Simon Reynolds’ Buch Retromania ist eins der prägenden kulturkritischen Werke der letzten Jahre. 2010 erstmals erschienen, blättert Reynolds darin auf, wie in der Musikindustrie und überhaupt in unserer gesamten Kulturlandschaft die Sehnsucht nach dem Alten längst das Interesse am Neuen überholt hat.
Zum Buch gab es auch ein Blog, in dem Reynolds regelmäßig neue Gedanken sammelte und passende Artikel verlinkte. Dieses Blog schloss im September, denn “while retro remains a prominent part of the current culture, it doesn’t feel dominant to the same extent it did”.
Der Trump-Sieg hat Simon Reynolds dazu gebracht, sein Blog noch einmal zu öffnen, auch wenn es nur für ein paar Zitate ist, eins davon aus seinem Buch. Dabei geht es um “reflektive” und “restorative” Nostalgie, eine Unterscheidung der Literaturwissenschaftlerin Svetlana Boym. Es ist die restorative Nostalgie, “big on pageantry (…), folklore, and Romantic nationalism”, die zurzeit die Welt im Griff hat. Aber der Blick in Reynolds’ Blog zeigt: zu viel Nostalgie sollte uns generell eine Warnung sein.
Ich habe schon länger überlegt, zu diesem Thema zu bloggen und mich jetzt stattdessen aus Zeitgründen für einen Piq entschieden. Einen wichtige Wendepunkt fand ich Stranger Things dieses Jahr – das ich, zugegeben, selbst noch nicht gesehen habe. Hier stimmten plötzlich selbst viele Nostalgiekritiker (unabhängig von der Qualität der Serie selbst) ins Lob der Vergangenheitsverklärung mit ein. Nach dem Motto: Wenn sie transformativ genug ist, ist Nostalgie ja okay, immerhin geht es nicht mehr immer um die gleichen alten Filme. Ich habe selbst noch keine endgültige Meinung dazu, spüre aber immer wieder die gefährlichen restorativen Tendenzen in solchen Schwärmereien (s.o.)