Inception – Christopher Nolans Studien über selbst gewählten Konstruktivismus

(Dieser Artikel enthält am Ende massive Spoiler zu Inception, der am 29. Juli in den deutschen Kinos startet – und auch über alle anderen Nolan-Filme)

Es heißt, manche Filmemacher, auteurs, drehen immer den gleichen Film in verschiedenen Formen. Daran mag etwas Wahres sein, vor allem wenn man sich das Werk von Christopher Nolan anschaut. Ich finde, dass seine Filme – nicht immer gleich deutlich aber doch sehr klar – sich ganz klar um ein Thema drehen: Sie handeln von Menschen, die sich selbst eine Realität konstruieren, um ihrem Leben einen Sinn zu geben. Sollte Inception keine Ausnahme sein, kann man damit natürlich Rückschlüsse auf die Bedeutung des ambivalenten Endes ziehen.

Memento, Nolans Durchbruch, hat diese Idee am deutlichsten und am schockierendsten umgesetzt. Am Ende des Films, das erzählerisch der Mitte der Geschichte entspricht, hat Leonard zum wiederholten Male festgestellt, dass er sein Ziel eigentlich erreicht hat: Er hat den Mörder seiner Frau gefunden (inzwischen zum x-ten Mal) und seine Erinnerung ist trotzdem nicht zurückgekehrt. Er steht jetzt vor der Wahl, “aufzugeben” und sich seiner eigenen Geschichte zu stellen oder seine Mission ein weiteres Mal zu wiederholen. Indem er auf das Foto von Teddy “Don’t trust his lies” schreibt, baut er seine Welt eines ewig Suchenden wieder auf, gibt seinem Leben wieder ein Ziel – auf Kosten des Menschen, der ihm eigentlich hilft.

Hier tritt dieses Motiv am deutlichsten auf. Leonard belügt sich ganz bewusst selbst, um weiterleben zu können. Doch diese Art der Lebenskonstruktion war schon in Mementos Vorgänger, Following, zu sehen. Der Protagonist des Films folgt Menschen und spioniert ihre persönlichen Dinge aus: Er substitutiert eine falsche Intimität mit Fremden für eine wirkliche Intimität. So erschafft er sich die Welt in der er zuhause ist. Als er beginnt, zum ersten Mal echte Intimität aufzubauen, bricht seine Welt in sich zusammen.

Auch in Insomnia, dem Remake eines norwegischen Thrillers, betreibt der Polizist, um den sich die Story dreht, Selbstverblendung nach Memento-Art. Er erschießt seinen Partner, der in einem internen Verfahren gegen ihn aussagen könnte, um seine eigene Mörderjagd aufrecht zu erhalten. Der Mörder und er werden ungewollt Komplizen in einer Konstruktion der Realität, die er gegenüber der jungen Polizistin (Hillary Swank) aufrechterhalten will und deren Zerstörung auch die Zerstörung seiner Identität als brillanter Polizist bedeuten würde. Am Ende weiß er selbst nicht mehr, ob er seinen Partner mit Absicht erschossen hat oder nicht, seine konstruierte Geschichte ist für ihn zur Realität geworden.

The Prestige, einer von Nolans weniger beachteten aber besten Filmen, stellt gleich zwei Zauberkünstler in den Mittelpunkt – Männer, die ihren Lebensunterhalt damit verdienen, dem Publikum eine Scheinwelt vorzugaukeln. Das Duell der beiden Rivalen führt schließlich dazu, dass beide Männer unglaublich elaborierte Konstruktionen aufbauen, um den perfekten Trick zu realisieren – und damit ihr Leben als der jeweils beste Zauberkünstler zu erhalten. Christian Bales Charakter lebt ein Doppelleben mit seinem Zwillingsbruder, mit dem er regelmäßig die Rollen tauscht, was nicht einmal seine Frau weiß. Hugh Jackman hingegen ist bereit, sich selbst jede Nacht qualvoll zu töten und als Doppelgänger seiner selbst weiterzuleben. Auch hier gilt: Würde jeder der beiden Männer sich seinen Selbstbetrug eingestehen, würde er seinen ausgemachten Lebenssinn verlieren.

Und dann ist da noch Batman. An Batman Begins erinnere ich mich nicht mehr gut, aber soweit ich mich erinnere geht es um einen Menschen, der sich als Superheld neu erfindet; und sein Gegner ist ebenfalls jemand, der Menschen Traumwelten aufzwingt. Auch The Dark Knight streift das Thema wieder. Der Titel des Films ist Batmans selbstgesetztes Lebensziel. Er will der ewige Rächer der Entrechteten bleiben, denn ansonsten müsste er seine eigene Schwäche konfrontieren. Also kann er den Joker nicht töten, denn dieser ist der Gegenpol, der seine Realität am Leben erhält. Stattdessen schickt er Harvey Dent vor, der für ihn das sein soll, was er nicht sein kann: Ein weißer Ritter. Im Endeffekt opfert er Dent, macht ihn selbst zu einem Schurken, um Batman bleiben zu können. Sogar Dents Morde nimmt er am Ende des Films auf seine Kappe, um selbst gejagter Rächer bleiben zu können und Dent als weißen Ritter zu erhalten. (danke an Max für die Korrektur)

Man sieht also: Das Motiv ist nicht immer im Vordergrund, aber es ist immer irgendwie da. (Ich hoffe, dass jemand in den Kommentaren mit mir darüber diskutieren will, ob das stimmt.)

Und jetzt also Inception. Am Ende des Films haben sich anscheinend alle Probleme von Leonardo DiCaprios Charakter Cobb in Luft aufgelöst: Er hat seinen Job erledigt, kann in die USA zurückkehren und seine Kinder wiedersehen. Doch der Zuschauer darf berechtigte Zweifel darüber haben, ob sich Cobb nicht doch noch immer in einer seiner Traumwelten befindet. Nolan lässt einen im Unklaren: Der Kreisel auf dem Tisch dreht und dreht sich, am Ende scheint er umzufallen (ein Zeichen für “Realität”) aber sicher sein dürfen wir uns nicht. Wir dürfen selbst entscheiden, ob wir das Ende “positiv” oder “negativ” deuten wollen.

Folgt man der Logik von Nolans bisherigen Protagonisten, wäre vermutlich eher ein “negatives” Ende angebracht, das heißt Cobb hat seine Aufgabe nicht erfüllt: Er befindet sich immer noch in einem Traum und wird bald wieder weitermachen mit der Lebensaufgabe, die Schuld am Tod seiner Frau zu sühnen. Denn das ist das, was ihn antreibt. Wie man den bisherigen Film gesehen hat, kann Cobb eigentlich nicht glücklich damit sein, einfach zu leben und die Vergangenheit loszulassen – er braucht das Gefühl, einen Zweck zu haben und faustisch einem unerreichbaren Ziel nachzustreben. Die Tatsache, dass am Ende des Films plötzlich alles ganz einfach zu sein scheint, viel einfacher als die Überwindung aller bisherigen Hindernisse, spricht für die Traumtheorie.

Worauf schon viele Kritiker nicht nur im Hinblick auf Inception hingewiesen haben, ist, dass diese Art der Realitätserschaffung natürlich im Endeffekt sowohl auf den Filmemacher als auch auf das Publikum zurückfällt. Der Lebenszweck des Filmemachers ist es, künstliche Welten zu schaffen, Realitäten zu konstruieren, um sich selbst am Leben zu erhalten (eines der schönsten Beispiele ist auch hier wieder The Prestige, in dem manche Zaubertricks ohne das Wunder des Schnitts gar nicht möglich wären).

Das Publikum hingegen konstruiert sich ebenfalls eine eigene Welt, es interpretiert die Filme und setzt sie im Kopf zu Realitäten zusammen – besonders deutlich wird das bei Memento, wo der Zuschauer am Ende des Films mehr weiß, als der Protagonist, weil es dessen Zukunft kennt. Und auch bei Inception, wo das Publikum am Ende entscheidet, wie die Geschichte weitergehen könnte, wirkt es aktiv an der Konstruktion fremder Realitäten mit. So werden wir alle Teil der großen Self-Fulfilling-Prophecy des Lebens.

Deutschland, eine Sommerpause

Eine aktuelle Plakatkampagne der Telekom wirbt damit, dass sie einem jetzt das Netz “IN ECHTZEIT” in die heimischen vier Wände transportieren. Überhaupt ist das Echtzeitweb ja derzeit ein schönes Angeberwort, denn es passt ja zu der althergebrachten Weisheit, dass sich die Welt immer schneller dreht, dass wir jetzt alles immer überall haben; morgens mit den Aktienkursen aus Tokio aufwachen (wenn wir nicht kurz schon mal Nachts gecheckt haben); die Wikipedia vom Zahnarztstuhl aus editieren; während des ersten Dates kurz ein lustiges Katzenbild retweeten; Antworten auf SMS und Mails innerhalb von Sekunden erwarten und jeden neuen Bekannten erstmal googlen.

All diejenigen, die das am meisten erschreckt, die sich deshalb regelmäßig darüber beschweren, die aus der Autobahn einen Parkplatz machen wollen und immer wieder gerne “Entschleunigung!” rufen, waren wahrscheinlich lange nicht mehr zwischen Mitte Juli und Mitte August in Deutschland.

In dieser Zeit nämlich schrumpfen Firmenbelegschaften auf einen Bruchteil ihrer Standardmasse zusammen. Telefonisch erreicht man Anrufbeantworter, per Mail eine automatisch generierte “Bin weg”-Nachricht. In der Mittagspause muss man die Speisekarte der Dönerbude von oben nach unten durchprobieren, weil Kantine, Suppenbar und Nachbarschaftsmetzger geschlossen haben. Wenn nicht gerade mal wieder ein CDU-Politiker zurücktritt, passiert auch auf der politischen und wirtschaftlichen Bühne nichts von Belang, weshalb die Medien entweder auf Sommerlochthemen zurückgreifen oder über das Sommerloch selber berichten. Und wo immer man anruft (und sogar wenn man selbst angerufen wird), die Antwort ist häufig die gleiche: “Das können wir erst nach der Sommerpause bearbeiten.”

Ich finde das ja einerseits ganz schön – unter anderem auch, weil man in diesen Zeiten endlich mal die Ruhe findet, um lange liegengebliebene Projekte in Ruhe anzugehen. Andererseits finde ich aber auch, dass ein Land, dass es sich leisten kann, mehrere Wochen im Jahr quasi sein komplettes Uhrwerk auf weniger als halbe Geschwindigkeit zu drosseln, sich wirklich keine Sorgen machen sollte, dass es irgendwann vor lauter Schnelligkeit explodiert. Wenn man sich selbst langsam bewegt, wird “Echtzeit” gewissermaßen zu einem relativen Begriff.

Tangled

Über den ersten Trailer von Disneys neuem Film Tangled habe ich mich heute richtig gefreut. Nicht nur weil er eigentlich ganz witzig aussieht – von der Metaebene her etwa so wie der erste Shrek-Film – sondern weil man an ihm ähnlich wie schon bei How to train your Dragon wunderbare Animations-Stil-Studien vollführen kann.

Seit The Great Mouse Detective hat Disney in seinen 2D-Animations-Filmen mit 3D-Computer-Elementen gearbeitet, und dabei das Shading immer weiter verbessert. In Filmen wie Tarzan arbeitete das Studio schon mit ganzen 3D-Hintergründen, die so geshadet wurdet, dass sie sich trotz den Durchfahrten nahtlos in den Rest des Looks einfügten.

Aber auch der generelle Look der 2D-Animation wurden im Laufe der Jahre immer weiter weg von abstrakten und stilisierten Hintergründen und flachen Charakteren (vor allem in den 60ern und 70ern) hin zu einem hyperrealistischem Airbrush-Look entwickelt, der schon an sich einen hohen Raumgefühls-Charakter vermittelt (Abstrakteres ist nur in Musical-Nummern erlaubt). Man vergleiche die zwei Screenshots aus 101 Dalmatians (1961) mit dem letztjährigen Comeback-Streifen The Princess and the Frog


Tangled schlägt jetzt tollerweise genau die andere Richtung ein. Er ist ein 3D-Film, der aber anders als die beiden letzten Disney-Computer-Filme Chicken Little und Bolt nicht auf Dreidimensionalität setzt. Stattdessen sehen viele der Hintergründe fast aus wie klassische High-Concept-2D-Hintergründe. Man schaue sich nur einmal diesen Shot an:

Ich finde die Idee prima. Inhaltlich geht der Film zurück auf die Märchentradition der frühen Disney-Filme, also passt er sich auch optisch an. Weil die meisten Menschen mit Disney-Zeichentrickfilmen immer noch die großen alten Klassiker verbinden, dürften die Macher hier genau den richtigen Weg gegangen sein, um Disney-Filme wieder zum altbekannten Familienerlebnis für alle Generationen zu machen.

Interessant dürfte dann nur wieder sein, wie diese Flache-Hintergründe-Strategie sich damit verträgt, dass der Film natürlich auch in 3D ins Kino kommt.

Warum muss mit Journalismus Geld verdient werden?

Über Rivva habe ich mitbekommen, dass bei Meedia schon wieder jemand (Stefan Winterbauer) Jeff Jarvis gebasht hat. Na ja, was soll’s. Das kann er ab und dass er ein Selbstdarsteller ist, ist eigentlich eine Binsenweisheit, denn Selbstvermarktung ist schließlich das, was er verkauft.

Mich hat aber vor allem der letzte Absatz gestört:

Wer von Jarvis wissen will, wie er denn die vielen Leute, die Gebäude, die Dienstleister, die ganze Infrastruktur mit der Link-Ökonomie bezahlen soll, der erhält zur Antwort, man müsse “Wege finden”, die Aufmerksamkeit zu monetarisieren. Immer wenn’s ans Eingemachte geht, verdrückt sich Jarvis ins Ungefähre und eilt zum nächsten Vortrag. Nur: Würde man Jarvis mit seinen radikalen Thesen ernst nehmen, könnten die meisten Medienhäuser von heute auf morgen dicht machen.

Erstens schießt die Kritik am Ziel vorbei: Jarvis hätte überhaupt nichts dagegen, wenn die meisten Medienhäuser von heute auf morgen dichtmachen. Seiner Ansicht nach liegt die Zukunft des Journalismus eben nicht in großen Häusern, sondern in kleinen Zellen.

Zweitens stört es mich, dass hier wie schon an hundert Orten radikale Ideen einer Neuordnung des Mediensystems damit abgetan werden, man könne damit kein Geld verdienen. Selbst wenn das stimmen würde (und das tut es nicht zwangsläufig, denn es gibt Menschen, die mit der Link-Ökonomie Geld verdienen und ihre Aufmerksamkeit beispielsweise durch Beraterverträge etc. in Geld umwandeln) – wäre das so schlimm?

Werner D’Inka hat auf einem Vortrag mal den Vergleich gebracht, er würde sich ja gerade noch von einem Bürgerfriseur die Haare schneiden lassen, aber nicht mehr von einem Bürgerchirurgen den Blinddarm rausnehmen lassen. Dieser Vergleich wird bemüht, wann immer es darum geht, dass möglichst ALLE Journalisten ZWANGSLÄUFIG gut bezahlte Profis sein müssen.

Mal ganz abgesehen davon, dass weder heutzutage noch jemals alle Journalisten ordentlich bezahlt wurden oder dass ordentliche Bezahlung keine Garantie für fehlerlose Arbeit ist – stimmt das überhaupt?

Ich habe schon öfter (auch hier) gesagt, dass ich glaube, dass in der Zukunft sehr viel Journalismus von Amateuren produziert werden wird. Von Journalismus-Amateuren, wohl gemerkt, nicht von Idioten. Rechtsanwälte, Wirtschaftskenner, Politik-Kenner, Kultur-Kenner, die in anderen Berufen ihr Geld verdienen, aber nebenher auch gerne noch über ihr Fachgebiet schreiben möchten, wie es sie immer schon gegeben hat.

Warum sollte ich diesen Menschen weniger vertrauen als einem bezahlten Journalisten? Wegen der Unabhängigkeit, könnte man jetzt als Argument anbringen, und das stimmt. Aber die journalistische Unabhängigkeit ist auch nur ein Idealbild, der die Realität durch Druck von Anzeigenkunden oder einfach durch persönliche Überzeugung ohnehin hinterherhinkt. Das Gesetz der großen Leser-Zahlen wird in einer demokratisch geprägten Gesellschaft schon zeigen, wen es sich lohnt zu lesen, und wer nur schlecht geschriebene Propaganda von sich gibt. Relevanz treibt nach oben.

Und was soll das überhaupt mit dem Vertrauen in den Bürgerchirurgen? Deutschland ist das Land des Ehrenamtes, die ARD hat diesem Thema sogar jüngst eine Themenwoche gewidmet. Wir lassen uns von Nicht-Profis aus brennenden Häusern retten, wir vertrauen ihnen unsere Alten, Kranken und Kinder an. Wir Deutsche lassen uns sogar von Amateuren in hochkomplizierten Sportarten wie – sagen wir mal – Dreisprung oder Biathlon auf internationalen Sportwettbewerben vertreten und freuen uns mit wenn “unsere” Sportler gewinnen. Menschen, die nebenher noch Zahnarzthelfer oder Rechnungsprüfer sind.

Aber wir wollen den Journalismus diesen Menschen nicht anvertrauen? Nicht ausschließlich diesen Menschen (das ist ja bei der Feuerwehr auch nicht so), aber auch diesen Menschen? Da muss unbedingt Geld fließen, damit gute Arbeit geleistet werden kann? Ich warte immer noch drauf, dass mir das mal jemand richtig erklärt.

Colour Grading – der Loudness War der Filmindustrie

Ich habe in diesem Blog schon öfter über die Chancen und Risiken des Colour Grading gesprochen. Diese Technik erlaubt es, einen Film komplett in den Computer zu scannen und dort jedes Bild in seinen Farben und Helligkeiten so individuell zu bearbeiten wie ein Photoshop-Datei.

Im positiven Sinne sind damit Effekte möglich, die einen Film optisch in eine komplett andere Welt verschieben können. Peter Jacksons Herr der Ringe-Trilogie hat das nach wie vor am eindrucksvollsten vorgemacht. Besonders im fantastischen Kino allerdings ist die Technik auch ein wenig zu einer Plage geworden. Filme sind so stark farbverändert, dass sie wirken, als wären sie vollständig im Computer entstanden. Sie wirken zum Teil wächsern und leblos.

In einem besonders guten Rant hat sich der Cutter Todd Miro in seinem Blog Into The Abyss jetzt des Colour Gradings angenommen. Er beschwert sich besonders über die unnatürliche Gegenüberstellung von orangenen Hauttönen und aquamarinen Umgebungen. In einem Zweiten Artikel wiederholt er seine Argumentation.

Miro führt einen weiteren interessanten Punkt an, nämlich dass dieser Look die Filme der letzten Jahre so stark geprägt hat, dass es ein Trend sein könnte, der in der Zukunft als ein typisches Merkmal der Zeit gelten könnte, nicht unbedingt nur positiv (ähnlich wie die Technicolor-Orgien des frühen Farbfilms oder der Weichzeichner-Look der Siebziger).

In den Kommentaren zu Artikel zwei wird zudem ein cleverer, und wahrscheinlich zutreffender Vergleich mit dem Loudness War in der Musikindustrie gezogen. Neue digitale Möglichkeiten werden so lange übertrumpft, bis die Qualität des künstlerischen Produkts leidet.

Anmerkung: Kurze Kommentar-Artikel ohne eigene Analyse wie dieser oder der letzte wird es auch weiterhin nur selten bei Real Virtuality geben. Stattdessen werde ich diese Woche wieder ein wöchentliches Link-Feature starten, ähnlich der Worte zum Wochenende.

Umgekehrte Jetpacks in The Book of Eli

Im neuen Film der Hughes Brothers, dem postapokalyptischen und auf merkwürdig unsubtile Weise christlich-propagandistischen The Book of Eli findet sich der Held des Films, gespielt von Denzel Washington, nach etwa vierzig Minuten in einem Raum wieder, in dem ein Poster des schrägen Siebziger-Jahre-Postapokalypsos A Boy and his Dog hängt. Das Poster ist nicht nur ein kurzes, kaum merkliches Cameo-Augenzwinkern ans Publikum, es ist über Minuten hinweg in mehreren Einstellungen zu sehen, manchmal ganz manchmal in einem Ausschnitt, der es einem im Kino erlaubt, auch die Tagline des Films zu lesen: “An R-Rated, rather kinky tale of survival”.

(die im Internet kursierende, abgefilmte Version lässt solche Details natürlich nicht erkennen)


(und genauso natürlich habe ich natürlich nicht nach dieser Version gesucht. Sie fiel mir in den Schoß.)

The Book of Eli ist der erste durch und durch ernste Science-Fiction-Film, der mir einfällt, der sich diese Art von direkter Referenz erlaubt: Außerhalb der Filmwelt (also für den Zuschauer) ist sie ein intertextueller Verweis. Der postapokalyptische Film The Book of Eli verweist mit dem Poster auf einen historischen Vorläufer, den postapokalyptischen Film A Boy and His Dog. In der Filmwelt aber, die ja eine direkte Fortschreibung unserer Erde sein soll, muss die Anwesenheit des Posters eine ganze Menge dramatischer Ironie enthalten: Denn Teile der Science-Fiction-Vision des Films von 1975, zum Beispiel die durch einen Nuklearkrieg verwüstete Erde, sind dort wahr geworden – Eli und seine Kompagnons leben in der Science Fiction von gestern. Wissen sie das? Das Poster sagt Ja. (Ich bin dankbar für Hinweise auf andere Filme, in denen eine ähnliche Situation vorkommt)

In der Welt von Eli findet also eine auf den Kopf gestellte Form des beliebten “Where are my Jetpacks?”-Idioms statt. Dieses zielt darauf ab, dass wir ja inzwischen in der Zukunft leben, die sich SF-Autoren seit Ende des 19. Jahrhunderts ausgedacht haben, aber leider erschreckend wenige ihrer Visionen wahr geworden sind. Der britische Comedian Eddie Izzard sagt in einer seiner Routinen: “Those doors from Star Trek – we’ve got them now… and that’s about it.” Und es gibt auch ein Buch dazu, dass ich leider noch nicht gelesen habe (inzwischen sind zumindest die Jetpacks Realität).

Die Frage, die sich stellt, ist also: Wie bewusst sind sich die Figuren eines SF-Szenarios der Tatsache, dass sie in einer Welt leben, die früher ein SF-Szenario war, einer “Stranger Than Fiction”-Welt gewissermaßen? In der Regel wird diese Frage völlig ausgeblendet. Kaum jemand, der in einer Raumschiff-Welt darauf zu sprechen kommt, dass Raumschiffe mal die Erfindung von Nerd-Autoren waren. Die einzigen, die sich trauen, in einer SF-Welt über SF zu reden, sind in der Regel die Humoristen, beispielsweise in Futurama, wo Professor Farnsworth die Frage, ob sein sprechender Affe das Ergebnis von genetischer Manipulation ist, mit den Worten beantwortet: “Oh, please. That’s preposterous science fiction mumbo jumbo. Gunther’s intelligence actually lies in his electronium hat, which harnesses the power of sunspots to produce cognitive radiation.” Insofern ist The Book of Eli zumindest in dieser Hinsicht besonders.

Ergänzend kann man hier anmerken, dass man sich natürlich auch in unserer Zeit schon fragen kann, inwiefern wir eben heute doch die Science Fiction von gestern sind. Im Netz gibt es einige Seiten zum Thema (vor allem die letzte ist gut). Jetzt müssen wir uns nur noch fragen: Sind wir auch Figuren in einem Film?

Wird Avatar beim zweiten Sehen besser?

Lang, lang ist es her, dass ich für einen Film zweimal (bezahlt) ins Kino gegangen bin.* Avatar war es mir aber wert. Erstens weil ich den Film noch einmal sehen wollte ohne vom 3D-Effekt so überrollt zu werden, dass der Rest des Films ein wenig verblasst, zweitens weil ich den Film das erste Mal am Startwochenende gesehen hatte und ihn noch einmal nach dem Hype, dem Erfolg an den Kassen und dem Golden Globe-Gewinn begutachten wollte. Ich wollte sehen, ob er einem zweiten Blick standhält.

Interessanterweise tut er es, was ein deutliches Zeichen dafür ist, dass James Cameron in der Tat saubere Arbeit geleistet hat. Der Film ist nach dem Lehrbuch aufgebaut und zieht einen, nachdem man den etwas plumpen hard-boiled-voiceover-Einstieg überstanden hat, mit seinen klar strukturierten Szenen (mir ist aufgefallen, wie viele Schwarzblenden der Film hat) und Charakteren, die sich wie auf einem Schachbrett bewegen, direkt in die Story hinein. Spätestens nach zwanzig Minuten ist man auf Pandora angekommen, denkt kaum noch über 3D und über Computeranimation nach und nach anderthalb Stunden beginnt man, sich auf das große Actionspektakel am Ende zu freuen – und wird schließlich auch belohnt.

Auch seine anderen Stärken behält der Film bei: Den Aspekt von Avatar, der am deutlichsten ein klassisches Science-Fiction-Thema ist – die ethische und emotionale Seite des “Lebens” in einem fremden Körper – wird meistens eher ausgeblendet, dafür aber an einigen Schlüsselstellen in den Vordergrund gerückt: Zu Beginn von Jakes Trainingssequenz, wenn er kommentiert dass das Wirklichkeit-Traum-Verhältnis auf dem Kopf steht, am “Morgen danach”, als Neytiri Jake nicht aufwecken kann, weil er eben nicht in seinem Körper steckt, sowie kurz darauf, als er seine Rede nicht halten kann, weil Quaritch ihm den Saft abdreht – und schließlich kurz vor Schluss des Films in dem beeindruckenden Bild, als die drei Meter große Neytiri zum ersten Mal Jakes wahren Körper in ihrer Hand hält. Durch diese punktuelle Betonung des Avatar-Konflikts ruft der Film seinen eigentlich interessantesten Aspekt (der dem Film immerhin seinen Namen gibt) immer wieder gezielt ins Gedächtnis zurück – und mit der Auflösung des Konflikts endet der Film ja schließlich auch.

Beim zweiten Ansehen kann sich der Zuschauer auch noch deutlicher daran ergötzen, wieviel Detailüberlegung in die Entwicklung von Pandora geflossen ist, in das exotische aber in sich schlüssige Design von Kreaturen und Pflanzen und in die absolut hundertprozentige Glaubwürdigkeit der Charakterbewegung in dieser Welt. Überhaupt die Charakterbewegung: Es ist beeindruckend, wie gut das Performance Capturing beispielsweise die schwerfälligen Bewegungen von Grace und Norm – und anfangs auch von Jake – einfängt, in denen man so eindeutig die Menschen hinter den Na’vi erkennen kann. Schaut man sich zum Vergleich Zemeckis’ fast zeitgleich gestarteten A Christmas Carol an, in dem sich immer noch große Teile der Charaktere bewegen wie von der Augsburger Puppenkiste rekrutiert, kann man sehen, wie hoch Cameron die Meßlatte hier gelegt hat.

Und schließlich ist die 3D-Mise-en-scène nicht nur der herausragenden Actionszenen – die wie immer bei Cameron erste Sahne sind – sondern des ganzen Films nach wie vor beeindruckend. Immer wieder streut Cameron Shots ein, die einem den 3D-Effekt eindrucksvoll vor Augen führen ohne aufdringlich zu wirken: Größenvergleiche, POV-Shots, Fluchten, lange Close-Ups. Doch er lässt sie nicht zum Selbstzweck werden, schneidet einfach nach regulärem Continuity-Rhythmus.**

Gleichzeitig fallen beim zweiten Sehen aber auch die Schwächen des Films noch stärker ins Auge. Beispielsweise dass die komplette zweite Hälfte des Films von einer einzigen Szene abhängig ist, in der ein von Anfang an zweidimensionaler Charakter (Ribisis Businessmann Selfridge), eine Entscheidung fällt, deren Motivation vollständig auf der Strecke bleibt, nämlich den Heimatbaum der Na’vi zu zerstören und Graces Bedenken dabei einfach wegzuwischen. Selfridge ist als Charakter so flach, dass seine Entscheidung wie eine Art negativer Deus-Ex-Machina wirkt. Hätte man ihm von Anfang an mehr Tiefe gegeben – wo liegen seine Abwägungen bei der Führung des Unternehmens, welchen Werten und Zwängen ist er verpflichtet – oder ihn zumindest genauso durchgeknallt überzogen wie Quaritch, in dessen Wahnsinn wenigstens Methode steckt, wäre diese Entscheidung wohl nachvollziehbarer und der ganze doofe Gut-Böse-Dualismus des Films glaubwürdiger gewesen.

Und schließlich ist da der meistkritisierte Aspekt des Films, die typisch westliche Vision des Edlen Wilden, der reiner ist als der von der Zivilisation verseuchte Weiße. Dass dieser Edelmut in einer kriegerischen, heteronormen Gesellschaft liegt, die auch die positiven Aspekte des Fortschritts (beispielsweise Medizin und Selbstverwirklichung) zugunsten von Naturverbundenheit und vager Spiritualität ablehnt – andererseits aber einen “zivilisierten” Außenseiter als Messias braucht, um sie zu einen und zur Vernunft zu bringen – ist eine der großen Schwachstellen von Avatar und allen anderen kolonialistischen Erzählungen dieser Art, denen ich in diesem Fall nicht mal Rassismus, sondern einfach nur Eindimensionalität vorwerfen würde. Wann immer solche Gesellschaften dargestellt werden, wird beispielsweise immer ausgeblendet, wie es wohl denjenigen innerhalb beispielsweise der Na’vi geht, die eben keine Lust auf Jagen und Sammeln haben. Werden sie ebenso ausgestoßen wie die Kolonialisten?

Da sich bei Avatar die beeindruckenden und die entäuschenden Aspekte also so gut die Waage halten, wird der Film beim zweiten Sehen weder besser noch schlechter – er bleibt so solide und oberflächlich wie beim ersten Sehen. Das wiederum zeichnet ihn eigentlich als guten Film aus, der sich immerhin selbst treu ist.

Für die weitere Betrachtung des Films empfehle ich Dan Norths sortierten Querschnitt durch Kritiken und Essays, die Avatar hervorgebracht hat.

* Interessanterweise ist der einzige Film, seit Beginn meines Filmtagebuchs im Mai 2003, ausgerechnet Matrix: Reloaded, weil ich zum Start von Revolutions noch einmal in eine Dreier-Nacht gegangen bin.

** Auch hier bietet sich der Vergleich mit A Christmas Carol kurz an, der darauf hindeutet, dass es künftig zwei “Schulen” der 3D-Inszenierung in computergenerierten Umgebungen geben könnte. Eine (Cameron) inszeniert weiter als gebe es 3D gar nicht und versucht damit auf die zukünftige Alltäglichkeit der Technik hinzuweisen, die andere (Zemeckis) zelebriert ihr Medium: Sie setzt beispielsweise Schwenks und Innere Montage statt Schnitten ein, wann immer sie kann, und setzt stärker auf Tiefenschärfe um die Integrität der diegetischen Welt zu waren.

Der “Guardian” hat den Irrsinn von Clash of the Titans auch bemerkt.

Does Clash of the Titans have the worst ever film tagline? fragt Stuart Heritage heute in einem Artikel auf guardian.co.uk. Die Antwort lautet natürlich “Ja!” – aber die Frage ist nicht neu. Real Virtuality hat sich schon im November über die alberne Tagline TITANS WILL CLASH amüsiert und sogar vorgeschlagen, das Konzept auf sämtliche Hollywoodproduktionen zu übertragen – genau wie Heritage es macht.

Zwei Seelen, ein Gedanke? Oder ganz klares Plagiat? Das muss die Weltgeschichte entscheiden.

Heritages Artikel ist natürlich trotzdem sehr lesenswert und schmunzelerzeugend.

Greenscreen Video: Pimp my Virtual Set

Eine beeindruckende kleine Videomontage der Firma Stargate Studios (“Heroes”) (via Fünf Filmfreunde, YouTube-Video ist aber inzwischen offline) zeigt deutlich auf, wie unglaublich omnipräsent virtuelle Set Extensions in Film- und Fernsehproduktionen heute geworden sind.

Nicht nur bei effektbeladenen Fantasy-Filmen und anderen Werken mit unwirklichen Szenarien, sondern auch bei “ganz normalen” typischen Backlot-Szenen, die vor allem in Stadt-Szenerien spielen, helfen Green Screens dabei, das ganze etwas netter aussehen zu lassen. Das dürfte es unter anderem sein, was vor allem vielen Fernsehserien inzwischen einen größeren High Concept Look verleiht. Man kann alles an den üblichen Studio-Sets drehen und hat volle Kontrolle, und per Computer wird das ganze dann ein bisschen aufgehübscht. (Wer einen Vergleich will, kann sich mal ein paar typische 90er-Sitcoms oder Serien wie “Friends” anschauen, wo die immer gleichen Establishing Shots und die schrecklich fake aussehenden “Außen”-Sets das Bild prägen)

Dazu passt auch die Selbstbeschreibung des Virtual Backlots auf der Stargate-Seite

Stargate Digital’s Virtual Backlot™ is a proprietary technology that gives filmmakers unparalleled access to any location through a variety of techniques. […] The common thread between all the variations of the Virtual Backlot™ is that it has been designed as a seamless and unobtrusive addition to the first unit. The goal is to enhance the story as well as solve production issues.
(Hervorhebung von mir)

Das Video bestätigt außerdem meinen Eindruck von der eDIT: Roto und Compositing sind inzwischen zu einer lästigen Nebenaufgabe geworden, die zwar immer noch Zeit kostet aber längst nicht mehr so kompliziert ist, wie noch vor sagen wir zehn Jahren, da der Computer doch inzwischen mehr selber machen kann.

Ein paar Gedanken zu Avatar, James Cameron und 3D

Der ursprünglich geplante Titel dieses Blogeintrags war “Wie James Cameron mich immer wieder Glauben macht”. Aber nachdem ich heute wieder einige Sachen in 2D gesehen habe (Where the Wild Things Are und The Princess and the Frog und die Trailer davor), wollte ich den Bogen noch etwas weiter spannen und noch einmal allgemein über 3D und das momentane Effektkino schreiben wie ich es hier schon mal gemacht habe.

Aber trotzdem zunächst zu James Cameron. Terminator 2 ist vermutlich der wichtigste Film meiner Jugend, nicht zuletzt weil er ein Schlüsselstein in meinem Interesse für Spezialeffekte und CGI war. Superman hatte 1978 mit dem Spruch geworben You will believe a man can fly und T2 bedeutete für mich, dass ich daran glaubte, dass ein Roboter aus frei formbarem Flüssigmetall bestehen kann. Erst als ich mir viele Jahre später die DVD kaufte und ein paar Making ofs sah, begriff ich, dass gar nicht der ganze T-1000-Kram tatsächlich im Computer gemacht wurde, nur einige wenige Szenen. Aber die Illusion war (wie zwei Jahre später bei Jurassic Park) perfekt.

1997 lehrte mich dann wiederum Titanic eine neue Lektion in Glaubwürdigkeit. Nachdem ich ihn gesehen hatte (und die Story nicht so mochte aber ihn sonst okay fand), sah ich irgendwann mal ein Making of im Fernsehen und begriff da erst, wie viele Szenen, die ich für echt gehalten hatte, hier im Computer entstanden waren. Heute kann ich solche Shots erkennen, aber damals war ich noch ein CG-Newbie. Wiederum war es also James Cameron gelungen, mich an der Nase herumzuführen, diesmal im Bereich der “unsichtbaren” Effektshots, die nicht als solche wahrgenommen werden können.

Und dieses Jahr, 2009, hat mich Avatar zum dritten Mal an CG glauben lassen. Nach all den Effektschlachten der letzten Jahre, beispielsweise bei Harry Potter und den anderen SF/Fantasy-Konsorten hatte ich mich darauf eingestellt, dass man eine gute CG/Live-Action-Verschmelzung nur hinkriegt, wenn man dafür den Colour Grade so hochschraubt, dass das ganze unwirklich wird (für mich die erste Kategorie meiner Theorie von der “Neuen Digitalen Ästhetik”).

Avatar macht das allerdings nicht so. Die Welten von Pandora sind, wenn auch farblich mit ihren ganzen phosporeszierenden Pflanzen etwas psychedelisch ziemlich photorealistisch glaubwürdig. Hier verschwimmt nicht alles in weißen Rändern und Composting-Glows und gephotoshoppen Himmeln. Zugegeben, manchmal drückt Cameron auch hier etwas zu sehr auf die Weißabgleich-Taste, aber viele viele Shots draußen im Dschungel wirken echt und anfassbar. Und auch das Einfügen von menschlichen Charakteren (vor allem bei emotionalen Höhepunkten wie dem Treffen zwischen Neytiri und Sams echtem Körper) funktioniert perfekt.

Den Schlüssel für diese Glaubwürdigkeit sehe ich in der Dreidimensionalität. Cameron packt einfach noch eine Lage Effektkino auf seine Computerbilder drauf, die einen mit ihrer Attraktion so gefangen nimmt, dass man gar keine Kapazität mehr übrig hat, um auf die Unwirklichkeit der CG-Welt zu achten. Sie gibt dem Film die Glaubwürdigkeit, die er ohne vielleicht nicht hätte. 3D ist bei Avatar das, was Colour Grading bei Lord of the Rings war: Das Extra-Sahnehäubchen, das es braucht, um die Welt zum Leben zu erwecken.

Und das scheint mir der momentane Sinn von 3D zu sein. Es ist der zusätzliche WOW-Effekt, der den Sense of Wonder im desillusionierenden Computerkino (das mir extrem beispielsweise in den nur noch künstlich wirkenden Welten von 2012 aufgefallen ist) wieder herstellt. Der neue Schub für das Cinema of Attractions der zweiten Zehner Jahre in der Filmgeschichte.

Sehr bewusst geworden ist mir das heute nochmal, als ich die Trailer für Cloudy with a chance of Meatballs, Alice in Wonderland und How to Train Your Dragon, die ich bisher nur in 3D gesehen hatte, noch einmal in 2D gesehen habe. Plötzlich erschien mir hier alles wesentlich flacher und langweiliger als noch zuvor, es hatte ein bisschen was von seinem Reiz verloren.

3D ist und bleibt also nur ein Gimmick, aber ein wichtiges Gimmick, dass dem CG-überfrachteten Kino seinen Groove und damit seine Glaubwürdigkeit zurück gibt. Ohne gehts auch im Neuen Digitalen Ästhetik-Kino, aber es ist wesentlich langweiliger. Ich glaube, damit hat das 3D-Kino endgültig seine zweite Phase erreicht, analog zum Farbfilm (diese Analogie sehe ich nach wie vor) also diejenige, wo man sich bestimmte Filme ohne 3D (=Farbe) nur noch schlecht vorstellen kann.

Jetzt muss es nur noch die dritte Phase erreichen, in der es Normal (ja, mit großem N) wird und anfängt zum Kino-Establishment zu gehören, auch außerhalb von Filmen mit viel Computerzeugs.