Erst durch Godzilla werdet ihr merken, was ihr an Pacific Rim hattet

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Andreas Busche nennt in der aktuellen Ausgabe von “epd film” Godzilla als das jüngste Beispiel für einen schon länger anhaltenden Trend: “In Hollywood ist es Mode geworden, Newcomern und Autorenfilmern Multimillionen-Budgets in die Hand zu drücken. In der Hoffnung, die würden dem durchkalkulierten Blockbusterkino neue Impulse geben.” Und in der Tat schien im Vorfeld alles dafür zu sprechen, dass die Neuauflage des Monster-Franchises, das Roland Emmerich in den 90ern schon einmal richtig in den Dreck gefahren hatte, diesmal eine gute Balance zwischen Blockbuster und Kunst-Sensibilität finden würde.

Die Marketing-Kampagne für Godzilla – Poster, Trailer und veröffentlichte Bilder – jedenfalls sprach genau diese Sprache: Gareth Edwards, Regisseur von Monsters, Leute! Der wird’s richten. Ich habe dem Ganzen nicht vertraut, weil ich Hollywood nicht vertraue. Insofern waren meine Erwartungen niedrig, als ich ins Kino ging. Ich war mehr bereit, positiv überrascht zu werden. Ich saß aufrecht im Sessel, als ich sah, dass der Film einen richtigen Vorspann hatte, in dem sehr clever Backstory erzählt und grafische Elemente etabliert werden. Und dann wurde ich dennoch enttäuscht.

Man muss dazu sagen, dass ich im Gegensatz zu anderen Kritikern kein Kenner des Genres bin. Den Originalfilm von 1954 habe ich (leider) bis heute nicht gesehen. Ich vergleiche Godzilla also mit dem letzten Film, den ich im Kino gesehen habe, der irgendwas mit Japan und Monstern gemacht hat: Guillermo del Toros Pacific Rim.

Awesome Dumb Movies

Die Screen Junkies konnten sich in ihrem Honest Trailer passenderweise nicht entscheiden, ob Pacific Rim “The most awesome dumb movie ever made” oder “The dumbest awesome movie ever made” sein sollte. Godzilla jedenfalls will in diesem Wettbewerb gar nicht mitbieten. Es geht einen anderen, derzeit durchaus beliebten Weg und gibt sich erdig, ehrlich und – was auch immer das bei einem Monsterfilm bedeuten soll – “realistisch”. Vielleicht ist das schon der Punkt, wo die Frage des Gefallens oder Nicht-Gefallens zur Glaubensfrage wird, aber nehmen wir das Biest doch mal auseinander.

Von hier an ist Spoilerfreiheit nicht mehr garantiert.

Pacific Rim‘s erste Sätze geben vor, wie der Film wahrgenommen werden möchte. Die Kaijus sind Aliens. Ihre Bedrohung ist unter anderem dadurch so groß, dass man sie nicht verstehen kann – nur bekämpfen. Einer der größten Subplots des Films dreht sich darum, dass ein Wissenschaftler bereit ist, sich geistig in ein Kaiju hineinzuversetzen, um dessen Ursprung zu erfahren. Wie Menschen auf gottgleiche Wesen reagieren – auch wenn sie zerstörerisch sind – ist eines der Themen, die Pacific Rim im Hintergrund immer wieder aufwirft. Es gibt Kulte, die den Kaijus huldigen und diejenigen, die sie erfolgreich besiegen, werden wie Rockstars gefeiert. Aus dem Unbegreiflichen strickt Drehbuchautor Travis Beacham eine Mythologie, die dem Film Leben und Tiefe gibt. Das Gefühl einer Welt, in der zwar solch hanebüchene Konzepte wie “drift compatibility” existieren, die dafür aber atmet und in der noch andere Geschichten spielen könnten, ist eine der großen Stärken des Films.

Alles natürlich

Godzilla hat dafür – wie erwähnt – diesen tollen Vorspann und bemüht sich sehr, seine Geschehnisse in der Realität zu verankern. Godzilla selbst, wie auch die Wesen, gegen die er kämpfen muss, bekommen eine wissenschaftliche Erklärung verordnet und genau wie Pacific Rim von Anfang an seine phantastische Komponente etabliert, pocht Godzilla in beinahe jeder seiner 123 Minuten auf seine wissenschaftliche Erdung. Die Monster greifen an, weil sie sich “von Strahlung ernähren”, sie haben sich “auf den Meeresgrund zurückgezogen, um dort die Strahlung des Erdkerns aufzusaugen”. Sie haben elektromagnetische Pulse als Verteidigungsmechanismus, sie wollen sich eigentlich nur paaren, Godzilla ist ihr natürlicher Raubtier-Feind und überhaupt: eigentlich steht der Mensch nur im Weg bei einer ganz normalen Entfaltung der Natur. Darum geht es immer und immer wieder in Godzilla. Der Satz fällt sogar im Trailer.

Doch wie so häufig, wenn man versucht, das irgendwie Absurde (Riesenmonster) durch pseudo-realistische Wissenschaft zu erklären und es nicht als große Metapher zu begreifen (wie, so mein Verständnis, der Originalfilm aus den 50ern), muss man die zuständigen Wissenschaftler oft sehr runterdummen, um den Plot am Laufen zu halten. In diesem Fall sind es Sally Hawkins und Ken Watanabe, die diese undankbare Rolle ausfüllen müssen und immer erst dann zu eigentlich sehr naheliegenden Schlüssen kommen, wenn es plotmäßig relevant ist und es auch der dümmste Zuschauer im Publikum vor ihnen begriffen hat. Hier noch ein Tweet von Sebastian Moitzheim dazu

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Morgen lachen wir drüber

Eine Möglichkeit, die viele Filme ergreifen, um dem Absurd-unbegreiflichen Herr zu werden, ist Humor. Pacific Rim besitzt eine gesunde Dosis Frotzelei und Übertreibung, mit der dem Publikum unter der Hand signalisiert wird, dass sich die Filmemacher durchaus bewusst sind, dass sie eine gewisse “suspension of disbelief” verlangen. Alternativ besitzt etwa Jurassic Park eine Figur wie Jeff Goldblums Ian Malcolm, der als Anwalt des Publikums immer wieder eine Portion Zynismus über dem sich entfaltenden Szenario ausgießt und so einfach die allgemeine Stimmung auflockert.

Nicht so Godzilla. Ein paar Mal arbeitet der Film mit dramatischer Ironie, etwa wenn die Spielsüchtigen von Las Vegas zu beschäftigt sind, um das herannahende Monster in der Live-Fernsehübertragung direkt über ihren Köpfen auf die Stadt zustapfen zu sehen. Aber darüberhinaus darf niemand die Absurdität des Geschehenden anerkennen. Alle sind zu sehr damit beschäftigt, entweder grimmig darüber nachzudenken, wie sie die Bedrohung am besten bekämpfen oder ehrfürchtig ihre eigene Position im Kosmos zu reflektieren. “Awesome” wird hier nur im ursprünglichen Wortsinn bemüht, nicht als modernen Allzweckwort.

Die Fallhöhe mal wieder

Das Problem dabei ist ähnlich, wie bei den Wissenschaftlern: Humor entspannt, Ernsthaftigkeit schafft zusätzliche Fallhöhe. Mit anderen Worten: Ein Film, der sich selbst und seine Geschichte sehr ernst nimmt ist anfälliger dafür, logisch hinterfragt zu werden. Einem Film wie Pacific Rim kann man es gerade noch so verzeihen, dass ihm die Power einer bestimmten Waffe erst zehn Minuten vor Schluss, im dramatisch günstigen Moment, auffällt. Godzilla hingegen muss sich ein paar ernsthafte Fragen gefallen lassen – zum Beispiel: Wenn Godzilla ein Raubtier sein soll, warum frisst er dann seine Beute nicht?

Viel von Godzillas Dramaturgie ist darauf ausgerichtet, maximale Wirkung mit Bildern zu erzielen, die Zerstörung zeigen – und das gelingt ihm teilweise sehr gut. Godzilla und seine Kumpanen sind Naturgewalten und sie hinterlassen entsprechende Spuren. Doch die Regie des Films ordnet sich diesem Regime teilweise so sklavisch unter, dass es lächerlich wird. Da kann ein 50 Meter hohes Gigantum von einem auf den anderen Moment muxmäuschenstill werden, wann immer es opportun ist. Da schaffen es Menschen immer wieder, nur von der dramaturgisch günstigen Seite an einen Ort zu kommen – so dass erst mit einem enthüllenden Umschnitt für Charaktere und Publikum plötzlich das ganze Ausmaß der Zerstörung sichtbar wird. Und jedes Mal fragt man sich: Leute, ihr hattet Hubschrauber! Habt ihr das gigantische Loch im Berg, aus dem ein Koloss hervorpoltert, nicht vorher gesehen?!

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Charakterköpfe

Es wird an allerlei Orten angemerkt werden, dass es etwas besonderes ist, dass sich Godzilla Zeit lässt, um seinen Plot zu entfalten. Dem stimme ich zu. Es ist alles andere als schlecht, dass er sich die Mühe macht, eine ausführliche Chronologie aufzubauen, um die Spannung für die unweigerlich folgende Zerstörungsorgie zu steigern. Pacific Rim ging damals den umgekehrten Weg, frühstückte die Hintergrundgeschichte in einer Montagesequenz ab und ging direkt zum Gerumpel über – und ja, am Ende war man dann auch etwas ermüdet.

Aber nutzt Gareth Edwards die gewonnene Zeit, um Charaktere zu erschaffen, um deren Schicksal man sich sorgt? Die Art und Weise, wie ich diese Frage stelle, verrät schon, dass sie rhetorisch ist. Nein, tut er nicht! Die Figuren in Pacific Rim mögen alberne Namen haben, aber sie sind alle zu verschiedenen Graden individuell und definiert genug (vom typischen blonden weißen Haupthelden abgesehen), um interessant zu wirken. Godzilla enthält genau eine interessante Figur, Bryan Cranstons Wissenschaftler-der-zum-Verschwörungstheroretiker-wird, und tötet sie nach 20 Minuten. Das ist zwar mutig, aber in diesem Fall wenig sinnvoll, weil niemand da ist, der ihren Platz einnehmen kann.

Wir waren schon mal weiter

Oder interessiert ernsthaft jemand Aaron Taylor-Johnsons jammerig-besserwisserischer Waffenexperte, dessen blaue Augen von der Muskelmasse, die er sich für den Film antrainiert hat, beinahe erdrückt werden? Oder Ken Watanabes bereits erwähnter vollkommen generischer Uiuiui-Wissenschaftler? Von den Frauenrollen will ich lieber gar nicht anfangen. Gerade von einem Film, der sich den Anstrich gibt, ein kleines bisschen anders zu sein, hätte ich mehr erwartet als Sally Hawkins’ Forscherin mit dem Gestus einer Zahnarzthelferin oder Indie-Darling Elizabeth Olsen, die als Aaron Taylor-Johnsons Frau (und als Krankenschwester!) auch wenig mehr tun darf als hilflos in der Gegend herum zu stehen. Juliette Binoche schließlich spielt eine liebende Mutter und liebende Ehefrau, die innerhalb kürzester Zeit stirbt und nur noch als Idealbild vergöttert werden darf. Da waren wir doch schon mal weiter.

Godzilla hat seine Stärken. Die bereits erwähnten Bilder der Zerstörung wecken tief sitzende Assoziationen und funktionieren in ihrer Schreckenswirkung dadurch entsprechend gut. Doch darüber hinaus hält sich der Film für viel cleverer und innovativer als er tatsächlich ist, denn er kann nicht einmal in seinem Design Akzente setzen, die einem irgendwie im Gedächtnis bleiben (im Vergleich etwa zu Pacific Rims neon-cyberpunkigen Farbspielereien). Und so wird Godzilla genau das werden, was er gerade nicht sein wollte: ein vergessbarer Blockbuster, der einen kurz unterhält und dann auf dem Komposthaufen der Filmgeschichte verrottet. So läuft das nunmal, wenn die Natur ihren Lauf nimmt.

Film Blog Group Hug: Die Filme des Sommers

Bild: Sascha (Danke!)

Ich habe die deutsche Filmblogosphäre beschimpft, jetzt will ich sie vereinen. Seit meinem ursprünglichen Artikel hatte ich das große Glück, mit vielen Internetfilmschreibern näher in Kontakt zu treten und seitdem haben sich auch einige meiner Ansichten sogar ein bisschen geändert (mehr dazu vielleicht bald hier). Nicht geändert hat sich mein Anliegen, die Vernetzung zwischen den Filmbloggern nach außen sichtbar zu gestalten. Daher habe ich den Film Blog Group Hug ins Leben gerufen, bei dem ich Filmbloggern eine Frage schicke und ihre Antworten dann gesammelt hier veröffentliche. Das Konzept habe ich schamlos geklaut vom Criticwire Survey.

Für Group Hug Numero eins habe ich zunächst jene Leute angemailt, mit denen ich im Laufe des letzten Dreivierteljahres Kontakt hatte, und die Frage relativ simpel und mainstreamig gehalten. Ich bedanke mich an dieser Stelle schon einmal für das positive Feedback und die vielen tollen Rückmeldungen. Wie es mit dem Konzept weitergehen könnte, steht am Ende des Posts.

Die erste Film-Blog-Group-Hug-Frage lautete:

Welcher Film hat euch diesen Blockbuster-Sommer am nachdrücklichsten beeindruckt, egal ob positiv oder negativ, und warum?

Der beste Blockbuster diesen Sommer war für mich ganz klar Pacific Rim. Guillermo del Toro lebt seine Kindheit aus und man könnte meinen, wir hätten beide die gleiche gehabt. Riesige Kaijus, aus den Godzilla-Filmen entlehnt, gegen riesige Mechas, aus dem Anime entlehnt. Da geht jedem Fan dieser beiden Genres das Herz auf. Aber del Toro versteht es außerdem eine sehr detailreiche und dichte Atmosphäre zu schaffen, die den Zuschauer durch den Film trägt. Ich hab schon wieder Lust darauf.
– Patrick Thülig, Kontroversum
(Pacific Rim in den Kontroversum Shorts)

Aus familiären Gründen ist es mir in diesem Jahr erst ein einziges Mal gelungen, einen sogenannten Blockbuster zu schauen, und das war Star Trek Into Darkness. Ich habe es nicht unbedingt bereut, aber mir war das alles etwas zu viel und den guten, alten “Star Trek”-Geist habe ich auch vermisst. Aber trotzdem habe ich mich recht gut unterhalten gefühlt. Andere “Blockbuster” habe ich nicht gesehen, aber ich muss auch sagen, dass ich jetzt nicht das Gefühl habe, etwas verpasst zu haben. Außer Pacific Rim, den ich wegen Del Toro gerne gesehen hätte. Ansonsten habe ich mich gefreut, dass ich immerhin Only God Forgives im Kino sehen konnte, den ich sehr mochte, auch wenn ich die kontroversen Meinungen gut verstehen kann.
– Marco Koch, Filmforum Bremen

© Paramount

In einer Saison der vergurkten Blockbuster (ich sage nur Man of Steel) war World War Z die positive Überraschung. Ein Zombiefilm, der auf Realismus setzt. Es sind die Details, die mich begeistert haben: Der UN-Ermittler Gerry Lane ist einer, der die Nerven behält, an Wasser und Medikamente denkt – keine Kampfmaschine, kein überlebensgroßer Held. Die Mischung von zurückhaltendem Spiel und schierem Charisma, mit der Brad Pitt diese Rolle spielt … Hut ab. Dazu Hochspannung über fast den ganzen Film.
– Thomas Laufersweiler, SchönerDenken
(World War Z bei “Schöner Denken”)

Für mich gab es in diesem Blockbuster-Sommer gleich ein paar Überraschungen. Die größte aber war mit Sicherheit Roland Emmerichs White House Down. Diesmal legt der Mann aus Sindelfingen zwar nur das Weiße Haus in Schutt und Asche, nimmt damit aber gekonnt das Herz der Vereinigten Staaten ins Visier. Das Ergebnis: sein bester Film überhaupt. White House Down ist spannend, explosiv, komisch – und hat eine gehörigen Portion Chuzpe.
– Björn Helbig, Yzordderrexxiii
(Björns Kritik bei “kino-zeit.de”)

Die (amerikanische) Sommersaison 2013 war vor allem ein hysterisches Debakel, und nur ein Film, bezeichnenderweise nicht aus der Mega-Tentpole-Ecke, konnte mich wirklich begeistern: The Conjuring – ein „haunted house“-Horrorfilm von James Wan, der zwar kaum etwas Neues erzählt, doch dafür eine inszenatorische Reife und Eleganz an den Tag legt, die absolute Kontrolle über den Stoff und das Genre beweist. Zwei klatschende Hände…und alle kleben an der Decke. Einfach meisterhaft!
– Martin Beck, Reihe Sieben
(Martins Kritik zu The Conjuring)

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Definitiv World War Z. Nachdem eigentlich alle US-Kritiker bereits im Vorfeld die Produktion für (un)tot erklärt hatten und auch hierzulande die üblichen Verdächtigen voller Wonne Verrisse schrieben, war ich vom Ergebnis angenehm überrascht. Der Film ist 1-A-Spannungskino und trotz fehlendem Gore-Faktor furchteinflößend. Und manchmal braucht Regisseur Marc Foster nicht einmal Zombies, um eine Atmosphäre der Angst zu schaffen, sondern nur einen Supermarkt in New Jersey.
– Denis Krick, Ex-Couchmonster

Ich bin Blockbuster-müde, in diesem Jahr mehr als je zuvor. Das liegt nicht zuletzt an 3D, das für mich kein Bonus, sondern ein teures Ärgernis ist. Gesehen habe ich nur Iron Man 3 und Star Trek Into Darkness. Beide haben mich, als ich im Kino saß, wirklich gut unterhalten, aber einen nachhaltigen Eindruck hat keiner hinterlassen. Jetzt hole ich noch Elysium nach und dann ist mein Blockbuster-Sommer schon vorbei. Möge es ein langer Filmwinter werden.
– Thomas, Abspannsitzenbleiber

Nach intensivem Studium meiner Filmliste habe ich festgestellt, dass ich in diesem Jahr erst einen Blockbuster gesehen habe: The Great Gatsby. Bei diesem Film hat mich am meisten beeindruckt, dass Leonardo DiCaprio und Carey Mulligan allen meinen Befürchtungen zum Trotz überzeugend als Jay Gatsby und Daisy waren. Und so schön sind Hemden noch nie in einem Film geflogen.
– Sonja Hartl, Zeilenkino
(Sonjas Anmerkungen zu The Great Gatsby)

Die meisten Blockbuster habe ich eh noch nicht sehen können – aber richtig weggeweht haben mich nur zwei kleinere Filme, beides zu meiner Überraschung Kinderfilme (von denen ich seit Anfang des Jahres viele sehe): Tom und Hacke, ein wunderbarer Kinderkrimi aus der bayerischen Nachkriegsprovinz, richtig, richtig gutes Genrekino für Zwerge: spannend, düster, realistisch und komplett in Mundart. Außerdem, anders genauso gut, der französische Animationsfilm Ernest et Célestine. Ein bezauberndes Stück Kinopoesie, märchenhaft und politisch zugleich, in einer komplexen, bizarren Welt beheimatet.
– Rochus Wolff, Kinderfilmblog

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Der Blockbuster, der mich diesen Sommer am meisten begeisterte, ist Gore Verbinskis Lone Ranger. Entgegen der Meinung der US-Kritiker ist dieser Western eine smarte und energiegeladene Abrechnung mit dem gesamten Genre.
– Sidney Schering, Sir Donnerbolds Bagatellen
(Sidneys Kritik zu The Lone Ranger)

Nicht unbedingt nur aus dem Grund, dass ich es kaum ins Kino schaffe und die meisten Blockbuster noch gar nicht habe sichten können, hat mich Star Trek Into Darkness von vorn bis hinten und somit am meisten begeistert, weil das Darsteller-Ensemble sowie die temporeiche und epische Inszenierung nebst beeindruckenden Schauwerten mich wohlwollend über die vielen dramaturgischen Mängel haben hinwegsehen lassen.
– Wulf Bengsch, Medienjournal
(Wulfs Kritik zu Star Trek Into Darkness)

Mein Film des Sommers ist ganz klar Pacifc Rim. Guillermo Del Toro’s Hommage an die japanischen Kaiju-Filme ist ein richtig unterhaltsames Actionspektakel. Kein anderen Blockbuster hat den oft schwierigen Spagat zwischen Action und Figurenentwicklung, inklusive einer wirklich bemerkenswerten Frauenrolle, so gut hinbekommen. Auch die liebevolle und farbenfrohe Gestaltung hat mich überzeugt. Großartig.
– Doreen Butze, waxmuth
(Doreens Kritik zu Pacific Rim bei “Kino – German Film”)

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The Lone Ranger ist nicht mein liebster Film des Sommers. Inmitten der eintönigen Zerstörungsplörre vieler Konkurrenten ließ sich Gore Verbinskis in den Stummfilm verliebter Western trotzdem, einem Widerhaken gleich, nicht abschütteln. Gerade weil sein Ringen um die Vereinigung des Blockbusters mit dem Genre des Klassischen Hollywood-Kinos zum Scheitern verurteilt ist, bleibt das Millionengrab tausendmal spannender als die konventionellen Superheldenfilme der Saison.
– Jenny Jecke, The Gaffer
(Jennys Anmerkungen zum aktuellen Western bei “Moviepilot”)

Meine Wahl fällt auf Monsters University. Es ist nicht mein Favorit aller Blockbuster, aber er hat für mich persönlich eine spezielle Bedeutung. Ich habe mich intensiv mit diesem Film auseinandergesetzt und ihn mit jeder Sichtung mehr lieben gelernt. Die Details und Nuancen entdeckt. Und geschätzt. Die Message des Films, dass einem das Leben manchmal schlechte Karten gibt und dass das aber kein Weltuntergang ist, hat mich aufgrund ähnlicher persönlicher Erfahrungen ebenfalls berührt. Insofern schwingt auch sehr, sehr viel Subjektivität mit, aber on second thought – bei welcher Filmbewertung ist das nicht so?
– Owley, Owley.ch

Kick-Ass 2 war der einzige “Blockbuster”, der mich diesen Sommer ins Kino gezogen hat. Wegen mangelnder Nachfrage im kleinen Saal. Die alternative Story des ersten Teils wurde gewohnt comicnah weiter gesponnen. Hätte man sich ganz an Mark Millars Geschichte gehalten, wäre der Film nicht unbeschadet in die deutschen Kinos gekommen. Zum Glück ist Gewalt weniger die Triebfeder von Kick-Ass 2, als die Vorstellung vom John Doe, der sein Ego im Mummenschanz offenbart. Mit einem ganzen Schurkenkader, der sich einer Bürgerwehr aus überzeugten Helden stellt, wird die ursprüngliche Idee auf die Spitze getrieben.
– Intergalactic Ape-Man, Intergalaktische Filmreisen

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Mein Highlight des Blockbuster-Sommers 2013 ist ohne Frage Man of Steel. Superman fasziniert mich seit ich denken kann. Man of Steel hat mich jedoch enttäuscht. Die hektische Kameraarbeit, das sprunghafte und emotionsleere Drehbuch sowie die Zerstörungsorgie im dritten Akt ließen mich fassungslos im Sessel zurück. Trotz der starken Performance von Henry Cavill, dem Soundtrack und vielen cleveren Details muss ich weiterhin auf den „Dark Knight“-Moment für meinen Lieblingshelden warten.
– Christian Steiner, Second Unit
(Second Unit Superman Special)

Ehrlich gesagt habe ich erst vergangene Woche mit Jurassic Park 3D die wahre Blockbuster-Sensation des Sommers mit den Augen eines Zehnjährigen bewundern dürfen. Nichtsdestotrotz gab es 2013 ein weiteres Werk gigantischen Ausmaßes, dessen bewegte Bilder Ähnliches vollbracht haben: Pacific Rim. Wenn Guillermo del Toro im audiovisuellen Rausch Kaijus und Jaeger in den nächtlichen Straßen von Tokio kollidieren lässt, öffnet sich auf der großen Leinwand das Tor in eine fantastische Welt voller überwältigender Farbexplosionen und grenzenloser Abenteuerlust, die mich jedes Mal staunend wie ein Kind zurückgelassen haben.
– Matthias, Das Film Feuilleton
(Matthias’ Kritik zu Pacific Rim)

Dass der Film nach all meinen Befürchtungen und Vorbehalten, die ich als riesiger Fan des Buches frequentiert verbalisierte, nicht nur in sich selbst geglückt ist, sondern dass er stattdessen auch im Vergleich zu vielen anderen großen Blockbustern im dritten Akt nicht versuchte sich zu übertreffen, sondern gekonnt seine Mythologie vertiefte, macht World War Z zu meinem Sommerhit des Jahres. Dank dem großartigen Erfolg des Films kann man nun auch auf Sequels hoffen, die das Buch umsetzen.
– Sascha, PewPewPew

Am meisten bewegt hat mich Paolo Sorrentinos La grande bellezza – Die große Schönheit, weil er in wahrlich meisterlicher Manier den Stillstand, die Oberflächlichkeit und die Melancholie eines Lebens (UNSERES Lebens) in einen Rausch aus Bildern und Musik gießt, wie man das heute kaum mehr zu sehen bekommt.
– Joachim Kurz, kino-zeit.de
(Joachims Kritik zu La grande bellezza)

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Drei Gedanken zu Guillermo del Toros Pacific Rim

Courtesy of Warner Bros. Pictures

Dies ist ein Gastbeitrag von meinem persönlichen Guillermo-del-Toro-Experten Martin Urschel. Ich mochte Pacific Rim aber auch.

Als ich den ersten Trailer zu Pacific Rim gesehen habe, war ich mir nicht sicher, ob das Experiment funktionieren würde, so eine Geschichte für ein internationales Massenpublikum zu erzählen: Riesige Mecha-Kampfmaschinen werden von Menschen aus allen Ecken der Welt in den Kampf gegen außerirdische Riesenungeheuer aus einer pazifischen Tiefseespalte geführt. Im Angesicht der Monster haben die Menschen in Pacific Rim ihre nationalen Zwistigkeiten beiseitegelegt. Ein friedvoller Schulterschluss der Nationen, um die gemeinsamen Probleme mit gebündelter Kraft anzugehen. Hier kämpfen die Menschen einmal zusammen gegen Monster, statt gegeneinander.

Diese enthusiastische und sympathische Grundidee liegt Guillermo del Toros neuem Film zugrunde. An den Kinokassen hatte der Film es schwer, nicht zuletzt weil er mutig war, wo die meisten großen Studio-Filme der letzten Jahre sich darauf verlegt haben, bereits etablierte Marken immer neu zu verwursten oder bekannte Bücher zu adaptieren. Stattdessen wählte del Toros Drehbuchautor Travis Beacham ein im Westen kaum bekanntes asiatisches Genre, um seine Geschichte zu erzählen.

1. Monster sind immer gut

Riesen-Monster gegen Riesen-Roboter – heißt das Godzilla gegen Transformers? Nein. Mit Transformers hat der Film nichts zu tun. Weder geht es um Autos, die sich in Robotor verwandeln, noch hat der Film visuell irgendeine Ähnlichkeit zu Michael Bays hyperventilierender Kinderspielzeug-Trilogie. Die Mechas in Pacific Rim werden von Piloten gesteuert, sind also eigentlich nicht mal Roboter. Und mit Godzilla teilt der Film nur seine Nähe zum japanischen Kaiju-Filmgenre. Godzilla ist das berühmteste dieser japanischen Riesenviecher, die Städte zertrampeln, aber es gibt zahlreiche Varianten. Das „Kaiju vs. Mecha“-Genre ist sogar noch einmal etwas eigenes. Dazu zählen solche Kult-Zeichentrickserien wie “Gundam” oder das kultig-abstrakte Genre-Endspiel “Neon Genesis Evangelion”. Wenn del Toro und Beacham dieses Genre als amerikanischen Live-Action-Blockbuster neuerfinden, dann ist das zumindest mutig.

Guillermo del Toros Liebe für Monster ist hinlänglich bekannt. Jeder seiner Filme ist voller höchst sonderbarer Kreaturen und oft benehmen sich die Menschen weit monströser als die Monster. Seine Monster zeichnen sich aus durch ungewöhnliche Anatomie – selbst für Monster, und häufig sind sie, wie Hellboy, menschlicher als alle Menschen. Von den Farbpaletten bis zu der symbolistischen Erzählweise sind die Filme sorgfältig durchdacht. So ist es auch bei Pacific Rim. Die Kaijus ähneln nicht bloß Tieren oder Karikaturen von hässlichen Menschen, sie sind majestätische Wesen, die aussehen wie bislang unbekannte Tiefseeungeheuer.

Das Schöne an Monstern im Film ist, dass sie den Filmemachern so viele Möglichkeiten bieten. Visuell ist fast alles möglich und oft genug sind die Monster zu Ikonen gerworden – man denke nur an Boris Karloffs Monster in Frankenstein. Zudem bieten Monster eine Gelegenheit eine Abstraktion in den Film einzuführen. Ohne den Zuschauer von vorneherin zu verschrecken, können Filmemacher – und Schriftsteller – durch Monstergeschichten über das Verdrängte einer Gesellschaft sprechen und so subversive Argumentationen in die Mitte der Gesellschaft bringen. In Pacific Rim stehen die Riesenmonster in Verbindung mit dem Ozonloch. Die Monster „symbolisieren“ sicher nicht direkt oder eindeutig die globale Erwärmung, aber sie stehen innerhalb der Filmwelt ein für genau die Art von Herausforderung, der wir als Menschen in der Umwelt begegnen. Die Monster haben hier die Kraft und die Reichweite einer Umweltkatastrophe, eines Tsunamis oder eines atomaren GAUs. Wesentliche Durchbrüche in der Handlung werden konsequenterweise von Wissenschaftlern und nicht von den kämpferischen Hauptfiguren gemacht.

Dass ein mexikanischer Regisseur ein ur-japanisches Filmgenre für ein Weltpublikum entdeckt, passt insofern, als es auf der Erzählebene genau die Art von internationaler Zusammenarbeit verkörpert, um die es im Film geht. Allerdings macht das Genre den Film auch schwer vermarktbar. Anders als die Transformers, die als Plastikspielzeuge schon lange weithin bekannt sind, musste Pacific Rim zunächst ein neues Genre etablieren – freilich mit Action-, Science Fiction- und Horror-Elementen durchsetzt. Ohne wirkliche Stars ist diese Aufgabe doppelt schwierig, trotz zahlreicher bekannter Gesichter aus Kult-Fernsehserien wie “The Wire” oder “Sons of Anarchy”.

Courtesy of Warner Bros. Pictures

2. „Awesome“ reicht nicht.

So sympathisch die Friedensbotschaft von Pacific Rim ist, so überwältigend gigantomanisch ist das Monster- und Mecha-Design geraten. Wir bewegen uns durch spektakuläre Ruinen der menschlichen Zivilisation, sehen riesige Maschinen im Nebel am Strand zusammenbrechen. Einmal, das sieht man schon im Trailer, schleift ein Mecha ein langes Schiff als Keule in den Kampf. „2500 tons of awesome“, nennt ein Techniker den amerikanischen Mecha die gigantischen Kaijus [Danke an JMK in den Kommentaren -AG]. Zurecht, „awesome“ sind die Maschinen, die Monster und ihre Zusammenstöße allermal.

Aber die schönste Actionszene, die wunderbarsten Designs und Bilder bedeuten nichts, wenn sie nicht eingebunden sind in eine menschliche Bezugsebene. Darin war del Toro immer gut: Das Gespenst in The Devil’s Backbone ist das Zentrum einer Geschichte über Jungs im Waisenhaus, die den Tod eines Freundes aufklären, gleichzeitig ist es Teil einer traurigen Liebesgeschichte und bietet eine poetische Metapher auf die Opfer des spanischen Faschismus. Zum Ende des Films wissen wir, wie tief das Gespenst in die Beziehungen zwischen den Menschen verstrickt ist, darum wirkt die letzte Szene des Films, in der alle Geschichten durch eine einzelne Tat zueinander finden, emotional so stark.

Pacific Rim ist anders. Der Held des Films ist ganz typisch: blond, männlich, heterosexuell – aber eigentlich scheint sich der Film kaum für ihn zu interessieren. Wir erfahren wenig über seine Vergangenheit und über die Good Looks hinaus erhält seine Figur kaum Tiefe oder Kontrast. Viel interessanter und sympathischer ist Mako Mori, die japanische Co-Pilotin des Helden. Ihre Kindheits-Erinnerungen werden im Lauf des Films schrittweise enthüllt. Die zwischenmenschlichen Konflikte des Films laufen hauptsächlich zwischen ihr und ihrem Retter und Ziehvater Stacker Pentecost (Idris Elba). Allerdings reichen die Rückblenden, in denen die kleine Mako in den Ruinen ihrer Heimatstadt steht und weint, nicht, um uns das Trauma des Mädchens in der Seele der Frau zu erschließen. Hat sie ihre Eltern sterben sehen? Das wäre ein emotional starker Grund, gegen die Kaiju kämpfen zu wollen. Wir sehen es jedoch nicht, obwohl sonst selbst Disneyfilme gerne eine herzzerreißende Todesszene der Eltern als emotionalen Anker einbauen.

In jedem Fall leidet die Dramaturgie darunter, dass die menschlichen Geschichten vergraben werden unter lauter Exposition, die die erste Hälfte von Pacific Rim dominiert. Eine lange Voice-Over-Erklärszene eröffnet den Film, danach geht es ohne Pausen weiter bis weit in den zweiten Akt. Szenen, in denen eine Figur zur Ruhe kommt und über ihre Situation nachdenkt und so dem Zuschauer die Gelegenheit gibt, Mitgefühl zu entwickeln, fehlen. Der Film bis dahin wirkt überladen, holprig und in die Länge gezogen. Durch eine bessere Balance aus Charakter- und Actionszenen, sowie unauffälliger verarbeitete Exposition hätte sich das vermeiden lassen.

Schließlich schafft Pacific Rim es aber doch noch, bis zum Finale genug emotionale Bindungen zwischen den Figuren zu etablieren und die Situation hinreichend gefährlich zu machen. Die letzte spektakuläre Unterwasser-Prügelszene baut große Spannung auf, reißt endlich emotional mit und liefert ein befriedigendes Ende. Wie viel schöner hätte das alles noch sein können, wenn die Handlung des Films einfach etwas später eingesetzt hätte und wir uns so manches vom Beginn des Films hätten sparen können.

Courtesy of Warner Bros. Pictures

3. Das Ende eines langen Weges und vielleicht ein Neuanfang für del Toro

Guillermo del Toros Filmographie hat zwei deutliche Tendenzen. Zum einen die persönlicheren, kleinen Filme, die er häufig in spanisch dreht – von The Devil’s Backbone bis Pans Labyrinth, zum anderen die amerikanischen Blockbuster, beginnend mit Mimic und Blade II. Mit den Hellboy-Filmen hat er zwei Filme vorgelegt, die diese beiden Tendenzen mal mehr, mal weniger gelungen zusammenführen. Doch alle Filme waren vergleichsweise kleine Produktionen. Mit Pacific Rim steht del Toro erstmals ein Blockbuster-Budget zur Verfügung. Der Druck dürfte sehr hoch sein, das Budget wieder einzuspielen, selbst wenn das produzierende Studio Legendary sich anscheinend in einer glücklichen finanziellen Lage befindet.

Der Druck ist umso größer, als del Toros Vorgeschichte zu Pacific Rim voller unrealisierter Projekte ist. Nachdem seine Adaption von Tolkiens The Hobbit aufgrund der Pleite von MGM monatelang auf Eis lag, verließ der Mexikaner das prestigereiche Projekt, an dem er mehrere Jahre lang gearbeitet hatte. Als schließlich Peter Jackson als Regisseur übernahm, war del Toro bereits über beide Ohren ins nächste Herzensprojekt verstrickt: Die Lovecraft-Adaption At the Mountains of Madness über eine Expedition, die am Südpol gigantische Tentakelmonster entdeckt. Zehn Jahre lang hatte del Toro das Drehbuch bereits entwickelt. Die Monsterdesigns stammten von einigen der avantgardistischsten Monsterdesigner. Wiederum zerfiel das Projekt kurz vor Drehbeginn. Universal war das Risiko zu groß, einen Horrorfilm ohne Lovestory oder Happy End mit 150 Millionen Dollar zu finanzieren. Del Toro hatte nun seit fast fünf Jahren keinen Film mehr herausgebracht, obwohl er ständig neue Projekte angekündigt hatte.

Wäre Pacific Rim ein gigantischer Erfolg geworden, so unwahrscheinlich das ob des Genres und der Besetzung erscheint, dann hätten sich für del Toro zahlreiche Türen geöffnet. Einige lange schon ausstehende Projekte wie The Left Hand of Darkness, eine Adaption des “Grafen von Monte Christo” in einem surrealen Western-Setting, oder auch eine auf die Literaturvorlage fixierte Adaption von “Frankenstein” wären möglich geworden. Aber auch die beiden Fortsetzungen von Pacific Rim oder der dritte apokalyptische Hellboy waren denkbare Möglichkeiten. Der Film hat nun, wie erwartet, international größeren Erfolg als in den USA gehabt und dürfte wohl auch sein Produktionsbudget wieder einspielen. Ob das jedoch reicht, um del Toro als Regisseur zu festigen, der aus großen Budgets auch große Erfolge machen kann, erscheint fraglich.

In Pacific Rim zeigt sich das größere Budget in den imposanten, liebevoll ausgestalteter Sets, den zahlreichen detaillierten und beeindruckenden CGI-Effekten und der Vielzahl verschiedener Orte. Allerdings, auch wenn Mako Moris gebrochenes Herz sich symbolistisch in dem roten Schuh spiegelt, den Stacker für sie aufbewahrt hat, auch wenn viele Orte unterbrochene Kreisformen enthalten – der Film hat deutlich weniger „poetische“ Momente als noch del Toros letzter Film Hellboy II. Die kleinen, verzauberten Alltagsmomente, wenn Abe und Hellboy zusammen Bier trinken, weil sie beide Liebeskummer haben, vermisst man in Pacific Rim. Es fehlt die Leichtigkeit, auch der Humor.

Einzig der wunderbare Ron Perlman, del Toro-Veteran der ersten Stunde, lässt den Esprit früherer Filme in seiner Figur aufleben, einem schrägen Dealer in Hongkong. Hier finden sich typische Motive früherer Filme wieder – Perlmans extravagante, barocke Kleider, Käfer und tote Tiere in bernsteinfarbener Konservierflüssigkeit.

Kommerz, Kitsch und Kunst fließen in Pacific Rim fortwährend ineinander. Es wird interessant sein, zu beobachten, in welche Richtung del Toro seine immer wiederkehrenden Themen und Motivketten nun entwickelt. Als nächstes stehen ein Geisterhaus-Film, Crimson Peak und die Vampir-Fernsehserie “The Strain” an, basierend auf del Toros eigenem Roman.

Sicherlich wird es auch weiterhin um Monster gehen und um die Ursachen von Gewalt zwischen Menschen, um die Chancen von Vergebung und die Suche nach einer friedvollen Art zu leben, wie wir sie bei Hellboy gesehen haben, bei Pans Labyrinth und inmitten von Regen und Donner auch im ersten westlichen Kaiju-vs.-Mechas-Realfilm.

Martin Urschel ist Diplom-Mediendramaturg und Filmwissenschaftler.

Die Welt ist nicht genug – Man of Steel und Hollywoods episches Problem

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Richard Lesters Film Superman II von 1980 hat in Sachen Plot eine ganze Menge mit Man of Steel gemeinsam. Der kryptonische General Zod, der die Zerstörung Kryptons übelebt hat, weil er in einem außerplanetarischen Gefängnis saß, gelangt mit seinen Spießgesellen zur Erde, die er – in gewohnt zodscher Überheblichkeit – übernehmen will. Clark “Superman” Kent kann das natürlich nicht zulassen. Im Finale des Films (Spoiler) lockt er Lex Luthor, Zod und Co in seine Festung der Einsamkeit am Nordpol und besiegt sie, indem er ihre Arroganz geschickt gegen sie einsetzt.

Auch Man of Steel (Noch mehr Spoler) endet mit einer Konfrontation zwischen Kal-El und Zod. Die beiden smashen und crashen sich durch Metropolis, um schließlich in einem Bahnhof zu landen, wo Superman Zod mit einem Ruck das Genick bricht, um zu verhindern, dass dieser einer unschuldigen Familie schadet. Ein persönlicher Kampf, könnte man meinen. Doch um an diesen Punkt zu gelangen, braucht Man of Steel zuvor eine andere Szene, in der Zod und seine Kryptonier begonnen haben, die Erde mit ihrem Raumschiff zu terraformen. Metropolis wird von Erdstößen erschüttert. Superman muss das Gegenstück des Raumschiffs am anderen Ende der Welt zerstören. Lois Lane versucht in einem Bomber ein schwarzes Loch zu erzeugen. Zod verfolgt sie in einem 20.000 Jahre alten kryptonischen Raumschiff, das eine Brutkammer enthält, mit deren Hilfe – gemeinsam mit dem in Supermans Zellen enthaltenen Informationen – Krypton auf der Erde wieder auferstehen kann.

Hektische Dringlichkeit

Es ist bereits einiges geschrieben worden über Man of Steels Zerstörungsorgie in der letzten halben Stunde. Über das PG-13-Problem und die nicht enden wollende Referenzierung von 9/11. Thomas Groh bringt den Stein des Anstoßes (oder des Jubels) für viele Kritiker in seinem Text (in dem sich noch mehr gute Links finden) auf den Punkt, wenn er schreibt

[J]ene Inseln, in denen Superman eins mit sich (oder allein bei sich) ist und die man aus früheren Superman-Adaptionen kennt, weichen einem allumfassenden Modus hektischer Dringlichkeit, der sich auch an der unstet verwackelten Kameraführung ablesen lässt.

Doch es ist gar nicht unbedingt nur die Zerstörungswut und der “Let’s get Loud”-Gestus, an dem Man of Steel meiner Ansicht nach krankt. Das viel größere Problem ist, dass er einfach insgesamt zu gigantisch ist. Auch in Superman II gibt es eine Schlacht um Metropolis, und wären Computer 1980 zu den gleichen Leistungen in der Lage gewesen, wie heute, hätte diese sicherlich auch anders ausgesehen. Der Clou ist aber vielmehr, dass Superman II am Ende eigentlich eine kleine, persönliche Geschichte erzählt, obwohl Zod die Welt bedroht. Man of Steel versucht das gleiche, er will im Kern die Coming-of-Age-Geschichte von Superman erzählen, doch dabei schleppt er zahllose Expositionssequenzen und endlose Massen an Mythologie mit sich herum, die ihn wie ein tonnenschweres Gewicht hinunterziehen. Dort wollen ihn Zack Snyder und Christopher Nolan natürlich auch haben. Schließlich sind beide dafür bekannt, Gewicht mit Gravitas zu verwechseln.

Das Einkaufszentrum reicht nicht mehr

Die Geschichte von Man of Steel ist sehr einfach. Doch Snyder, Nolan und Drehbuchautor David Goyer brauchen einen langen, feurigen Prolog auf Krypton, eine beliebig wirkende Reihe von expositorischen Flashbacks, ein Hologramm von Russell Crowe, eine Entführung auf das kryptonische Raumschiff, jede Menge kryptisch (pun intended) erklärendes Kauderwelsch (“Wir konnten den Phantomgenerator in einen Hyperantrieb umbauen.”) und den oben beschriebenen Dreifach-Showdown, um sie zu erzählen. Und man beginnt trotzdem immer nur dann, tatsächlich etwas zu fühlen, wenn sich Zod und Kal-El wieder persönlich gegenüberstehen.

Ende vergangenen Jahres habe ich das neo-barocke Hollywoodkino am Beispiel des Hobbit noch gelobt. Doch dieser Blockbuster-Sommer ist drauf und dran, mich vom Gegenteil zu überzeugen. Hollywood ist einfach zu episch geworden. Filme – selbst effektlastige Blockbuster – waren mal gut darin, große Geschichten in kleinen Kosmen zu erzählen. Derzeit passiert genau das Gegenteil: Nicht nur Superman muss verhindern, dass die ganze Welt zerstört wird. Wo Zombiefilmen früher ein Einkaufszentrum reichte, um ihre Parabel zu errichten, muss es heute schon ein ganzer World War Z sein. Und Guillermo del Toros Pacific Rim folgt der Logik: Wir werden von gigantischen Monstern angegriffen? Dann müssen wir wohl selbst gigantische Monster bauen.

Der perfekte Sturm

Die gleiche schwanzbeißende Logik scheint Hollywoods Studiobossen durch die Hirne zu kreisen. Wenn Filme schon 200 Millionen Dollar pro Stück kosten müssen, dann müssen die Geschichten und Setpieces, auch größer sein, als alles bisher dagewesene. Mindestens Global. Besser noch Galaktisch. Sicher, Schauwerte sind einer der größten Spaßspender im Sommerkino. Und Worldbuilding kann in unserer transmedialen Welt eine Menge Spaß machen. (Einschub: Ich mochte den Einfall eigentlich, aus Man of Steel einen Science-Fiction-Film zu machen, statt immer nur die bekannten Superheldenkühe zu melken.) Aber hinter allem muss etwas stehen, zu dem man als Zuschauer einen Bezug aufbauen kann. Sonst bleibt selbst der perfekte Sturm in seinem Wasserglas gefangen.

Edgar Wrights Film Scott Pilgrim vs the World wurde damals mit der wunderschönen Tagline “An Epic of epic Epicness” beworben. In dem Film geht es darum, dass ein junger Mann sich damit abfinden muss, dass seine Freundin eine sexuelle Vergangenheit hat. Aber auch eine so banal wirkende Prämisse kann eben manchmal zum epischen Kampf werden. Dafür muss nicht immer gleich die ganze Welt vor der Zerstörung stehen.

Das Jahr der Science-Fiction-Originale

© Warner Bros

Pacific Rim

Das Genrefilme so ziemlich die Weltherrschaft an sich gerissen haben, konstatiere ich hier im Blog regelmäßig. Die Schattenseite des Ganzen ist aber auch kein Geheimnis: Denn Genrekino lebte immer schon von der Wiederholung bekannter Formeln und entsprechend befinden wir uns im Jahrzehnt der Franchises, Remakes und Reboots. Und auch wenn das an sich weder etwas schlechtes, noch etwas neues ist, so gibt es doch ein Genre, das – anders als etwa das Superheldenfach – nicht von der ewigen Neuerzählung bekannter Mythen leben sollte, sondern von der Erschaffung originärer Visionen: Die Science-Fiction.

Und gerade die bekommen wir 2013 endlich mal wieder in einer Fülle geboten, wie wir sie gefühlt seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen haben. Zukunftsvisionen, direkt aus den Hirnen ihrer Schöpfer auf die Leinwand. Da kann jedes Total Recall-Remake einpacken. Joseph Kosinskis Postapokalypso Oblivion, obwohl derivativ, basiert auf einer unveröffentlichen Graphic Novel seines Regisseurs. Pacific Rim, in dem Guillermo del Toro gigantische Mechas gegen gigantische Monster kämpfen lässt, entspringt einem Originaldrehbuch, ebenso wie der sehnlich erwartete Gravity seines Landsmanns Alfonso Cuarón. After Earth ist die Umsetzung eines Fiebertraums von Will Smith. Und auch Neill Blomkamps Elysium, dessen neuer Trailer jeden begeistern dürfte, ist eine originäre Schöpfung.

Über die Qualität der Filme sagt diese Tatsache natürlich an sich noch nichts aus. Die bereits gestarteten Oblivion und After Earth kamen bei der Kritik nicht gerade gut weg. Doch es ist auch so schon erfrischend, wenigstens mal wieder Bilder und Geschichten auf der Leinwand zu sehen, die kein historisches Gepäck mit sich herumtragen. Guillermo del Toro wird nicht müde zu betonen, dass sein oberstes Credo für Pacific Rim die Distanz zu existierenden Filmen war. Mit anderen Worten: Man kann sich als Freund des Genres völlig darauf konzentrieren, ob man einen guten Film sieht, und muss sich nicht im Vorfeld schon Gedanken machen, ob die Macher dem Geist der Marke treu bleiben und ob ihre Interpretation valide ist.

© Screenshot/Sony Pictures

Elysium – Kennen wir dieses Bild nicht irgendwoher?

Vor allem, wenn man sich Elysium und Oblivion anschaut, heißt das jedoch nicht, dass die Filme ohne Referenzpunkte existieren. In der Bildwelt beider Filme (und auch in vielen der Storyideen von Oblivion) sind klare Bezüge zum letzten goldenen Zeitalter der Science-Fiction erkennbar, das ebenfalls von warnenden und philosophisierenden Blicken in die Zukunft handelte, in einem Spannungsfeld aus Staunen und Schrecken, angereichert mit einer unterschiedlich großen Dosis Action. Zwischen 1968, als 2001: A Space Odyssey die bis dahin von Monsterinvasionen dominierte Science-Fiction neu definierte, und 1982, als “Blade Runner” den Übergang in ein neues, technologisch beklemmenderes Zeitalter einläutete, entstanden Filme wie Solaris, Silent Running, Logan’s Run, Close Encounters of the Third Kind, Soylent Green, Planet of the Apes, A Boy and his Dog, Zardoz, A Clockwork Orange und Rollerball, die bis heute einen Klassizismus ausstrahlen, wie man ihn davor nur zwischen 1927 und 1935 gesehen hatte.

Auch damals waren die meisten Filme Originale oder höchstens Literaturadaptionen. Zum Glück gab es die auch immer wieder, von Escape from New York bis zu den beiden besten SF-Filmen der letzten zehn Jahre, Children of Men und Sunshine, dominant waren jedoch Serien: Star Trek und Star Wars, Alien und Matrix, die das Koordinatensystem der SF – von Space Opera bis Cyperpunk und von Horror bis Fantasy – unter sich aufgeteilt hatten. (Mehr zur Abgrenzung der SF im Film bitte nachlesen in Vivian Sobchacks exzellentem Klassiker “Screening Space”).

© Universal

Oblivion

Die Science-Fiction-Filme des Jahrgangs 2013 scheinen den Zeitgeist der Hyperstasis abschütteln zu wollen. In einer Zeit, in der William Gibson nicht mehr über die Zukunft schreiben will, weil wir bereits in der Zukunft leben, entwerfen Kosinski, Blomkamp und del Toro bewusst weite Landschaften abseits der Computerschaltkreise. Welten, die nicht virtuell sind, sondern real und gefährlich, und deren Zukunft sich von unserer Gegenwart signifikant unterscheidet.

Es ist schwer zu sagen, ob es ein glücklicher Zufall ist, dass Hollywood dieses Jahr mit gleich so vielen Originalstoffen um das Box-Office würfelt. Klar ist, wenn 150-Millionen-Dollar-Experimente wie Pacific Rim fehlschlagen, wird man sich ganz schnell besinnen und lieber wieder weiter an Blade Runner 2 und Prometheus 2 werkeln. Doch für den Moment sieht es so aus, als könnte der Nummer-Sicher-Remake-Wahn zumindest in der Science-Fiction für eine Weile gesprengt werden. Wenn die Filmwelt nicht vorher implodiert.

Quotes of Quotes (I)

“[O]ne of the points I made clear to my designers, every head of department, is we should not reference other movies. We should not re-watch Gamera, or re-watch Gojira, or re-watch War of the Gargantuans. We said, ‘Let’s create the world that we’re doing. It falls in here and falls in there, but we should not be doing a referential film.’ If things happen, they happen because they’re being made by people who love those genres. But I didn’t want to be postmodern, or referential, or just belong to a genre. I really wanted to create something new, something madly in love with those things.”
Guillermo del Toro about his philosophy on Pacific Rim.