Alien: Covenant stellt die wichtigste Frage aller Sequels

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In space, no one can hear you spoil

Die Vision des “interaktiven Films”, die vermutlich den meisten Menschen noch im Kopf klebt, sieht wie folgt aus: Der Film beginnt mit einer Hauptfigur und läuft für einige Zeit wie ein normaler Film ab, bis diese Hauptfigur eine Entscheidung treffen muss. Der Film stoppt und die Zuschauenden stimmen ab, wie die Entscheidung ausfällt. Der Film läuft dann entsprechend weiter. Durchgesetzt hat sich dieses Prinzip nicht nur deswegen nie, weil der Produktionsaufwand für alle möglichen Szenen eines sich immer weiter verzweigenden Entscheidungsbaums irgendwann etwas unübersichtlich wird, sondern auch, weil bestimmte Geschichten gar nicht immer wieder in verschiedene Richtungen gezogen werden wollen. Selbst Videospiele, die dieses Prinzip zum Teil umgesetzt haben, bieten oft nur Pseudo-Entscheidungen an.

Alien: Covenant, das haben viele Kritikerinnen und Kritiker angemerkt, wirkt als Ganzes so, als würde es bei einer solchen Entscheidung innerhalb der größeren Alien-Saga auf der Stelle treten. Als recht direktes Sequel zu Prometheus nimmt des die Handlungsfäden rund um den Androiden David und die “Engineers”, die außerirdische Rasse, die eventuell die Menschheit geschaffen hat, auf, führt eine Raumschiffcrew auf den Engineer-Heimatplaneten und deutet weitere große Fragen an, die Regisseur Ridley Scott rund um Schöpfer und ihre Geschöpfe zu beschäftigen scheinen. Covenant macht aber auch das ursprüngliche Monster wieder zum Gegenspieler, den sogenannten Xenomorph, der sich in drei Evolutionsstufen (Ei, Facehugger, Xenomorph) mit Hilfe menschlicher Wirte zum tödlichst denkbaren Organismus entwickelt. Und er scheint sich nicht so recht entscheiden zu können, welche Geschichte er erzählen will.

Mythologie, Schmythologie

Kein Wunder, wenn man auf die Entstehungsgeschichte des Films schaut: Scott wollte ursprünglich auf genau dem Weg weitergehen, den er mit Prometheus beschritten hatte. Er wollte die mythologischen Fragen hinter seinem ursprünglichen Alien-Film erforschen. Wo kommen die Aliens her? Wer hat sie geschaffen? Welche Beziehung haben sie zur Menschheit? Drehbuchautor John Logan, und sicher auch die Marketing-Abteilung des Studios, drückten Scott jedoch stärker zurück zu den Wurzeln des Franchises – Menschen werden in einem Raumschiff, oder auf einem Planeten, von fiesen Kreaturen verfolgt. Mythologie, Schmythologie.

In der Kritik wurde die daraus resultierende Unentschlossenheit des Films, in der das Alien zwar irgendwie alle klassischen Verfolgungssituationen wie einen Parcous durchläuft, der eigentliche Gegenspieler aber der Größenwahn von David ist, entsprechend aufgenommen. Entweder nervte der epische Sci-Fi-Überbau – Glen Wheldon fasste im NPR-Podcast Pop Culture Happy Hour zusammen, alles, was er von einem Horrorfilm Marke Aliens wissen müsse sei “There are beasties”, der Rest sei überflüssig – oder das halbherzig eingefügte Alien, ohne das der Film vielleicht besser gewesen wäre. Die Unentschlossenheit an sich ist aber das Resultat einer wichtigen Frage, die sich im Franchise-Zeitalter immer häufiger stellt: Wie, zum Teufel, hättet ihr eigentlich gerne eure Sequels?

Prozedur oder Welt

Denn im Grunde liefert Alien: Covenant in einer Art Meta-Prozess zwischen denen, die die Filme machen und denen, die sie rezipieren, eine Auswahlmöglichkeit, die beinahe an die anfangs erwähnten interaktiven Filme erinnert. Wollt ihr, liebe Zuschauerinnen und Zuschauer, lieber, dass jeder Film das Grundprinzip des Originals unangetastet lässt, und es nur ad nauseam in neue Kontexte setzt, wie es jahrzehntelang bei Fortsetzungen üblich war? Oder wollt ihr, dass sich Filmemacherinnen und Filmemacher tatsächlich überlegen, welche Geschichten sich innerhalb der etablierten Diegese außerdem erzählen lassen – auf die Gefahr hin, dass sich der Fokus der späteren Filme verschiebt? Liegt die Essenz des Films in seinen prozeduralen Eigenheiten – am Anfang eine Leiche, am Ende eine Verhaftung; oder eben am Anfang ein Alien, am Ende ein Final Girl – oder in der Welt, die er erschafft?

Immer mehr Filme geben heute die zweite Antwort, genau wie auch immer mehr Fernsehserien die zweite Antwort geben und sich vom starren Festhalten an bestimmten Konventionen lösen, gerade wenn sie von Streamingdiensten produziert werden (z. B. Master of None oder BoJack Horseman). Mit Bezug auf die Planet of the Apes-Filme habe ich hier im Blog mal festgehalten, dass sich erfolgreiche Prequels (und Covenant ist ein Prequel) eher durch Weltöffnung, visuelle Motive, und entscheidende narrative Momente auszeichnen als dadurch, Plotlöcher eng zu schließen oder Bekanntes zu wiederholen.

Alien: Covenant versucht, beide Antworten auf einmal zu geben und scheitert wahrscheinlich – je nachdem, wer zuschaut – immer mindestens mit einer von beiden. Ich persönlich mochte Scotts philosophisches Geschwurbel und die Welt, die er dafür entwirft. Covenant macht Prometheus sogar im Rückblick besser. Aber ich weiß, dass ich damit eher in der Minderheit bin.

Wie hättest du gerne deine Fortsetzungen?

Vier Filme, Vier Regisseure – Wieviel Autorenschaft verträgt ein Franchise? (mit Infografik)

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Weil Franchise-Filme immer mehr den Mainstream-Hollywood-Betrieb übernehmen, stellt sich zunehmend die Frage, inwiefern Regisseure mit einer deutlichen individuellen Handschrift in das System hineinpassen. Schließlich versuchen die großen Studios seit der Blockbuster-Ära immer wieder, “besondere” Regisseure für ihre Filmreihen zu gewinnen, um aus einem generisch erscheinenden Instrument einzigartige Noten herauszukitzeln.

Solche Experimente können gelingen. Manch ein Regisseur scheint so gut zu einem Franchise zu passen, dass man es zeitweise ganz und voller Enthusiasmus mit seinem Stil identifiziert – man denke an die Batman-Filme von Tim Burton und Christopher Nolan oder die Bourne-Episoden von Paul Greengrass. Es gibt Fälle, bei denen einzelne Filme aus einer Reihe positiv herausstechen, gerade weil sie individuell gefärbt sind – Alfonso Cuaróns Harry-Potter-Beitrag.

Sie können aber auch nach hinten losgehen. Marc Forster und das James-Bond-Franchise waren in Quantum of Solace bespielsweise eindeutig kein gutes Paar. Und auch über die Chemie von Ang Lee und Hulk lässt sich sicherlich diskutieren.

Interessant ist, dass uns die Filmgeschichte gleich zwei langlebige Franchises geschenkt hat, denen kein einzelner Regisseur seinen Stempel aufdrücken konnte. Im Gegenteil: Ihr Merkmal ist es beinahe geworden, dass sie versuchen, ihr Quellenmaterial mit jeder Folge durch neue Augen zu sehen – und durchaus nicht durch irgendwelche Augen. Sowohl Alien als auch Mission: Impossible bestehen (bisher) aus jeweils vier Filmen, inszeniert von vier Regisseuren, die meisten von ihnen namhaft und innerhalb des Hollywoodsystems auch als “Autoren” anerkannt.

Mich interessierte, ob man die individuelle Prägung eines Films mit dessen finanziellen Erfolg korellieren kann. Und ich nehme es gleich vorweg: die relativ banale Antwort lautet Nein. Während dem Alien-Franchise zuviel Autorenschaft eindeutig geschadet hat, konnte Tom Cruises Actionfilmserie mit ihrem untypischsten Film am meisten Geld scheffeln:

Auf der Y-Achse der Grafik findet sich das US-Einspielergebnis der jeweiligen Filme, hochgerechnet auf heutige Ticketpreise. Auf der X-Achse ein von mir vergebener “Autoren-Index”, der ausdrücken soll, wie stark der Film von seinen Machern geprägt ist und wie speziell er sich dadurch anfühlt. (Update, 23.9.: Der Index ist mit Humor zu nehmen)

Aber der Reihe nach:

Der Prototyp

Grundsätzlich sollte man festhalten, dass Franchising nur dann möglich scheint, wenn der Ursprungsfilm nicht schon so speziell ist, dass man sich schwer vorstellen kann, den Stoff in eine neue Richtung zu drücken. Dass aus David Lynchs Dune nie eine Filmserie wurde, ist sicher kein Zufall.

Sowohl Ridley Scotts Alien als auch Brian De Palmas Mission: Impossible besitzen genug Individualität, um aus dem Einheitsbrei Hollywoods herauszustechen, sie gehören aber beide nicht unbedingt zu den persönlichsten Filmen der beiden Regisseure. Alien ist etwa längst nicht so introspektiv wie Blade Runner und Ridley Scott noch relativ unerfahren. Und Brian De Palma hatte gerade mit Carlito’s Way quasi Scarface II gemacht und war vielleicht ganz froh, mal wieder einen richtigen Hollywood-Mainstream-Film zu inszenieren.

Beide Filme trafen jedenfalls eine Art Sweet Spot, der sie nicht nur zu großen Geldmaschinen machte, sondern auch zu Startrampen für erfolgreiche Fortsetzungen.

Der Topper

Die Fortsetzung muss immer größer sein als das Original. Auch in diesen beiden Franchises trifft diese Regel gnadenlos zu. James Cameron machte aus Scotts klaustrophobischem Horrorthriller ein gigantisches Science-Fiction-Action-Spektakel und schuf damit den in Fankreisen wohl beliebtesten, weil (sind wir mal ganz ehrlich) wichsvorlagigsten Film der Serie (nicht sexuell, nur in Sachen Ballerei und genereller Badassery). Und John Woo drehte in M:I-2 einfach alle Verstärker auf Elf und verwandelte De Palmas Spionage-Vexierspiel in ein relativ sinnfreies Explosionsfest mit Tauben.

Beide Filme gehören zu den bestverdienensten Instanzen ihrer Serien, doch dahinter scheint mir eher die positive Erwartungshaltung an eine Fortsetzung zu liegen als individueller Stilwille. Denn während De Palmas Film eindeutig eine deutliche Abkehr vom Prototypen darstellt und sogar dem Protagonisten einen völlig neuen Look verpasst, ist Camerons Anpassung subtiler und vor allem auf der thematischen Ebene zu finden.

Der Mutige

Wenn man als Filmstudio zweimal hintereinander erfolgreich war, scheint sich beim dritten Mal der Drang breitzumachen, etwas Neues zu versuchen. Bei den beiden Franchises in diesem Artikel führte das jeweils zu einem deutlich erfolgloseren, vielleicht aber auch zum interessantesten Film der Serie.

David Finchers Alien 3 ist mittlerweile einer dieser Legendenfilme. Der erste Spielfilm eines mittlerweile als genial verehrten Regisseurs, der im Kampf um die kreative Kontrolle zerrieben wurde. Für eine Neubewertung lohnt es sich, den Videoessay “The Unloved” anzusehen und ich persönlich liebe seinen Stil, doch es lässt sich nicht abstreiten, dass der Film innerhalb des Alien-Kosmos nur bedingt funktioniert.

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Mission: Impossible 3 ist ebenfalls ein Spielfilmdebüt, und zwar von J. J. Abrams. Abrams kam vom Fernsehen und ist hier eindeutig noch auf Bewährung – seine inzwischen legendären Lens Flares etwa sind sehr spärlich eingesetzt. Ähnlich wie Cameron bei Aliens schafft es Abrams aber, sich der Serie inhaltlich überzustülpen. Das Kurtzman-Orci-Abrams-Drehbuch ist eine typische Mystery Box, gleichzeitig ist Ethan Hunt hier erstmals ein Familienmensch (eigentlich ungewöhnlich für eine so chamäleonhafte Figur) und sein Gegenspieler ist ein nihilistischer Businessman/Killer.

Der Vierte

Ein Franchise muss schon sehr erfolgreich sein, damit es auf vier Filme kommt. In den hier untersuchten Fällen entschied der vierte Film darüber, ob es weitere Fortsetzungen geben würde – wie im Fall von Mission: Impossible oder ob nicht eher ein Reboot angesagt wäre, wie bei Alien.

Alien: Resurrection ist eine so merkwürdige Kreatur, wie man sie nur selten findet. Die Markenzeichen von Drehbuchautor Joss Whedon und Regisseur Jean-Pierre Jeunet springen einen geradezu an. Die Einstellungen, Farbwelten und das Knautschgesichter-Casting von Jeunet; die Dialogzeilen und Figurenkonstellationen von Whedon. Aus der Schizophrenie von Drehbuch und Regie – Whedon hat mehrfach öffentlich erklärt, dass Jeunet seine Worte völlig falsch interpretiert hat – ergibt sich eine zwar filmwissenschaftlich interessante Spannung, aber leider kein wirklich guter Film, der entsprechend auch an den Kinokassen völlig versagte.

Während Alien also immer seltsamer wurde, ging Tom Cruise den Weg der Konsolidierung. Ghost Protocol, der vierte der Mission-Filme, ist vor allem solide. Brad Bird in seinem ersten Realfilm kadriert und erzählt präzise, sorgt für einige spektakuläre Setpieces und schafft damit einen gelungenen Actionthriller, aber “besonders” ist der Film eher nicht. Das wichtigste aber: er war erfolgreich genug, um einen fünften Film hervorzubringen. Mission: Impossible 5 unter der Regie von Christopher McQuarrie soll nächstes Jahr ins Kino kommen.

Alien hingegen kehrte mit Prometheus schließlich an seine Wurzeln zurück – zu Regisseur Ridley Scott und zu einer Zeit vor dem ersten Film. Das Ergebnis war durchwachsen. Sigourney Weaver, die ähnlich wie Tom Cruise irgendwann die treibende Kraft hinter den Filmen wurde, hat zum Ausdruck gebracht, dass sie Ellen Ripley gerne noch ein würdigeres Ende verschaffen würde. Sie müsste nur den richtigen Regisseur dafür finden. Die Frage bleibt aber: Wieviel Individualismus braucht es dafür?