Ich versuche ja, den Podcast-Markt als Ganzes im Blick zu behalten, was mir nicht mal im Ansatz gelingt. Aber immer mal wieder fallen mir doch Dinge auf. Dazu gehört, dass Podcasts, die ja vergleichsweise schnell und einfach zu produzieren sind, immer öfter auch als Annex- oder Bonusmaterial zu anderen Medien entstehen. Auch zu Büchern.
Da das hier nur ein Blog ist, habe ich mich zum Thema nicht auf eine Recherche-Reise begeben. Ich habe nur drei Beispiele aus den vergangenen Jahren zusammengetragen, die im Grunde Ähnliches machen, aber doch etwas anders vorgehen. Diese drei Beispiele will ich hier vorstellen.
Der Podcast als Audiokommentar: From a Certain Point of View
Ich lese sonst keine Star Wars Fiktion, aber diese jeweils zum 40. Jubiläum der ursprünglichen Filme erschienenen Bücher haben mir viel Spaß gemacht. In jedem Buch finden sich 40 Kurzgeschichten, die den Hintergrundcharakteren aus den Filme eigene Backstories geben. Diese Handlungsstränge berühren dann irgendwann die bekannte Haupthandlung und geben ihr neuen Kontext, was meine Vorliebe für Netzwerk-Narrative (aka Drumherumerzählen) und Worldbuilding bedient. Außerdem bekommt man jedes Mal einen guten Überblick darüber, welche Autor:innen gerade in der US-Phantastik-Szene aktiv sind.
Zum zweiten Buch, anlässlich des 40. Jubiläums von The Empire Strikes Back 2020, veröffentlichte der Verlag Del Rey auch einen Podcast mit dem Untertitel “Author Commentary”. Die Herausgeber des Buchs unterhalten sich darin in 40 Folgen jeweils 10-15 Minuten lang mit den Autor:innen der Kurzgeschichten. Sie lassen sie (in teilweise gruseliger Audioqualität) erzählen, wie sie ihre Geschichte ausgewählt und geschrieben haben und was ihnen dabei wichtig war. Das ist Bonusmaterial im klassischen Sinne und als Fan von Audiokommentaren fand ich es sehr bereichernd – unter anderem, weil man eben genau diese Auslese an Autor:innen dadurch auch besser kennenlernt.
Anscheinend war das Projekt (das ein wenig typische Pandemie-Podcast-Energie hatte) nicht erfolgreich genug, denn zum gerade erschienenen dritten Band der Reihe gibt es keinen “Author Commentary”. Aber gerade für Buchprojekte mit mehreren Autor:innen finde ich diese Art von Hintergrund-Podcast eine lohnenswerte Idee.
Das Buch im Podcast weiterdenken: Female Choice
Meike Stoverock kenne ich über Social Media. Ihr Buch Female Choice (2021), das eine Verbindung zwischen Biologie und Feminismus knüpft, habe ich nicht gelesen, aber ich habe den Podcast dazu wahrgenommen, weil ich auch hier die Idee gut fand, ein abgeschlossenes Werk durch ergänzendes Material zu öffnen.
Zu Female Choice gibt es sechs Podcast-Folgen, in denen die Autorin gemeinsam mit einer Moderatorin und jeweils einem Gast zentrale Ideen ihres Buchs in einem etwa 45-minütigen Gespräch weiterdenkt. Zu Gast sind etwa ein Evolutionsbiologe, eine Archäologin und die feminstische Theologin Antje Schrupp.
Ich finde die Idee hinter dem Podcast gut, dass das Thema größer ist als das Buch. Die Podcasts fungieren damit gleichzeitig als Content Marketing für das Buch und als Öffnung des abgeschlossenen Buchs in einen größeren Diskurs. Statt immer nur die Autor:innen in andere Podcasts und Talkshows einzuladen, könnten diesen Weg meiner Ansicht nach viel mehr Sachbücher gehen.
Der Podcast als Buzz-Generator: Going Infinite
Das dritte Beispiel ist sehr aktuell. Es war in den letzten Monaten im Podcastfeed von Michael Lewis’ Podcast Against The Rules zu hören und passt perfekt zu den fortschreitenden Bemühungen des Podcast Labels Pushin Industries, Podcasts und Sachbücher miteinander zu verschmelzen. Denn viele Pushkin-Podcasts könnten in Textform auch Sachbücher sein, nicht zuletzt Against the Rules selbst, in dem sich der versierte Sachbuchautor Lewis (Moneyball, The Big Short) erstmals am Podcast versuchte und anscheinend Gefallen fand.
Denn als Vorbereitung zu seinem neuen, Anfang Oktober erschienenen Buch Going Infinite: The Rise and Fall of a New Tycoon über den FTX-Chef Sam Bankman-Fried entschied sich Lewis, Hintergrundgespräche, die er für sein Buch (angeblich) ohnehin führen würde, einfach öffentlich im Podcast zu führen.
Wie Lewis es ausdrückt, dienen diese Gespräche Sachbuch-Autor:innen normalerweise dazu, sich allgemein in Themen einzuarbeiten. Sie tauchen dann nicht als Zitate im Buch auf, sondern vermitteln nur allgemeinen Kontext und geben vielleicht Hinweise darauf, in welche Aspekte sich der/die Autor:in noch einmal tiefer reinbuddeln könnte. Lewis macht also (erneut: angeblich, denn so ganz glaube ich nicht dran) einen Teil seines Rechercheprozesses öffentlich und “primed” damit gleichzeitig sein Publikum dafür, am Ende richtig dolle Lust auf das Buch zu haben. Für eine Crossmedia-Marketingkampagne immerhin eine gute Idee. (Hat bei mir zum Glück nicht verfangen, ich denke nicht, dass ich es lesen werde, aber die Interviews waren interessant.)
Auf jeden Fall eine gute Idee für Autor:innen, die eventuell schon anderswo eine gewisse Gefolgschaft, wie etwa einen Podcast-Feed mit mehreren Tausend Abonnenten, haben, Nicht nur auf das Buch hinweisen, sondern aktiv das Thema vorher schon interessant machen.
In diesem spezifischen Fall bildet das Buch übrigens das zentrale Element in einer Art Triptychon, denn es erschien auf den Punkt zum Beginn des Prozesses gegen Sam Bankman-Fried, der aktuell im Podcast-Feed mit mehreren Folgen pro Woche begleitet wird.
Ich finde, die drei Beispiele zeigen, dass Podcasts als Buch-Erweiterung auf ganz verschiedene Weise eine echte Option sein können, wenn man nicht nur einen Hang zum Schreiben, sondern auch zum Sprechen hat. Wenn euch noch mehr Beispiele einfallen, schreibt sie gerne in die Kommentare, ich finde das ganze Thema sehr spannend. Und wenn ihr ein Buch in der Pipeline habt und darüber nachdenkt, dass man ja einen Podcast dazu machen könnte (und ihr nicht wisst, wohin mit eurem üppigen Marketingbudget) – meldet euch.
Titelbild: “a podcast player sits on top of a book on a wooden table in a sun-drenched room”, Craiyon