Wer? Wie? Buzz?, I Will Survive, Systemeinstellungen, Milli Vanilli – Vier Podcast-Kurzkritiken

Ein neuer Kinderpodcasts. Drei neue Dokus aus ganz unterschiedlichen Häusern.

Wer? Wie? Buzz! (Spiegel)

Total super finde ich die Idee, die Zielgruppe (Kinder im Mittelschulalter) selbst an den Drücker zu lassen und ihnen die Möglichkeit zu geben, Themen abzuwählen oder Nachfragen zu stellen. Merkwürdiger finde ich den Wettstreit zwischen den Moderator:innen um Redezeit (mit reinrufendem Schiedsrichter und sehr dehnbaren, unsichtbaren Regeln) – aber eventuell ist genau sowas ein Feature, was langfristig die parasoziale Beziehung zum Podcast sicherstellt. Wer gewinnt wohl diese Woche? Was ist der Wetteinsatz? Zu lernen gibt es, wie immer, auch viel für Erwachsene. In meinem Fall hat es außerdem zwei Tage gedauert, bis ich das Wortspiel im Titel kapiert habe.

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I Will Survive – Der Kampf gegen die AIDS-Krise (BR)

Was gibt es hier noch zu erzählen, möchte man meinen. Doch das Team hat mehrere sehr gute Protagonisten gefunden, einen starken, sogar regionalen Hook (Freundschaft mit Freddie Mercury in seiner Münchner Zeit) für den Anfang und eine klar formulierte Haltung des Hosts Phillip Syvarth, der selbst zu wenig weiß und erfahren will, auf wessen Schultern er als schwuler Mann heute steht. Durch die persönlichen Geschichten wird das ganze Grauen und die Angst der Zeit gut erlebbar ohne in übermäßige Betroffenheit abzudriften. 

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Systemeinstellungen (netzpolitik.org)

Grundsätzlich erstmal genial, dass auch ein Indiemedium wie Netzpolitik.org einen solchen Podcast produzieren kann. Die Fälle sind gut strukturiert und lebendig geschildert, dabei bordet das Scoring vielleicht manchmal ein bisschen über, aber das kann auch Geschmackssache sein. Was ich mich frage: Führt die Beschreibung der Fälle am Ende noch irgendwohin? Gibt es Lösungsvorschläge oder einen klaren Appell, etwas zu ändern? Oder bleibt es bei der reinen Benennung von (aus Sicht der Autoren) Missständen?

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Milli Vanilli: Ein Popskandal/Blame It On The Fame (Wondery)

Wenn ich eine Dokumentation auf einem Privatsender sehe, erwarte ich etwas anderes, als im öffentlich-rechtlichen Fernsehen, und im Podcast dividiert es sich langsam ähnlich aus. “Blame it on the Fame” ist gewissermaßen die Podcast-Version einer RTL-Doku. Viel Drive, viel Production Value (nicht zuletzt: zwei Sprachen), aber auch viel Oberfläche. Auf keinen Fall schlecht, aber auch nichts für Nerds. Und: Was es für einen Unterschied in der Wirkung macht, ob eine Reporterin mit einer Mission ihre eigene Recherche hostet, wie in der Originalfassung, oder eine dazugeholte Person, die zwar vom Profil her passt, aber halt doch mit der Geschichte nichts zu tun hat. Mutig und gut finde ich die Entscheidung, in der deutschen Fassung alle englischen O-Töne stehenzulassen und nur zusammenfassend zu übersetzen.

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Rest in Exzess, Diagnose: Unangepasst, Vollkontakt, Wir Weltmeister – Vier Podcast-Kurzkritiken

Die Höreindrücke sind zurück. Hier wieder eine erste Meinung zu vier neuen Podcasts, in die ich reingehört habe.

Rest in Exzess – Das kurze Leben von Techno-Legende Mark Spoon (HR/ARD Kultur)

Ich habe an anderer Stelle bereits darüber gesprochen, warum ich denke, dass hier eine Geschichte ohne genug dramatische Kraft auf fünf Folgen gestreckt wurde und sich im Ergebnis erschreckend dünn anfühlt. Außerdem das krampfhafte Installieren einer Co-Host, das eindeutig nicht funktioniert. Meine Vermutung: Ich glaube, hier wurde schlecht geplant. Es gab halt Geld für einen Podcast mit fünf Folgen, also musste es dann auch einer werden. Immer wieder faszinierend, wie Formatierungsdiktate auch in zunächst scheinbar unformatierten Medien ankommen.

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Diagnose: Unangepasst – Der Albtraum Tripperburg (MDR)

Ich hatte noch nie das Gefühl, dass in einem Projekt das Beste und das Schlimmste von Doku-Podcasts so sehr aufeinandertreffen. Einerseits haben die Autorinnen hier eindeutig ein unterberichtetes Thema aufgetan und es sehr sorgfältig recherchiert. Die Aussagen ihrer Interviewpartnerinnen sind schockierend und berührend. Es war höchste Zeit, dass dieser DDR-Abscheulichkeit und ihren Opfern größere Aufmerksamkeit zuteil wird. Andererseits muss es doch möglich sein, bei solchen Projekten einfach der Kraft einer journalistischen Recherche zu vertrauen, statt in der Präsentation alles mit Sounddesign, (beeindruckend eingespielter) Musik und vor allem mit völlig überflüssigen Ich-Bezügen der Hosts (“Ich stelle mir vor, mir würde das passieren, total krass”) emotional “aufzufüllen”. Sehe nur ich das so?

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Vollkontakt (ACB Stories)

Ich hatte mich schon darauf eingestellt, mal wieder einen “Ich bin alt und hier eindeutig nicht die Zielgruppe”-Beitrag zu schreiben. Aber die Kombi aus sehr albernem Quatsch und tieferen, von eigenen Erfahrungen und Gedanken geprägten Diskussionen von Don Pablo Mulemba (den ich ja aus “Springerstiefel” kannte) und Hakan Halaç hat mir wirklich gut gefallen. Laberpodcasts darf man wirklich endlos iterieren, bis für jeden einer gefunden ist.

Wir Weltmeister – Auf der Suche nach 2014 (NDR)

Als jemand, der sich wenig (aber immer mal wieder) für Fußball interessiert, war ich hier erstaunlich schnell an Bord. Tiefer Zugang zu den Protagonisten trifft auf eine klare Fragestellung. Der Ton pendelt zwischen leicht und ernst, verliert aber die zentrale Frage (Wie war das damals und was ist passiert?) nicht aus den Augen. Dazu gibt es immer die richtigen Töne aus dem Archiv. Dass “Wir Weltmeister” ein TV/Podcast-Hybridprodukt ist, merkt man manchmal ein bisschen, aber der Podcast kommt einem nicht wie eine Zweitverwertung vor. (Nachtrag: Hab mich gefreut, dass Marc Krüger parallel die gleichen Gedanken hatte.)

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Ein Bonus-Höreindruck: Durch das Interview von Su holder mit Anne Will habe ich angefangen, ihren Podcast “Politik mit Anne Will” zu hören. Ich finde ihn gut und fokussiert und habe ihn aktuell in meine Wochen-Rotation aufgenommen.