Blick in die Blogosphäre: Andrea David schreibt über Filmreisen

Bitte mal Handzeichen, wer im Urlaub schon einmal einen Umweg gemacht hat, um bei einem Filmdrehort vorbeizufahren? Oder sogar einen Urlaub nur gebucht hat, weil er den Ort im Film gesehen hat. Andrea David hat daraus ihren Beruf gemacht, sie nennt es “Setjetting”. Mit ihrem Blog Filmtourismus.de, in dem sie Drehorte und deren touristische Erschließung sammelt, hat sie eine echte Nische entdeckt und ist damit – irgendwo zwischen Geek-Journalismus und Reise-PR – recht erfolgreich. Diese völlig andere Herangehensweise ans “Filmbloggen” fand ich von Anfang an so faszinierend, dass ich Andrea unbedingt ein paar Fragen stellen wollte. Per E-Mail hat sie mir erzählt, wie sie zu dem Projekt kam, wie sie sich vorbereitet und wo sie noch hinmöchte.

Kannst du erzählen, wie du zum Bloggen gekommen bist und dann dazu, dich genau so zu spezialisieren, wie du es getan hast?

Als ich auf das Thema Filmtourismus kam, hatte ich mit Bloggen noch überhaupt nichts am Hut. Ich habe Tourismusmanagement studiert und war auf der Suche nach einem spannenden Thema für meine Diplomarbeit. Inspiriert wurde ich durch eine Reise nach Schottland, bei der ich eher zufällig auf bekannte Filmdrehorte aus Highlander, Braveheart und Ritter der Kokosnuss stieß. Zur gleichen Zeit warb auch Neuseeland für sich als “Mittelerde”. Mich faszinierte vor allem, wie die Filmbilder den Orten eine neue Story und damit auch Bedeutung gaben. In Deutschland gab es dazu fast keinen wissenschaftlichen Stoff und so entschied ich mich, in meiner Arbeit den Einfluss von Filmen und Serien auf unsere Reiseentscheidungen untersuchen, machte Umfragen im Kino usw.

Während ich meine Diplomarbeit schrieb und Beispiele dazu sammelte, kam ich schließlich selbst auf den Geschmack, hin und wieder gezielt Filmdrehorte zu besuchen. Im Laufe der Zeit haben sich durch mein neues Hobby sehr viele Infos angehäuft, die ich irgendwann online mit anderen Filmfans teilen wollte. So entstand bereits vor einigen Jahren unter filmtourismus.de eine kleine Datenbank mit Drehortinfos. Erst seit anderthalb Jahren berichte ich auf der Seite auch über meine Reisen.

Du bist ja eher Reisebloggerin mit Filmschwerpunkt als umgekehrt. Bedeutet das was? Wie sehr siehst du dich überhaupt als Filmgeek?

So hundertprozentig passt mein Blog wohl in keine Schublade. Aber das ist auch nicht so wichtig. Ich mache keine klassischen Filmbesprechungen, da die Leute sich auf der Seite vordergründig für die Drehorte interessieren. Auch unter den Reisebloggern habe ich meine eigene Nische, da ich einen Ort auf eine ganz andere Art und Weise erkunde und beschreibe. Da ich lange in der Tourismusbranche gearbeitet habe, setze ich diese Brille vermutlich einfach etwas öfter auf. Ich bin jedoch auch absoluter Filmgeek!

Wie läuft deine Arbeit typischerweise ab. Wirst du meistens eingeladen? Unternimmst du Reisen selbstständig? Machst du das nur in deiner Freizeit oder kannst du das auch manchmal refinanzieren?

Früher waren das alles private Reisen in meiner Freizeit. Seit ich selbständig arbeite, bin ich auch öfter mal auf Pressereisen oder gebe Workshops zum Thema Filmtourismus. Wo immer ich gerade unterwegs bin, strecke ich meine Fühler auch nach Filmschauplätzen aus.

Wie bereitest du dich auf deine Filmreisen vor? Ich sehe später immer die Fotos, wo du die Filmbilder in die Szenerie hältst. Ist das immer so einfach?

Im Idealfall sehe ich mir alle Filme, die am Reiseziel gedreht wurden, noch kurz vorher an, um die einzelnen Szenen leichter zuordnen zu können. Zur besseren Wiedererkennung mache ich mir dann ein paar Screenshots, die ich ausgedruckt mit auf Reisen nehme. Sie helfen auch dabei, vor Ort konkret danach fragen zu können. Gerade wenn es sonst keinerlei Hinweise auf den Drehort von Seiten des Filmverleihs und des Tourismusamtes gibt. Irgendwann kam ich auf die Idee die Fotos entsprechend in die Szenerie zu halten und davon wiederum Bilder zu machen. Es klappt aber nicht immer, da man manchmal den ursprünglichen Kamerawinkel nicht einnehmen kann. Aber es macht Spaß und man sorgt damit vor Ort öfter mal für Aufsehen. In Kambodscha hatte ich zum Beispiel plötzlich ein paar Touristen aus Korea um mich herum versammelt, die sich plötzlich alle für den “Tomb-Raider-Baum” in Angkor interessierten.

Interessieren dich Filme mit interessanten Drehorten mehr bzw. ist das die Hauptbrille geworden, durch die du Filme betrachtest?

Nein, das kann man so nicht sagen. Ich mag auch viele Filme, die bezüglich ihrer Drehorte weniger interessant sind. Und es gibt natürlich Filme mit großartigen Drehorten, die leider ziemlich schlecht sind, wie bspw. The Tourist … Allerdings ertappe ich mich vor Bildschirm und Leinwand hin und wieder dabei, wie ich mich frage, wo eine bestimmte Szene aufgenommen wurde. Vor allem, wenn sehr viel von der Landschaft zu sehen ist oder die Skyline einer Großstadt eingeblendet wird. Filme, deren Drehorte ich schon besucht habe, wirken später wie eine Art Reiseerinnerung auf mich.

Was geht in dir vor, wenn die Reiselocation vielleicht mal interessanter ist als der Film (oder warst du großer Fan von Hangover 2)?

Bei den Hangover-Locations hat mich insbesondere interessiert, wie die Filme, die ja super erfolgreich waren, wiederum die Schauplätze beeinflusst haben. Also insbesondere die Hotels und ob diese sich trauen, es für ihr Marketing zu nutzen oder eben nicht. Fast unabhängig vom Film, macht es jedoch immer wieder Spaß, die Drehorte aufzuspüren. Es hat so ein bisschen was von Geocaching.

Sammelst und liest du auch andere Beiträge zu Drehorten und Dreharbeiten, um informiert zu sein?

Ja, eigentlich laufend. Ich kann nicht immer und überall vor Ort recherchieren und von Jahr zu Jahr ändert sich auch recht viel. Mittlerweile helfen auch die Nutzer selbst mit, die Inhalte up to date zu halten und schicken mir hin und wieder sogar aktuelle Fotos zur Verwendung. Das hilft mir sehr, die Seite aktuell zu halten.

Wie sind die Reiseblogger so drauf, wie funktioniert deren Vernetzung untereinander? Trifft man sich dann ständig am anderen Ende der Welt?

Es gibt in der Reiseblogger-Szene eine sehr gute Vernetzung und ein reger Austausch an Gastbeiträgen, Round-Up-Posts, etc. Auf Reisen trifft man sich leider eher selten, dafür auf Netzwerk-Veranstaltungen, Seminaren und Messen.

Hast du auch das Gefühl, dass Filmtourismus so eine Sparte ist, die erst vor kurzem so richtig als Tourismusinstrument entdeckt wurde? Verstärken die entsprechenden Firmen da jetzt ihre Bemühungen?

Für den deutschen Markt trifft das auf jeden Fall zu. Da ich selbst mit Fachvorträgen und Workshops viel Lobbyarbeit für das Thema mache, freue ich mich natürlich über diese Entwicklung.

Was sind deine nächsten Ziele? Wo willst du unbedingt noch hin, wo du noch nicht warst?

Ich komme gerade aus Sölden zurück, wo der neue James-Bond-Film Spectre gedreht wurde. Meine nächsten Ziele in diesem Jahr sind die Warner Bros. Studio Tour in London (Harry Potter) sowie Malta (Game of Thrones, By the Sea und viele andere). Meine Sehnsuchtsziele in Sachen Filmschauplätze sind Island und Hawaii. Zumindest an eines der beiden werde ich es nächstes Jahr hoffentlich schaffen.

Bonusfrage: Mir ist aufgefallen, dass in deiner „Andere Blogger erzählen ihre Lieblingsdrehorte“-Liste mehrfach The Beach auftauchte. Das hat mich doch etwas gewundert, denn The Beach handelt ja gerade davon, wie genau die ultimative Utopie vom Reisen sich in einen Alptraum verwandelt. Schräg, dass so viele „Traveler“ den Film so mögen, oder?

Ich denke, dass liegt einfach daran, dass der Strand durch The Beach, einer der wohl bekanntesten Backpacker-Filme, sehr berühmt wurde. Ob die Story negativ oder positiv ist, spielt dabei meist keine Rolle für den Filmtourismus. Ein Beispiel: Auch das Hotel aus The Shining ist immer noch Ziel vieler Filmtouristen, obwohl es im Film ein Ort des Alptraums wird. Der Strand ist übrigens, abgesehen von den Menschenmassen, wirklich paradiesisch.

Alle Bilder: © Andrea David. Der einfachste Weg, Andreas Projekte zu verfolgen ist über ihre Facebookseite oder ihren Instagram-Account. Dort gibt es auch noch mehr Screenshot-Fotos. Aber man wird auch sehr schnell neidisch.

Blick in die Blogosphäre (VII): Filmfest München, “Ein Film – viele Blogger”, Seeßlen

Ich bin ja sehr glücklich, und gebe mir sogar ein klitzekleines bisschen Credit dafür, dass es einige Blogger_innen-Kollegen gibt, die sich meinen Völkervereinigungs-Gedanken angeschlossen haben und völlig unabhängig von mir Aktionen ins Leben rufen, bei denen Blogs zusammenfinden können. (Ich selber muss mich ja eher dafür schämen, dass ich es nicht einmal geschafft habe, einen Film Blog Group Hug in der ersten Jahreshälfte zu organisieren.)

Besonders fruchtbar scheint dieses Jahr das Filmfest München gewesen zu sein. Jan Peschel von “CineCouch” hatte dort dieses Jahr, in der Tradition der Berlinale-Bloggertreffen, zum Meet the Bloggers eingeladen. Und wenn man dem Bild, das diesen Post ziert, sowie Jans Bericht Glauben schenken kann, hat es sich gelohnt:

Man unterhielt sich über das Festival, den allgemeinen Filmgeschmack, über eigene Projekte und auch immer wieder über die Blogosphäre, Ideen zu Kooperationen und die Frage, ob man finanziell nicht auch mehr mit Blogs erreichen könnte. Hoffentlich können einige Anstöße weitergetragen werden.

Gemeinschaftspodcasts

Ein erstes Gemeinschaftsprojekt, das in München entstanden ist, ist die Sonderausgabe des Podcasts “Die Abspanner”, in der sich “Cinema Forever”-Blogger Conrad Mildner mit “Filmosophie“-Frontfrau Sophie Rieger zusammengesetzt hat, um das Festival Revue passieren zu lassen. Eine ähnliche Konstellation also, wie beim Klassiker der Filmfestival-Podcasts – dem Videopodcast von “kino-zeit.de” mit Joachim Kurz und Beatrice Behn. Und da “Rocky Balbea” ja jetzt auch eine Filmfreundin ist kann man den also auch gleich unter den Blog-Kooperationen einordnen. “Schöner Denken” hatte übrigens schon im Juni Sano von “Eskalierende Träume” in einem Nippon-Connection-Podcast zu Gast.

Ein Film – Viele Blogger

Globaler und langfristiger angelegt ist das Projekt des Intergalactic Ape-Man, das auf den Namen “Ein Film – Viele Blogger” hört. Der Plan: bis zu einem gewissen Stichtag schreiben alle, die wollen, eine Rezension zu einem vorher festgelegten Film, die der Ape-Man anschließend sammelt. So soll Dialog und Austausch entstehen. Ich warte bereits gespannt auf das Ergebnis der ersten Runde zu The Elephant Man. Ich selbst habe leider nicht teilgenommen, mir fiel zu spät ein, was ich gerne geschrieben hätte (einen Abgleich zwischen Realität, Film und der Musical-Version in The Tall Guy) – aber vielleicht mache ich ja bei einer der nächsten Runden mit. Der Ape-Man hat die Übersicht.

Filmkritisches

Währenddessen läuft übrigens die “Hard Sensations” Interviewreihe mit Filmschreibern weiter. Und der Kritikerverband VdFk lädt, in Person von “Negativ”-Blogger Dennis Vetter schon zum zweiten Mal zum Kritiker-Stammtisch diesen Donnerstag in Frankfurt am Main.

In einer “Keynote” hat Filmkritik-Altmeister und Blogger Georg Seeßlen im Dezember 2013 Bilanz über das Kino als Gesamtgefüge gezogen und es zum stärkeren Nomadendasein aufgefordert. Das insgesamt lesenswerte Manifest wurde heute veröffentlicht und enthält folgende denkwürdigen Sätze:

Andrerseits erleben wir die Abwanderung der Kritik ins Netz, wo sie einerseits Konsumenten- und Millieukonform ist und sich perfekt für eine Mikrostruktur der Vermarktung durch Streuung und Manipulation von Nachrichten eignet, andrerseits aber […] extrem intelligente „Inseln“ des Diskurses bildet. Diesen Inseln gelingt indes nur sehr selten eine Verbindung zum Festland.

Die Inseln untereinander, scheint es mir, sind inzwischen schon streckenweise ganz gut durch Brücken verbunden. Auf geht’s, erobern wir das Festland!

Weitere Hinweise über filmblogosphärische Aktionen nehme ich gerne unter kontakt@alexandermatzkeit.de entgegen

Blick in die Blogosphäre (VI): Reden über Schreiben über Film(e)

Das Blog “Hard Sensations” gehört nicht zu meiner regulären Mediendiät, weil deren Filminteressen sich, zumindest auf den ersten Blick, nicht so mit meinen decken. Derzeit aber surfe ich öfter auf der Seite vorbei, oder zumindest immer dann wenn mich das Filmforum Bremen mit seinem “Bloggen der Anderen” drauf hinweist. Denn bei “Hard Sensations” gibt es zurzeit jede Woche ein neues Interview mit einem deutschsprachigen Filmjournalisten – und bisher war jedes davon absolut lesenswert. Oliver Nöding kannte ich bisher nur dem Namen nach, zum Beispiel, seine Reflektionen übers Filmschreiben konnte ich aber trotzdem interessiert verfolgen. Ich weiß nicht, wie lange “Hard Sensations” bzw. deren Autor Marco Siedelmann die Reihe noch fortführen will und ob sie irgendwann außer Rajko Burchardt noch weitere Kollegen aus meiner Interessensecke interviewen werden, aber auch so empfehle ich “Reden über Schreiben über Film(e)” erbarmungslos weiter (trotz des eingeklammerten Einzelbuchstabens, eine vermeintlich clevere Schreibweise, die ich aus meinem tiefsten Inneren verabscheue).

Bisher sind Interviews erschienen mit:
Oliver Nöding
Jan Künemund
Rajko Burchardt
“Deadline”-Redaktion
Thilo Gosejohann