Real Virtuality 2018 – Persönliche Highlights

Ich habe hier im Blog schon über Musik geschrieben. Meine Leseliste gibt’s auf Goodreads. Podcasts und Filme folgen (hoffentlich) noch. In diesem Post schreibe ich ein bisschen auf, was bei mir persönlich los war in diesem Jahr.

Für mich persönlich wurde 2018 von einem Ereignis dominiert, und wer mich online verfolgt ahnt natürlich, welches es ist. Auch dazu will ich ein bisschen was schreiben, aber es gab auch noch ein paar andere erwähnenswerte Dinge:

Der neue Job

Den habe ich eigentlich schon im September 2017 angetreten, aber dieses Jahr hat er dann angefangen Früchte zu tragen. Ich bin sehr gerne bei der Stiftung, bei der ich arbeite (die ich hier nicht nenne, weil dieser Post sonst wieder im Pressespiegel auftaucht), und ich konnte dort über’s Jahr einiges ausprobieren und vor allem weiterhin viel lernen, vor allem über Pädagogik und menschliches Miteinander. Ich durfte einen Kurs zu Gewaltfreier Kommunikation besuchen (sehr empfehlenswert), an einem Design Thinking Workshop teilnehmen, und mit vielen spannenden Menschen sprechen, die in Bereichen wie Sprachförderung, Interkulturelle Kompetenz oder Anti-Bias vor allem mit Kindern arbeiten. Zu sehen, wie Kinder im Kita-Alter – in dieser Alterskohorte hat rund ein Drittel der Deutschen einen Migrationshintergrund – miteinander forschen und lernen, gibt einem tatsächlich Hoffnung für die Menschheit.

Der Gedanke, der mir am meisten nachhängt, stammt aus einem Interview mit der Pädagogikwissenschaftlerin Frauke Hildebrandt. Sie hat darüber gesprochen, was gute Gespräche ausmacht. Ihre Meinung: Gemeinsam darüber nachzudenken, “warum die Dinge sind, wie sie sind, und ob sie nicht auch anders sein könnten”. Kann ich eigentlich so unterschreiben.

Kulturindustrie

Auch wenn wir im Mai aufhören mussten: Ich bin stolz auf diesen Podcast, der meinen Horizont enorm erweitert und mich viel gelehrt hat. Wenn die Dinge nicht so gekommen wären, wie sie kamen, würde ich mir die Arbeit jetzt immer noch gerne machen. Und ich hoffe sehr, dass die Sterne irgendwann wieder richtig stehen, damit ein ähnliches Format (das es nach wie vor nirgendwo in Deutschland gibt) noch einmal passieren kann.

“Unsichtbare Kunst”

Ich bin sehr dankbar, dass ich bei epd medien neben meinem Brotjob einen kleinen Zeh im Medienjournalismus behalten kann, an dem – das ist kein Geheimnis – mein Herz hängt. Meisten schreibe ich Hörfunkkritiken, ungefähr eine pro Monat, aber im Frühjahr hatte ich noch einmal Gelegenheit eine große Geschichte zu schreiben, über die Visual-Effects-Landschaft in deutschen TV-Produktionen. Die Recherche hat eine Menge Spaß gemacht, ich konnte mit persönlichen Heldinnen wie Barbara Flückiger sprechen, und auf den resultierenden Artikel bin ich doch recht stolz. Er ist immer noch online.

Podcasts

Nicht nur habe ich 2018 den Aufstieg und Fall meines eigenen Podcasts erlebt, ich habe auch den Boom des Mediums mitgenommen selbst sehr viele gehört. Die besten konnte ich regelmäßig bei “Piqd” empfehlen, was ich ebenfalls sehr genossen habe. Ich hoffe, ich kann noch einen eigenen Post zu meinen Lieblingsepisoden schreiben. Aber so viel steht fest: Ich liebe dieses Medium, ich beobachte mit Freude, wie es sich entwickelt, und ich warte gespannt auf das, was noch kommt.

Magic: The Gathering

Das hatte ich letztes Jahr schon im Jahresrückblick, aber ich muss es einfach noch mal erwähnen. Die Wiederentdeckung dieses bestimmenden Spiels meiner Teenagerzeit war mir 2018 ein wichtiger Anker. Als die freie Zeit rar wurde, und ich mir deswegen umso genauer überlegte, wie ich sie verbringe, war meine Antwort oft nicht Kino oder Lesen sondern Magic. Bei diesem Spiel fällt es mir leicht, in einer andere Welt abzutauchen, in der ich nicht Kritiker bin, einfach meinen Spaß haben und gleichzeitig mein taktisches Hirn trainieren kann. Noch dazu habe ich einen ganzen Haufen neue, nette Leute kennengelernt, mit denen das Spielen immer Spaß macht. Einziger Wermutstropfen: Mit dem tieferen Eintauchen in die Community und die Finessen des Spiels kann ich defintiv nicht mehr alles aufrechterhalten, was ich in meinem etwas unkritischen Post im Januar geschrieben habe.

Das Kind

Im April bin ich Vater geworden und, wie ich auch schon für “kino-zeit” mit Blick auf Gundermann aufgeschrieben habe, es verändert sich dadurch wirklich irgendwie alles (und nichts), zumindest dann, wenn man, wie ich, ein gleichberechtigter und gleichbepflichteter Elternteil sein möchte. Es stimmt auch, dass einen auf die emotionale Seite des Ganzen niemand vorbereiten kann. Viele Dinge muss man eben fühlen, um sie begreifen zu können.

Da ist zum einen die Verantwortung. Das hat mich wenige Tage nach der Geburt wie ein Hammer getroffen. Ich neige dazu, mir im Leben Optionen offen zu halten und habe entsprechend oft Jobs oder Wohnorte gewechselt, wenn sich mir neue Möglichkeiten geboten haben. Dabei bleibt natürlich immer auch etwas zurück. Von der Bindung an diesen neuen Mensch aber gibt es kein zurück. Ich bin für ihn verantwortlich. Ich hoffe, ich enttäusche ihn nicht.

Dann die Liebe, die sich erstaunlicherweise nicht sofort eingestellt hat. Zunächst hat die Überwältigung überwogen, gepaart mit einem unbedingten Bedürfnis, dieses fremdartige Wesen zu beschützen, Aber das echte Sehen, das echte Wahrnehmen jenes Wesens als einen Mensch in meinem Leben, kam erst mit der Zeit. Das Tolle ist allerdings: Jetzt kann ich der Liebe beim Wachsen zusehen. Sie wird jeden Tag größer (ich sitze immer noch manchmal da und habe das Gefühl, ich habe Herzchen in den Augen wie ein Smiley, und meine Bürokolleginnen können bestätigen, wieviel ich von meinem Kind rede), und der Unglaube vom Anfang, ist einem tiefen Vertrauen gewichen. Vor allem seit meiner Elternzeit im Herbst haben mein Kind und ich einen einzigartigen Draht zueinander – und mir ist jetzt klar: das ist das, wovon immer alle reden.

Eine starke Partnerschaft ist mit das schwierigste, was es zu erhalten gilt, dagegen sind Schlaflosigkeit und volle Windeln ein Pappenstiel. Da kommen plötzlich innere Dämonen zum Vorschein, von denen ich gar nicht wusste, dass es sie gibt. Ich bin regelmäßih aufs Neue dankbar, dass wir gut miteinander reden können, und uns auch trauen, das immer und immer wieder zu tun, wenn es notwendig ist. Falls ihr also darüber nachdenkt, euch Kinder anzuschaffen, übt das lieber schon mal vorher.

Und schließlich die Zeit. Ich habe wirklich so richtig krass unterschätzt, wie wenig Zeit man als Mensch mit Kind noch für sich hat, oder umgedreht: wie viel Zeit man vorher hatte, und wieviel man davon mit Dingen verbringt, die einem eigentlich wenig bedeuten. Das Ganze ist Segen und Fluch zugleich. Einerseits kann ich jetzt eben keinen Podcast mehr aufnehmen, nicht mehr 50 mal im Jahr ins Kino gehen, Videospiele durchspielen, auf dutzende Veranstaltungen gehen und nebenher bloggen, aber andererseits genieße ich die Kinobesuche, Freundetreffen und Spieleabende, die möglich sind, dafür jetzt viel mehr. Mir ist rückblickend aufgefallen, dass ich große Teile meiner Freizeit oft als eine Art To-Do-Liste begriffen habe, in denen möglichst viele Dinge erledigt werden mussten. Das hat sich jetzt ganz von selbst erledigt, und es hat mir insgesamt gesehen gut getan. Nur manchmal werde ich wehmütig und sogar ein bisschen bitter, aber auch das gehört dazu. Andere Eltern sagen ja: Es wird besser und normaler, so ab dem dritten Lebensjahr.

Die Sängerin Brandi Carlile hat in ihrem Lied “The Mother” Ende 2017 ganz gut auf den Punkt gebracht, wie man manchmal innerlich abwägt, aber natürlich nur auf einer Seite rauskommen kann:

Outside of my windows are the mountains and the snow
I hold you while you’re sleeping and I wish that I could go
All my rowdy friends are out accomplishing their dreams
But I am the mother of Evangeline

And they’ve still got their morning paper and their coffee and their time
And they still enjoy their evenings with the skeptics and the wine
Oh, but all the wonders I have seen, I will see a second time
From inside of the ages through your eyes.

Ich habe ja insgesamt eine eher additive Vorstellung von menschlichen Beziehungen. Andere Menschen füllen für mich keine Lücken in unseren Herzen, die wie bei Gundermann “verlassene Häuser” sind. Wir sind auch alleine gut genug und brauchen weder Partner noch Kinder, um uns zu “vervollständigen”. Aber ohne andere Menschen wäre das Leben auch um ein vielfaches langweiliger, ärmer und weniger aufregend. Und dieser neue Mensch in meinem Leben, neben dem ich jeden Abend einschlafen und jeden Morgen aufwachen darf, ist auf jeden Fall genau die Herausforderung und die Bereicherung, die ich gebraucht habe. Und ich kann nicht erwarten, womit er mich noch alles überraschen wird.

Ich bin sehr glücklich, dass mein Kind sehr kommunikativ und überhaupt nicht schüchtern  ist, mit großen Augen die Welt erkundet und so langsam auch den Eindruck macht, als würde es hart über vieles nachdenken, was es sieht. Damit erobert es auch in der Öffentlichkeit, ob im Bus oder im Supermarkt, regelmäßig die Herzen selbst der bluetooth-headsettigsten Businesskasper. Und ich genieße in der Regel die Interaktionen, die daraus entstehen, denn die meisten sind positiv. Das schönste Kompliment des Jahres, zum Beispiel, haben Kind, Mutter und ich heute von einer Kellnerin bekommen: “Euer Kind ist super, ihr solltet dringend noch mehr kriegen!”

Ist vorerst nicht geplant. Aber ein gutes Gefühl, dass man in die Feiertage und ins neue Jahr mitnehmen kann. Ich wünsche euch eine gute Zeit mit den Menschen, die euch bereichern, und alles Gute für 2019.