Recap: Agents of SHIELD – Season 2, Episode 6 “The Writing on the Wall”

Diese Woche beginnt Agents of SHIELD mit einer der komplexesten “Previously on …”-Montagen, die man sich vorstellen kann. Die Ereignisse, die auf das hinführen, was in den nächsten 45 Minuten passieren wird, liegen sehr weit zurück. Gezeigt wird nur, was irgendwann ab Mitte der ersten Staffel geschehen ist, aber eigentlich müsste man fast bis zum Kinofilm The Avengers zurückgehen, um zu wissen, womit man es zu tun hat: Tod, Wiederauferstehung, ein eingebildeter Urlaub in Tahiti, die Entdeckung, dass T.A.H.I.T.I. vielmehr ein experimentelles Wiedererweckungsprogramm von SHIELD mit Alien-DNS ist, Löschung der Erinnerung durch eine traumatische Roboter-Operation, der Drang, merkwürdige Zeichen in die Wände zu ritzen – erst bei Garrett, dann bei Coulson; die Realisation, dass Skye ebenfalls Alien-DNS zu besitzen scheint und schließlich die Erkenntnis, dass die Zeichen eine Karte sein könnten.

Bei all der Flachheit, die ich Agents of SHIELD so gerne vorwerfe, man muss der Serie applaudieren für die Chuzpe ein Mysterium über so lange Zeit aufzubauen und Stück für Stück immer weiter zu entwickeln. Der Showdown, auf den “The Writing on the Wall” hinausläuft, mag wieder einmal antiklimaktisch inszeniert sein und mich endgültig darin bestätigen, dass Clark Gregg – so sympathisch ich ihn als Schauspieler finde – schlicht und einfach nicht in die Rolle passt, die man ihm zugedacht hat. Aber das Mysterium zieht einen in diese Folge hinein und die Enthüllung des nächsten Schritts wirkt tatsächlich wie eine große Erleichterung ohne tatsächliche Auflösung – ein Spiel dass die X-Files über neun Jahre vorgemacht haben. (Nur leicht getrübt wird das alles durch die Tatsache, dass man die Enthüllung über 15 Minuten kommen sieht, von dem Moment an, als die Modelleisenbahn das erste Mal im Bild ist.)

Die George-Lucas-Schauspielschule

Und obwohl Clark Gregg schon sehr stark die George-Lucas-Schauspielschule channelt, während er sich bemüht, seine Erinnerungen zurückzuerlangen: Seine Flashbacks in die kritische Phase des T.A.H.I.T.I.-Programms besitzen genuine Psychothriller-Spannung, inklusive all der paranoiden Momente, die man dabei erwartet. Das Bild der bewussten OP am offenen Gehirn, bei dem der Patient um Gnade winselt und die Ärzte nüchtern daneben stehen, bleibt ein monströs schreckliches Comicpanel, das kein Marvel-Zeichner besser hätte treffen können.

Wenn es nur mehr davon gäbe. In einer parallelen Storyline müssen wir leider stattdessen miterleben, wie dumm sich ausgebildete Superspione bei einer einfachen Beschattung anstellen, bei der sie natürlich nicht davon ausgehen, dass die Kneipe, in der sich das Zielobjekt mit seinen Vorgesetzten trifft, einen Hinterausgang haben könnte. Nur Brett Daltons eiskalter und undurchschaubarer Charme rettet diesen Teil der Folge vor dem Totalausfall. Natürlich bin ich jetzt doch irgendwie gespannt, wie sich Ward zwischen den Fronten durchschlagen wird, nachdem er den Namen Daniel Whitehall gehört hat.

Schließlich wäre da noch zu erwähnen, dass Skye und Mac eiskalt an Hank Thompsons Schweißerladen vorbeigefahren wären, wenn dieser nicht praktischerweise winkend auf der Straße gestanden hätten. Das Marvel Cinematic Universe hat schon angenehme Zufälle manchmal.

Beste Szene: Coulsons Flashback

Bester Dialogsatz: “I like my bosses unjumbled at all times.” (Mac)

Note: 2

Recap: Agents of SHIELD – Season 2, Episode 6 “A Fractured House”

© ABC

Wie im letzten Post erwähnt, war ich vergangene Woche unterwegs. Daher konnte ich die neue Folge erst heute sichten und beschreiben.

Lance Hunter habe sich noch nicht entschieden, sagt er, ob er bei SHIELD bleiben will oder nicht. Glücklicherweise wissen wir mehr als er. Nick Blood, der Herrn Hunter Stimme und Körper leiht, rückt mit Episode 6 der zweiten Staffel von Agents of SHIELD in den Stammcast der Serie auf. Das heißt: Er taucht im Abspann vor den zahlreichen “Guest Starring” Credits auf.

Ich schreibe “Glücklicherweise”, weil diese Tatsache für uns Zuschauer fast nur Gutes bedeuten kann. Seit Blood und Hunter in der zweiten Staffel aufgetaucht sind, haben sie das SHIELD-Team nur bereichert, auch wenn ihnen die Autoren hauptsächlich einen Stapel One-Liner von wechselnder Qualität zugeschoben haben. Mit dem Auftauchen von Bobbi “Mockingbird” Morse auf der Bildfläche hat Hunter endlich eine würdige Gegenspielerin bekommen. Als Ex-Paar liefern die beiden diese Woche eine ziemlich gut funktionierende Mr. and Mrs. Smith-Nummer ab, die – mit Unterstützung von wohlplatzierten Schweigepausen durch Melinda May – für einige pointierte Momente sorgt.

Überhaupt funktionieren in “A Fractured House” so viele Dialoge und Szenen richtig gut, dass ich mir zum Ende der Folge hin fast ungläubig die Augen reiben wollte. Das Autoren-Duo Rafe Judkins/Lauren LeFranc, das auch für die exzellente Season-1-Folge “T.R.A.C.K.S.” verantwortlich zeichnete, und Regisseur-Veteran Ron Underwood (City Slickers, Tremors), der in den letzten zehn Jahren viel Fersnsehen gemacht hat, aber hier sein SHIELD-Debüt gibt, schaffen es tatsächlich, der Folge den Drive und Witz zu geben, den ich sonst so oft vermisse. Nicht nur im ungelenken Hin und Her zwischen Lance Hunter und Bobbi Morse, sondern auch in der exzellenten Parallelmontage der zwei Dialogszenen von Coulson und Skye mit den beiden Ward-Brüdern, in der sich im Sekundentakt die Vermutung verändert, wem man gerade vertrauen kann.

Kampf mit Charakter

Die Qualität hält bis zum Ende. Das belgische Safe House, das dem obligatorischen Schlussfight als Kulisse dient, sieht endlich mal nicht aus wie ein beliebiges Bürogebäude in Kalifornien und bietet Raum für einige Moves jenseits der Standard-Kicks und -Schläge. In der Szene zeigt sich außerdem, dass es hilft, einem Kampf Charakter zu geben. Entweder, indem man persönliche Waffen wie Mockingbirds Schlagstöcke und Scarlottis Nunchaku-Konstruktion einbaut, oder dadurch, dass man während des Kampfes etwas erzählt – zum Beispiel die vorsichtige Annäherung zweier zerstrittener Ex-Eheleute. Selbst die Kombi Schluss-Monolog/Montagesequenz wirkt diesmal gut, weil Christian Wards Worten über den Edelmut von SHIELD eine Doppelbödigkeit innewohnt, über die wir als Zuschauende Bescheid wissen, und die den Pathos der Szene gelungen untergräbt.

Das alles, zackiges Schreiben und sinnvolle Inszenierung, funktioniert – nur mal so – übrigens ohne erhöhtes Effekt-Budget und übermäßiges Action-Gedöns. Jetzt müssen nur noch Fitz und Mack auf die Art und Weise zueinanderfinden, wie es die Shipper ihnen bestimmt eh schon ewig und drei Tage nahelegen, und gemeinsam mit Marvels jüngst enthülltem 5-Jahres-Plan wären wir auf einem richtig guten Weg.

Beste Szene: (Coulson vs Christian Ward) vs (Skye vs Grant Ward)

Bester Dialogsatz: “Deception is her forte … I mean that sincerely, not passive-aggressively, as in: it’s a good attribute for a spy to … oh, bloody hell.” (Lance Hunter)

Note: 2+

Crosspost mit “Serien.Ninja”

Recap: Agents of SHIELD – Season 2, Episode 5 “A Hen in the Wolfhouse”

Als sich die frisch enttarnte Bobbi Morse (Adrianne Palicki) im SHIELD-Hauptquartier umsieht und auf ihren alten Kumpanen Alphonso “Mac” Mackenzie (Henry Simmons) trifft, entsteht ein wunderbarer Moment, der den gesamten Geist des Marvel-Universums zu enthalten scheint. Die beiden umarmen sich und das erste, was ihnen einfällt, ist irgendein schräger Insiderwitz, den keiner um sie herum versteht – außer warscheinlich Lance Hunter, der wenige Sekunden später den Raum betritt und seiner Ex-Frau gegenübersteht.

Der Moment erinnert an die brillante Szene in Edgar Wrights Shaun of the Dead, in der Shaun und seine kleine Zombie-Flüchtlingsfamilie in einer Schrebergartensiedlung auf eine andere Truppe treffen, die ebenfalls vor den Zombies flieht und fast exakt gleich besetzt ist. Als Zuschauendem wird einem in diesen Augenblicken bewusst, dass man mit den Erzählsträngen, denen man durch einen Films oder eine Serie folgt, immer nur einen winzigen Ausschnitt der Welt zu sehen bekommt, in der die Geschichte spielt. Bobbi, Mac, Hunter und die verstorbene Isabelle Hartley sind eine eingeschworene Truppe, genau wie Skye, Fitz-Simmons, Ward und May es waren, und ganz sicher haben sie im letzten Jahr eigene Abenteuer erlebt, die wir nie zu sehen bekommen werden. Das besondere des Universums-Gedankens, den Marvel vom Comic in Film und TV übertragen hat, ist, dass man stärker als je zuvor das Gefühl hat, diese Abenteuer seien tatsächlich passiert – weil man bereits so viele andere Geschichten erzählt bekommen hat, die im gleichen Universum spielen. Unterschiedliche Perspektiven auf gleiche Ereignisse sehen durfte. Völlig unabhängig von schwachen Drehbüchern, mauer Inszenierung und langweiligen Sets: das Universum selbst bleibt die größte Stärke des Marvel Cinematic Universe.

Der große Twist

Morses Enttarnung als Undercover-Agentin unter den Hydranten ist der große Twist der Folge, auf den auch der Titel “A Hen in the Wolf House” anspielt. Die Enthüllung kommt tatsächlich einigermaßen überraschend, weil Palickis Auftreten als eiskalte, Jackett tragende Nazibraut zuvor durchaus überzeugend anmutet. Verdacht hätte man schöpfen sollen, wenn man sich anschaut, wie behämmert Morses Fußtruppen im Vergleich aussehen, mit ihren Fahrradhelmen und Spritzschutz-Brillen, die sie absurderweise auch in geschlossenen Gebäuden tragen. Dem Comic-Paradigma, dass äußerst bedrohliche und unglaublich schurkische Vereinigungen sich immer dann, wenn es drauf ankommt, durch Inkompetenz und albernes Äußeres identifizieren lassen, kann man in Agents of SHIELD einfach nicht entkommen.

Das gleiche Prinzip gilt auch für die andere Schlüsselszene der Folge, in der wir Skyes Vater endlich besser kennenlernen. Er ist ein “Doc” der dubiosen Agententhriller-Spezies, die bevorzugt in schlecht beleuchteten und ganz sicher nicht sterilen Kellerräumen operieren, wo sie flüchtigen Kriminellen Schuss- und andere Kampfwunden verbinden. Kyle MacLachlan hält sich in dieser Szene nicht zurück, sondern zieht sämtliche Register des Grand Guignol diesseits eines schallenden Bösewicht-Lachens. Passenderweise fällt ausgerechnet (und ausschließlich) grünes Licht durch das kleine Fenster seiner OP-Kaschemme, das in genau jenem Moment die Hälfte seines Gesichts bescheint, als sich aus den Dialogen erschließt, dass “Doc” wohl eine Art Jeckyll-und-Hyde-Problem hat. Subtil ist das wahrlich nicht, aber es lässt jede Menge Raum für Spekulation. Kyle MacLachlan als eine Art Hulk? Wer möchte das nicht sehen? Ich hoffe natürlich heimlich, dass er sich bei Kontrollverlust in Agent Dale Cooper verwandelt.

Illegal Aliens

Wahrscheinlicher, soweit reicht sogar mein Marvel-Wissen inzwischen, ist aber wohl, dass der “Doc” irgendetwas mit Skrulls, Inhumans oder anderen Außerirdischen zu tun hat. Die haben auch farbige Haut und würden sowohl zur “kosmischen” Dimension des Marvel-Katalogs passen, die Guardians of the Galaxy gerade weit aufgerissen hat, als auch zu Coulsons Vermutung, Skye könnte Alien-DNS besitzen und habe deswegen anders auf das extraterrestrische GH-Serum reagiert als Coulson und Garrett. Wenn Skye dann am Ende der Folge noch feststellt, dass die Zeichnungen, die Coulson impulsiv anfertigt, eine außerirdische Karte sein könnten, scheinen sich langsam einige Puzzlestücke zusammenzufügen, die Großes für den Rest der Staffel erahnen lassen.

Die gesamte restliche Handlung der Folge rund um Raina, die sich zwischen drei Bedrohungen – durch Whitehall, durch Skyes Vater und durch SHIELD – entscheiden muss, fällt bei solch kosmischen Andeutungen fast ein bisschen unter den Tisch. Dennoch liefert Ruth Negga wieder einmal eine der überzeugendsten Performances ab und es wird spannend sein, zu sehen, wie es mit ihr weitergeht. Immerhin sorgt sie für genug Ablenkung, damit Skye sich auf eigene Faust aufmachen kann, um ihrem Vater gegenüberzutreten. Das weiß dieser zwar zu verhindern, aber der finale Moment, in dem die so hart gewordene Skye plötzlich doch unter all den merkwürdigen Gefühlen zusammenbricht und Coulson in die Arme fällt, ist ein selterner und schön gespielter Moment der Menschlichkeit in all den artifiziellen Comic-Kulissen, die die Serie ausmachen.

Beste Szene: Fitz und Simmons durchleben spiegelbildlich homoerotische Momente beim betrachten von Mac (“he certainly has an impressive physique”) bzw. Bobbi (“she’s amazing”).

Bester Dialogsatz: “I was a fat baby”, Lance Hunter, One-Liner-Kanone, beim Betrachten des cherubischen Jesuskindleins auf dem gestohlenen Bild

Note: 2

Crosspost mit “Serien.Ninja”

Recap: Agents of SHIELD – Season 2, Episode 4 “Face My Enemy”

Ming-Na Wen spielt in dieser Folge von Agents of SHIELD gleich drei Rollen. Da ist ihre reguläre Figur Melinda May, eine verschlossene SHIELD-Agentin mit unbestimmter Vergangenheit, die in Phil Coulsons Team für Arschtreterei zuständig ist. Dann gibt es “Heidi Martin”, eine Tarnidentität, die Agent May annimmt, um sich mit Coulson auf ein Charity-Event zu schleichen, wo sie ein mysteriöses Gemälde stehlen wollen. Und schließlich ist da “Melinda May”, die aber eigentlich Agent Q (Maya Stojan) mit Gesichtsmaske ist und sich Coulsons Vertrauen erschleichen will. (Den Konventionen des Spionagegenres im Film zufolge verändern Gesichtsmasken ja sofort auch den kompletten Körperbau des Trägers und werden somit auch von dem Schauspieler gespielt, den sie imitieren sollen.)

Wen gelingt es gut, die Unterschiede der drei Rollen herauszuarbeiten. Wenn sie als Heidi (Heidi!) Martin plötzlich zur Charme sprühenden Lächelmaschine wird, sind nicht nur die daheim gebliebenen restlichen Teammitglieder aus dem Häuschen über die Metamorphose der ansonsten finster blickenden, schmallippigen May. Und keiner kann mir erzählen, dass Coulson auf der gemeinsamen Reise mit Q-May nicht schon von Anfang an misstrauisch war – denn die falsche Melinda hat eine ganz andere Sprachmelodie und -farbe.

Grob behauene Felsbrocken

An Ming-Na Wen kann es also nicht liegen, dass die vierte Folge der zweiten Staffel, deren Titel ein Kalauer auf die eben erwähnte Gesichtsmaske ist, wieder mal arg holprig daher kommt. Auf jedes ernsthaft locker und natürlich wirkende Gespräch kommt mindestens ein weiteres, in dem die Expositions-Sätze wie massige, grob behauene Felsbrocken in die Szene poltern, um dann noch eine Weile unangenehm im Hintergrund liegen zu bleiben. Die Tanzszene zwischen May und Coulson etwa, in der die beiden zwischen Nostalgie und Raum-Auskundschaften hin- und herwechseln, ist zwar als Idee nicht neu, hätte aber in den richtigen Händen trotzdem amüsant werden können. Drehbuch (Drew Greenberg) und Inszenierung (Kevin Tancharoen) jedoch arbeiten geschickt zusammen, um die Situation so steril und plump wie möglich zu gestalten. Es ist zum Mäusemelken.

Ansonsten zeigt “Face Your Enemy” endgültig, dass Agents of SHIELD wohl wirklich danach trachtet, weniger eine Superhelden-Saga als so etwas wie “Joss Whedon’s X-Files” zu sein. Auf der einen Seite vertieft die Folge die Bedeutsamkeit der merkwürdigen Zeichen, die aus Coulson herausbrechen und die sich auch auf der Rückseite des schon erwähnten Gemäldes finden. Diese werden auch erstmals definitiv als “Alien Writing” benannt und könnten sowohl vom Look als auch vom Mystery-Faktor auch direkt aus Chris Carters Erfolgsserie herübergerettet worden sein. Andererseits ist der Whedon’sche “Team als Familie”-Gedanke schon lange nicht mehr so ausgestellt worden wie diese Woche. Papa und Mama sind auf geheimer Mission und die Kids stehen zu Hause und beobachten, ob alles gut geht. Übrigens eine der besseren Szenen der Folge, bis die imaginäre Simmons wieder explizit erklärt, worum es gerade gehen soll: “Fitz, go join them, they’re bonding.”

Satin-Unterkleider in Action

Höhepunkt des ganzen Tohuwabohus ist – wie so oft – ein Mano-a-mano Kampf von Melinda May, diesmal allerdings mit sich selbst, einmal im Abendkleid und einmal in einem hübschen Satin-Unterkleid mit interessantem Schnittmuster. Zumindest der finale “Sprung über den Tisch”-Move erhebt diese Prügelszene dann auch über vorhergehende. Parallel dazu im Bus: Fitz muss Lance Hunters völlig technik-unfähigen Hände “benutzen”, um eine Sabotageaktion aufzuhalten. Eine schöne Idee, die in der Charakterdynamik auch gut ausgespielt wird. Allerdings hätte ich von den Hydranten schon etwas bessere Technik erwartet, die sich nicht durch zwei Kabel-Umsteckungen aus dem Verkehr ziehen lässt.

Punkten können in dieser Folge schließlich auch die Gegenspieler. Adrian Pasdar spielt Glenn Talbot ebenfalls in doppelter Ausführung. Am Ende mit seiner üblichen angenervten Steifheit, zu der auch die indignierte Aussage passt, dass Coulson ja wohl schon bei dem Gedanken, dass ihn, Talbot, ein Gemälde interessieren könnte, hätte misstrauisch werden müssen. Und im Stinger ist schließlich Reed Diamond wieder als “Big Bad” Daniel Whitehall dabei, der echte Bedrohung ausstrahlt und in einem Nebensatz bestätigt, dass er anscheinend seit dem 2. Weltkrieg am Leben ist. Noch ein Mysterium, das es zu lösen gilt.

Beste Szene: Fitz und Hunter beim Kabelstecken.

Bester Dialogsatz: “Yo!” (Phil Coulson)

Note: 2

Meine Recaps erscheinen auch auf “Serien.Ninja”

Recap: Agents of SHIELD – Season 2, Episode 3 “Making Friends and Influencing People”

Der Hydra-Oberfiesling Dr. Whitehall bringt es auf den Punkt. “I believe in second chances”, sagt er, während er eine ehemalige SHIELD-Agentin im Clockwork-Orange-Stil mit aufgeklemmten Augen einer Gehirnwäsche-Prozedur aussetzt. Diese zweite Chance gebe ich Agents of SHIELD jede Woche, immer in der Hoffnung, dass die Serie noch die Kurve kriegt.

Mit “Making Friends and Influencing People” wurde ich anscheinend ein bisschen erhört. Einigermaßen ordentliche Dialoge und akzeptables Schauspiel ergänzten sich diese Woche recht gut mit einer etwas mutigeren Regie, die für einige stimmige Momente sorgte, wie man sie in dieser Form noch nicht häufig bei den Agents gesehen hatte. Angefangen mit der eben erwähnten Eröffnungsszene, über die großartige Montagesequenz, in der Jemma Simmons plötzlich in einer Sex and the City-Folge aufgewacht zu sein scheint, bis hin zu einigen Grinse-Augenblicken zwischen Skye, Lance Hunter und Melinda May schien die Serie plötzlich mal wieder begriffen zu haben, wo eigentlich ihre Stärken liegen.

Unter anderem sollte man sich dafür bei Elizabeth Henstridge bedanken, deren quirlige Präsenz in den letzten zwei Folgen, wo sie nur als Fitz’ Wahnvorstellung-im-Pullunder zu sehen war, wirklich gefehlt hatte. Henstridge gelingt es ganz gut in dieser Monster-of-the-Week-Folge, die als Vehikel dient, um ihren Undercover-Einsatz in den Reihen von Hydra einzuführen, eine Frau zu spielen, die eigentlich alles andere als geeignet ist, um hinter feindlichen Linien zu arbeiten, sich aber pflichtbewusst und trotzig ihrer Aufgabe stellt.

Mode für Hydranten

Dass Hydra von Oberschurke Whitehall abgesehen wie ein Haufen entweder trotteliger (wie Simmons’ Laborchef) oder farbloser (wie Whitehalls Sekundant Sunil Bakshi (Simon Kassianides)) Deppen wirkt, hilft Henstridge natürlich dabei, zu strahlen. Ohnehin muss man in Sachen Hydra in dieser Woche einige Comic-Kröten schlucken. Nur in einem Comic-Universum nämlich würde sich eine fiese (und, äh, immer noch im Untergrund arbeitende) Nazi-Bösewichter-Organisation ein Hauptquartier einrichten, in dem ihr Logo überall an der Wand prangt. Sogar eine eigene Kleidungskollektion für Mitglieder hat Hydra sich geleistet, damit ihre Hydranten (wie ich Hydra-Agenten ab sofort nennen werde – weil ich es kann!) auch durch das Fernrohr eines Scharfschützengewehrs an ihren Emblemen gut zu erkennen sind. Die wahrscheinlich beste Verbindung von Corporate Identity und Nazi-Fashion seit Abschaffung der SS-Ledermäntel.

Ordentliche Action und guten Spanungsaufbau hingegen sucht man bei Agents of SHIELD nach wie vor vergeblich. Im Showdown versuchen Hydra und SHIELD gleichzeitig, einen alten Bekannten aus der ersten Staffel, den Iceman-Abklatsch Donnie “Blizzard” Gill (aus Folge 1.12, “Seeds”) in ihr Team zu holen, was dazu führt, dass Gill letztendlich sterben muss. Das ganze findet auf einem angeblich im Hafen von Casablanca (Hahahaha, danke für diese hilfreiche Texteinblendung) liegenden Schiff statt und ist wie immer so langweilig, dass man noch während des Gähnens ein zweites Mal gähnen will.

Das Spionagespiel

Stimmung entwickelt die Serie eher im Verschieben von Allianzen, Freundschaften und anderen versteckten Agendas des Spionagespiels. Wenn Ward seinen ehemaligen Teamkollegen den Schlüssel zu Hydras Plänen mit Donnie Gill verrät, heißt das, dass man ihm generell vertrauen kann? Ist Simmons noch ganz sie selbst oder wird sie auch zum Hydranten umprogrammiert? Und dieser Lance Hunter, der ist doch auch nach wie vor ein unsicherer Faktor – auch wenn er kein Schotte ist, wie Skye feststellen muss.

Davon hätte ich bitte gerne mehr. Mehr Charaktermomente, mehr Gelegenheiten für die Schauspieler, miteiander zu spielen und dabei auch schöne Momente des Galgenhumors zu entwickeln. Und als Ergänzung mehr Regieentscheidungen, die über das Umschneiden von einem blaugrauen Raum in den nächsten hinausgehen. Das kann ja alles noch passieren. I believe in Second Chances. Marvel muss dafür nicht einmal mein Gehirn waschen.

Bester Moment: Jemma Simmons rockt den perfekten Lidstrich zu den Klängen von Catherine Iretons “God help the Girl”

Bester Dialog: “You don’t give the orders, Trainspotting” – “I’m not Scottish!” (Ist Skye eigentlich alt genug, um diese Anspielung selbst zu verstehen? Chloe Bennett jedenfalls war vier, als der Film ins Kino kam.)

Note: 2 –

Crosspost mit “Serien.Ninja”

Recap: Agents of SHIELD – Season 2, Episode 2 “Heavy is the Head”

Recaps verraten per Definition die gesamte Handlung der Episode. SPOILERWARNUNG.

Eine der Stärken der Marvel-Kinofilme ist, dass sie mit Iron Man von Anfang an den richtigen Ton getroffen haben. Nicht dunkel und brütend, wie Christopher Nolan den “erwachsenen” Superheldenfilm ein paar Jahre zuvor etabliert hatte, sondern abenteuerlustig und voller Humor, aber mit einem irgendwie moralischen Kern. Wie man das eben von Marvel seit den Sechzigern irgendwie gewöhnt ist, als Stan Lee vielen der heute bekanntesten Charaktere seine Stimme gab.

“Agents of SHIELD” versucht jede Woche das gleiche und scheitert. “Heavy is the head”, die zweite Folge der zweiten Staffel, ist leider keine Ausnhame. Es ist nicht das “Was” des Erzählens, das mir bereits dieses zweite Recap zur Strafarbeit werden lässt, es ist das “Wie”. Nachdem sie Serie schon in ihrem Auftakt letzte Woche einige Büchsen geöffnet hat – Obelisk, Talbots Verfolgungsjagd, Wards Gefangenschaft, Fitz’ Wahnvorstellungen und schließlich HYDRAs neuen Obermufti – kommen diese Woche noch ein paar mehr Dinge hinzu, die uns Zuschauer der nächsten Folge entgegenfiebern lassen sollten: Welche Rolle spielt Raina? Wie ist es um Coulsons Geist bestellt? Kann man auf Lance Hunter zählen? Und was steckt hinter dem Mysterium mit Skyes Vater?

Kyle MacLachlan FTW

Und doch will ich irgendwie höchstens mehr von Kyle MacLachlan sehen, der eben erwähnten Vater spielt und dessen schattenhaft-bedrohliches Auftreten eindeutig der Höhepunkt dieser Folge ist. Und nicht eine abgebrochene Motorrad-Verfolgung aus zwei Kameraperspektiven oder eine an Terminator II erinnernde Erstarrungsszene von Carl Creel in einer beliebigen Hotel-Lobby, in der eine Waffe benutzt wird, die wie in einem Toys R Us gekauft wirkt. Auch nicht eine mit dramatischer Musik unterlegte Szene, in der Coulson merkwürdige Zeichen in die Wand ritzt, übrigens. Mein einziger Gedanke war zu diesem Zeitpunkt nur noch: Ist das der Grund, dass er ständig solche Glückskekssprüche von sich gibt wie “I need people to do the wrong thing, but for the right reasons.”

“It’s like sometimes he’s the same old Fitz and sometimes … he’s not”, bemerkt Skye einmal sehr aufmerksam über ihren verwirrten Kollegen. (Einer von diversen Sätzen, mit denen Chloe Bennett einfachste thematische Punkte für ganz doofe Zuschauer noch einmal zusammenfassen darf, siehe auch “We all have changed”). Das gleiche Prinzip könnte auch für “Agents of SHIELD” gelten. Immer wieder sieht man der Serie an, dass sie sich dem Ideal des Marvel-Geists tatsächlich nähern könnte, doch nur wenige Momente später versinkt sie wieder in deklamatorischem Schauspiel, One-Linern aus der Witze-Vorhölle (“Why did you leave? Bad dental plan?”) und jenem allgemeinen Gefühl von Belanglosigkeit, das am Ende der ersten Staffel endlich überwunden schien.

Grundsatzfragen

Die Frage, wie klassisch comic-haft Bewegtbilder, die auf Comics basieren, sein sollten, ist ja eine grundsätzliche – und das Spektrum reicht eben von buntem Popart-Quatsch wie der 60er-Jahre-Batman-Serie bis zu pseudo-bedeutungsvollen Gesellschaftsparabeln wie The Dark Knight Rises. Im Laufe der Jahrzehnte haben Comics es endlich geschafft, sich einen gewissen Respekt zu erstreiten und der Welt zu beweisen, dass sie mehr sind als billiger Budenzauber zur Belustigung von Zehnjährigen. Nicht unbedingt Dostojewski, aber zumindest Unterhaltung mit einer gewissen Reflektiertheit. Die Marvel-Filme haben diesen Anspruch gehalten, aber “Agents of SHIELD” tut sich nach wie vor verflucht schwer damit. Und das kann doch nicht nur am Budget liegen.

Bester Moment: Kyle MacLachlan taucht Colonel-Kurtz-Style aus den Schatten auf.

Bester Dialog: “It worked” – “No, it let you live. There’s a difference.”

Note: 3-

Crosspost mit “Serien.Ninja”

Recap: Agents of SHIELD – Season 2, Episode 1 “Shadows”

Dieses Blog hatte von Anfang an auch die Aufgabe, mir die Möglichkeit zu geben, neue Formate auszuprobieren. Für diese Fernsehsaison möchte ich mich erstmals an wöchentlichen “Recaps” probieren – der launigen Besprechung von Fernsehserien, die von Seiten wie “TV without Pity” und “The A.V. Club” groß gemacht wurden. Ich habe mir als Partner die neu gestartete deutsche Seite “Serien.Ninja” ausgesucht, welche die Recaps neben meinem Blog veröffentlichen wird.

Als Anschauungsobjekt dient mir (natürlich) das Marvel Cinematic Universe, also die Serie “Agents of SHIELD”, die auf ABC läuft und in Deutschland auf iTunes erhältlich ist. Die Recaps spoilen übrigens absichtlich die komplette Folge und sind für den Danach-Konsum gedacht. Viel Spaß beim Lesen.

© ABC

“Agents of SHIELD” hatte im vergangenen Jahr keinen einfachen Start. Vielleicht waren die Erwartungen an eine Joss-Whedon-Serie im äußerst erfolgreichen Marvel-Universum zu hoch, vielleicht aber auch die Figuren und die Folgenplots ein wenig zu farblos. Mit ein bisschen Hilfe vom ungewöhnlichsten Kino/TV-Crossover neuerer Zeit – der Auflösung von SHIELD in Captain America: The Winter Soldier, die gleichzeitig und danach auch in der Serie spüren war – gelang es “Agents of SHIELD” aber, am Ende der letzten Staffel doch Lust auf mehr zu machen. ABC gab eine neue Staffel in Auftrag.

Eine Season 2 Premiere ist wie ein zweites Album. Die Showrunner Jed Whedon und Maurissa Tancharoen müssen auf dem Niveau weitermachen, auf dem sie aufgehört haben und dennoch zeigen, dass noch mehr geht. Entsprechend ist “Shadows”, so der Titel der ersten neuen SHIELD-Folge, voll bis zum Rand mit Charakteren, Schauwerten und Enthüllungen.

Als wir unsere Helden im Frühjahr zurückgelassen haben, hatten sie gerade entschieden, SHIELD aus den Trümmern – aber im Geheimen – neu aufzubauen, mit Phil Coulson (Clark Gregg) als Direktor. Dass seitdem etwas Zeit vergangen ist und Charaktere sich verändert haben, wird vor allem über die bewährte Methode des Frisurenwechsels kommuniziert. So trägt Hacker-Queen Skye (Chloe Bennett) jetzt Pony und sieht auch sonst ein bisschen mehr aus wie Katniss Everdeen – denn sie ist nicht länger das Küken sondern eine durchaus etwas erfahrene Kämpferin. Technikgenie Fitz (Iain De Caestecker), der im Finale der ersten Staffel schwer verletzt wurde, hat in der Zwischenzeit nicht nur an Haarlänge, sondern auch an Verstand verloren. Und Agent Ward (Brett Dalton), der sich zuletzt als fieser Hydra-Spion entpuppte, trägt inzwischen Bart – und angeblich ist er geläutert. Sagt er zumindest.

Die Premiere beginnt allerdings mit keinem dieser Charaktere, sondern mit einer Art Preview auf “Agent Carter”, die Miniserie die Marvel wahrscheinlich für den “Christmas Break” von SHIELD geplant hat. So wird gleich klar, dass wir uns in einem größeren Universum befinden – vielleicht denken wir sogar kurz darüber nach, dass diese Staffel wohl die Aufgabe haben wird, uns auf die Ereignisse in Avengers: Age of Ultron vorzubereiten, der im nächsten Mai die Kinoleinwände schmücken wird.

Infinity-Stein?

Es folgt ein vielschichtiger Plot, indem es vordergründig darum geht, einen Quinjet aus den einkassierten SHIELD-Beständen zu klauen. Eigentlich aber werden vor allem dutzende neue Charaktere und ein erster MacGuffin eingeführt. Der “Obelisk” lässt den, der ihn berührt nicht mehr los und beginnt dann langsam, ihn zu töten. Das wird doch wohl kein neuer Infinity-Stein sein? Dafür ist SHIELD eigentlich zu weit unten im Prioritäten-Regal.

Die neuen Gesichter sollte man vielleicht einmal zusammenfassen: Isabelle Hartley (Gaststar “Xena” Lucy Lawless – ist sie wirklich tot am Ende der Folge?) und ihre Söldner Lance Hunter (Nick Blood, bekannt aus der Selbsthilfegruppe “Mein echter Name klingt mehr nach Comic, als die Figur, die ich spiele”) und Idaho (Wilmer Calderon, ebenfalls “tot”) helfen den bekannten SHIELDs so gut sie können. Dagegen steht Bösewicht Carl “Crusher” Creel (Brian Patrick Wade), der die Fähigkeit hat, seine Haut in Substanzen zu verwandeln, die er berührt. Comic-Fans erkennen den “Absorbing Man” (für alle, die im Chemieunterricht nicht aufgepasst haben: nicht zu verwechseln mit dem “Adsorbing Man”, bei dem sich die Substanzen nur an der Oberfläche anreichern würden). Und ein HYDRA-Nazi der Kategorie Heinrich Himmler (grausam und kalkulierend, aber gebildet mit Brille), den das Internet bereits als Daniel Whitehall identifiziert hat und der merkwürdigerweise seit seinem Zusammenstoß mit Peggy Carter nicht gealtert ist.

Alte Bekannte, die als Gaststars ebenfalls auftauchen: Brigadegeneral Glenn Talbot (Adrian Pasdar), der die konfiszierten SHIELD-Materialien verwaltet und hoffentlich mit seiner Offiziösität noch für einigen Comic Relief sorgen wird. Patton Oswalt als Billy Koenig, der fröhlichste Gadget-Presenter seit Q. Und B. J. Britt als Agent Triplett, von dem man eigentlich erwartet hätte, dass er in den Hauptcast aufsteigt, vor allem, da die Romanze mit Skye und das resultierende Liebesdreieck mit dem immer noch verführerischen Ward sich schon anbahnt.

Das Ende des Phlegmatismus

“Shadows” ist hauptsächlich damit beschäftigt, alle Anwesenden wieder auf Kurs zu bringen, was rund 40 Minuten lang auch gut funktioniert. Der Phlegmatismus der ersten Staffel scheint beseitigt, es passiert ständig was und die Hauptfiguren befinden sich spürbar in echter Gefahr. Clark Gregg, der als Mann der Tat immer ein wenig fehl am Platz wirkte, fügt sich wunderbar in seine neue Rolle als SHIELD-Chef ein, den fast ein Hauch von Jean-Luc Picard umweht. Und sind nicht auch die Effekte ein kleines bisschen besser geworden? Jedenfalls kann man wohl problemlos davon ausgehen, dass uns eine gute Staffel bevorsteht.

Ein bisschen viel wirkte für mein Verständnis dafür die cliffhangerige Enthüllung, dass Fitz seine Partnerin nur halluziniert. Da hätte man doch ruhig noch ein paar Folgen mit den Zuschauern spielen können. Mit ähnlich breitem Pinsel gemalt: Die pathetische “Rede-über-einer-Montage” im Jeff-Winger-Stil von Coulson am Schluss. Aber vielleicht muss das Publikum auch noch einmal daran erinnern, wer die Guten sind und wofür sie stehen. Noch sind wir schließlich nicht bei Netflix, das kommt erst nächstes Jahr mit “Daredevil”.

Bester Moment: John Creel verwandelt sich in Straße und lässt dadurch einen von Chevrolet gesponserten SUV durch die Luft segeln.

Bester Dialogsatz: “John Garrett, isn’t that your mate who went to the dark side?” knapp gefolgt von “I’ll have you so deep in horse manure, you’ll need a damn snorkel!”

Note: 2+

Crosspost mit Serien.Ninja

Kreative Archäologie: Der Comic zu The Star Wars

Der Brontosaurus hat nie gelebt. Er war eine Erfindung des Archäologen O. C. Marsh, der ein unvollständiges Fossil eines Apatosaurus mit einem anderen Kopf ergänzte, um es ausstellen zu können. Damals, Ende des 19. Jahrhunderts, fochten einige besonders ehrgeizige Archäologen untereinander gerade die sogenannten Bone Wars aus. Sie machten solche Akte kreativer Archäologie manchmal notwendig.

Nicht nur die “Bone Wars”, auch die Star Wars haben jüngst einen solchen kreativ-archäologischen Akt hervorgerbacht. Grundlage dafür sind die Prototypen der Star Wars Saga in Form von Lucas’ frühen Drehbüchern und Story-Umrissen aus den Jahren 1973 und 1974. Lucas hat nie damit hinter dem Berg gehalten, dass eine Version von Star Wars existierte, in der ein Charakter Starkiller heißt, Han Solo ein grünes Alien ist und der Slogan noch “May the Force of Others be with you” hieß. Genau aus dieser Version, dem Rough Draft “The Star Wars” vom Mai 1974, hat Dark Horse Comics seit Herbst letzten Jahres eine Comicserie gemacht, die im Sommer auch als gesammeltes Paperback erschienen ist. (Ganz im Stil des neuen Trends, Filme und Serien in Comics fortzusetzen, siehe Buffy oder Fight Club.)

Das Ergebnis dieses Experiments ist ein Faszinosum an kreativer Archäologie. Lucas’ Drehbuchentwurf bleibt intakt und erlaubt so das “Studium” der Evolution von Star Wars, doch die Aufbereitung als Comic sorgt dafür, dass dieses Studium eine unterhaltsame SF-Achterbahnfahrt ist. Außerdem schafft sie durch die Art und Weise, wie die Macher (Star Wars-Chefhistoriker J. W. Rinzler und Grafiker Mike Mayhew) den Text visuell interpretiert haben, eine neue interessante Metaebene.

Der “Rough Draft” ist, wie gesagt, schon länger in der Welt, daher erspare ich mir hier sowohl eine Zusammenfassung als auch eine längere Analyse des Textes und seiner zeitgenössischen Inspirationen. Aus heutiger Zeit ist im Rückblick sicher vor allem interessant, dass Lucas die Erschaffung der Prequels anscheinend als Gelegenheit gesehen hat, ungenutzte Ideen aus seinen Prototypen abzustauben und wiederzuverwerten. In The Star Wars fällt, besonders am Anfang, die starke politisch-bürokratische Dimension von Lucas’ SF auf, die ja auch in den Prequels eine (leider schwerfällig umgesetzte) wichtige Rolle spielt. Bei der Eroberung der Galaxie geht es genau so sehr um Ressourcen, Budgets und Legitimation, wie um Abenteuer und Erforschung fremder Welten.

Ebenso bemerkenswert ist, dass Lucas anscheinend schon 1974 eine schrecklich minnesängerische Vorstellung von romantischer Liebe hatte. Liebe entsteht in Lucas’ Star Wars Universum nicht durch erotische Spannung, gemeinsame Interessen oder gar banale Attraktivität, sondern durch Deklamation. Episode II lässt grüßen.

Die visuelle Interpretation dieser frühen Träumereien von Lucas muss eine spannende Aufgabe gewesen sein. Es ging ja weniger darum, eine eigene Bildsprache zu entwickeln, sondern vielmehr jenes freakige Paralleluniversum ausfindig zu machen, in dem eben nicht Star Wars verfilmt wurde, sondern The Star Wars. Grafiker Mike Mayhew erklärt im Interview mit “Bleeding Cool”, dass es ihm vor allem darum ging, sich in den jungen George Lucas hineinzuversetzen: “Maintaining the integrity of George’s purest and wildest ideas for what would become STAR WARS is paramount”.

Als Ausgangsmaterial zog das Team nicht nur die SF der Zeit – Filme wie Zardoz, Bilder von Künstlern wie Roger Dean, die galaktischen Comics von Jack Kirby – heran, sondern griff vor allem auch die vielen visuellen Alter Egos der Star Wars Saga wieder auf, die ja in Form von Konzeptzeichnungen noch in den Lucasfilm-Archiven existieren und an denen sich auch J. J. Abrams derzeit für Episode VII wieder bedient. Im Interview mit “Newsarama” beschreibt Rinzler den Prozess:

What Mike Mayhew, Randy Stradley and I did was pore over the different designs and go back-and-forth with each other on what would work for each character. I know a lot of the artwork pretty well from doing the Making Of books, and I could point to certain things, like an off-hand McQuarrie sketch, and say it might work for such and such.

Dank der Fülle an Material blieb nur wenig, was aus dem Nichts erschaffen werden musste. Und schließlich gab es als Inspirationsquelle ja auch noch die Prequels, in denen sich wie erwähnt einige Echos des Drafts finden. Und so sieht der Palast auf Aquilae sicherlich nicht nur zufällig ein bisschen aus wie der Palast auf Naboo und auch einige Sternenschiff-Designs könnten verworfene Ideen aus The Phantom Menace sein.

Das Experiment ist gelungen. Es muss auf unfassbar nerdige Weise Spaß gemacht haben, sich ein alternatives Star Wars-Universum aus so disparaten Teilen zusammenzukleben – auch wenn Lucas’ erster Draft dem Film, der tatsächlich entstand, deutlich unterlegen ist. Das Ergebnis unterhält folglich auch vor allem auf einer Metaebene für Fans – das aber richtig gut. Im Gegensatz zum Brontosaurus reicht das hier ja auch.

Was rettet die Filmzeitschrift? – E-Mail an “epd film”

Mit “epd Film” verbindet mich inzwischen eine achtjährige persönliche Geschichte. Im Frühjahr 2006 habe ich in der Redaktion in Frankfurt ein Praktikum gemacht, knapp einen Monat nachdem sie meinen ersten Artikel veröffentlicht hatten. Ich habe mich dort wirklich wohl gefühlt und wurde wohl nicht zuletzt deshalb ein Jahr später gebeten, einen Monat als Aushilfe dort zu arbeiten. Seitdem ist “epd film” als Autor meine Brücke in die Welt des traditionellen Filmjournalismus geblieben, weil sie netterweise immer noch drei bis viermal pro Jahr Artikel von mir veröffentlichen. Meistens geht es darin um meine Lieblings-Erklärbärthemen wie 3D, Streaming und andere Film-Technik-Schnittstellen, aber sie haben mich auch schon bei ambitionierteren Projekten wie einer Untersuchung von Reboot-Kultur und filmischem Storytelling in Themenpark-Rides unterstützt.

Ich bin also alles andere als ein objektiver Beobachter der Zeitschrift, die mit dem aktuellen Heft nach mehreren Jahren mal wieder ihr komplettes Look and Feel verändert hat. Aber ein echter Insider bin ich auch nicht. Ich wusste, dass der Relaunch in den Startlöchern stand, aber ich hatte – bis ich gestern das Heft in der Hand hielt – keine Ahnung, wie er aussehen würde. Ich denke, das Ergebnis kann man äußerlich als “behutsame Modernisierung” bezeichnen. Das Titelseiten-Layout ist deutlich zeitgemäßer und sollte an den Kiosks wieder mehr Aufmerksamkeit auf sich ziehen als die etwas biedere Kadrierung der alten Hefte. Das frische Blau, das Logo, die neuen Fonts, sie alle stehen für einen Zeitenwechsel auch für das, was man eigentlich mit Begriffen wie “Kultur” oder “Feuilleton” asoziieren will. “epd film” war nie intellektuelle Avantgarde, nicht “Schnitt” (†), “Cargo” oder “Revolver”, sondern immer dezidiert Publikumszeitschrift mit gehobenem Anspruch. Schon irgendwie entschieden “Middlebrow”, aber zum Glück nie ohne eine gewisse Stacheligkeit – zumindest meistens. Mit dem neuen Layout rückt sie noch etwas näher an das meiner Ansicht nach passende Vorbild “Sight and Sound” heran.

Im vergangenen Juni habe ich Sabine Horst in der Redaktion eine Mail geschrieben mit meinen Ideen für den Relaunch. Mein Plan war schon damals, die Mail später wieder hevorzukramen und zu schauen, welche Vorschläge Gehör gefunden haben – wobei ich keinesfalls andeuten will, dass die Dinge, die geschehen sind, nur auf meine Anregung hin entstanden. Die Mail war mehr so eine Bestandsaufnahme des “Wenn ich heute eine Filmzeitschrift machen würde” und ich hoffe, dass sie auch jetzt als eine Diskussionsgrundlage dafür angesehen wird.

Liebe Sabine,

als wir das letzte Mal telefoniert haben, hast du gesagt, dass ihr gerade noch in den Planungen für den Relaunch seid und “wenn du noch Ideen hast, immer her damit”. Das hat mich nicht losgelassen, und ich habe viel darauf rumgedacht in den letzten Wochen. Und irgendwann habe ich mich auch mal hingesetzt und mir Notizen gemacht. Und die wollte ich dir jetzt noch schicken, auch wen es wahrscheinlich schon zu spät ist. Nur meine 2 cents.

1. Formen

Ich würde mir wünschen, dass epd Film noch öfter mit Formen experimentiert. Manchmal macht ihr das ja schon und ich freue mich jedes Mal. Aber da geht noch mehr. Sowas kann man doch auch als feste Rubriken einführen, z. B. “die andere Kritik” oder so. Hier kann man sich vom Internet wunderbar inspirieren lassen.

Beispiele:
– Daten in anregenden Grafiken aufbereiten, z. B. das Kinojahr oder auch mal etwas ungewöhnliches wie “Farbverteilungen in Filmen von 1930 bis 2013” (sowas hat die Filmwissenschaftlerin Barbara Flückiger vor kurzem gemacht, sieht toll aus)
Kritiken im Dialog – wie in Podcasts oder der YouTube-Sendung “Short Cuts“. Eine Kritik wird interessanter, wenn man mehr als einen Blickwinkel darauf bekommt. Nicht Pro und Contra, einfach ein Dialog von zwei Leuten, die den Film gesehen haben
– “Oral history” – ein Format, das ich in letzter Zeit häufig gesehen habe. Ein Ereignis in den Worten der Betroffenen erzählt, zusammengesetzt aus Interviewschnipseln.
– Neue Interviewformen, z. B. in Bildern oder in “Fünf Filme, die mich geprägt haben” etc. Ist fast schon ein alter Hut, funktioniert aber immer wieder.

Ich wurde ein bisschen erhört. Die neue “epd film” hat in ihrem Einleitungsteil (der jetzt “Foyer” heißt) jetzt immerhin einen “Listicle” zu einem aktuellen Thema (dieses Mal, schräge Wahl: “Die relaxtesten Roadmovies”), einen kurzen Fragebogen (“E-Mail an Christoph Maria Herbst”) und es gibt einen Film, der ausführlicher besprochen und analysiert wird als die anderen. Ein Anfang. Aber mal im Ernst: Das ist es doch, wie man Filmkritik interessant und frisch halten kann. Wer das – und vieles andere – übrigens sehr genial macht ist die britische Zeitschrift “Little White Lies”, über die Filmfans regelmäßig ins Schwärmen geraten.

2. Optik

Hier habt ihr schon viel mit dem letzten Relaunch gemacht und es entstehen immer wieder tolle Leiter. Aber da geht noch mehr. Dicke Fotos, damit können Printmagazine doch punkten. Wie wäre es mit einer Fotostrecke, nur mit großformatigen Bildern aus Cannes? Oder ein riesiges Schaubild von einem Filmset, wo dann die einzelnen Personen mit Pfeilen erklärt werden. oder oder.

Wie geschrieben, da ist schon viel passiert, und die neuen Ideen für den Titel tragen ihren Teil dazu bei, dass “epd film” sich einigermaßen zeitgemäß anfühlt. Aber ich glaube, auch hier könnte man noch wesentlich mehr machen ohne traditionelle Leser zu verschrecken. Andere erfolgreiche Magazine wie “brand eins” machen es vor.

3. Meinungen und Persönlichkeiten

Ihr habt ja schon einige Kritiker und Autoren, die man “erkennt”. Und immer mal wieder kommt da auch ein gewisses Expertentum raus. Aber ich würde mir doch mindestens eine Stelle im Heft wünschen, wo jenseits von normalen, relativ ausbalancierten Filmkritiken mal eine steile Meinung zu lesen ist, an der man sich so richtig reiben kann. Jemand, der sich traut einen Rundumschlag über einen aktuellen Trend oder eine Entwicklung in der Branche oder ein Ereignis auf einem Festival zu schreiben und pointiert zu kommentieren. Sowas schafft Kontroverse und damit Leserbeteiligung (auch online?). Selbst epd medien leistet sich das “Tagebuch”, ich finde ihr braucht sowas auch.

Aber auch sonst wäre ich dafür, öfter mal Autoren zu holen, die für mehr stehen als “seit 30 Jahren FilmkritikerIn”. Sowas wie die Gatsby-Geschichte im letzten Heft. Mehr davon, das steht euch gut! Ihr seid ein Ort, wo Meinungsvielfalt einen Platz hat!

Ich wurde doppelt erhört. Im “Foyer” gibt es jetzt die Rubrik “Die steile These”. Die erste These, verfasst von Sabine Horst, lautet “Biopics sind überflüssig”. Mal schauen, wie zahm oder bissig diese Rubrik sich noch entwickeln wird. Außerdem hat Wladimir Kaminer jetzt eine Kolumne, “Kaminers Kino”, in der er über Kinoerfahrungen aus dem Alltag philosophieren darf. Für das Middlebrow-Publikum ein guter Wurf, finde ich. Das sind echt zwei Scheiben, die sich gerade Magazine noch stärker von Blogs abschneiden könnten, Antje Schrupp hat gerade erst wieder pointiert aufgeschrieben, warum.

4. Journalismus und Recherche

Mir ist klar, dass Filmjournalismus im Grunde ein Feuilleton-Thema ist. Kritik und Textanalyse. Aber ab und zu finde ich, ihr könntet es euch leisten, ECHTEN Journalismus zu betreiben. Mal eine aufwändige Recherche in Auftrag zu geben, die vielleicht Arbeit kostet und entsprechend entlohnt werden muss, aber wo am Ende mal wirklich was bei rauskommt, was sonst niemand hat! Nicht nur das enzyklopädische Wissen von Georg Seeßlen auf drei Seiten ausbreiten (so interessant es ist), sondern eine echte Geschichte mit Protagonisten und Konflikten. Ist ja nicht so, dass in der deutschen Filmlandschaft nichts passiert. Hier nur mal ein Beispiel für etwas, was ich meinen könnte, aus dem “New York Times Magazine”: “Here is what happens, when you cast Lindsay Lohan in your Movie”.

Dieser Vorschlag wurde leider noch nicht umgesetzt. Und sicherlich ist Geld dabei ein entscheidender Faktor. Aber wäre es nicht cool, wenn für sowas mehr Ressourcen da wären? Dass mal so richtig gute Recherchestücke aus dem Filmmilieu entstehen könnten? Und nicht nur so ein Schwachfug wie das “Zeit”-Dossier zu Cloud Atlas?

5. Haltung

Ich denke, darin seid ihr alles in allem auch schon sehr gut. Aber ich finde man kann das im Zeitalter von Markenidentifikation etc. nicht genug betonen. Es sollte mit jedem Artikel und mit jeder Seite klar sein, wofür “epd film” steht: Unabhängigkeit, Vielfalt, Anspruch und Spaß am Film. Das klingt zwar irgendwie lahm, aber eigentlich will ich vorher schon wissen, was mich erwartet, wenn eine neue “epd Film” kommt: Ein frischer Blick auf die Welt des Films, anspruchsvoller als die Hochglanzmagazine, aber nicht so abgehoben wie die Pseudo-Wissenschaftler, die anderswo schreiben. Interessant aufbereitet, am Puls der Zeit. Nur die Themen weiß ich noch nicht – aber ich weiß, dass sie interessant sein werden.

Noch was, was ich aus dem Bloggen abgeleitet habe, ehrlich gesagt. Ich hoffe, dass “epd Film” da auch in Zukunft ein starkes Rückgrat beweist. In der Vergangenheit fand ich, dass es stärkere und schwächere Hefte gab, aber so ist das nunmal im Leben. Auf der neuen Website gibt es jetzt immerhin ein Blog von Gerhard Midding – ich habe es allerdings noch nicht gelesen, auch deswegen, weil man es nicht als Feed abonnieren kann, womit seine Sinnhaftigkeit wieder in Frage steht!. Als App gibt es “epd Film” jetzt auch. Da ich seit ein paar Monaten Besitzer eines Tablets bin, werde ich das auch mal ausprobieren.

Ich kann “epd film” für Filmfans nach wie vor empfehlen. Aber Filmzeitschriften haben trotzdem noch einen langen Weg vor sich!

Movie Genome Project: Assoziationen zu The Grand Budapest Hotel

© 20th Century Fox

Wes Andersons Neuer, The Grand Budapest Hotel, der Eröffnungsfilm der diesjährigen Berlinale, ist großartig. Ein 100-minütige Achterbahnfahrt von einem Film – spannend, komisch, absurd und überschäumend vor Ideen. Dieser Ideenreichtum, die Detailverliebtheit und die immense Einbeziehung von (pop-)kulturellen Bezügen war schon immer eine Stärke von Wes Anderson und in seinem zweiten nicht in der Gegenwart angesiedelten Film (nach Moonrise Kingdom), der zum größten Teil in einer Wolkenkuckucks-Version von Mittel-Osteuropa in den 30ern spielt, kommt sie voll zur Geltung.

Neben den Werken von Stefan Zweig, die Anderson als Inspiration in den Credits des Films klar benennt – und anderen Werken von Hannah Arendt und Irène Nemirovsky, denen er in Interviews Tribut gezollt hat, trägt The Grand Budapest Hotel eine Legion von Einflüssen in seiner DNA mit sich herum. In diesem Posting möchte ich versuchen, möglichst viele von ihnen aus meiner eigenen Wahrnehmung und der anderer Kritiker zu sammeln (denn kaum eine Kritik des Films kommt ohne einen Hinweis auf eine Referenz aus, welche die Kritikerin zu erkennen geglaubt hat) und so eine Art “Genom” des Films generieren.

Grand Hotel (1932)

Ein großer MGM-Klassiker über die Begegnungen der Reichen und nicht ganz so Reichen in einem europäischen Hotelpalast der Zeit, deutscher Titel: Menschen im Hotel. Neben dem Titel, dem Setting und dem Entstehungsjahr, was auch das Handlungsjahr von Andersons Film ist, ist auch Grand Hotel – ähnlich wie sein Budapester Cousin – eine veritable Star-Parade mit John und Lionel Barrymore, Joan Crawford, Wallace Beery, Jean Hersholt und vielleicht der definitiven Performance von Greta Garbo (“I vant to be alone …”).

Lubitsch, Ernst

Viele Kritiker erwähnen den Bezug zu den perfekt durchgetakteten Komödien des Berliner Regisseurs, nicht zuletzt The Shop around the Corner, der in Budapest spielt, und To Be or Not to Be, in dem ebenfalls Nazis düpiert werden.

“Der Zauberberg” (Thomas Mann, 1924)

“Man denkt fast unwillkürlich an Thomas Manns Zauberberg, wenn sich – lange nach Schließung des Hotels – ein Schriftsteller (Tom Wilkinson) an ein abendliches Gespräch mit dem ehemaligem Inhaber Zéro (F. Murray Abraham) erinnert (den jüngeren Autor spielt Jude Law), welcher wiederum von seinem jüngeren Ich und den abenteuerlichen Jahren kurz vor Kriegsbeginn erzählt.” (Nino Klingler auf “critic.de”)

Chapman, Graham

Joseph Fiennes’ Charakter M. Gustave parliert in perfektem “Candy Ass” English mit höchstem Etikette-Grad und rezitiert mit Vorliebe romantische Poesie – außer wenn er sich ärgert und nebenbei diverse F-, S- und sonstige Bomben in seine Repliken einflicht. Es fällt schwer hier kein Echo der Monty-Python-Charaktere von Graham Chapman zu sehen, in denen auch häufig englische Stiff-upper-Lip-Noblesse auf krachende Gewalt und Pöbelei traf.

Inglourious Basterds (2009)

Wie Anderson drehte auch Quentin Tarantino sein Alternativ-Historien-Magnum Opus zu großen Teilen in Deutschland und rekrutierte für die Nebenrollen einige deutsche Schauspieler. The Grand Budapest Hotel enthält deswegen auf gleiche Weise zahlreiche Blinzle-und-du-verpasst-sie-Auftritte von deutschen Mimen. War das eben wirklich Florian Lukas? (auch Tim Lindemann stellt den Bezug her)

Charade (1963) und andere Euro-Thriller der 60er

The Grand Budapest Hotel spielt in dem kleinen europäischen Land Zubrowka. Dessen Einwohner sprechen britisches oder amerikanisches Englisch, deutsch oder Französisch, ohne jede Erklärung dahinter außer der Herkunft des jeweiligen Schauspielers. Auch die Namen von Orten und Figuren sind eine wahllose Mischung aus den drei großen westeuropäischen Sprachen. Spontan musste ich an die opulenten US-europäischen Koproduktionen der Post-Studio-Ära denken, in denen sich Schauspieler aus den verschiedenen Filmnationen auf ähnliche Art die Klinke in die Hand gaben und einander jederzeit perfekt verstanden. (Justin Chang erwähnt in “Variety” ebenfalls die “transcontinental intrigue of ‘Murder on the Orient Express’ and ‘The Lady Vanishes’ und den “deliberate Europudding effect” der Akzente).

Zeman, Karel

Der tschechische Filmemacher, eine Art osteuropäischer Ray Harryhausen, realisierte in den 50er und 60er Jahren eine Reihe von fantastischen Filmen, in denen er Realaufnahmen von Schauspielern mit deutlich als handgemacht zu identifizierendem Trickmaterial für Sets und Hintergründe kombinierte. Besonders in der Eröffnungs-Tricksequenz von TGPH scheint Zemans Geist über der Szenerie zu schweben.

Warner Bros. Horrorfilme der 30er

Die gesamte Gang der “Desgoffes und Taxis”, von Tilda Swintons schnell versterbender Matriarchin bis zu Willem Dafoes kaltblütigem Katzenkiller, könnten im Grunde direkt einem James-Whale-Film entstiegen sein, besonders was ihre Frisuren angeht.

© 20th Century Fox

Freud, Sigmund

Jeff Goldblums Bart. (aus dem Presseheft)

Bond, James

Ausgemacht von Dirk Knipphals in der “taz”. Vielleicht hat ihn die Ski-Verfolgungsjagd an On Her Majesty’s Secret Service (1967) erinnert. Obwohl Karl Gaulhofer darin eher ein Zitat von Vertigo (1958) erkennt.

Tystnaden (1963), The Sound of Music (1965) und The Shining (1980)

Jeder sieht, was er sehen möchte. Tim Lindemann erkennt in der Idee vom verlassenen Hotel Gemeinsamkeiten mit Ingmar Bergmans Film. Tim Robey vom “Telegraph” erkennt die Referenz an Kubrick vor allem in einer Fellatioszene und ich musste – vor allem wegen der Zuckergussenen Farben doch an das Musical denken, in dem auch ein großes, schickes Haus in den Bergen plötzlich von Nazis besetzt und zum Offizierskasino umfunktioniert wird – mit Fahnen und allem.

Weitere DNA-Stränge gerne in die Kommentare!

Danke an Björn für den Namen “Movie Genome Project” und an den Kritikerspiegel von “film-zeit.de”.