Pitch

Im letzten Post auf diesem Blog ging es um das Finden von Geschichten und darum, dass sich diese besonders in Audioform gut erzählen lassen. Ein Projekt, das beide Aspekte abdeckt ist der Podcast “Pitch“, den ich hiermit nachdrücklich empfehlen möchte.

Wer grundsätzlich Lust auf den Radio-Stil von Sendungen wie “This American Life“, “Radiolab” und “Planet Money” hat, und/aber das gleiche Prinzip mal auf den Bereich Musik angewendet sehen möchte, sollte bei “Pitch” sein Glück finden. Die beiden Producer Alex Kapelman und Whitney Jones erforschen in ihren bisher 14 Episoden (eine neue gibt es alle zwei Wochen in bestimmten Staffel-Zeiträumen) ganz unterschiedliche Geschichten aus dem gesamten Spektrum der Musikwelt, aber jenseits traditionellen Musikjournalismus. In “Pitch” geht es tendenziell eher um Musik als Phänomen, um Metathemen, die Genres und Epochen überspannen, aber manchmal auch um ganz konkrete Einzelgeschichten, die die Autoren einfach zu interessieren schienen.

Jede Episode ist nur zehn bis 20 Minuten lang, die 14 Folgen lassen sich also relativ flugs im Binge weghören. Wer weniger Zeit hat und nur mal in einzelne Episoden hineinhören will, dem empfehle ich Episode 1, “The Clearmountain Pause”, in der eine Legende um die dramatische Pause vor dem letzten Refrain von Semisonics “Closing Time” aufgeklärt wird; Episode 3, “Rock the Longbox”, in der eine CD-Verpackung eine politische Entscheidung herbeiführt; Episode 9, “Somewhere in my Memory” über das Phänomen, dass einzelne kleine Alltagstöne in Köpfen regelmäßig Musiklawinen lostreten können* und Episode 13, “Voice” über die Erfahrung eines trans-männlichen Sängers, der im Rahmen seiner Körperanpassung auch Testosteron genommen und seine Stimme völlig verändert hat.

Das beste an “Pitch” ist, dass es anders als all die anderen Sendungen, die ich oben aufgezählt habe, keine Radiosendung ist, die einfach nur als Podcast ausgeliefert wird. Kapelman und Jones arbeiten völlig unabhängig und derzeit sogar ohne Sponsor – anscheinend einfach, weil sie Spaß dran haben. Dafür ist die Qualität aber erstaunlich, was beweist, dass Amateur-Podcasts sich nicht auf reine “Laber”-Formate beschränken müssen. Das steigert den Mut, es selbst zu probieren.

* Ich brauche nur den Signalton der Berliner U-Bahn zu hören und “Mr. Brightside” von den Killers steckt die nächsten Stunden in meinem Ohr fest.

Mein Plan für 2015: Bessere Geschichten erzählen

Hat ja super geklappt mit meinem Vorsatz für dieses Jahr. Da hatte ich mir im letzten Dezember ausgekäst, ich könnte 2014 ein Buch schreiben, aber es hat hinten und vorne nicht gepasst. Kein Wunder, dass ich eigentlich niemand bin, der sich Vorsätze macht – sondern nur Pläne schmiedet. Mein Plan für 2015 ist weniger präzise, sein Erfolg ist weniger messbar, aber ich halte ihn für ungleich wichtiger: Ich will 2015 lernen, bessere Geschichten zu erzählen.

Dafür muss ich zunächst überhaupt üben, Geschichten zu erzählen. Bei “Real Virtuality” habe ich in den letzten Jahren vor allem Artikel veröffentlicht, die einer Art Essay-Struktur folgen, mit Thesen, Argumenten und Ausblicken. Doch je länger ich die Uni hinter mir lasse und je mehr ich meinen Lesehorizont erweitere, umso mehr begeistern mich Menschen, die Journalismus so aufbereiten können, dass er nicht nur Informationen übermittelt, sondern auch ein lebendiges Bild und eine dazugehörige Geschichte vor meinem inneren Auge entstehen lässt.

Spannender als jeder Roman

Begegnet ist mir das, wie üblich, zunächst in Printjournalismus aus den USA. Gerade Magazine, pflegen dort gerne einen Longform-Journalismus, der eben aus Vorfällen die Geschichten extrahiert, die dahinter stecken. Gute Recherche und gute Dramaturgie können dabei durchaus Hand in Hand gehen. Und was für Magazinartikel funktioniert, passt natürlich auch in Buchform – “Nonfiction” kann unterhaltsamer und spannender sein als jeder Roman.

(Ich weiß, dass es auch in Deutschland tolle Autor_innen gibt, die das können, mir begegnen sie nur seltener.) (Mein bester Versuch in diese Richtung war bisher der Artikel zu Day-and-Date-Releasing in “epd Film”, in dem auf wundersame Weise während der Recherche plötzlich eine Art Handlung entstand, wo vorher nur eine These war.)

Im Alltag versteckt

Die zweite Inspirationsquelle sind Menschen, die in der Lage sind, aus ihrem eigenen Alltag Geschichten herauszulösen. Mein Lieblingsmensch, der das macht, ist das Nuf, aber seit ich einmal damit angefangen habe, sowas zu mögen, begegnet es mir immer häufiger. Hier geben die Autoren selbst oft zu, dass sie ihr Erlebtes durch die Art ihrer Schilderung vielleicht manchmal etwas dramatischer erscheinen lassen, als es jemand beschrieben hätte, der unparteiisch daneben gestanden hätte. Ich kann das persönlich nicht so gut – es liegt einfach nicht in meiner Natur – aber die Crux ist, dass man ein Auge und ein Gefühl dafür entwickelt, wo sich im Leben manchmal Geschichten verstecken, die man auf den ersten Blick vielleicht als reine Geschehnisse abtut.

Ich übe das zurzeit schon ein bisschen im “Techniktagebuch“. Dort geht es zwar eigentlich nur darum, Begegnungen mit Alltagstechnik zu dokumentieren, aber beim Aufschreiben stelle ich häufig fest, dass in diesen Begegnungen auch kleine Geschichten mit Anfang, Mitte und Ende stecken. Die Sensibilisierung nimmt also bereits zu.

Dein Freund, das Mikrofon

Besonders gut funktioniert das Extrahieren von Geschichten aus Ereignissen, vielleicht gar nicht unbedingt erwartbar, in Audioform. Wenn die Producer von This American Life, Radiolab oder Pitch (letztere bekommen demnächst noch einen Extrapost) loslegen und mir ganz intim direkt ins Ohr hineinerzählen, oft von O-Tönen und Musik unterstützt, kann das so lebendig sein, wie ein toller Film. Ihren vorläufigen Höhepunkt hat die Form 2014 sicherlich mit Serial erreicht, wo das Format zusätzlich mit Elementen der seriellen Erzählung eine aufregende Beziehung einging – nicht zuletzt auch aus journalistischen Gesichtspunkten.

Die Radiojournalistin Sandra Müller von “radio-machen.de”, mit der ich mich vor ein paar Tagen auch auf Twitter darüber ausgetauscht habe, hat das Prinzip toll zusammengefasst: “Sprich in das Mikrofon, als wäre es ein Freund, dem du etwas erzählst.” Nachdem ich Podcast als Medium 2014 erstmals etwas ausführlicher für Berichterstattung getestet habe, will ich es 2015 unbedingt auch mal als journalistisches Erzählmedium ausprobieren.

Das also ist der Plan für 2015. Ob wirklich ein großes Projekt dabei herauskommt, zwischen all den anderen Dingen, die ich tun möchte oder muss, kann ich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen. Aber ich übe schon. Und der Weg ist das Ziel. So ist das mit Plänen.