Die Zeit der Rückblicke ist beinahe vorbei. Nach einer Retrospektive auf einige allgemeine Lebens-Highlights des Jahres wird es nun wie jedes Jahr Zeit für eine Liste der Filme, die mich dieses Jahr persönlich am meisten beeindruckt haben.
Leider folgt auch wie immer an dieser Stelle der Hinweis, dass ich nicht alle Filme sehen konnte, die ich gerne gesehen hätte. Gerade im Nachholmonat Dezember hat mich eine längere Abwesenheit vom Alltag daran gehindert, noch ins Kino zu gehen. So konnten Filme wie La Grande Bellezza, La vie d’Adèle, Captain Phillips und The Act of Killing leider nicht mehr in meine Gesamtauswahl einfließen. Wie üblich habe ich Filme in Betracht gezogen, die 2013 in Deutschland regulär im Kino starteten oder auf Festivals zu sehen waren. Und weil Abwechslung das Leben frisch hält, fange ich dieses Jahr mal mit Nummer 10 statt Nummer 1 an.
10. Star Trek Into Darkness
Ich habe die Tendenz, auf Platz 10 meiner Liste einen Film zu setzen, den ich einfach besser fand als seinen Ruf. Meistens einen von den großen, dummen Blockbustern. Mit Star Trek Into Darkness hatte ich zwei Bombenstunden im Kino und ich ziehe außerdem den Hut vor den Continuity-Verrenkungen der Autoren. Ich habe außerdem Angst davor, den Film noch einmal zu sehen und all die Makel zu erkennen, die alle anderen ihm ankreiden. Aber dafür habe ich ja noch ein paar Jahre Zeit.
9. The Place Beyond the Pines
Ich habe ernsthafte Probleme mit dem merkwürdigen Sozialdeterminismus, mit dem Derek Cianfrances Film einen aus dem Kino entlässt. Nicht, dass ich nicht denke, dass die Entscheidungen unserer Eltern einen Einfluss auf unsere Entscheidungen haben, aber Pines zeigt eine Unausweichlichkeit, die mein optimistisches Ich nicht mittragen will. Mein Lob gilt daher vielmehr der Chuzpe, einen Film zu machen, der Godfather Part II-mäßig mehrere Geschichten erzählt, die eigentlich eine Geschichte sind, ihn mit erinnerungswürdigen Charakteren zu bevölkern und nebenbei ein paar formelle Kapriolen zu schlagen. Das sieht man leider nicht allzu häufig mehr im amerikanischen Kino.
8. Inside Llewyn Davis
Gestern erst gesehen, hat Inside Llewyn Davis mir wieder mal gezeigt, wie großartig die Coen-Brüder sind, wenn sie Geschichten mit Musik erzählen. Diese tragikomische Fabel über einen Künstler, der zwar zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist, aber dennoch an sich selbst und seiner Umwelt scheitert, trägt nicht nur im Namen eines felligen Nebencharakters eine Verbindung zu O Brother, Where Art Thou mit sich herum. Joel und Ethan Coen geben Llewyn und seinen Artgenossen die Chance, ihre Songs voll auszuspielen – was sie um ein vielfaches stärker wirken und nachwirken lässt. Wenn sich so etwas doch mehr Filme trauen würden.
7. Silver Linings Playbook
Ach, das Kreuz mit den Filmen, die man Anfang des Jahres gesehen hat und die in den USA zum Vorjahr gerechnet werden. Es fällt gelegentlich schwer, sich daran zu erinnern, wie der Film vor fast zwölf Monaten gewirkt hat, bevor er mit Preisen überschüttet wurde und bevor man Jennifer Lawrence längst wieder in anderen Rollen bewundern durfte. Im Gedächtnis geblieben ist mir eine unglaublich intensive Kinoerfahrung, ein Robert DeNiro, der plötzlich sein Talent wiedergefunden hatte, und eine Liebesgeschichte, die irgendwie funktioniert, obwohl sie es nicht sollte.
6. Computer Chess
Ich weiß nicht, ob man ein gewisses Nerdlevel erreichen muss, um diesen Film zu mögen, aber ich glaube, ich hätte ihn auch toll gefunden, wenn es tatsächlich nur um gegeneinander antretende Schachcomputer Anfang der 80er Jahre gegangen wäre. Doch dann driftet der Film in seiner zweiten Hälfte auch noch in eine David-Lynch-ige Fiebertraum-Fantasie ab, in der sein ungewöhnlicher U-Matic-Look zu einer Art halluzinogenen Zuckerguss wird. Ein kleines, bescheuertes Meisterwerk.
5. Zero Dark Thirty
Kaum zu glauben, wie die USA noch dastand, bevor aufflog, dass sie die ganze Welt in massivem Umfang belauscht. Zero Dark Thirty zeigt den Weg zu einem sehr sehr einsamen symbolischen Sieg inmitten eines Clusterfucks gigantischen Ausmaßes, getragen durch eine sehr starke weibliche Performance abseits typischer Rollenbilder. Ich halte es für eine der großen Stärken dieses Films, dass er jedem Zuschauer einen Spiegel vorhält und ihm erlaubt, zu sehen, was er sehen will. Das habe ich damals auch im Pewcast gesagt.
4. Frances Ha
Noah Baumbachs vierter Film ist so etwas wie “wahrhaftiger Postmodernismus”. Der Film strotzt vor Versatzstücken, die Baumbach und seine Co-Autorin-und-Hauptdarstellerin Greta Gerwig offen vor sich hertragen, aber man hat den Eindruck, dass er eben erst dadurch ein Film genau über unsere zeitlose Zeit wird. Und weil Frances dennoch ein echter Mensch mit Ecken und Kanten ist, ist Frances Ha eben auch ein eigenständiger Film, der völlig unabhängig von seinen Nouvelle-Vague-Wurzeln funktioniert. Wer das nochmal mit Bildern gesagt bekommen will, für den sei erwähnt, dass ich den Film auch für “Close up” besprochen habe.
3. Spring Breakers
Ich stelle mir vor, dass Harmony Korine eines abends bei einer übermüdeten Sichtung von Letztes Jahr in Marienbad eingeschlafen ist, und während er schlief, von der Skrillex-Platte des Nachbarjungen beschallt wurde. Als er aufwachte hat er dann diesen Film gemacht, dem allein schon für seinen neongetränkten Look ein Preis gebührt. Wenn Frances Ha eine Seite der Welt zeigt, in der wir leben, zeigt Spring Breakers die ihr direkt gegenüberstehende. Und obwohl der Film so lose, abgedreht und arty ist, scheint er auf einer merkwürdigen Ur-Ebene auch für ein Mainstreampublikum zugänglich zu sein. Und zwar nicht nur wegen der Titten. Das ist was wert.
2. Gravity
Ich weiß, dass ich ursprünglich kaum ein gutes Haar an Alfonso Cuaróns Weltraumspektakel gelassen habe. Doch eine zweite Sichtung hat meinen Fokus geradegerückt, weil ich nicht länger eine Meditation über die Endlosigkeit des Weltraums erwartet habe, sondern mich ganz auf die intime Geschichte konzentrieren konnte, die im Herzen des Films liegt. Eine Geschichte, deren Parabelhaftig- und Symbolträchtigkeit völlig gewollt ist und die ich dann auch so akzeptieren konnte. Zählt man die technischen und schauspielerischen Leistungen sowie den schlichten Mut von Gravity noch dazu, bleibt einer der besten Filme des Jahres übrig.
1. The Broken Circle Breakdown
Ein Festival wie die Berlinale kann sicherlich an einem zehren, aber das war wohl nicht der einzige Grund, warum ich während The Broken Circle Breakdown gleich mehrfach selbst dem Breakdown nahe war. Der belgische Film ist einer von jenen, die einen mit der schieren Wucht von Emotionen erdrücken – und das kann man lieben oder hassen. Ich war durch und durch berührt von der bewegenden Geschichte, der tollen Musik, den einzigartigen Figuren und der geschickt verschachtelten Erzählweise von Felix van Groeningens Film – und an diese Kombination kam dieses Jahr einfach kein anderer Film für mich heran.
Ein paar lobende Erwähnungen müssen noch sein: Lincoln etwa, einen 2013er-Film, den ich sogar noch 2012 in der Pressevorführung gesehen habe und der mich vor allem dadurch beeindruckt hat, dass die Geschichte in ihm so lebendig wirkte. Die beiden Zeichentrickfilme Wolf Children und Ernest et Célestine, die mich jeder auf seine Art verzaubert haben und vielleicht auch deswegen nur nicht in der Top 10 gelandet sind, weil ich mich nicht für einen von beiden entscheiden konnte. Pacific Rim, weil er ebenfalls eine Menge Spaß gemacht hat. Und Before Midnight, weil er zumindest ein außergewöhnliches Projekt fortsetzt, dessen Charaktere ich aber so unsympathisch finde, dass mir der Film einfach nicht ans Herz gehen will.
Wir sehen uns auf der anderen Seite!
Eine schöne Liste – auch wenn ich davon kaum noch Filme gesehen habe. Du findest die Charaktere aus den “Before…”-Filmen unsympathisch? Den letzten habe ich noch nicht gesehen, doch in den beiden Filmen davor hätte ich mir gewünscht ebenfalls mit den Figuren durch die Nacht gezogen zu sein…
Ich bin mit meiner Meinung da ziemlich alleine – das weiß ich, aber ich ertrage die beiden pseudophilosophischen Zicken nur leidlich.
Gravity und The Place Beyond the Pines möchte ich mir unbedingt noch anschauen. Leider ist mein Filmjahr 2013 sehr mager ausgefallen, sodass ich heuer leider gar nicht mitreden kann :(
Auch ich kann mit den Figuren in “Before Midnight” wenig anfangen, immerhin im ersten Teil waren sie wenn schon nicht sympathisch, wenigstens nicht unsympathisch.
Deine Liste finde ich dahingehen lustig, da du mit “Frances Ha” und “Spring Breakers” zwei Filme drin hast, die auch bei mir vertreten sind, zugleich jedoch mit “Zero Dark Thirty” und “Silver Linings Playbook” zwei weitere, die zu meinen absoluten Hassobjekten gehörten. The Best of Both Worlds – quasi :D
Ich bereite im Moment die Top 20 über alle Filmblogs vor, und hab gerade deine Auswahl mit reingerechnet. Interessanterweise kommt dabei eine ähnliche “of both worlds” Mischung raus ;)