Film Blog Adventskalender – 11 – Dennis von “filmosophie.com”

Als Kind wünschte ich mir auch Videospiele unter dem Weihnachtsbaum. Als Erwachsener merke ich aber, dass es viel mehr Spaß macht selbst in einem zu stecken und sich Level um Level zu erarbeiten, fast schon wie im echten Leben. Oder? Für alle Junggebliebenen (und alle anderen natürlich auch) empfehle ich daher als Geschenktipp den höchst amüsanten Film Scott vs. Pilgrim vs the World von Edgar Wright.

Gerade weil wir auf “filmosophie.com” unterschiedliche persönliche Perspektiven und Genre-Vorlieben vereinen und damit eine gute Bandbreite
an Filmen abdecken, passiert es das ein oder andere Mal, dass ich als Cinephiler doch noch einen kultverdächtigen Film wie diesen neu entdecke.

(Dennis Basaldella)

Die Welt ist nicht genug – Man of Steel und Hollywoods episches Problem

© Warner Bros. Pictures

Richard Lesters Film Superman II von 1980 hat in Sachen Plot eine ganze Menge mit Man of Steel gemeinsam. Der kryptonische General Zod, der die Zerstörung Kryptons übelebt hat, weil er in einem außerplanetarischen Gefängnis saß, gelangt mit seinen Spießgesellen zur Erde, die er – in gewohnt zodscher Überheblichkeit – übernehmen will. Clark “Superman” Kent kann das natürlich nicht zulassen. Im Finale des Films (Spoiler) lockt er Lex Luthor, Zod und Co in seine Festung der Einsamkeit am Nordpol und besiegt sie, indem er ihre Arroganz geschickt gegen sie einsetzt.

Auch Man of Steel (Noch mehr Spoler) endet mit einer Konfrontation zwischen Kal-El und Zod. Die beiden smashen und crashen sich durch Metropolis, um schließlich in einem Bahnhof zu landen, wo Superman Zod mit einem Ruck das Genick bricht, um zu verhindern, dass dieser einer unschuldigen Familie schadet. Ein persönlicher Kampf, könnte man meinen. Doch um an diesen Punkt zu gelangen, braucht Man of Steel zuvor eine andere Szene, in der Zod und seine Kryptonier begonnen haben, die Erde mit ihrem Raumschiff zu terraformen. Metropolis wird von Erdstößen erschüttert. Superman muss das Gegenstück des Raumschiffs am anderen Ende der Welt zerstören. Lois Lane versucht in einem Bomber ein schwarzes Loch zu erzeugen. Zod verfolgt sie in einem 20.000 Jahre alten kryptonischen Raumschiff, das eine Brutkammer enthält, mit deren Hilfe – gemeinsam mit dem in Supermans Zellen enthaltenen Informationen – Krypton auf der Erde wieder auferstehen kann.

Hektische Dringlichkeit

Es ist bereits einiges geschrieben worden über Man of Steels Zerstörungsorgie in der letzten halben Stunde. Über das PG-13-Problem und die nicht enden wollende Referenzierung von 9/11. Thomas Groh bringt den Stein des Anstoßes (oder des Jubels) für viele Kritiker in seinem Text (in dem sich noch mehr gute Links finden) auf den Punkt, wenn er schreibt

[J]ene Inseln, in denen Superman eins mit sich (oder allein bei sich) ist und die man aus früheren Superman-Adaptionen kennt, weichen einem allumfassenden Modus hektischer Dringlichkeit, der sich auch an der unstet verwackelten Kameraführung ablesen lässt.

Doch es ist gar nicht unbedingt nur die Zerstörungswut und der “Let’s get Loud”-Gestus, an dem Man of Steel meiner Ansicht nach krankt. Das viel größere Problem ist, dass er einfach insgesamt zu gigantisch ist. Auch in Superman II gibt es eine Schlacht um Metropolis, und wären Computer 1980 zu den gleichen Leistungen in der Lage gewesen, wie heute, hätte diese sicherlich auch anders ausgesehen. Der Clou ist aber vielmehr, dass Superman II am Ende eigentlich eine kleine, persönliche Geschichte erzählt, obwohl Zod die Welt bedroht. Man of Steel versucht das gleiche, er will im Kern die Coming-of-Age-Geschichte von Superman erzählen, doch dabei schleppt er zahllose Expositionssequenzen und endlose Massen an Mythologie mit sich herum, die ihn wie ein tonnenschweres Gewicht hinunterziehen. Dort wollen ihn Zack Snyder und Christopher Nolan natürlich auch haben. Schließlich sind beide dafür bekannt, Gewicht mit Gravitas zu verwechseln.

Das Einkaufszentrum reicht nicht mehr

Die Geschichte von Man of Steel ist sehr einfach. Doch Snyder, Nolan und Drehbuchautor David Goyer brauchen einen langen, feurigen Prolog auf Krypton, eine beliebig wirkende Reihe von expositorischen Flashbacks, ein Hologramm von Russell Crowe, eine Entführung auf das kryptonische Raumschiff, jede Menge kryptisch (pun intended) erklärendes Kauderwelsch (“Wir konnten den Phantomgenerator in einen Hyperantrieb umbauen.”) und den oben beschriebenen Dreifach-Showdown, um sie zu erzählen. Und man beginnt trotzdem immer nur dann, tatsächlich etwas zu fühlen, wenn sich Zod und Kal-El wieder persönlich gegenüberstehen.

Ende vergangenen Jahres habe ich das neo-barocke Hollywoodkino am Beispiel des Hobbit noch gelobt. Doch dieser Blockbuster-Sommer ist drauf und dran, mich vom Gegenteil zu überzeugen. Hollywood ist einfach zu episch geworden. Filme – selbst effektlastige Blockbuster – waren mal gut darin, große Geschichten in kleinen Kosmen zu erzählen. Derzeit passiert genau das Gegenteil: Nicht nur Superman muss verhindern, dass die ganze Welt zerstört wird. Wo Zombiefilmen früher ein Einkaufszentrum reichte, um ihre Parabel zu errichten, muss es heute schon ein ganzer World War Z sein. Und Guillermo del Toros Pacific Rim folgt der Logik: Wir werden von gigantischen Monstern angegriffen? Dann müssen wir wohl selbst gigantische Monster bauen.

Der perfekte Sturm

Die gleiche schwanzbeißende Logik scheint Hollywoods Studiobossen durch die Hirne zu kreisen. Wenn Filme schon 200 Millionen Dollar pro Stück kosten müssen, dann müssen die Geschichten und Setpieces, auch größer sein, als alles bisher dagewesene. Mindestens Global. Besser noch Galaktisch. Sicher, Schauwerte sind einer der größten Spaßspender im Sommerkino. Und Worldbuilding kann in unserer transmedialen Welt eine Menge Spaß machen. (Einschub: Ich mochte den Einfall eigentlich, aus Man of Steel einen Science-Fiction-Film zu machen, statt immer nur die bekannten Superheldenkühe zu melken.) Aber hinter allem muss etwas stehen, zu dem man als Zuschauer einen Bezug aufbauen kann. Sonst bleibt selbst der perfekte Sturm in seinem Wasserglas gefangen.

Edgar Wrights Film Scott Pilgrim vs the World wurde damals mit der wunderschönen Tagline “An Epic of epic Epicness” beworben. In dem Film geht es darum, dass ein junger Mann sich damit abfinden muss, dass seine Freundin eine sexuelle Vergangenheit hat. Aber auch eine so banal wirkende Prämisse kann eben manchmal zum epischen Kampf werden. Dafür muss nicht immer gleich die ganze Welt vor der Zerstörung stehen.

Real Virtuality’s Favourite Films of 2010

Was 2010 a vintage year for film? Compared to 2009, from which basically only Avatar is still talked about, I guess it was. In the long run, only time will tell of course, but here are the ten films that made the biggest impression on me in all the vintageness.

Note: This list goes by German cinematic release dates. Note 2: Even though I made it into the cinema a lot this year, I still missed some titles, i.e. Enter the Void and Exit through the Gift Shop.

1. Scott Pilgrim vs. the World

There are two reasons, why I chose to make this film my film of the year. One is that is truly a revolutionary and daring piece of filmmaking for reasons that The Film Doctor has pointed out. The second is that it really stuck with me emotionally in ways that Inception or The Social Network did not.

2. Inception

You can say almost nothing against this excellent film, except maybe that it’s a bit too cerebral and a bit convoluted. But, well, that’s what happens when you are making a big budget action blockbuster which at the same time serves as an intelligent investigation of the nature of dreams and our ability to delude ourselves. And right now there is only one director able to pull this off: Christopher Nolan.

3. The Social Network

It’s not the story of Facebook, I believe, but it is a very good story. As usual, Fincher succeeds in making the viewer forget just how perfectionist his filmmaking is by enveloping him in a well-told story brought across by excellent performers. That’s what makes the film so strong. It is not however, a testament of our times, I reject this reading.

4. El Secretu de sus ojos

I won’t say it was a worthy Oscar winner (because it was up against Das weiße Band), but it was a worthy nominee. I just liked this film. It was tense and gripping, it was beautifully lit and shot and it was so melodramatic in a good way, about love that transcends time and brings people to do cruel things. It just got me.

5. The Kids are all right

If I was a different kind of person I would probably have all sorts of reservations against this film, but I am not. So I liked the extremely powerful betrayal of a couple going through marriage problems – stripped of all gender prejudices you could have because both partners are women. Around the performances, however, which are easily the biggest asset of the film, there is also some well-composed pictures to look at, which rounds the film off nicely.

6. Crazy Heart

The landscapes and the dreams that surround this tale open up the canvas, the intimate performances and the music close it again. This mixture generates a film that lasts, even more because it’s a fictional story that might just be true.

7. A Single Man

Another performance-driven film that profits from the fact that it is also clothed in beautiful images. I liked the bitterness of it, combined with the technique of using shifting colour saturations to convey emotion, which is something that I hadn’t seen done in quite this way before.

8. Toy Story 3

Ignore the fact that there is a bit too much of everything in the second act of this film as it channels prison break movies of the last five decades. Toy Story 3 more than makes up for it with the emotional climax of the third act and an ending that had me shedding a few lonely tears in the cinema. A very different coming-of-age-story which brillantly finishes a trilogy fifteen years in the making.

9. The Road

It’s a film about a failed civilisation that manages to tell its story without drifting off into the romanticized apocalypse. There is no hint here of a “paradise regained” Adam-and-Eve-notion, just a harrowing sense of survival of the well-adapted. That’s what made the film for me.

10. Gainsbourg

I like innovative approaches to biopics and Gainsbourg is excellent in mixing legend and history. Once M. Gainsbourg is famous, it gets a little tedious watching his seemingly endless decay, but in the end even that felt worthwhile in order to learn how one of France’s most infamous 20th-century-figures might see himself in a movie.

Honorable Mention: Die kommenden Tage

This is not in the Top 10 because it tries to cram a little too much character drama into one film in a way that makes some of the characters unbelievable in the end. But a near-future dystopia from Germany that successfully taps into a lot of the fears which haunt our times, combined with some of the best colour photography I have seen in a German film for years, nevertheless made for a film that I often think back to. Can we please have more films with this scope in Germany?

Let’s see how 2011 will play out. Until then, I wish all my blog readers a good sense of closure for 2010 and a Happy New Year!

Scott Pilgrim vs The Words

Soso, ein Trailer für Scott Pilgrim vs The World ist also draußen.

Ich bin unentschieden. Einerseits finde ich Edgar Wright gut und bin grundsätzlich der Meinung, dass er gute Filme macht – andererseits kann ich Michael Ceras wimpiges Gehabe irgendwie auch nicht mehr sehen. Ich kenne die Vorlage nicht, weiß also nicht wirklich, was mich erwartet, aber dafür ist mir etwas anderes aufgefallen.

Wright benutzt in seinem Film für Actionszenen die sound words der Comic-Sprache als Schrift im Bild. Hier zum Beispiel:

Damit benutzt er nicht nur die Mittel der digitalen Technik, um sich dem Medium, das er adaptiert, filmisch zu nähern – für mich eines der Merkmale meines Steckenpferds, der von mir sogenannten “Neuen Digitalen Ästhetik”, die sich u. a. durch Verfremdung und Medienhybridität auszeichnet – sondern er ist überhaupt seit langem jemand, der sich mal wieder traut, kreativ mit Schrift im Filmbild umzugehen.

Schrift, Typografie ist eines der zentralen Merkmale mehrere Kunstformen, aber im Film hat sie, abgesehen von Titelsequenzen, in der Regel keinen Platz, weil sie etwas Abstraktes ist, mit der in der Diegese des Films nicht umgesprungen werden kann. Schließlich soll Film meistens eine Nachahmung von Leben sein, und im nichtfilmischen Leben verfestigen sich sinnliche Eindrücke ja auch nicht spontan in Schriftform.

Trotzdem gibt es immer wieder Momente, in denen auch Typografie ihren Platz in der Filmwelt hat. Das älteste Beispiel sind vermutlich stumme Zeichentrickfilme, die sich in ihrer Bildgestaltung noch sehr an ihre Ursprünge, die Cartoons amerikanischer Zeitungen anlehnten. Hier ein Beispiel aus Soda Jerks mit Mutt und Jeff von 1925 (nachkoloriert in den Fünfzigern):

Wenn man sich den ganzen Film anschaut sieht man, das er grundsätzlich stumm ist (also ohne Sprechblasen o.ä. auskommt), aber in Schlüsselmomenten Wörter ausschreibt – meistens Sound Words wie “Wheee!” oder das “ZZZZ” eines Schlafenden, aber in dem obigen Beispiel eben auch mal einen Moment, der genau so viel plötzliche Schlagkraft hat wie das, was ein Sound Word normalerweise repräsentiert – hier der Moment, in dem die Hauptfiguren auf einmal merken, das die Polizei im Anmarsch ist.

Obwohl sich die Praxis, Typografie als Teil der Animation zu haben, im Tonfilm nicht durchsetzte, taucht sie vereinzelt immer wieder auf, hier zum Beispiel in Werner – Beinhart (1990)

Eine weitere direkte Bezugsquelle für Scott Pilgrim ist natürlich die alte Batman-Serie mit Adam West, doch hier sind die Sound Words einzelne Bilder, die eingeblendet werden und nicht Teil des Bildes.

Zu interpretieren gibt es hier erstmal nichts, der Comic-Bezug ist relativ klar. Ich bin nur gespannt, ob das Prinzip auch im Film funktioniert, oder ob es den Zuschauer aus dem Eintaucherlebnis herausreißt.


Aber weil ich gerade dabei bin, hier noch zwei weitere Assoziationen zum Thema “Spaß mit Schrift im Film”, die ich beim nachdenken hatte. Da war einmal der clevere Einsatz von Untertiteln in Danny Boyle’s Slumdog Millionaire, wo die Untertitel Teil des bunten, dynamischen Gesamtgefüges der Bildgestaltung werden:

(Ja, ich weiß, nicht gerade ein gutes Beispiel, aber ich habe immer noch keinen Weg gefunden, meine amerikanischen DVDs, z. B. die von Slumdog Millionaire, auf meinem Mac abzuspielen – auch der VLC-Player hilft mir nicht – und deswegen musste ich mich beim einzig möglichen YouTube-Clip bedienen)

Und dann ist da schließlich noch das Beste an David Fincher’s Panic Room, der inzwischen gefühlt drei Millionen mal kopierte Vorspann, in dem die Worte in den New Yorker Straßenschluchten umherschleichen: