Als sich die frisch enttarnte Bobbi Morse (Adrianne Palicki) im SHIELD-Hauptquartier umsieht und auf ihren alten Kumpanen Alphonso “Mac” Mackenzie (Henry Simmons) trifft, entsteht ein wunderbarer Moment, der den gesamten Geist des Marvel-Universums zu enthalten scheint. Die beiden umarmen sich und das erste, was ihnen einfällt, ist irgendein schräger Insiderwitz, den keiner um sie herum versteht – außer warscheinlich Lance Hunter, der wenige Sekunden später den Raum betritt und seiner Ex-Frau gegenübersteht.
Der Moment erinnert an die brillante Szene in Edgar Wrights Shaun of the Dead, in der Shaun und seine kleine Zombie-Flüchtlingsfamilie in einer Schrebergartensiedlung auf eine andere Truppe treffen, die ebenfalls vor den Zombies flieht und fast exakt gleich besetzt ist. Als Zuschauendem wird einem in diesen Augenblicken bewusst, dass man mit den Erzählsträngen, denen man durch einen Films oder eine Serie folgt, immer nur einen winzigen Ausschnitt der Welt zu sehen bekommt, in der die Geschichte spielt. Bobbi, Mac, Hunter und die verstorbene Isabelle Hartley sind eine eingeschworene Truppe, genau wie Skye, Fitz-Simmons, Ward und May es waren, und ganz sicher haben sie im letzten Jahr eigene Abenteuer erlebt, die wir nie zu sehen bekommen werden. Das besondere des Universums-Gedankens, den Marvel vom Comic in Film und TV übertragen hat, ist, dass man stärker als je zuvor das Gefühl hat, diese Abenteuer seien tatsächlich passiert – weil man bereits so viele andere Geschichten erzählt bekommen hat, die im gleichen Universum spielen. Unterschiedliche Perspektiven auf gleiche Ereignisse sehen durfte. Völlig unabhängig von schwachen Drehbüchern, mauer Inszenierung und langweiligen Sets: das Universum selbst bleibt die größte Stärke des Marvel Cinematic Universe.
Der große Twist
Morses Enttarnung als Undercover-Agentin unter den Hydranten ist der große Twist der Folge, auf den auch der Titel “A Hen in the Wolf House” anspielt. Die Enthüllung kommt tatsächlich einigermaßen überraschend, weil Palickis Auftreten als eiskalte, Jackett tragende Nazibraut zuvor durchaus überzeugend anmutet. Verdacht hätte man schöpfen sollen, wenn man sich anschaut, wie behämmert Morses Fußtruppen im Vergleich aussehen, mit ihren Fahrradhelmen und Spritzschutz-Brillen, die sie absurderweise auch in geschlossenen Gebäuden tragen. Dem Comic-Paradigma, dass äußerst bedrohliche und unglaublich schurkische Vereinigungen sich immer dann, wenn es drauf ankommt, durch Inkompetenz und albernes Äußeres identifizieren lassen, kann man in Agents of SHIELD einfach nicht entkommen.
Das gleiche Prinzip gilt auch für die andere Schlüsselszene der Folge, in der wir Skyes Vater endlich besser kennenlernen. Er ist ein “Doc” der dubiosen Agententhriller-Spezies, die bevorzugt in schlecht beleuchteten und ganz sicher nicht sterilen Kellerräumen operieren, wo sie flüchtigen Kriminellen Schuss- und andere Kampfwunden verbinden. Kyle MacLachlan hält sich in dieser Szene nicht zurück, sondern zieht sämtliche Register des Grand Guignol diesseits eines schallenden Bösewicht-Lachens. Passenderweise fällt ausgerechnet (und ausschließlich) grünes Licht durch das kleine Fenster seiner OP-Kaschemme, das in genau jenem Moment die Hälfte seines Gesichts bescheint, als sich aus den Dialogen erschließt, dass “Doc” wohl eine Art Jeckyll-und-Hyde-Problem hat. Subtil ist das wahrlich nicht, aber es lässt jede Menge Raum für Spekulation. Kyle MacLachlan als eine Art Hulk? Wer möchte das nicht sehen? Ich hoffe natürlich heimlich, dass er sich bei Kontrollverlust in Agent Dale Cooper verwandelt.
Illegal Aliens
Wahrscheinlicher, soweit reicht sogar mein Marvel-Wissen inzwischen, ist aber wohl, dass der “Doc” irgendetwas mit Skrulls, Inhumans oder anderen Außerirdischen zu tun hat. Die haben auch farbige Haut und würden sowohl zur “kosmischen” Dimension des Marvel-Katalogs passen, die Guardians of the Galaxy gerade weit aufgerissen hat, als auch zu Coulsons Vermutung, Skye könnte Alien-DNS besitzen und habe deswegen anders auf das extraterrestrische GH-Serum reagiert als Coulson und Garrett. Wenn Skye dann am Ende der Folge noch feststellt, dass die Zeichnungen, die Coulson impulsiv anfertigt, eine außerirdische Karte sein könnten, scheinen sich langsam einige Puzzlestücke zusammenzufügen, die Großes für den Rest der Staffel erahnen lassen.
Die gesamte restliche Handlung der Folge rund um Raina, die sich zwischen drei Bedrohungen – durch Whitehall, durch Skyes Vater und durch SHIELD – entscheiden muss, fällt bei solch kosmischen Andeutungen fast ein bisschen unter den Tisch. Dennoch liefert Ruth Negga wieder einmal eine der überzeugendsten Performances ab und es wird spannend sein, zu sehen, wie es mit ihr weitergeht. Immerhin sorgt sie für genug Ablenkung, damit Skye sich auf eigene Faust aufmachen kann, um ihrem Vater gegenüberzutreten. Das weiß dieser zwar zu verhindern, aber der finale Moment, in dem die so hart gewordene Skye plötzlich doch unter all den merkwürdigen Gefühlen zusammenbricht und Coulson in die Arme fällt, ist ein selterner und schön gespielter Moment der Menschlichkeit in all den artifiziellen Comic-Kulissen, die die Serie ausmachen.
Beste Szene: Fitz und Simmons durchleben spiegelbildlich homoerotische Momente beim betrachten von Mac (“he certainly has an impressive physique”) bzw. Bobbi (“she’s amazing”).
Bester Dialogsatz: “I was a fat baby”, Lance Hunter, One-Liner-Kanone, beim Betrachten des cherubischen Jesuskindleins auf dem gestohlenen Bild
Note: 2
One thought on “Recap: Agents of SHIELD – Season 2, Episode 5 “A Hen in the Wolfhouse””