Als ich 2002 mein Studium mit dem Hauptfach Filmwissenschaft begann, wurde mir eine Frage immer wieder gestellt. “Kannst du denn jetzt Filme noch normal gucken?” Die Frage ist so beständig, dass sie selbst vor einem halben Jahr in David Streits Intervievv wieder auftauchte – was mich dazu brachte, noch einmal systematischer über das Thema nachzudenken.
Was Menschen, die diese Frage stellen, damit wohl meistens meinen ist: Ist es möglich, sich eine Art Unschuld beim Filme gucken zu bewahren, auch wenn man vielleicht mehr über Filme weiß, als vorher. Die Frage lässt sich sicher auf fast jeden anderen Beruf ummünzen. Kann ein_e Botaniker_in durch einen Park gehen, ohne überall Pflanzen zu identifizieren? Kann ein_e Architekt_in eine Stadt besuchen, ohne aus dem Augenwinkel die Statik der ihn oder sie umgebenden Häuser abzuschätzen? Das Eigentümliche bei Filmen ist wohl, dass sie ein allgegenwärtiges Konsumgut sind, über deren Hintergründe allerdings die wenigsten Menschen genauer nachdenken (wollen). Ich habe beobachtet, dass Ernährungswissenschaftler_innen gerne ähnliche Fragen gestellt bekommen.
1,6 mal pro Jahr ins Kino
Natürlich muss man die Frage zunächst umdrehen, das heißt: Wie schaut man einen Film denn “normal”? Was ist ein “normaler” Zuschauer? Jemand, der 1,6 mal pro Jahr ins Kino geht, 2014 in Monsieur Claude und seine Töchter und die Hälfte vom dritten Hobbit? Ich denke in diesem Zusammenhang oft an meine Eltern, die noch seltener ins Kino gehen, aber dennoch seit mittlerweile über 50 Jahren Filme schauen – jene Filme eben, die ihnen die großen Fernsehsender jeden Abend um 20.15 Uhr vorsetzen. Mit gewissen Abstrichen natürlich, meine Mutter mag zum Beispiel, ohne so genau sagen zu können warum, keine französischen Filme. Aber wie weit reicht die Spanne? Wann hört Filmkonsum auf, seine Unschuld zu verlieren?
Einer der Unterschiede, die ich zwischen “normalen” und “fortgeschrittenen” Filmguckern festgestellt habe, ist die Art und Weise, wie Filme kategorisiert werden. Meine Eltern wissen bei einem Film wahrscheinlich das grobe Genre, vielleicht noch, wer die Hauptrollen gespielt hat – falls die Schauspieler bekannt genug sind. Als ich ihnen vor kurzem Midnight in Paris ans Herz gelegt habe, ging ein großer Teil des Charmes an ihnen verloren, weil sie die vielen kleinen Filmstars nicht kannten, die sich dort in Minirollen tummeln. Filmliebhaber sortieren Filme stärker nach Regisseuren, nach Generationen oder “Schulen”, falls es diese gibt. Ausnahmen wie Tom Cruise, der jeden Film dominiert, in dem er mitspielt, bestätigen die Regel.
Die unsichtbare Linie
Aber fügt solches Zusatzwissen dem Filmgenuss wirklich so viele Dimensionen hinzu, dass “Normalität” beim Schauen verlorengeht? Diese Frage hat mich auch in meiner Filmblogosphären-Diskussion immer wieder beschäftigt, wo ich ja auch – vielleicht zu unrecht – darüber sinniert habe, ob es eine unsichtbare Linie zwischen Filmprofis und Filmamateuren gibt.
Wenn ich an mein Studium zurückdenke, sehe ich vor allem drei Dinge, die meinen Blick auf Filme verändert habe. Ich vermute, dass es anderen Menschen auch so geht, die Film – egal ob an einer Hochschule oder privat – intensiv studieren. Als erstes die Erweiterung des filmischen Vokabulars. Nachdem ich im ersten Semester Einstellungsgrößen, Montagetechniken, Beleuchtungsstile und andere Dinge gelernt hatte, die zur Filmanalyse gehören, war es mir viel besser möglich, präzise zu benennen, was einen Film in meinen Augen ausmachte.
Film-Traditionen und Denk-Traditionen
Zweitens haben sich mir historische Zusammenhänge erschlossen, die ich zuvor nicht kannte. Ich gebe gerne zu, dass ich vor meinen ersten Vorlesungen noch nie von der Nouvelle Vague gehört hatte. Jemand, der etwas älter ist als ich, kennt die Nouvelle Vague vielleicht, aber hat er mal die Werke der russischen Revolutionsfilmemachern gesehen? Nur wenige Menschen beschäftigen sich filmisch mit Epochen oder Genres, die für sie nicht irgendeine persönliche Bedeutung haben (vor meinen Studium hatte ich immerhin Metropolis gesehen, weil ich mich für Science Fiction interessierte). Aber zu wissen, auf welche Traditionen moderne Filmemacher zurückgreifen, wenn sie heute ihre Filme machen; welche Revolutionen es im Laufe der Filmgeschichte gab, das hat meinen Blick entscheidend geweitet.
Drittens schließlich führt ein Film-Studium dazu, dass man viel darüber erfährt, welche Gedanken sich andere Menschen bereits zu Filmen gemacht haben. Dabei ist es unerheblich, ob man tatsächlich – wie ich – Gefallen an Filmtheorie und an den Grundfragen dessen, was Film ausmacht, findet oder einfach nur viel Filmkritik liest. Der Punkt ist, dass man irgendwann feststellt, dass es viele verschiedene Arten gibt, Filme zu sehen und über Filme nachzudenken. Und dass somit reine Filmempfehlungen, jener “Service”, den etwa das Flugblatt zur aktivistischen Filmkritik so verschreit, nur ein kleiner, wenig ergiebiger Aspekt der Beschäftigung mit Film ist.
Das alles ist aber, wie gesagt, nur reines Wissen, dass sich jeder aneignen kann, der genug Zeit darin investieren möchte. Einige Menschen tun das zu unterschiedlichen Graden und wahrscheinlich werden sie dennoch nur selten gefragt, ob sie Filme noch “normal” schauen können. Sie schauen Filme eben informierter, sie können sie besser kontextualisieren und genauer benennen, was sie an ihnen mögen, oder eben nicht.
Sichten statt sehen
Meiner Ansicht nach kommt ein gewisser “Unschuldverlust” eher in dem Moment, wenn dieses Wissen zum Beruf wird. Wer als Filmkritiker_in arbeitet, als Redakteur_in für einen Fernsehsender, als Mitarbeiter_in einer PR-Agentur, wer ein Kino betreibt oder für ein Festival oder einen Verleih Filme sucht, für den wird ein Film von einem kulturellen Gut – egal wie sehr man es künstlerisch zu schätzen weiß – zu einem Broterwerb. Man “sichtet” statt zu “sehen”. Muss man nach dem Film eine Kritik schreiben oder diesen später verkaufen, denkt man vielleicht schon während des Films darüber nach, welche Momente man hervorheben möchte und mit welchen Formulierungen. Soll man den Film für eine Auswertung in einem anderen Kontext bewerten, prüft man schon während des Sehens, ob der Film für diesen Kontext passend ist. Wenn nicht, und falls man die Kontrolle darüber hat, bricht man die Sichtung vielleicht frühzeitig ab, weil die Zeit zu kostbar ist. (Eine der Erfahrungen, die mir als Mensch, der Dinge gerne zu Ende bringt am Anfang meiner Zeit bei 3sat am meisten das Herz gebrochen hat.)
Und noch über einen weiteren Aspekt denken Film-Amateure wahrscheinlich selten nach. Film-Profis sehen viele Filme. Und im Gegensatz zu Filmnerds, die dagegenhalten könnten, dass sie vielleicht sogar noch viel mehr Filme schauen, wählen Film-Profis diese Filme in der Regel nicht selbst aus. Diese Abwesenheit eines “selection bias” führt automatisch dazu, dass man seinen eigenen, filmischen Horizont noch einmal enorm erweitert, ob man will oder nicht.
Ein gigantischer Sumpf an schlechten Filmen
Zum Thema “oder nicht”: Sowohl als etwas-auf-sich-haltende_r hauptberufliche_r Filmkritiker_in als auch als jemand, der für ein Festival oder einen Lizenzgeber arbeitet, watet man regelmäßig durch einen gigantischen Sumpf an mittelmäßigen und wirklich schlechten Filmen. Und ich meine nicht Michael-Bay-schlecht oder Meine-Erwartungen-wurden-enttäuscht-schlecht. Ich meine abgrundtief, warum-hat-jemand-diese-Menschen-in-die-Nähe-einer-Kamera-gelassen-schlecht.
Die schlechten Filme sind aber nicht einmal das größte Problem. Viel erstaunlicher ist es, festzustellen, wie unfassbar viel Mittelmaß produziert wird. Filme, an denen nichts direkt falsch ist, aber die einfach nichts Besonderes an sich haben. Anschließend wird aber trotzdem von einem erwartet, dass man zu diesen Filmen eine Meinung hat – und diese Meinung kann anderswo in einer betriebswirtschaftlichen Entscheidung münden. Das verändert die Art, wie man Filme schaut.
Echter Genuss geht nicht verloren
Das Gute ist, dass selbst die Abgebrühtheit, die man in so einer Profession entwickelt, einem in der Regel echten Genuss nicht verderben kann. Sehr gute Filme stechen heraus, sie machen wach – meistens, damit man dann hinterher feststellen kann, dass alle anderen auch dieser Meinung sind und damit die eigene Meinung entweder wenig zählt oder der Film unerreichbar geworden ist. Ganz selten nur stehen die Sterne in einer Reihe und man gehört zu den ersten, die das Außergewöhnliche in einem Film erkennen, den andere vielleicht als belanglos abgetan haben. Zum Verfechter eines solchen Films zu werden und zu sehen, wie der Rest der Welt schließlich reumütig seine Sicht der Dinge ändert, für solche Momente lebt man als Film-Profi.
Der wahre Hirnfick, man möge mir mein Französisch verzeihen, kommt dann erst noch eine Stufe später – und er ist für mich der entscheidende Punkt in der endlosen und leider nur selten fruchtbaren Diskussion zwischen Kritiker_innen und Filmemacher_innen. Sobald man nämlich Teil der Industrie wird, die Filme tatsächlich regelmäßig und professionell herstellt, also wirklich hauptberuflich und nicht nur ab und zu, ist der Unschuldsverlust komplett. Ich schreibe hier spekulativ, weil ich selber nie Filmemacher war, aber ich habe es bei anderen beobachtet.
Soll man einen IKEA-Tisch kritisieren?
Der Punkt ist auch hier nicht der Verlust der Wertschätzung für gute Filme. Jeder Profi weiß gute Arbeit zu schätzen. Das Problem ist, dass er oder sie jetzt weiß (und nicht nur ahnt), wie viel gute Arbeit auch in mittelmäßigen und misslungenen Filmen steckt. Die oben erwähnten un-besonderen Filme, die nichts falsch machen – auch für sie haben jede Menge hart arbeitende Menschen viel Schweiß gelassen. Wahrscheinlich haben viele von ihnen mit Herzblut an ihr Projekt geglaubt. Und in so vielen anderen Lebensbereichen ist “gut genug” auch tatsächlich gut genug. Sollte man einen Standard-IKEA-Tisch dafür kritisieren, dass er formell nicht besonders innovativ ist? Dass er nicht aus der Masse von Tischen heraussticht?
Und selbst wenn man einen Film vielleicht nicht außergewöhnlich findet – die Filmbranche ist nicht groß und die Chancen stehen gut, dass man einen der Menschen kennt, die an diesem Film beteiligt waren. Dass man weiß, dass dieser Mensch sein Bestes gegeben hat. Immer wieder sind auch Filmkritiker_innen in diese Falle hineingezogen worden, wenn sie im Laufe ihrer Zeit persönliche Beziehungen zu Filmemacher_innen aufgebaut haben, am prominentesten vielleicht Pauline Kael, ein jüngeres Beispiel ist der abscheuliche Vorwurf, der die Gamergate-Debatte losgetreten hat. Als Kritiker_in kann man in so einem Fall wenigstens noch sagen, dass man einen bestimmten Film nicht besprechen möchte, aber sollte diese “Menschen haben hart dafür gearbeitet”-Argumentation wirklich für alle gelten, die über den Film urteilen sollen? Oder verdirbt man nicht gerade dadurch die Fähigkeit, Filme “normal” zu gucken.
Der Durchschnitt als Maßstab
Weil ich gerade in der Anfangszeit meines Studiums so oft gefragt wurde, ob ich Filme noch normal gucken kann, hatte ich mir irgendwann eine Standardantwort zurechtgelegt. Sie lautete: Durch zusätzliches Hintergrundwissen werden für mich gute Filme besser und schlechte Filme schlechter. Wahrscheinlich ist das eine Form von “nicht mehr normal”. Aber da fast jeder von uns irgendeine Form von besonderem Wissen hat, die einem manchmal hilft und manchmal im Weg steht, gibt es diese mythische Normalität vielleicht auch gar nicht, außer eventuell im rein statistischen Durchschnitt. Der jedoch sollte meiner Ansicht nach nie als Maßstab herhalten. Sonst würden wir uns doch alle viel zu sehr der persönlichen Erfahrung berauben, die wir jedes Mal machen, wenn wir überhaupt einen Film sehen dürfen.
Wie sind eure Erfahrungen mit dem Sehen von Filmen? Wie beeinflusst euer Vorwissen die Filme, die ihr schaut? Für die Antworten auf diese Fragen besitzt dieses Blog eine Kommentarfunktion.
Danke.
Ich fühle mich durch diesen Artikel unglaublich gut verstanden, besonders der Teil mit den “warum-hat-jemand-diese-Menschen-in-die-Nähe-einer-Kamera-gelassen-schlecht”en Filmen. Da hab ich auch schon ein paar gesehen.
Ich bin keine Profi-Filmkritikerin, bin noch Medienwissenschaftsstudentin, aber ich sehe unglaublich viele Filme und würde daher wohl in die hier definierte Rolle des “Film-Profis” passen. Ich betreibe meinen Blog mit Filmkritiken jetzt gut zwei Jahre und kämpfe immer noch mit Unsicherheiten. Mein Schreibstil ist noch nicht optimal (Grundproblem jedes Filmkritikers: Wie verschriftlicht man das Gesehene?) und ich war letztes Jahr zum ersten Mal auf der Berlinale. Für alle, die nicht wissen, wie das so abläuft: Es ist Februar, es ist kalt und man rennt von Kino zu Kino. Dort schaut man dann drei oder vier Filme pro Tag (je nach körperlicher und geistiger Verfassung; es gibt sicherlich noch Leute, die das toppen können) und man vergleicht deshalb viel stärker. Dieses Vergleichen führte bei mir zu einer neuen Unsicherheit, die ich anhand eines Beispiels erklären will:
Ich sah THE TWO FACES OF JANUARY auf der Berlinale (Regisseur und Viggo Mortensen waren da, yeah!) und ich war nicht begeistert von dem Film. Als dann ein halbes Jahr später die “normalen” Kritiken, also die der Pressevorführungen, rauskamen, waren alle mäßig bis sehr begeistert. Ich war schwer überrascht. Und ich habe mich dann gefragt, ob diese Diskreptanz an der starken Berlinale-Restkonkurrenz lag oder tatsächlich an meiner persönlichen Meinung zum Film.
Ich glaube schon, dass ich “anders” sehe, was aber nicht immer heißen muss, das ich einen Film dann “besser” sehe. Manchmal führt dieses Mehr- und Hintergrundwissen auch zu Verunsicherung.
Franziska, du sprichst etwas an, was ich eigentlich mit reinbringen wollte, dann aber vergessen habe. Ich finde ja schon, dass wenn man auf Festivals einen Film sieht und die Filmemacher hinterher im Q&A sympatisch rüberkommen, dass man dann geneigt ist, dem Film gegenüber freundlicher zu sein – also sozusagen die Vorstufe des selbst am Film beteiligt seins.
Vorneweg – ich war ja erst skeptisch bei deinem neuen Text. Obwohl ich ja deine Art zu schreiben kenne und auch und vor allem inhaltlich sehr schätze, hatte ich so die Befürchtung, dass die These darauf hinauslaufen könnte, dass man als “Gebildeter” Filme anders (und besser) wahrnehmen würde. Diese Befürchtung ist dann aber sehr schnell verflogen ;)
Was ich sehr interessant finde und mir im Kopf hin- und her saust, ist dein Vergleich von Filmen zum IKEA-Tisch. Er wirkt im ersten Moment total schlüssig für mich und um ehrlich zu sein auch super! Aber ich bin daran hängen geblieben. Denn dahinter stecken für mich gleich mehrere Bedeutungsebenen. Der IKEA-Tisch funktioniert ja, er macht nichts besonderes oder andersartiges, er ist nützlich. Sind Filme also aus einem utilitaristischen Standpunkt aus zu betrachten? Sollen Filme einfach nur “nützlich” sein, den Zweck erfüllen, dass sie Zeit verstreichen lassen und uns unterhalten? (Gut, “unterhalten” kann vieles bedeuten, je nachdem, mit welchen Maßstäben man an Filme herangeht. Dann wäre der Vergleich wiederum super :D )
Andererseits ist der Tisch ja Produkt eines Handwerks. Er ist (in aller Regel) makellos hergestellt und steht so im Raum, dass man im angegebenen Maße Gewicht verteilen kann. Film kann ja auch durchaus als Handwerk betrachtet werden. Dies setzt sich dann ja auch mit deiner Beobachtung und Ausführung über Filmschaffende fort: Sie sehen, welche Arbeit hinter einem auch nicht so gelungenen Film steckt. Und auch ich kann die Arbeit wertschätzen, wenn ein ZDF-Historiendrama ein Dorf aus den 40er Jahren nachstellt und mir dann nicht gefallen. Ist Film also primär ein Handwerk, ein Produkt oder Kunst?
Überhaupt stellt sich mir die Frage: Was ist denn nun “normal”? Für mich ist es zur Normalität geworden, Filme unter bestimmten Aspekten zu sehen. Dabei kann ich im Übrigen auch als nicht professioneller Filmemacher mäßigen Filmen positive (handwerkliche) Aspekte abgewinnen. Durch mein Studium, aber auch meinem wachsenden Fundus an Filmwissen ändert sich mein Rezeptionsverhalten (vor allem immer weiter weg vom “Mainstream”-Kino). Aber es ist und bleibt für mich “normal”.
Was in meinen Augen der größte Vorteil ist, sich mit Filmen (im speziellen Fall, aber es lässt sich ja auch – wie du beschreibst – auf andere Bereiche übertragen) stark auseinanderzusetzen, ist die Art und Weise, WIE ich mein Urteil über einen Film ausdrücken und begründen kann. Denn das kann ich in aller Regel noch von meinem sehr subjektiven Geschmack unterscheiden (außer in ganz speziellen Fällen, die in mir einfach puren Hass entfachen).
Der IKEA-Tisch-Vergleich ist ja zuerst mal einfach nur eine Metapher, die man sicher nicht hundertprozentig zuende denken muss. Aber gerade du mit deinem Hintergrund bei FILMZ kennst doch sicher das Gefühl, dass man einen Film manchmal eben nicht mehr nach persönlichem ästhetischen Empfinden beurteilt, sondern nur noch, ob er seinen Zweck in einem bestimmten Rahmen erfüllt. Darauf wollte ich im Endeffekt hinaus, das ist definitiv ein “anderes” sehen.
Ja, ich habe es eher als Vergleich gedeutet, verstehe aber ganz gut, was du meinst. Bei der Filmauswahl kommen natürlich neben dem subjektiven Empfinden auch noch andere Aspekte hinzu, die in die Eignung des Films miteinbezogen werden.
Ein interessanter Beitrag, der eine Thematik anspricht, mit der man sich als *hüstel* Filmkritiker wohl zwangsweise schon ein paar Mal auseinandergesetzt hat. Ich denke mit dem Interesse kommt automatisch der Wissensaufbau, der die Auseinandersetzung mit Film irgendwann professionalisiert. Ich habe z.B. keine filmtheoretische Ausbildung genossen, sondern mir viel angelesen – auch wenn ich noch große Lücken habe. Dafür habe ich im Studium viel über praktischen Filmschnitt, Postproduktion und 3D gelernt und auch selbst angewandt. Ich habe jahrelang im Industriefilm gearbeitet (erst in der Postproduktion, dann Konzept und Drehleitung) – und auch wenn das weit von großer Kunst entfernt ist, so bekommt man doch ein gutes Gefühl für das Handwerk und auch die vielen Zufälle, aus denen sich, trotz sorgfältiger Planung, so manche Szene ergibt.
All das hat dazu geführt, dass Film einerseits entmystifiziert wird, andererseits aber auch umso besonderer, da man weiß, dass es ganz normale Menschen sind die da schaffen. Irgendwie zumindest. Trotz all dem könnte ich mir auch nur schwer vorstellen als professioneller Filmkritiker zu arbeiten, sprich mein Geld damit zu verdienen, denn das würde, so glaube ich, bestimmt auch ein wenig den Spaß daran nehmen.
Nun verdiene ich mit schreiben mein Geld, doch beeinflusst dies, wie ich die Anbauanleitungen eines Ikea-Stuhls kritisieren würde? Okay, nun ist auch dieser Vergleich überstrapaziert… ;)
Ich ärgere mich mehr darüber, daß ich einen Film nicht mehr sehen kann wie ein Kind, als daß ich eine geistige Leere spüre, wenn mir mein Bruder auf die Frage, warum er den Film den nun gut finde, mit nicht mehr als “Ja, die Geschichte war halt gut umgesetzt.” antwortet.