Men: Apocalypse, there was a different Caliban and I’m just curious if this an offshoot, a different timeline …

James Mangold: I have no idea. As you can tell by the way I’m sparring with you on these questions, I don’t care. Meaning that I think that stuff is in the way of making good movies, not in support of it. It would be as if I’m making movies for the Catholic church and I have to pass some kind of papal approval for what happens to Jesus in this episode. It’s just ludicrous …

I’m just curious where it fits in.

I know, but your’re part of the industry, when you ask those questions, of maintaining the sense of ‘Did you break canon or stick with canon?’. In fact, I think canon sucks.

I was just trying to find out, where it was in the canon.

Nowhere. The reality as a marketeer would be that we very carefully positioned it beyond all the existing movies, so it’s up to you. My feeling is: I want to have a relationship with the audience, not with internet crazy factcheckers with a hundred episodes of shit accusing me of getting something wrong. It’s the actual audience that I am most concerned with and that they exist in the immediate, taking in the movie. And unless it’s wildly contradicting something that they just saw in another movie, it’s not of concern to me. (…) My own arrogance or spiciness with you about these questions is partly about how you get the movie made. The gravitational pull between the kind of internet industry of superhero movie worship, the actual industry itself of selling these things, the merchandising machine, the toy manufacturer, the comic books, the rival companies, the summer dating, all of it is not a friend to movie making. It’s a friend to corporate money making. And part of my own defense to making a movie and not just a commodity, is to have a lot of hostility towards a lot of the value systems, some of which fans bring to the material, where they’re actually serving corporations and not themselves, in my opinion. They’re actually demanding the movies work as a box set. They all can then be bought and sold so that the action figures will work consistently from one movie to another, the animated Saturday morning one can match the — they’re actually demanding something that helps the companies sell and ram all these products at the same time. It’s much harder for the companies to make money off eight different visions of what Batman could be, but for me that’s phenomenally more interesting.

Listen to the whole episode here. The quoted passage starts about 46 minutes in.

Das beste an Wolverine sind die Frauen

© Twentieth Century Fox

Hasst wirklich jeder X-Men Origins: Wolverine? Als ich den Film im Rahmen einer privaten X-Men-Retrospektive vor einem guten Jahr nachgeholt habe, hatte ich meinen Spaß. Wesentlich mehr Spaß jedenfalls als mit X-Men: The Last Stand mit seinen konfusen Plotlines und seinem apokalyptischen-aber-dann-doch-nicht Ende. Origins ist ein B-Film in Geist und Umsetzung, und genau als solcher hat er auch Spaß gemacht: Plot, Look, Spezialeffekte und Charaktere hätten direkt aus einer “A-Team”- oder “MacGyver”-Episode stammen können, Logan mit Zigarre als Hannibal mittendrin. Boom, Baby!

Ich habe die “X-Men”-Comics nie gelesen und spüre deswegen nicht den gleichen Schmerz, den Fans empfinden, wenn ihre ikonischen Charaktere und Momente auf der Leinwand anders interpretiert werden, als in ihrer kollektiven Imagination. Trotzdem hatte ich nicht den Eindruck, dass der neue James-Mangold-Film The Wolverine (dt. Titel leider immer noch nicht Der Vielfraß, sondern Wolverine: Weg des Kriegers), der ja alles richten sollte, was Origins versaut hat, dem SNIKT-Mann wirklich einen so neuen Drall geben konnte. Logan ist wegen seiner Unsterblichkeit und den Qualen, die er dafür erleiden musste, eine zutiefst tragische Figur. Es scheint aber üblich zu sein, diese Tragik immer nur kurz anklingen zu lassen und sie ratz-fatz wieder wegzupacken und gegen sprücheklopfe Arschtreterei und brüllende Tötungsdelikte einzutauschen, sobald man kann. James Mangolds Wolverine ist da keine Ausnahme.

Der tragische Grizzly

Logan sieht alle um ihn herum sterben, die ihm etwas bedeuten – und wenn er doch mal ein Leben retten kann, scheint es später zurück zu kommen, um ihn heimzusuchen. Zum Beispiel, wenn er eigentlich als Grizzly in den Wäldern leben will, und dann doch nach Japan fliegt, um einem ehemaligen Soldaten Lebewohl zu sagen, dem er während des – auf der Leinwand beeindruckend umgesetzten – nuklearen Angriffs auf Nagasaki in Sicherheit bringen konnte. Der sterbenskranke Yashida macht Logan das Angebot, ihn sterblich zu machen, damit er selbst länger leben kann. Und weil er nicht auf eine Antwort warten will, lässt er ihn gleich entsprechend behandeln. Doch kommt Logan jemals auf die Idee, diese Option tatsächlich als Glücksfall in Betracht zu ziehen – schließlich ist seine Unsterblichkeit ja das, womit er immer ringt? Nein, er sniktet und bubt lieber um sich wie immer und hat – im Gegensatz zu vielen anderen Superhelden – auch kein Problem damit, seine Gegner schließlich zu töten.

Ich lese aus Kommentaren immer wieder heraus, dass das der Grund für Wolverines Beliebtheit ist. Logan der Badass, der sein Gewissen je nach Belieben ein- (Bedürftigen helfen) und ausschaltet (Bösewichter umbringen) und wegen seiner Unsterblichkeit an keine Regeln gebunden ist. Klar, das ist der Traum jedes männlichen Mittelklasse-Kellerkinds. Und Hugh Jackman ist mit seinem Sixpack und seinem kernigen Aussehen sicherlich die perfekte Besetzung dafür. Doch genau deswegen finde ich die übersteigerte Origins-Interpretation, Wolverine als Pulp-Hero mit Fuck-You-Attitüde, wesentlich sympathischer und ehrlicher, als eine dann doch nur halbherzig durchgehaltene Variante von Logan als weltmüdem Pseudo-Samurai.

© Twentieth Century Fox

Es bechdelt

Umso erstaunlicher ist es, dass The Wolverine mit seinem Beefcacke-Helden im Zentrum etwas gelingt, an dem alle anderen Sommerblockbuster dieses Jahr bisher gescheitert sind: Er besteht den Bechdel-Test mit Bravour. Um den Vielfraß herum kreisen nicht eine, sondern gleich vier weibliche Charaktere mit Namen, die allesamt unterschiedliche Funktionen in der Dramaturgie des Films erfüllen, und durchaus auch Beziehungen zueinander haben, die nicht nur durch das Auftauchen eines Mannes bedingt sind.

Die konservativste Figur, leider eine Damsel in Distress, dürfte Tao Okamotos Mariko sein, die Enkelin des kranken Yashida. Sie verbringt große Teile des Films damit, von Wolverine gerettet und dann von seinen Gegenspielern wieder entführt zu werden. Zwischendurch (SPOILER BIS ZUM ENDE DES ABSATZES) kocht sie Logan stärkendes Essen und schläft mit ihm, damit er sowohl körperlich und seelisch ein bisschen geheilt wird. Der Lichtblick besteht darin, dass sie sich am Ende des Films etscheidet, ihr Erbe anzutreten, den Konzern ihres Großvaters zu leiten und somit ihr Schicksal in die eigene Hand zu nehmen. Immerhin: Eine Glass Ceiling wurde durchbrochen.

Famke Janssen kehrt als Jean Grey zurück, die aber leider (noch) nur als Traumfigur auftauchen darf und Logan von Zeit zu Zeit heimsucht. Als Projektionsfläche für die einzig wahre Liebe, die Logan je kannte, ist sie ebenfalls nicht unbedingt eine selbstbestimmte Figur, aber man hat doch immerhin den Eindruck, dass die Kombination aus Drehbuch und Janssens Darstellung dem Charakter genug Tiefe gibt, um ihn zu mehr als einer seufzenden Stimme im Wind zu machen. Selbst wenn man keinen der anderen X-Men-Filme gesehen hat – man spürt, dass Jean Grey eine Frau mit eigenem Kopf und eigenen Zielen war/ist, die nicht nur dafür erdacht wurde, an der Seite eines Mannes durch die Welt zu gehen.

© Twentieth Century Fox

Ein weiblicher Bösewicht

Eins der Probleme von The Wolverine ist, dass Logan eigentlich keinen richtigen Gegenpart hat, mit dem er sich messen muss. Sein Gegner ist ein schwer durchdringbares Netz aus japanischen Familienbeziehungen und kriminellen Vereinigungen, das sich nur punktuell in direkten Konfrontationen manifestiert. Als Comic-Bösewicht am sichtbarsten ist Svetlana Khodchenkova als Viper, eine Mutantin mit giftigem Innenleben, die sich als Yashidas Ärztin ausgibt. Ihre Existenz als Gegenspielerin an sich ist schon bemerkenswert. Wann gab es das letzte Mal einen weibliche Villain in einer Comicverfilmung? Noch dazu eine Frau, die nicht wie Sharon Stone in Catwoman oder Uma Thurman in Batman Forever hauptsächlich mit den “Waffen der Frau” kämpft, sondern sogar Wissenschaftlerin ist? Wer jetzt Mystique sagt, dem möchte ich entgegenhalten, dass Mystique ja eher so eine Art Bösewicht wider Willen ist, aus enttäuschtem Stolz und falscher Loyalität. Viper jedoch ist Bösewicht aus Leidenschaft, mit allem was dazu gehört, und Khodchenkova spielt Viper so over-the-top, wie man es sich nur wünschen kann.

Alle drei kommen jedoch nicht gegen Rila Fukushimas Yukio an. Die aparte Frau mit den feuerroten Haaren und dem deutlichen Akzent ist von Anfang an die stärkste Präsenz des Films. Sie dreht den Spieß – oder bessser das messerscharfe Schwert – rum, stellt sich Logan als sein Bodyguard vor und bleibt ihm bis zum Schluss lediglich als Freundin und alte Kämpin verbunden – obwohl die Versuchung, eine Dreiecksromanze ins Drehbuch zu schreiben, sicherlich groß war. Auch der umgekehrte Weg wird nicht gegangen: Yukio ist durchaus kein asexuelles Wesen. Sie hat ihre eigenen Gründe, um Mariko zu kämpfen, weil sie so eine Art Adoptivschwester ist, und erlebt ihren eigenen Storyarc relativ unabhängig von dem behaarten Muskelpaket neben ihr. Es bleibt zu hoffen, dass man sowohl die Figur Yukio als auch die Schauspielerin Rila Fukushima in Zukunft noch öfter zu sehen bekommt, wobei für ersteres die Chancen wahrscheinlich eher schlecht stehen.

Im Zentrum von Wolverine steht immer noch ein Mann und bis wir den ersten Superheldinnen-Film bekommen, wird es wohl auch weiterhin dauern. Aber immerhin wirkt der melodramatisch angelegte und dann kaum ausgespielte zentrale Konflikt dieses Mannes fast schon ein bisschen blass gegen die Power, die all diese starken Frauen um ihn herum ausstrahlen. Und damit ist The Wolverine dann in der Summe doch deutlich besser als Origins. Ihr dürft die Heugabeln wieder wegpacken.


Wolverine – Weg des Kriegers ist am 25. Juli in den deutschen Kinos gestartet.