(Dieser Text ist eine Minimaladaption des Skripts, das ich für die aktuelle Folge des Podcasts “LÄUFT” geschrieben habe, den ich für epd medien und Grimme-Institut produziere. Ihr könnt diese Kritik – mit den entsprechenden Ausschnitten – also auch hören.)
Hat euch schon mal jemand eine Serie empfohlen mit Worten wie “Durch die ersten Folgen musst du dich etwas durchbeißen, aber dann wird es doch noch ganz gut?” So fühle ich mich ein bisschen mit Hitze, dem neuen Podcast aus dem Hause TRZ Media, bekannt durch Boys Club über den Springer Verlag, und coproduziert mit dem RBB. Ich kämpfe noch damit.
Es geht in Hitze um die “Letzte Generation”, die umweltaktivistische Gruppierung, über die spätestens seit einem Jahr bundesweit heftig diskutiert wird. Bevor ich tiefer in die Kritik einsteige, so fängt der Trailer an:
Daphne Ivana Sagner: Die letzte Generation stört. Sie ist eine der umstrittensten Protestgruppen, die es momentan in Deutschland gibt. Mit ihrem Protest rückt die Gruppe in den Brennpunkt der Debatten über Verantwortung und Klimakrise. Darüber, was getan werden muss und was lieber gelassen werden sollte. Und wir begeben uns genau in diesen Brennpunkt.
O-Ton-Collage: “Hey Daphne, sorry für die späte Rückmeldung. Mir geht es gerade so mittelprächtig irgendwie.” – “Man opfert sich da tatsächlich auf.” – “Das war so unvorstellbar für mich, dass durch diesen politischen Protest jemand mein Leben bedroht.” – “Also bei der Vorstellung irgendwie wieder in so einer Zelle eingesperrt zu sein, schnürt sich bei mir der Magen zu.” – “Boah, das machen wir eigentlich? Säen wir gerade einfach Hass?”
Daphne Ivana Sagner: Ich bin Daphne-Ivana Sagner, Reporterin aus Hamburg. Für den neuen Podcast Hitze von TRZ Media und RBB habe ich gemeinsam mit der Klima-Journalistin Céline Weimar-Dittmar recherchiert und die letzte Generation für ein halbes Jahr begleitet. Wir schauen uns an, wie so ein Leben im Kampf ums Klima funktioniert und was es mit allen Beteiligten macht.
Ich gebe zu: Ich habe sie selbst schon gestellt, aber die Frage “Was macht das mit Ihnen?” oder “… mit uns?” gilt inzwischen als eine der nervigsten Fragen im Journalismus überhaupt. In Hitze wird sie immer wieder direkt oder indirekt gestellt, zusammen mit ihrer Kusine “Ist es das wert?” Das Problem für mich: Ich finde, die Frage wird kaum beantwortet. Sie wird wenig eingeordnet. Es scheint über die Fragen hinaus keine echte These zu geben, mit der die Autorinnen Daphne Ivana Sagner und Céline Weimar-Dittmar ihre Recherche vorstellen möchten.
Ein Thema in einzelnen Aspekten
Es gibt einen Trend in aktuellen Storytelling-Podcasts, Recherchen nicht mehr linear zu erzählen. Also von Anfang bis Ende, wenn auch natürlich mit einer Dramaturgie, die bestimmte Informationen erst an strategischen Punkten offenlegt, um bestimmte Wendungen in der Geschichte interessanter zu machen.
Stattdessen wird das Thema in einzelne Aspekte zerlegt. Jede Folge blickt dann durch diese bestimmte Brille auf das Phänomen im Zentrum. Ich kann nicht sagen, ob das eine Verkaufs-Strategie ist, weil dadurch einzelne Podcastfolgen auch isoliert leichter zu hören und zu teilen sind. Ob die Recherche sich so besser strukturieren lässt. Oder ob es schlicht nicht immer eine lineare Geschichte gibt, die sich von Anfang bis Ende erzählen lässt. Manche Sachverhalte entziehen sich unserem Bedürfnis nach “Storytelling” ja auch einfach. Diese Strategie kann sehr gut funktionieren. Der viel gepriesene Podcast The Retrievals von Serial Productions aus diesem Sommer arbeitet zum Beispiel so. Und Hitze eben auch.
Die erste Folge, zum Beispiel, heißt “Zuhause”. Sie stellt zwei Menschen vor, die sich der “Letzten Generation” angeschlossen haben. Sie schildert, dass das nicht nur ihr Leben verändert, sondern auch ihr Umfeld in Mitleidenschaft gezogen hat. Eine Hausdurchsuchung beim Vater eines Mitglieds. Eine Tochter, die Weihnachten im Gefängnis verbringen muss. Und am Ende der Folge, in Bezug auf die Aussage einer Aktivistin in einem Video – dies:
Da ist eine junge Frau – wahrscheinlich mein Alter – Und die setzt sich freiwillig dieser massiven Gewalt aus. Was bedeutet es, wenn man alles aufgibt für eine Sache, für die man so sehr brennt. Wenn man seine Gesundheit, Beziehungen zur Familie und zu Freund*innen aufs Spiel setzt – wenn man so viel Hass auslöst und abbekommt? Was muss man wirklich opfern, um die Zukunft zu sichern? Und ist es das wirklich wert?
Ja, was? Was muss man dafür opfern? Ist es das wert? Die Folge hat diese Fragen jedenfalls nicht beantwortet. Nach bisher vier veröffentlichten von sechs angekündigten Episoden ist es nach wie vor unklar, ob sie noch beantwortet werden. Aber: wenigstens den Versuch einer Antwort – durch die Recherche, durch die Auseinandersetzung mit dem Thema – wünsche ich mir als Hörer nach wie vor.
Doch ich habe ja schon gesagt: Es wird besser. Die Reportage-Elemente von Hitze, die gleichzeitig erklärend versuchen, die zentrale Strategie der “Letzten Generation” aufzudröseln, haben ihren Reiz. In Folge zwei, Titel: “In den Medien”, sind die Reporterinnen bei einer Aktion in Berlin direkt dabei und fangen erst die höfliche Interaktion mit der Polizei vor Ort ein, dann die etwas enttäuschte Reaktion der Aktivist:innen direkt im Anschluss, und schließlich das enorme mediale Echo in den Tagen darauf. Ein überraschender Kontrast.
Folge drei präsentiert das juristische Vorgehen der “Letzten Generation”. Wie sie immer wieder ganz gezielt versuchen, überforderte Richterinnen und Richter davon zu überzeugen, dass ihre Aktionen aufgrund der Bedrohung durch eine bevorstehende Klimakatastrophe gerechtfertigt sind. Folge vier beschreibt eindrücklich die an Sekten erinnernde Rekrutierungsstrategie der Bewegung, die sehr stark mit Emotionalisierung arbeitet, und mit einer gruseligen Direktive: Mitglieder sollen der aktvistischen Arbeit alle anderen Lebensprioritäten unterordnen.
Tiefe und Flachheit
Diese erklärenden Teile des Podcasts sind faszinierend und erhellend. Sie bieten tatsächlich einen Blick auf die “Letzte Generation”, der anders und näher dran ist als die übliche Berichterstattung.
Leider wechseln sich diese analytischen Reportage-Elemente immer wieder ab mit Sprecherinnentext, in denen jede Tiefe prompt wieder verloren geht. Der Tonfall erinnert mich an die jungen Reportage-Formate der ARD auf YouTube, die ja auch immer wieder in der Kritik stehen, weil sie sich so oft auf den Blickwinkel ihrer Reporter:innen-Hosts beschränken und größere Einordnungen vermissen lassen, die es häufig bereits gibt. Es reicht eben nicht, daneben zu stehen, und im Grunde zu sagen, dass das alles schon irgendwie ziemlich krass ist.
Hier ist ein Beispiel vom Ende der zweiten Folge, in der es wie erwähnt um die mediale Strategie und die Wirkung der “Letzten Generation” in der Öffentlichkeit geht:
Wie wir über sie reden, wie wir mit ihnen umgehen, das sagt vielleicht mehr über uns aus, als über sie. Und vielleicht können sie auch nur deshalb so eine extreme Ablehnung hervorrufen – eben weil sie einen wunden Punkt treffen. Ok, das klingt vielleicht erstmal nach einer gewagten These, aber ich finde da ist was dran: Natürlich nervt es, wenn du wegen einer Klebeaktion stundenlang im Stau stehst. Besonders, wenn du zu spät zu einem wichtigen Termin kommst. Aber es ist schon besonders, dass die Straßenblockaden so viel Wut auslösen. (Folge 2, S. 13)
Hier ist eine gewagte These von mir: Wenn man selbst dazu sagen muss, dass etwas eine “gewagte These” ist, ist die These vermutlich nicht so gewagt. Zu erkennen, dass die Aktionen der “Letzten Generation” deswegen so provozieren, weil sie unser eigenes schlechtes Gewissen berühren, sollte eigentlich der Beginn eines Denkprozesses sein, nicht bereits dessen Schlussfolgerung. Was folgt daraus? Das möchte ich wissen.
Mag sein, dass hier in den zwei verbleibenden Folgen noch mehr nachgeliefert wird. Einige O-Töne und vorausschauende Sätze, die zwischendurch schon zu hören waren, deuten das an. In der jüngsten Folge zeigen die Autorinnen erstmals eine klare Haltung. Aber es würde mich nicht überraschen, wenn die Erkenntnis am Ende dennoch eher oberflächlich bleibt.
Zugegeben: Bisher war jede neue Folge besser als die vorhergehenden. Die Erfahrung lehrt aber: Serien, bei denen die ersten paar Folgen schon deutliche Schwächen haben, werden manchmal noch ganz okay. Plötzlich noch richtig gut werden sie aber selten.
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