Growing Up Nerd

In wenigen Tagen werde ich 42 Jahre alt. Ich habe mich entschieden, diesen Geburtstag endlich mal wieder groß zu feiern. Nicht nur, weil ich meinen runden 40. Geburtstag nicht feiern konnte, da damals immer noch zu viel Pandemie herrschte. Sondern natürlich auch, weil 42 eine besondere Zahl ist. Wer, wie ich, eine ganz bestimmte Art von Sozialisation genossen hat, weiß sofort, warum. Die Zahl 42 spielt in Douglas Adams’ Roman The Hitchhiker’s Guide to the Galaxy eine zentrale Rolle.

Im Roman baut ein Volk auf einem entfernten Planeten einen gigantischen Computer namens Deep Thought, den es daran setzt, die Antwort auf die entscheidende Frage nach dem Leben, dem Universum und Allem herauszufinden. Deep Thought rechnet über Zeitalter und Generationen und rückt irgendwann mit der Antwort heraus – auch wenn er vorher sagt: “Ihr werdet sie nicht mögen.” Sie lautet “42”, aber Deep Thought hat dafür so lange gebraucht, dass die eigentliche Frage in Vergessenheit geraten ist. Also baut das Volk einen neuen Computer, der die Frage herausfinden soll. Dieser Computer, so stellt sich heraus, ist unsere Erde.

Diese ganze Hintergrundgeschichte aus dem Buch dürfte den meisten Menschen nicht auf der Zunge liegen. Auch ich musste sie nochmal nachlesen. Übrig geblieben ist meist nur, ähnlich wie bei Deep Thought selbst, dass “42” die entscheidende Zahl ist. Die Antwort. Gerne mal formuliert auch als “Die Antwort auf alle Fragen”, was nicht stimmt. “42” ist also in der Sozialisation, die ich eben erwähnt habe, eine Art Meme gewesen, bevor der Begriff in breitem Gebrauch war. Und sein Ursprung, Per Anhalter durch die Galaxis, gehört zu einer kleinen Gesellschaft an Ur-Texten für diese Sozialisation. Und damit meine ich natürlich die Sozialisation als Nerd.

Ich “gönne” mir in meinem Blog immer mal wieder, zu meinem Geburtstag, einen Text, der von mir selbst handelt, und in dem ich meine eigenen kulturellen und medialen Gewohnheiten aufschreibe und reflektiere. Vor zwei Jahren, zum Beispiel, zum 40., habe ich 40 Kulturerzeugnisse aufgelistet, die mich geprägt haben. Adams’ Roman ist nicht darunter, hätte es aber gut sein können. Ich habe ihn als etwa 10-Jähriger von einem einige Jahre älteren Freund empfohlen bekommen, der Informatik studierte. Einen prägenden Eindruck hat er nicht hinterlassen. Aber die Lektüre war entscheidend, um mich dem Nerd-Kosmos zugehörig zu fühlen.

Coming of Age

Ich bin 1983 geboren. Das heißt: Ich bin, wenn man nach generationellen Zuschreibungen geht, ein “alter Millennial” oder sogar ein “X-Ennial”, also auf der Grenze zwischen Generation X und Millennials. Was das für mich vor allem bedeutet, ist: Ich habe meine frühe Kindheit in den 80ern verbracht, hatte mein “Coming of Age” in den 90ern, und bin mit dem Ende des Jahrtausends erwachsen geworden. Ich kenne eine Welt ohne eigenen Computer (meine Familie gehörte nicht zu denen, die früh Commodores zu Hause hatten), eine Welt mit Computern, aber ohne weit verbreitetes Internet, und eine Welt mit Internet zu Hause – alles in derselben Kindheit und Jugend.

Ich kann mich nicht erinnern, wann ich zuerst mit dem Begriff des Nerd und der dazugehörigen Kultur in Verbindung gekommen bin, aber es muss ungefähr um die Zeit gewesen sein, als ich Per Anhalter durch die Galaxis gelesen habe. Um die gleiche Zeit bin ich von einem vagen Interesse für phantastische Geschichten in meiner Kindheit, wie Michael Endes Die unendliche Geschichte oder den Narnia-Romanen von C. S. Lewis, zu einer konzentrierten Leidenschaft für Fantasy und Science-Fiction als definiertes Genre umgeschwenkt. 

Angefangen natürlich mit Tolkiens Der Herr der Ringe, aber bald in allen seinen Ausprägungen, über die ich hier im Blog auch schon öfter geschrieben habe. Parallel dazu fing ich an, selbst in QBASIC zu programmieren (meistens Textadventure) und irgendwann meine ersten Websites zu bauen und dafür HTML zu lernen. Und irgendwann in dieser Zeit begann ich, mich selbst als Nerd zu identifizieren.

Ich will den Begriff an dieser Stelle nicht herleiten, sondern nur kurz beschreiben, was ich darunter verstand: Ein Nerd war für mich jemand, der sich für Nischenthemen interessiert, die in der Gesellschaft gemeinhin nicht als “relevant” oder “beliebt” wahrgenommen waren. Das waren für mich eben Phantastik und Computer. Ich war gut in der Schule, aber nicht gut in Sport. Ich fand, dass ich nicht gut aussah, hielt mich aber für sehr intelligent. Ich machte Witze über Microsoft Windows und wiederholte Zitate aus Das Leben des Brian.

Bestätigende Literatur

Zu dieser Selbstidentifikation gab es genug bestätigende Literatur. Für mich war hier vor allem die Zeitschrift InQuest prägend, in der es primär um Karten- und Rollenspiele ging, aber auch um alles andere, aus dem sich die Nerdkultur zu dieser Zeit speiste. In den Seiten von InQuest, würde ich heute sagen, habe ich Nerd-Selbstverständnis absorbiert: der selbstreferentielle Humor, das Hochhalten von arkanem Wissen, aber auch die Obsession mit dem Ranking von Kulturerzeugnissen: das Festlegen darauf, was in einer bestimmten Kategorie das “Beste” ist und das pseudo-wissenschaftliche Überführen von Meinungen in Statistiken (siehe auch: Computerspiele-Zeitschriften aus der gleichen Zeit). 

Was auch dazu gehörte: Jede Menge Misogynie. Nerdkultur war, ohne dass ich darüber nachdachte, ein fast ausschließlich weißer, männlicher Raum, der einem weißen, männlichen Kulturkanon huldigte. Frauen kamen vor, aber nur in einem sehr begrenzten Rollenspektrum: Als fernes Objekt der Begierde, als ultrakompetente Amazonen-Projektion oder als “one of the guys” Cool Girl, das gar nicht so richtig als weibliches Wesen zählte.

Das Absurde an meinem Selbstbild aus dieser Zeit ist, dass es eigentlich hinten und vorne nicht stimmte. Ich mag ein unsportlicher Junge mit schiefer Frisur und Nischeninteressen gewesen sein, aber ich war halt auch erst 13 Jahre alt. Ich war extrovertiert und hatte viele Freunde aus allen typischen Schulclans, darunter auch immer viele Mädchen. Ich habe kurze Zeit später angefangen, Theater zu spielen. Ich hatte mit 15 meine erste Freundin. Ich habe irgendwann Metal gehört, aber auch viel populäre Mainstream-Musik. Ich habe einige Jahre später viel im Internet mit anderen Leuten rumgehangen, die sich auch für Nischenthemen interessiert haben, aber ich war auch regelmäßig auf Partys, habe Alkohol getrunken und geraucht. In der 10. Klasse wurde ich zum Klassensprecher gewählt.

Ich will damit auf gar keinen Fall sagen, dass meine Erfahrung typisch ist. Ich hatte einige Freunde, die sozial scheuer waren als ich, die sich nicht so einfach in alle möglichen Gruppen integrieren konnten, die vielleicht dick oder anders äußerlich als “konventionell unattraktiv” markiert waren, und die entsprechend nicht so eine ausgelassene Teenagerzeit hatten, wie ich (was ich aber nicht sicher weiß). Entscheidend finde ich, als wie sticky sich trotzdem das Selbstverständnis vom Nerd, vom sozialen Außenseiter, der sich seiner Umwelt gleichzeitig überlegen fühlt, auch bei mir erwies. Es war ein Bild, in dem ich mich in meinen Teenagerjahren sehr zu Hause fühlte, auch wenn so vieles von außen dagegen sprach, und dass ich sicher noch bis weit in meine 20er für mich selbst in Anspruch genommen habe. Sicher auch, weil es im Zweifelsfall eine perfekte Passung zu den universellen Gefühlen dieser Zeit im Leben, von “verloren” bis “unverstanden”, bot.

Marktreife

Ich muss dabei immer an die weitreichende Kritik an “Nerdkultur” denken, die rund 20 Jahre später von Menschen wie Michael Seemann formuliert wurde. Denn natürlich besteht darin das zweite Kapitel meiner spezifischen Geburtenkohorte. Parallel zum Coming of Age von mir und den Jugendlichen um mich herum, wurde auch die vermeintliche Außenseiterkultur zunehmend zum Mainstream. Streng genommen begann diese Entwicklung schon in meiner Kindheit. Viele der kulturellen Produkte, die ich noch als “nischig” wahrgenommen habe, wurden bereits auf dem Massenmarkt ausgetestet. Das Schwarze Auge etwa wurde mit großem Marketing-Tamtam von Schmidt Spiele vertrieben. Superhelden-Comics durchlebten in den 90ern eine gigantische Spekulations-Blase.

Doch die große Wende kam in meinen Augen um die Jahrtausendwende. Während ich “echte” Fantasy-Filme als 12-Jähriger noch mühsam zwischen Ray Harryhausen und Ridley Scotts Legend im Osterprogramm der Privatsender suchen musste, sorgte die Marktreife von CGI-Technologie am Ende der 90er Jahre dafür, dass viele Nerd-Urtexte für den Mainstream verfilmt wurden. Es begann mit den X-Men-Filmen und The Matrix, der entscheidende Moment für mich aber war Peter Jacksons Lord of the Rings-Trilogie ab 2001, mit der mein persönlicher Nerd-Kosmos plötzlich für alle lebendig wurde. Ich konnte ihn zum Beispiel mit meinen Eltern teilen. The Return of the King gewann so viele Oscars wie Titanic oder Ben Hur. Fünf Jahre später startete das MCU und schleifte uns gemeinschaftlich in eine Welt, in der scheinbar jeder große Blockbuster auf einer Vorlage basiert, die zwanzig bis vierzig Jahre zuvor noch als genauso nerdig galt wie Hornbrillen und Karohemden. 

Ich muss irgendwann eingesehen haben, dass ich eigentlich nicht wirklich ein Nerd war, auch wenn ich mich oft so fühlte. Deswegen bin ich zu gegebener Zeit zur Selbstbezeichnung “Geek” umgeschwenkt, die weniger nach programmierten Taschenrechnern und Hosenträgern roch, und mehr nach popkulturellem Spezialwissen und extrovertierten kulturellen Kapital schmeckte. Geeks würden auch niemals als Hauptdarsteller in der romantischen Komödie des Lebens gecastet werden, aber ihre Macht war vielleicht sogar eine größere: Sie hatten höchstwahrscheinlich das Drehbuch dazu geschrieben.

Über den toxischen Umschlag der Nerds im Zeitalter ihrer kulturellen Dominanz ist viel geschrieben und produziert worden, sowohl im Rahmen von Ereignissen wie Gamergate, als auch mit Blick auf die Entwicklung der Techbranche, in der die Nerds plötzlich auch wirtschaftlich die Weltherrschaft übernahmen und dem Rest der Welt ihre eigene Sicht auf soziale Beziehungen überstülpten. So zumindest die gängige Erzählung in Filmen wie The Social Network. Dass die Entwicklung der “Manosphere”, die jetzt sogar irgendwie Teil von Donald Trumps MAGA-Bewegung ist, auch damit zusammenhängt, lässt sich argumentieren. Das alles hat mich immer irgendwie traurig und wütend gemacht, aber ich fühlte mich gleichzeitig innerlich immer weit genug davon entfernt, um mich als Teil der agierenden Gruppe zu begreifen.

Die obersten Geeks

Viel mehr erschüttert hat mich über die letzten Jahre, dass sich immer wieder zeigte, dass auch die obersten Geeks, also der sozial und kulturell vermeintlich kompetenteren Nerds, nicht in der Lage sind, ihr einstmaliges Außenseitertum (ob wahrgenommen oder real) nach ihrem Siegeszug in dauerhafte Reflexion und Empathie umzumünzen. Als prominentes weibliches Beispiel sticht Joanne K. Rowling hervor, die einen Romanzyklus über einen gepiesackten Jungen geschrieben hat, der anders ist als alle anderen, und die sich lange als “Ally” von queeren Menschen inszeniert hat, nur um in einen grauenhaften Kreuzzug gegen Trans Personen abzurutschen, die zu den sozial verwundbarsten Mitgliedern der Gesellschaft gehören.

Viel näher aber sind mir natürlich die Geschichten der Männer. Als ans Licht kam, dass Joss Whedon, vermeintlicher Vorkämpfer des Feminismus und ultrareflektierter Geschichten-Erklärer, quasi sofort nach seinem Erfolg zum missbräuchlichen Arschloch insbesondere gegenüber Kolleginnen mutierte, ist in mir schon ein bisschen Glaube an die Menschheit gestorben, auch wenn ich nie ein Anhänger des “Cult of Whedon” war, weil er mir immer schon ein bisschen zu glatt erschien. Aber zumindest erschien er mir einer von “den Guten” zu sein, ebenso wie Neil Gaiman, den ich zwar immer für literarisch überschätzt hielt, aber als kulturelle Identifikationsfigur eines nahbaren Autors durchaus wertvoll fand. Dass er mutmaßlich über Jahrzehnte seine kulturelle Macht genutzt hat, um Frauen Gewalt anzutun, überrascht mich nicht mehr wirklich, aber es stimmt mich doch sehr trübsinnig. Die Vorwürfe gegen jemand wie Chris Hardwick, den Gründer einer Website namens “Nerdist”, wurden zwar nie juristisch bestätigt, aber sie würden ins gleiche Muster passen. Genau wie die gegen Jonah Hill.

Ich ertrage sie schlicht nicht mehr, diese Geschichten vom vermeintlichen Außenseitertum missverstandener Teenager, die aber in sich eine Gabe tragen, die die Außenwelt nur noch nicht wahrhaben will, sei es überragende Intelligenz oder kulturelle Brillanz. Gerade weil ich mich als Teenager selbst damit identifiziert habe und sie auch in der auf mich zugeschnittenen Nerdkultur gespiegelt bekommen habe. 

Und obwohl dieser ganze Komplex natürlich sehr alt ist (siehe auch Nanette), ertrage ich sie ganz besonders nicht mehr in diesem kulturellen Moment, in dem die Nerds und Geeks meiner Generation eigentlich gewonnen haben, weil ihre Nischenkultur zur Massenkultur geworden ist. In der gleichzeitig “mental health” so prominent ist wie nie – die Werkzeuge, um aus den eigenen Erfahrungen zu lernen, also scheinbar bereitliegen, insbesondere für Menschen, die Geld genug haben, um sie zu bezahlen. Wahrscheinlich zeigt sich darin nur mal wieder, dass Macht korrumpiert. Auch oder gerade die, die sich selbst zuvor als machtlos empfunden haben.

Keine Monokultur

Das Gute ist, dass Nerdkultur keine Monokultur ist – auch wenn sie sich in meiner Kindheit noch so angefühlt hat. Innerhalb der Nerdszene, immerhin, habe ich das Gefühl, dass die Deutungshoheit beanspruchenden Nerds meiner Generation leiser werden, zugunsten eines sehr diversen Feldes von phantastischer Literatur und Kultur, die gerade dadurch ermöglicht wurde, dass die Monokultur in den Mainstream abgewandert ist. Und eine Biografie wie meine zeigt hoffentlich, dass es unendlich viele Möglichkeiten gibt, die Selbstidentifikation als Nerd auszugestalten. Und deswegen kann ich zum Glück trotzdem meinen 42. Geburtstag als stolzen Nerdgeburtstag feiern. 

Douglas Adams, zumindest, scheint bis zu seinem viel zu frühen Tod, nach allem was man weiß, ein ziemlich netter Mensch gewesen zu sein. Adams starb übrigens im Mai 2001, also zufällig kurz vor dem von mir wahrgenommenen Kipppunkt der Phantastik im Mainstream. Die große (und nicht sehr erfolgreiche) Verfilmung seines eigenen Romans hat er nicht mehr erlebt.

40 kulturelle Produkte, die mein Leben geprägt haben (und ein wenig Reflexion zum 40 werden)

Am 25. Februar bin ich 40 Jahre alt geworden. Um ehrlich zu sein beschäftigt mich diese Tatsache seit mindestens einem Jahr. Natürlich sind Alterszahlen relativ willkürliche Grenzen im Leben, aber irgendwas verändert sich ja doch, wenn nicht in einem selbst, dann zumindest in der Wahrnehmung durch andere. Mit 40 ist man auf jeden Fall nicht mehr „jung“. Auch nicht unbedingt alt (außer vielleicht in den Augen meines bald fünfjährigen Kindes), aber doch an einem Punkt angelangt, wo ein entscheidender Teil des Lebens meistens bereits abgeschlossen ist: Adoleszenz, Ausbildung, Berufswahl, Familiengründung. 

Es ist logischerweise nicht zu spät, um sich neu zu orientieren. Darüber habe ich mit vielen, die mir ein paar Jahre voraus sind und von denen einige genau das getan haben, in den letzten zwölf Monaten gesprochen. Ich selbst habe das vor einem Jahr beruflich in Angriff genommen, mich nach vielen Jahren in der PR wieder stärker in Richtung Journalismus orientiert und ein wenig Freiberuflichkeit ausprobiert. Da meine größte Angst mehr oder weniger ist, in meinen 40ern irgendwie außerhalb meiner Familie irrelevant zu werden (eine sehr eitle Angst, ich weiß), fühlte sich das schon mal wie ein guter Schritt an. Ich hoffe, dass es gleichzeitig auch ergänzt wird von einer gewissen, auf Erfahrung beruhenden Gelassenheit, von der mir einige Ü40-Menschen erzählt haben. Wir werden sehen.

Ich bin nicht Kevin Kelly

Ich habe lange überlegt, wie ich diesen Augenblick im Blog festhalten kann. Lange Zeit hatte ich die Idee, Ratschläge aus genau der eben erwähnten Erfahrung weiterzugeben, weil ich beispielsweise Kevin Kellys derartige Liste total toll fand. Aber ich fühle mich noch nicht bereit dafür. Also habe ich mich entschieden, zurück und nach innen zu schauen und zu überlegen, welche kulturellen Dinge (ich bin Schließlich im weitesten Sinn Kulturjournalist) mich als Person in den letzten 40 Jahren besonders geprägt haben.

Mein Maßstab dafür war weniger, was noch heute meine „Lieblings“-Bücher, Filme, Musik usw. sind und somit die Zeit überdauert haben, sondern woran ich immer noch öfter als formende Erfahrungen zurückdenke. Momente, in denen ich plötzlich einen neuen Blick auf die Welt wahrnahm, der mein Denken oder Fühlen verändert hat. Außerdem Erfahrungen von Kultur, die etwas in mir geweckt haben: ein Interesse, eine Leidenschaft, eine Gewohnheit, manchmal sogar einen Charakterzug, den ich heute noch in mir erkenne.

Zwischen 8 und 12

Beim Erstellen der Liste, die übrigens natürlich trotz aller Überlegung sehr willkürlich ist und in mindestens der Hälfte der Einträge auch anders aussehen könnte, ist mir aufgefallen, dass die entscheidendste kulturelle Phase meines Lebens etwa die Zeit zwischen 8 und 12 Jahren war. Keine große Erkenntnis aus entwicklungspsychologischer Sicht, ich weiß, aber es hat mich doch erstaunt, wie viele Grundsteine in dieser Zeit gelegt wurden, die ich heute als einen essenziellen Teil von mir betrachte, während vieles, was später kam, sich weniger entscheidend anfühlte – selbst viele Dinge, denen ich im Studium begegnet bin.

Je kürzer zurück die Erinnerungen reichen, desto spärlicher werden sie. Auch das ist logisch. Erstens kann man ihre Wirkkraft noch nicht so gut sehen wie bei älteren Erfahrungen. Zweitens waren für mich etwa die letzten zehn Jahre vermutlich mehr vom Erlernen von sozialen und beruflichen Fähigkeiten geprägt als von kulturellen Ideen. Ich glaube aber auch, dass es eine Rolle spielt, dass ich mein inneres Alter immer ungefähr auf 27 oder 28 beziffern würde. Zu dieser Zeit hatte ich mein Studium, meine ersten zwei Jobs und die ersten ernsthaften Beziehungen gemeistert, fühlte mich also etwas erfahren, aber gleichzeitig kaum festgelegt. Ich konnte überall auftauchen und als Mensch mit Potenzial wahrgenommen werden, und ich verhielt mich auch so. Jetzt, zwölf Jahre später fühle ich mich deutlich mehr „gesetzt“, sowohl innerlich als auch von außen betrachtet. Es wird in den nächsten Jahren wichtig sein, diese Gesetztheit aufzubrechen ohne im Prozess Fundamente zu verlieren, die mir wichtig sind.

Und jetzt endlich: die Liste. Ein größeres Mammutwerk, als ich gedacht hätte. Die Reihenfolge orientiert sich an der ungefähren Zeit, in der ich den Dingen begegnet bin.

1. Chris de Burgh: Spark to a Flame. Meine erste popkulturelle Erinnerung ist Mitsingen zu „Don’t Pay the Ferryman“. Der relativ softe Musikgeschmack meiner Eltern hat mich in jedem Fall geprägt. Noch heute sehe ich immer wieder, dass Popmusik, die eher im Folk als im Blues verwurzelt ist, mich stärker anspricht.

2. Cats und Starlight Express. Ich habe beide Musicals als Kind gesehen und natürlich anschließend die Alben in Dauerrotation gehört. „Musical Theatre“ und besonders der Stil von Andrew Lloyd Webber hat sich in meine DNA eingeschrieben. Trotz allem anderen, was ich im Leben so gemacht habe, würde ich mich, müsste ich mich einem US-Highschool-Clan zuordnen, am ehesten als „Theatre Kid“ bezeichnen.

3. Knister. Späteren Leser*innen dürfte der Kinderbuchautor Knister vor allem als Erfinder der Hexe Lilli bekannt sein. In den 90ern hat er aber eine Reihe Bücher geschrieben, die ich sehr mochte („Teppichpiloten“ zum Beispiel), darunter eins namens „Mikromaus mit Mikrofon“, in dem es darum ging, wie man mit Mikro und Recorder Hörspiele und andere Klangexperimente machen kann. Von dort zum Podcasten war es quasi ein logischer Schritt.

4. Otto Waalkes. Meine Eltern hatten fast alle Otto-Platten aus den 1970er Jahren, und ich habe sie als Kind rauf- und runtergehört – sicherlich ohne sie in all ihren Nuancen zu verstehen. Rückblickend kann ich sagen, dass mein Humor davon stark geprägt wurde. Das gilt für Nonsens und Sprachwitz gleichermaßen wie für die große Musikalität, die Ottos Bühnenprogrammen innewohnt. Dass er ein fantastischer Musiker ist, habe ich erst mit erwachsenen Ohren zu schätzen gelernt.

5. Bart Simpson. Die Simpsons sind inzwischen zum kulturellen Teppich einer ganzen Generation geworden, aber am Anfang war für mich vor allem die Figur von Bart interessant, noch bevor ich die Serie überhaupt geschaut habe. Der Schlingel auf dem Skateboard war lange Zeit mein Idol (ich wollte sogar „Bart“ heißen), obwohl ich weder Skateboard fuhr noch besonders schlecht in der Schule war.

6. Die Sendung mit der Maus. Meine Eltern hatten lange eine sehr restriktive Fernseh-Police und „Die Sendung mit der Maus“ war in den ersten 8 Jahren meines Lebens oft das einzige, das ich überhaupt schauen durfte.

7. Queen: Bohemian Rhapsody. Wie für wahrscheinlich viel Menschen war dieser Song, der sich über seine Laufzeit so stark verändert aber sein Pathos-Level unverändert hochhält, für mich ein musikalisches Erweckungserlebnis. Ich halte ihn für unerreicht.

8. Eurodance. Zwischen 1992 und 1995 bestanden große Teile meiner musikalischen Welt aus, wie ich es damals nannte, „Techno“. „No Limit“ von 2 Unlimited war meine erste Single. Obwohl ich kein großer Hörer elektronischer Musik geworden bin, fasziniert mich Eurodance, dieser Clash aus dem Elektro-Underground und Maximalpop, noch immer. So sehr, dass ich am liebsten mal eine große journalistische Recherche zur damaligen Zeit und ihrer Dynamik, die außerhalb Europas kaum eine Rolle spielte, umsetzen würde.

Tourism (1993)

9. Roxette: Tourism. Meine erste CD war „Joyride“, aber „Tourism“ ist das besonderere Album, weil es ein so ungewöhnliches Konzept hat – eine Mischung aus Aufnahmen, die während einer Welttournee entstanden – manche im Studio, manche live, manche improvisiert. Die Musik von Per Gessle würde ich als eine weitere wichtige Säule meines Musikgeschmacks positionieren. Außerdem war ich damals schwer in Marie Fredriksson verknallt, die ich ebenfalls bis heute toll finde und deren früher Tod bis heute schmerzt.

10. M. C. Escher. Die mathematischen Muster und visuellen Verrenkungen im Werk von M. C. Escher haben mich sofort in ihren Bann gezogen. Ich hatte lange das Bild „Tekenen“ als Druck an der Wand hängen. 2022 habe ich mir ein Penrose Dreieck, das Escher zu einigen seiner Werke inspiriert hat, als Tattoo stechen lassen.

11. 4D Sports Driving („Stunts“). Videospiele wurden ab ca. 1993 ein fester Teil meines Lebens und ich habe viele Klassiker ausführlich gespielt. Am meisten im Kopf geblieben ist mir aber „Stunts“, ein Rennspiel, in dem man mit seinem Fahrzeug durch Loopings fahren und über Brücken springen und – das wichtigste – selbst Strecken bauen konnte. Bis heute sind Sportspiele, von direkten Nachfolgern wie Trackmania bis zu Tony Hawk’s Pro Skater und Fifa eigentlich meine Lieblingsspiele.

12. X-Base. X-Base war eine leider kurzlebige Show im Nachmittagsprogramm des ZDF, die versuchte, das neu aufkommende Computerzeitalter für ein junges Publikum aufzubereiten. Es gab Videospiel-Wettkämpfe, Reportagen, einen digitalen Moderator namens Eddie Highscore und Auftritte von Elektro-Popgruppen. Ich fand X-Base von vorne bis hinten großartig, sie enthielt alles, was ich zu diesem Zeitpunkt toll fand. Leider wurde die Show nach einem halben Jahr eingestellt, aber sie hat in mir definitiv ein größeres Interesse für digitale Kultur geweckt.

13. Terminator II: Judgment Day. Dieser Film, den ich verbotenerweise viel früher schaute, als seine FSK-Einschätzung vorgab, hat sehr wahrscheinlich meine lebenslange Faszination mit Visual Effects und Computeranimation auf dem Gewissen.

Meine erste Lektüre fand nicht mit dieser Ausgabe statt, aber meine zweite.

14. J. R. R. Tolkien: The Lord of the Rings. Mit Tolkiens Buch, das ich las während ich eine Woche krank zu Hause war, hat sich für mich alles verändert. In seiner Folge gab es für mich über viele Jahre kaum etwas anderes als Fantasy und Science-Fiction zu lesen und bis heute sind Tolkiens Werke für mich literarische Texte, die ich – durch die zahllosen Veröffentlichungen zum Thema – weiter studiere.

15. Shadowrun. Das in Deutschland von Fantasy Productions veröffentlichte Spiel, das uns ein Klassenkamerad auf dem Rückweg einer Klassenfahrt im Bus erklärte, war mein erster Kontakt mit Tabletop-Rollenspielen. Nicht nur spiele ich diese bis heute (wenn auch selten), aber ich bin auch nach wie vor absolut fasziniert von der Cyberpunk-Vision, die Shadowrun dazu noch mit Fantasy-Tropes kombiniert.

16. Magic: The Gathering. Magic besiegelte meine Fantasy-Gaming-Obsession 1995 endgültig. Diesem Spiel gehörte fast jede freie Minute. Ich konnte alle Karten auswendig, bis die Faszination rund um mein Abitur 2001 irgendwann nachließ aber nie ganz einschlief. 2017 fing ich schließlich wieder an zu spielen und mich aufs Neue zu faszinieren. 2021 habe ich mir die fünf Mana-Symbole als Tattoo stechen lassen.

InQuest

17. InQuest. Diese amerikanische Zeitschrift begriff sich als Begleitmagazin zu Magic und den anderen damals aufkommenden Collectible Card Games. Später erweiterte sie ihr Spektrum auf Rollenspiele und andere Phantastik-Hobbies. InQuest hat nicht nur meinen Blick auf die Welt der Phantastik nachhaltig geprägt (die darin von Zeit zu Zeit aufgestellten Kanons bester Filme oder Romane lassen sich bis heute schwer abschütteln), sondern auch den damals verbreiteten, sehr männlichen Nerd-Humor in mich eingeschrieben. Es hat einige Jahre gedauert, mich von dieser Prägung zu emanzipieren, die in einigen Ecken des Internets immer noch sehr stark ist.

18. Dream Theater: A Change of Seasons. Der Song, der meinen gesamten Musikgeschmack veränderte. Tendenzen waren eventuell durch Queen schon da, aber in den kommenden zehn Jahren würde sich für mich alles mehr und mehr um Progressive Rock drehen. Dream Theater war auch die Band, bei der ich zum ersten Mal Fandom im Internet erlebte, mit Mailinglisten und Online-Foren.

A Change of Seasons (1995)

19. Blind Guardian: Nightfall in Middle Earth. Was mit Dream Theater begann, setzte sich mit Blind Guardian und anderen Bands, die hymnischen Metal zu Fantasy-Themen präsentierten, fort. Aus heutiger Sicht kann ich es klar der Pubertät anlasten, dass ich ausgerechnet diesem Wahre-Männer-Kämpfen-Metal damals so verfallen war. Schlich sich zum Glück zum Studium hin dann aus.

20. Robert Jordan: The Wheel of Time. In gewisser Weise beendete The Wheel of Time, die endlose und endlos derivative Fantasy-Saga rund um eine Gruppe Jugendliche und eine alte Prophezeiung, was Der Herr der Ringe begonnen hatte. Im Rückblick steht die Buchreihe, die ich nie beendet habe, für mich für die Abkehr von der großen Erzählung der Fantasy, der ich mich eine gute Dekade hingegeben hatte, und ein neues Erwachsenheitsgefühl.

21. DVD Extras. Schon bevor die DVD das dominante audiovisuelle Medium wurde, hatte ich mich dafür interessiert, wie Filme gemacht werden. Aber DVDs, mit ihren Featurettes und Audiokommentaren – und manchmal auch mit ernstzunehmenden Einblicken ins Filmemachen – haben meinen Blick auf die Filmwelt enorm geprägt. Ich habe sie alle geschaut und gehört, selbst dort, wo ich die Filme nicht besonders gut fand. Die Kombination aus Streaming und Zeitmangel durch Elternschaft hat dem leider weitgehend ein Ende gesetzt.

Die DVD-Extras von The Fellowship of the Ring waren ein Erlebnis

22. The Fellowship of the Ring. Was war das für ein Glück, dass ich in einer Zeit lebte, in der das 50 Jahre alte Buch, in das ich mich gerade verliebt hatte, dann auch noch grandios verfilmt wurde. An Fellowship brachen sich alle Dinge Bahn, die mich interessierten: Computer-Effekte, Internet-Hype-Kampagnen, Fantasy, eine fantastische Nutzung des DVD-Formats. Der Film meines 18-jährigen Lebens.

23. Futurama. Wo die Simpsons den Boden bestellt hatten, konnte Futurama ernten. Die nerdigere Variante von Matt Groenings und David Cohen Humor war eine große Faszination für mich. So sehr, dass ich alle fünf Staffeln vor der ersten Absetzung als DVD-Boxen besaß.

24. 65daysofstatic: Retreat! Retreat!. Mit dem Beginn meines Studiums begann für mich auch eine neue Ära der Musikentdeckung, besonders durch meinen Freund Carsten. Ich weiß nicht, wie sich mein musikalisches Leben ohne 65daysofstatic entwickelt hätte. Die Band hat so viele interessante Sachen in den letzten 20 Jahren gemacht, ihre Livekonzerte gehören zu meinen liebsten Dingen überhaupt. Und dieser erste Song, den ich von ihnen gehört habe, gehört immer noch zu den besten Songs aller Zeiten.

25. Neal Morse: One. Andererseits: Noch war meine Prog-Begeisterung lange nicht gebrochen. Als Spock’s Beard-Frontmann Neal Morse Anfang der 2000er sein Coming Out als Born-Again-Christ hatte und künftig nur noch christliche Prog-Alben machte, hat das, gemeinsam mit einigen anderen Faktoren, etwas in mir bewegt. Ohne Neal wäre ich wahrscheinlich nicht in der evangelischen Kirche und beim Kirchentag gelandet.

26. Pink Floyd: The Wall. Konzeptalben waren ein großes Ding für mich in der ersten Hälfte der 2000er und The Wall, zu dem es ja auch einen werden aber coolen Film gibt, war mein liebstes. Ich habe mich sehr ausführlich damit beschäftigt und meine Vorstellungen von gelungen transmedialen Erfahrungen, wie ich sie zehn Jahre später erforschen würde, wurden sehr davon geprägt. Aber nur damit das klar ist: Roger Waters kann hingehen, wo der Pfeffer wächst!

White Teeth (2000)

27. Zadie Smith: White Teeth. „Black British Fiction by Women“ hieß das Seminar, das ich im Anglistik-Studium eher aus Verlegenheit besuchte, und das mich in vielerlei Hinsicht erstmals dazu zwang, mich erstmals mit Marginalisierung, Feminismus und Postkolonialismus zu beschäftigen. Zadie Smiths Debütroman, der den Fächer der damit verbundenen Erfahrungen und Erzählungen weit aufmacht, war für mich der Schlüssel dazu. Zadie Smith hat mein Denken geprägt und bis heute gehört sie zu den wenigen Autor*innen, von denen ich kein Buch verpasse.

28. Cinematical. Ich habe auch eine Weile Ain’t It Cool News gelesen, aber Cinematical (RIP) war mein Einstieg in die US-Filmblog-Kultur, über die ich mein Film-Nerdtun lange Zeit gepflegt habe.

29. The Guardian Film Weekly. Mein allererster Podcast. Dass er mich geprägt hat, sieht man daran, dass ich heute selbst ein Format mit zwei Interviews pro Folge moderiere.

30. Rudolf Arnheim: Film als Kunst. Etwas hat „Klick“ bei mir gemacht, als ich von diesem 90 Jahre alten Buch das erste Mal hörte. Arnheim ist ein sehr konservativer Denker, aber er sein Verständnis davon, wie die Materialität des Mediums sein Output beeinflusst, entspricht einfach sehr gut meinem eigenen Kunst-Empfinden. Arnheims Text bildete dann einen Teil des Rückgrats meiner Magister-Arbeit, die leider aus anderen Gründen nicht das ruhmreichste Ende nahm.

Film als Kunst (1932)

31. Stefan Niggemeiers Blog. Übermedien-Gründer Stefan Niggemeier war der erste deutsche Blogger, den ich bewusst wahrgenommen habe, erst über das Bildblog, dann über sein eigenes medienjournalistisches Blog. Ich muss einfach sagen, dass er auch ein großes Vorbild für mich war (und wahrscheinlich noch immer ist). Vielleicht nicht das beste, da ich immer wieder feststelle, dass ich von meiner Arbeitsweise ganz anders ticke, aber zumindest stilistisch glaube ich, dass er mich sehr beeinflusst hat. Fun fact: Zum ersten Mal persönlich miteinander gesprochen haben wir 2022.

32. Wired. Obwohl ich von Wired immer schon viel gehört hatte, hatte ich erst 2008 (nach einem USA-Urlaub) das erste Mal eine Ausgabe in der Hand und war sofort schockverliebt. Diese Art von Technikoptimismus passte exakt in diesen Moment meines Lebens zum Ende meines Studiums und zu beginn meines Berufslebens, das sich sehr bald stark in Richtung Online-Kommunikation drehen würde. Ich habe Wired kurz danach abonniert und ziemlich religiös gelesen. Erst als Chris Anderson als Chefredakteur ging, verlor ich das Interesse.

33. Slate’s Culture Gabfest. Dieser Podcast, den ich immer noch höre und zu dessen Hosts ich eine starke paarsoziale Beziehung habe, hat mich an das Podcastformat „stark moderierte Roundtable-Kulturdiskussion“ herangeführt, das ich viele Jahre später für meinen eigenen Podcast Kulturindustrie versucht habe, zu kopieren.

34. The Avengers. Als das Marvel Cinematic Universe noch keine Punchline war, sondern eine ganz neue Entwicklung – der Versuch, Erzählmechaniken aus seriellen Comics auf das Blockbuster-Kino zu übertragen – war ich völlig besessen davon. Ich fand die Idee einfach so revolutionär gut und neu. The Avengers halte ich für den Höhepunkt dieser Idee und bis heute für einen erstaunlichen Film.

35. This American Life. Die Art von Ira Glass und seinen Kolleg*innen, Radio zu machen, hat eine ganze Generation von Radioleuten und Podcastern beeinflusst. Auch mich hat sie von Anfang an gefangen genommen und sehr beeindruckt. Ich höre TAL immer noch jede Woche und lerne nach wie vor davon. Wenn es um den wahrhaft ausgelutschten Begriff „Storytelling“ im Journalismus geht, denke ich immer noch als erstes an TAL.

36. Simon Reynolds: Retromania. Auf der Suche nach dem Zeitgeist stieß ich 2011 auf dieses Buch, das in den kommenden Jahren als eine Art Prisma für meinen Blick auf große Teile der Kulturwelt diente (und das ich entsprechend oft zitiert habe). Interessanterweise denke ich, dass der Lebenszyklus des Buchs in den letzten zwei bis drei Jahren ein Ende gefunden hat, da sich der Eindruck einer „Hyper-Stasis“ (alles wird schneller, aber nichts verändert sich) vielerorts durch die am Horizont drohende Klimakatastrophe verändert hat.

37. re:publica. Lange bevor ich das erste Mal selbst auf die re:publica fahren konnte (2014) war sie ein Sehnsuchtsort. Der Raum, in dem sich alle Menschen trafen, die ich im Internet toll fand. Das beste: Bei meinem ersten Besuch (und auch meinem zweiten, wo ich zum ersten Mal selbst Speaker war) stellten sich viele Projektionen sogar als wahr heraus und ich hatte jedes Mal eine krasse Zeit. In den letzten Jahren hat, zugegeben, ein gewisser Gewöhnungseffekt eingesetzt.

38. Mark Rosewaters Kolumnen & Podcasts. Ich denke, der Head Designer von Magic: The Gathering ist einer der einflussreichsten Menschen in meinen Gedanken der letzten fünf Jahre. Erst im letzten halben Jahr habe ich den Eindruck, dass der Hype bei mir ein bisschen nachgelassen hat. Rosewater steht mit seiner Kolumne Making Magic und seinem Drive to Work Podcast für einen sehr transparenten Umgang mit Game Design und erklärt sehr regelmäßig genau, warum welche Entscheidungen für die Weiterentwicklung des komplexen Spiels getroffen wurden. Gleichzeitig ist er ein sehr sympathischer Typ, der seine Design-Lektionen auch gerne in Lebensweisheiten umwandelt.

39. Game Knights. Das YouTube-Format, in dem Menschen miteinander die Magic-Variante „Commander“ spielen, hat mir nicht nur das Format selbst nähergebracht, es hat mich (der sonst kaum YouTube-Formate schaut) auch viel darüber gelehrt, wie Spiele und Hobbys im Internet präsentiert werden können. Ich habe großen Respekt vor dem ganzen Team der „Command Zone“, die aus einem Zwei-Personen-Podcast ein kleines Nischen-Medienimperium mit einem dutzend Angestellten aufgebaut haben. 

40. Terra Ignota. Ada Palmers vierbändiger Science-Fiction-Zyklus hat mich sehr beeindruckt und stark beeinflusst, wie ich derzeit über Science-Fiction, Worldbuilding und die Zukunft der Menschheit nachdenke.